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Einheit der Materie... könnte man vielleicht mit der buddhistischen Weisheit verbinden: Es ist alles eins, alles hängt zusammen. Vernetztes Denken sollte aus meiner Sicht eher gefördert als untersagt sein...
Was mich bezüglich Reform-Unfähigkeit eher stört, ist, dass Volksabstimmungen nur ja oder nein zulassen. Es ist keine Lösung, nein zu sagen zu Steuern, nein zu ökologischen Fragen... Gemäss Problemlösungszyklus muss man sich zuerst über das Problem einig sein und ein Systemverständnis entwickeln. Darauf basierend kann man - können die verschiedenen Parteien - verschiedene Lösungsvorschläge entwickeln und zur Wahl stellen. Man kann Probleme mit einem nein ignorieren, aber kaum lösen. Bei politischen Entscheiden sollten Lösungen einander gegenübergestellt werden - aber die Option nein sollte ausgeschlossen sein.

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Ist es nicht bei jedem Gesetz so, dass man es aus unterschiedlichen Gründen ablehnen kann? Den einen geht es zu weit, den anderen zu wenig weit.
Wenn das Parlament aber einen solchen Deal schnürt, potenziert sich das Problem jedoch. Selber schuld, wenn das Projekt dann an der Urne scheitert und es letztlich zum besagten Reformstau kommt.
Viel problematischer finde ich, wenn Parteien Initiativen ergreifen, die sich nicht umsetzen lassen, weil sie gegen übergeordnetes Recht oder die BV verstossen. Wenn das Parlament da nicht den Mut hat, einen solchen Vorstoss für ungültig zu erklären, macht es sich zum Spielball partikulärer politischer Interessen.

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Ein Gesetz abzulehnen, weil es zu wenig weit geht ist in jedem Fall ein taktischer Fehler. Wenn das Gesetz abgelehnt wird ist man ja noch weiter vom persönlichen Ziel entfernt welches man mit dem zu schwachen Gesetz wohl nicht ganz erreicht hätte, aber immerhin wäre es in die richtige Richtung gegangen. Eine direkt folgende Forderung nach einer Verschärfung des angenommenen Gesetzes hat in jedem Fall bessere Chancen zum gewünschten Ergebnis zu führen, als eine erneute, verschärfte Forderung wie die gerade abgelehnte Forderung ausgehend vom status quo. Leider lassen sich viele Stimmbürger durch die Angst vor einer nicht ganz perfekten Lösung, die dann für alle Zeit in Stein gemeisselt wäre, von der "besser als nichts" Überlegung abbringen.

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(durch User zurückgezogen)

Proffesor Griffel schreibt die Einheit der Materie, die in der Verfassung geregelt ist, sei verletzt worde. Ich habe mir die Verfassung nochmals kurz abgeschaut. BV Art. 139 Abs. 3 schreibt, dass Initiativen für ungültig erklärt werden müssen, wenn sie die Einheit der Materie verletzen. Das zwiete Mal kommt der Begriff vor in BV Art. 194 Abs. 2, welcher festschreibt, dass die Einheit der Materie bei Teilrevisionen der Bundesverfassung gegeben sein muss. Es steht aber nirgends, dass dies auch für Gesetze gilt. Die Einheit der Materie ist zwar beim STAFA verletzt, die BV schreibt aber auch nicht vor, dass sie nicht verletzt werden darf. Bei der Bundesverfassung ist die Einheit der Materie relevant, weil sie die Grundsätze darstellt. Das Parlament leitet daraus die Gesetze ab und setzt sie nach seinem Gusto um.

Dem Parlament muss es möglich sein Kompromisse zu schmieden. Und soweit ich weiss, ist diese Vorlage nicht die erste, bei der die Einheit der Materie (legal) verletzt wurde. So konnten wir beispielsweise bei den Bilateralen Verträgen auch nur über das Gesamtpaket abstimmen und nicht über jeden einzelnen Vertrag.

Wenn Kompromisse innerhalb einer Materie schwierig sind, was spricht dann dagegen, Kompromisse über Materien hinweg zu tun? Das eine Paket nützt den Unternehmen durch Anpassungen bei den Unternehmenssteuern, das andere erhöht ihre Sozialbeiträge für die AHV um 0.15%-Punkte.

Mich würde nun aber doch noch interessieren, wo in der BV Alain Griffel die Einheit der Materie auf Gesetzesebene gefunden hat. Ich konnte sie nirgendens finden, ich bin aber auch kein Jurist (nur Politikwissenschafter) und lerne gerne dazu, dann aber bitte mit Belegen (Artikel und Absatz).

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Um die von Ihnen im letzten Absatz gestellte Frage zu beantworten: Prof. Griffel hat in der BV nirgends eine Bestimmung gefunden, welche die Einheit der Materie im Hinblick auf Gesetzesreferenda explizit vorschreibt, da eine solche Bestimmung nicht existiert. Nun ist das geschriebene Recht jedoch nicht die einzige Rechtsquelle im schweizerischen Rechtssystem. Vielmehr kommt auch der (höchst-)richterlichen Rechtsfortbildung entscheidende Bedeutung zu. So ist die Einheit der Materie vom Bundesgericht als Teilgehalt der politischen Rechte nach Art. 34 Abs. 2 BV (Schutz der freien Willensbildung und der unverfälschten Stimmabgabe) in konstanter Rechtsprechung anerkannt, weshalb sie auf sämtliche Abstimmungsgeschäfte - seien es Volksinitiativen oder Behördenvorlagen - gleichermassen Anwendung findet, was Sie beispielsweise BGE 129 I 366, E. 2.1, entnehmen können (abrufbar unter http://relevancy.bger.ch/php/clir/h…w_document).

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Danke für die Ausführungen und den Link, da habe ich wieder mal was gelernt. Wenn ich das richtig sehe, ging es beim Urteil ebenfalls um eine Verfassungsänderung, wenn auch auf Kantonsebene. Gleichzeitig wird aber auch ein Beispielt genannt, wo über zwei Kredite (Schulhaus und Spital) gleichzeitig abgestimmt worden wäre, das Gericht es aber als unzulässig taxierte mit Bezug auf die Einheit der Materie. Der wichtigste Satz ist wohl folgender: Dieser Zielrichtung entsprechend ist der Grundsatz der Einheit der Materie bei allen Vorlagen zu beachten, die den Stimmberechtigten zum Entscheid unterbreitet werden. Grundsätzlich ist es daher unerheblich, ob es sich um eine Initiative oder Behördenvorlage, um Partial- oder Totalrevisionen von Verfassungen oder Gesetzen oder um Gesetzes- oder Finanzvorlagen handelt.

Wenn ich das richtig interpretiere, dürfte ein Gesetzesbeschluss die Einheit der Materie verletzten, sofern es keine Volksabstimmung darüber gibt. Das Parlament kann aber nicht wissen, ob es ein Referendum dagegen gibt oder nicht. Wenn es eines gibt, müsste es die Teile theoretisch einzeln abstimmen lassen. Die Möglichkeit besteht aber nicht. Zusätzlich stellt sich die Frage, ob wir ein Verfassungsgericht brauchen, da das Parlament nach seinem Gusto entscheiden kann. Soweit mir bekannt gilt zuerst das Gesetz in der Schweiz und erst dann die Verfassung für Gerichte. Gegen entscheide des Bundesparlaments kann nicht geklagt werden. Das heisst, wenn das Parlament gegen eine Verfassung verstösst, bestehen keine rechtlichen Möglichkeiten dagegen vorzugehen.

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Ich geniesse das hohe Niveau der bisherigen Kommentare. Auf einer lapidaren Ebene vermisse ich an der STAF die Kombination von zwei Vorlagen am gleichen Abstimmungstermin. Der Kompromiss im Parlament ist die eine Sache; die Kompromissbereitschaft der Stimmenden ist die andere Sache. "Ich" muss den Kompromiss ablehnen, wenn ich einen Teil der Vorlage nicht gut finde. Das Parlament wird auf die private Umfrageforschung angewiesen sein beim Verständnis, weshalb allenfalls ein Nein resultiert, statt die direkte Rückmeldung der Stimmenden zu erhalten. Warum beraubt es sich der direkten, offiziellen Möglichkeit? Die Richtung eines neuen Kompromisses wäre im Fall einer Ablehnung klarer.

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Weiss jemand, wann die Zahl der nötigen Unterschriften für ein Referendum letztmalig an jene der Stimmberechtigten angepasst wurde? Könnte das Referendum von der Blockadekeule wieder zur Einladung zum Kompromiss zurückführen.

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Die Zahl der nötigen Stimmen wurde 1977 von 30'000 auf 50'000 erhöht, um der Vermehrung der Zahl der Stimmberechtigten durch die Einführung des Frauenstimmrechts 1971 gerecht zu werden.

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Danke für das Plädoyer für Grautöne. Mir fällt gerade die Nähe zur Artikelserie von S. Rijkeboer zu ‚non-binär‘ auf. ... . Wie integriert man das Analoge in einer zunehmend digitalen Weltsicht?

Ergänzend zu den Grautönen kommt mir Gödels Unvollständigkeitsatz in den Sinn. Er besagt, dass es in hinreichend starken(*) formalen Systemen Aussagen geben muss, die man weder beweisen noch widerlegen kann. Auch das ist ein Hinweis darauf, dass unser Bedürfnis nach Eindeutigkeit halt immer wieder mal enttäuscht wird.

Soweit die unfertigen Gedanken angeregt durch die Kolumne und den Morgenkaffee ... .

(*) Hinreichend stark ist in etwa die Möglichkeit von Rückbezüglichkeit, Selbstreferenz oder einer simplen Schleife in einer Programmiersprache. In einem psychisch-sozialen Kontext würde ich es in der Nähe von Reflexionsfähigkeit, systemisch vielleicht bei Autopoiese- oder Reentrykonzepten ansiedeln.

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Hm...der Bumerang wird bald kommen: wenn dann eine Partei eine Initiative lanciert die auf die Einheit der Materie pfeift.

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Zur Einheit der Materie. Welche Materie ? Ja, Steuern und AHV haben konzeptmaessig nichts miteinander zu tun. Wenn die Materie aber das Geld ist, dann sind sie zusammen.
Es ist die Charakteristik der links orientierten Parteien, Geld auszugeben ohne sich zu sorgen woher es kommt. Es ist einfach da, hat einfach da zu sein. Es gibt immer den unerschoepflichen Pool der Reichen, Hausbesitzer, Firmenbesitzer, die etwas mehr geschroepft werden koennen/muessten.
Es ist die Charakteristik der rechts orientierten Parteien, Steuern zu senken. Auf den ersten Blick egal wozu, egal mit welchen Konsequenzen. Auf den zweiten Blick gibt es immer einen Gewinner. Im gleichen Satz mit dem mehr Markt gefordert wird werden mehr Subventionen verlangt.
Beides relativ triviale Schematas. Polarisierte Politik kann nur noch genau so verhandeln. Fachfremde Themen ueber die gemeinsame Resource Geld verbinden. Alles Andere ist blockiert.

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