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Danke für diesen Artikel!
Dieses Zitat trifft das Problem auf den Kopf:

"Der Schmuggel von Migranten ist eine Antwort auf die Ordnung einer extrem ungleichen Welt, in der die meisten Grenzen für die meisten Menschen geschlossen sind."

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Die nüchterne Darstellung des weltumspannenden Phänomens Migration tut gut. Wer kann von sich sagen, seine Vorfahren hätten sich über Generationen nie von der Stelle bewegt, niemand hätte sich je auf die Suche nach Arbeit oder Ausbildung oder gesellschaftlicher Akzeptanz begeben? Vor nicht ganz hundert Jahren waren nicht nur die Italiener viel geschmähte Zuzüger bspw.in Zürich, sondern auch die Berner Oberländer, die Tösstalerinnen und die Innerschweizer. Aber geht es nicht auch um die Verachtung von Armen und die Idee, selber schuld sei, wer verfolgt werde oder den Lebensunterhalt am Ort seiner Geburt nicht verdienen könne?

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Volker Michael Heins
Autor des Beitrags
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Vielen Dank an die vielen klugen Kommentare, die bisher eingegangen sind. In dem Buch, auf dem der Artikel beruht, sage ich natürlich einiges mehr zum Begriff der "Grenze". Trotz meiner politischen Sympathie für die "No borders"-Bewegungen spreche ich bewusst, und vorsichtiger, von "offenen" oder auch im Komparativ von "offeneren" Grenzen als wir sie heute haben. Offene Grenzen sind solche, die im Notfall auch geschlossen werden könnten, zum Beispiel um im Vorfeld eines Fußballspiels Hooligans aus dem Nachbarland zu stoppen oder die Ausbreitung einer Seuche zu verlangsamen. Das Problem sind nicht territoriale Grenzen als solche, sondern Grenzregimes, die sich systematisch gegen einen großen Teil der Menschheit richten, dem ohne vernünftigen Grund die Freizügigkeit verwehrt wird. Das sind typischerweise Menschen, die anders aussehen als die meisten Europäer, die zu anderen Göttern beten oder einfach nur ärmer sind als der europäische Durchschnitt. Mein Argument dreht sich also um die selektive Durchlässigkeit von Staatsgrenzen oder, wie ich es nenne, ihre Überschreitungsregeln. Darüber sollten wir weiterhin gemeinsam nachdenken.

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Wegweisend die Motion von Ständerat Daniel Jositsch vom 18. März: "Der Bundesrat wird beauftragt, eine Gesetzesgrundlage zur Wiedereinführung des Botschaftsasyls analog dem früheren Artikel 20 AsylG vom 26. Juni 1998 auszuarbeiten."

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Es wäre interessant zu lesen, wie sich der Autor Volker Heins die Utopie der offenen Grenzen in seinem Buch konkret vorstellt.

Es mag sein, dass Staatsgrenzen, wie wir sie heute kennen, ein geschichtlich eher neueres Phänomen sind. Trotzdem gab es sicher zu jeder Zeit schon Grenzen: früher waren es dann eben die Stadt- und Burgmauern oder natürliche Grenzen wie Flüsse, Berge oder Wüsten. Der römische Limes oder die chinesische Mauer sind ältere Beispiele für künstlich von Menschen geschaffenen Reichsgrenzen.

Doch auf allen Ebenen gibt es Grenzen. Indem wir unseren Garten einzäunen, die Wohnungstür schliessen und damit anderen den ungehinderten Zugang verwehren oder auch indem wir mit Zugangsbeschränkungen einen exklusiven Raum schaffen, grenzen wir uns voneinander ab. Jedes Lebewesen grenzt sich von der Umwelt ab. Jede unserer Zellen hat eine Zellwand und regelt den „Grenzverkehr“.

Grenzen an sich sind daher meines Erachtens unentbehrlich für das Zusammenleben in einer Gemeinschaft. Das Leben selbst kann ohne Grenzen nicht existieren.

Wenn wir also auf einer Ebene gar keine Grenzen mehr ziehen, wird es nicht funktionieren. Aber vielleicht ist das ja auch gar nicht die Idee von Volker Heins. Die Frage ist, wie man den Umgang an den Grenzen möglichst human gestaltet und vor allem wie man möglichst rasch für eine Angleichung der Lebensverhältnisse und vor allem für den Schutz der Lebensgrundlagen in den Regionen der Erde sorgt, aus denen die Menschen flüchten. Das grundsätzliche Dilemma der Grenzziehung und seiner ungerechten, ausgrenzenden Folgen wird sich nicht auflösen lassen.

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Natürlich gibt es überall Grenzen. Bloss sind diese Grenzen dazu da, um einen kontrollierten Austausch mit der Umgebung zu ermöglichen, nicht diesen abzublocken. Am augenfälligsten ist das mit der Grenze zur Atmosphäre. Wird diese nur wenige Minuten blockiert, stirbt der Organismus hinter der Grenze...
Genau so stelle ich mir Staatsgrenzen vor. Wir sollten die Grenzen nicht für Geld öffnen und für Menschen schliessen, sondern allen eine faire Chance auf ein selbstbestimmtes Leben bieten. Die Strategie der harten Abweisung hat nur dazu geführt, dass sehr viele Menschen vor der Grenze gestorben sind, und nicht dazu, dass weniger Menschen versucht haben die Grenzen zu überqueren.
Das wiederholte, verschärfte Anwenden von erwiesenermassen untauglichen Massnahmen zeugt eher von Dummheit als von Weitsicht...

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Da gebe ich Ihnen vollkommen recht, Herr Reber. Grenzen sind für „einen kontrollierten Austausch“ da. Bloss denke ich nicht, dass wir „allen eine faire Chance auf ein selbstbestimmtes Leben“ bieten können, so wünschenswert ich das auch finde. Ich weiss einfach nicht, was sich Herr Heins oder auch Sie unter „offenen Grenzen“ vorstellen würden.

Es ist und bleibt doch einfach ein Dilemma. Biden zum Beispiel entscheidet, an der Grenze zu Mexiko keine Kinder mehr abzuweisen. Das ist eine humane und nachvollziehbare Entscheidung. Doch weil die Motivation zur Flucht in die USA bei vielen Süd- und Mittelamerikanern offensichtlich so gross ist, schicken viele ihre Kinder auf diese gefährliche Reise. Was wäre denn zum Beispiel ihr Vorschlag an Präsident Biden, wie er mit der Grenze zu Mexiko und den Migranten umgehen soll? Ich muss zugeben, dass ich da ratlos bin.

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Lieber N. O. H.
In den (19)Siebziger Jahren gab es einen Hype, der sich Body Painting nannte. Jemand - lange her, die Details also etwas verschwommen - hatte sich dann mal mit voll deckender Farbe den ganzen Körper angemalt. — Und ist daran gestorben, da die Farbe die Poren der Haut luftdicht abgeschlossen hatte. Ich war derart geschockt, dass mir das bis heute geblieben ist. Und bis heute fühle ich mich halb erstickt, wenn ich nur schon flächendeckend Body lotion oder Sonnencreme auftragen sollte.
Offene Grenzen bedeutet ja nicht, dass wir die Haut mit einem Messer abschaben. Nur einfach die Poren nicht verstopfen. Offene Grenzen hiesse auch noch lange nicht Abschaffung der Staaten selber; oder Aufhebung der jeweils unterschiedlichen Gesetze.
Unsere Türen können wir deshalb nachts trotzdem verriegeln. Solange wir nicht automatisierte Öffnungsschranken einbauen, die gezielt und rein aufgrund von Staatszugehörigkeit öffnen oder schliessen - und dazu noch ohne eigene Wahlmöglichkeit, sondern staatlich auferlegt noch dazu - stimmt da ja auch Ihre Analogie nicht ganz.

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Das ist ja genau meine Frage, Frau Rothen, wie sich Herr Heins die Utopie der offenen Grenzen vorstellt. Es ist mir klar, dass eine Grenze nicht bedeutet, dass alles hermetisch abgeriegelt ist. Natürlich dient eine Grenze dem Austausch zwischen diesseits und jenseits der Grenze. Nur muss man kontrollieren und entscheiden, wer oder was eine Grenze überschreitet. „ Offene Grenzen“ hört sich zumindest für mich so an, dass diese Kontrolle nicht mehr stattfindet. Oder was verstehen Sie darunter?

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Zu Ihrem letzten Satz hätte ich noch eine Nachfrage:

Solange wir nicht automatisierte Öffnungsschranken einbauen, die gezielt und rein aufgrund von Staatszugehörigkeit öffnen oder schliessen - und dazu noch ohne eigene Wahlmöglichkeit, sondern staatlich auferlegt noch dazu - stimmt da ja auch Ihre Analogie nicht ganz.

An Staatsgrenzen muss der Staat festlegen, wer diese passieren darf und wer nicht. Oder wer sollte das Ihrer Meinung nach bestimmen?
Und wer sollte eine „eigene Wahlmöglichkeit“ haben? In der Analogie der Wohnungstür-Staatsgrenze wäre ja die Hausbesitzerin bzw. die Bewohnerin der Staat.

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"Menschen sind spezialisiert darauf, Auswege aus Extrem­situationen zu finden. Sie sind zudem ausser­ordentlich hartnäckig darin, nach Wegen zu suchen, ihr Leben zu verbessern. "
Der Homo sapiens ist auch ein Homo migrans. Seit vielen Hunderttausenden von Jahren sind Menschen unterwegs und haben die ganze Erde bevölkert, sicher aus Not, vermutlich oft auch aus Neugierde und auf der Suche nach dem gelobten Land, wie auch immer sie sich das vorstellten. Kriege, soziale Ungleichheit und Umweltkatastrophen werden diese Tendenz verstärken. Es geht nicht darum, ob wir Migration zulassen wollen oder nicht – diese Wahl haben wir gar nicht – sondern nur darum, wie wir mit der Tatsache der Migration umgehen.

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Mensch
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Vor einiger Zeit habe ich diesen Beitrag für meinen Blog verfasst.

https://www.thomas-riesen.ch/mauern…ne-loesung

Ich könnte diesen Beitrag heute wieder schreiben. Es spielt keine Rolle. Irgendwo gibt es immer ein Problem und statt es zu lösen, werden Mauern errichtet, um es einzudämmen. Wenigstens für sich selber. Die Betroffenen können für sich selber schauen. Der Mensch ist nicht oder wenigstens nur sehr bedingt lernfähig.

Der Wohlstand der ersten Welt wurde auf Kosten der dritten Welt errichtet. Der Wohlstand der ersten Welt wird auf Kosten der dritten Welt erhalten. Es ist wie mit auffällig günstigem Schweinefleisch. Irgend jemand zahlt den Preis, den Gewinner interessiert das meist nicht.

Doch im Gegensatz zu Tieren, die wir auf "saumässige" Art in verdunkelten Ställen, auf engstem Raum und auf Spaltenböden ein Leben lang einsperren, leben in der dritten Welt Menschen die - dank Internet - sehen was möglich ist. Wie das Leben sein könnte.

"Der Mensch begehrt, was er sieht. Es ist seine Natur."

Schlepper, Drogenhändler, Mafia und andere illegale Berufsstände haben lediglich eine Existenzberechtigung, weil die legale Gesellschaft den Grund für ihre Tätigkeit schafft und meist auch noch die Rahmenbedingungen dazu. Es sind Schmarotzer. Doch wer sich einen solchen Pilz fängt, sollte die Schuld nicht beim Pilz suchen.

Wir Europäer schimpfen über die Chinesen und ihren Umgang mit Menschen, die anders denken. Wir Europäer beklagen das Elend der Rohingya in Myanmar. Wir sind die besten Ankläger der USA, wenn es um Rassismus gegenüber Afroamerikanern geht. Wir sollten erst einmal vor der eigenen Haustür kehren. Das symbolische Stichwort: Moria.

Über 80 Prozent aller Ressourcen der Welt verbraucht die erste Welt! So lange wir nicht bereit sind den Wohlstand besser zu verteilen, werden wir keine Antwort auf die gestellte Frage finden. Kleiner Hinweis an dieser Stelle: 0.05 Prozent des BIP als pauschaler Beitrag für Hilfe im Ausland sind nicht die Lösung. Dieses Trostpflaster. verdeckt nicht einmal die von uns verursachten Wunden. Es ist eine gute Ausrede, um nicht wirklich über das Problem nachdenken zu müssen.

Niemand lebt freiwillig in Armut oder im Krieg, nur damit wir ungestört weiter im Wohlstand schwelgen können. So viel Freundlichkeit darf man von niemandem erwarten. Das Schleppergeschäft wird weiter blühen und könnte man darauf Aktien kaufen, würde ich es machen. Dabei würde ich nur gewinnen. Es wird sich nichts ändern. Gier macht blind. Das ist ein sicherer Wert.

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Wir Europäer haben mit dem Kolonialismus das ganze Debakel primär verschuldet. Die heutigen Staatsgrenzen vieler Länder verlaufen noch genau so wie sich die Briten, Franzosen, etc die Gebiete unter sich mit dem Lineal aufteilten.
Diese in natürlichere, regional selbstbestimmte Regionen zurückzuverwandeln ist nicht im Interesse der Machthaber in diesen Ländern, welche übrigens auch von unseren Regierungen und unserer Wirtschaft unterstützt werden.

Es geht also primär darum, dass wir alle viel besser hinschauen müssten, wer wo welche Profite erwirtschaftet, und mit welchen Konsequenzen. Wir müssen Transparenz einfordern und Massnahmen erfinden, die das Leben in allen Regionen verbessert, und wir müssen akzeptieren können, dass es bei uns entsprechend weniger lukrativ wird.

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Das sogenannte „motivierte Denken“ gemäss Nicola Gess in einem Artikel in der Republik vom 26.3.21 findet sich nicht nur bei „Rechten“ oder Verschwörungstheoretikern. Volker M. Heins schreibt: „Unsere schönen deutschen oder Schweizer Pässe, die uns sonst das Tor zur ganzen Welt aufschliessen, sind wenig wert. Die Einschränkung der weltweiten Bewegungs­freiheit, die für die Menschen im globalen Süden ein Dauer­zustand ist, war im Lockdown eine Erfahrung, die auch wir machen mussten.“ Soviel ich weiss - und es lässt sich auch nachprüfen - (https://www.travelnews.ch/destinati…eisen.html) gibt es nur sehr wenige Länder, in denen mit einem Schweizer Pass gegenwärtig nicht eingereist werden kann. In sehr vielen Länder gibt es Regelungen wie Quarantäne oder die Vorlage eines negativen PCR-Tests, aber die Einreise ist möglich mit einem Schweizer Pass. Das ist teils mühsam, aber nicht hindernd. Für viel Menschen aus z.B. afrikanische Länder ist dies gar nicht der Fall. Das wären die Tatsachenwahrheiten, von denen Nicola Gess schreibt.

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Chefredaktion
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Deswegen steht der Satz ja auch in Vergangenheitsform und bezieht sich auf den ersten Lockdown. Kontext matters. Freundliche Grüsse.

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Lieber Herr M., Kontext matters, Sie haben völlig recht. Fragt sich nur noch welcher „Lockdown“, in Israel gab es mehrere. So weit ich mich aber an den ersten „Lockdown“ in der Schweiz im April 2020 erinnern kann, wurden Flüge gestrichen und Reiseunternehmungen boten Reisen nicht mehr an. Vielleicht war die Rückreise in die Schweiz schwierig, die Einreise aber war meist möglich - z.B. mit einem Schweizer Pass und oft nicht mit einem anderen, was der Punkt meines Gedanken war. Beste Grüsse.

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In der Biologie gibt es doch sowas namens Osmose. Bin kein Biologe aber dies ist mir geblieben. Die Natur gleicht sich immer an, so auch die Gesellschaft. Bleibt zu hoffen, der Mensch wird bald klüger und versteht: "das es dene wos guet geit o besser geit, wenns dene besser geit wos weniger guet geit". Ach der Mani Matter, muss ich wieder öfters hören...

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In der Physik streben Teilchen danach, sich bestmöglich zu verteilen. In der Systemtheorie tendieren Systeme dazu, Aggregate zu bilden. So verteilt sich ein gelöstes Salz gleichmässig in den Zellen eines Blattes, während der Baum eine grosse Menge der Biomasse seiner Umgebung auf kleinem Raum konzentriert.

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DPhil Politologie
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Fantastisch! Lehrreiche und anregende Inhalte zu einem extrem tabuisierten und hochaktuellen Thema. Und das erst noch von einem Wissenschafter, der es versteht, Komplexität und Erkenntnisse verständlich zu vermitteln. Bitte mehr davon, genau so stelle ich mir die Republik am Wochenende vor.

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Volker Michael Heins
Autor des Beitrags
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Danke, Frau B. ;-)

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Les mains sales
Beitrag sollte nur schon gelesen werden wegen der Sprache, die wohltuend ist, obwohl sie über Schmutziges erzählt- Das zudem noch everybody (weiss das korrekte Wort nicht) lieber nicht wahr haben möchte. Freue mich auf die Lektüre des Buches.

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Theologe
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Staatsgrenzen, wie sie heute (noch) aufrecht erhalten werden, dienen m.E. der Aufrechterhaltung einer trügerischen Illusion von Kontrolle und Herrschaft: Geld und Güter rein, Schadstoffe und Unbequeme raus. Dies verbunden mit einer Tendenz zu Monokulturen, was sich auch in unseren Gärten spiegelt, inklusive Hochsicherheitszäune und Antikatzen-Pfeifton. Nun gibt es ganz verschiedene, mehr fliessend verlaufende oder sich überlappende Grenzen - oder viel mehr Übergänge, die in Zukunft vielleicht stärker beachtet werden sollten als künstlich gezogene Staatsgrenzen: Grenzen Stadt-Land, zwischen Vegetationszonen, Sprachgrenzen, Grenzen des Anstands oder Grenzen des Denkbaren. Zudem kann die Kultur des Umgangs mit Grenzen verschieden gestaltet werden, schon nur, ob wir eine Grenze mit Kreidestrichen auf den Boden malen oder sie mit Stacheldraht befestigen.

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Da bin ich dezidiert anderer Meinung, Herr P. Solange es keine besseren Alternativen gibt, möchte ich, dass es (am besten natürlich demokratisch legitimierte) Staaten gibt. Und diese Staaten müssen einen Hoheitsbereich festlegen, der räumlich begrenzt ist. Diese Grenzen müssen insofern kontrolliert sein, als dass sich der Staat darüber ein realistisches Bild machen kann, wer auf sein Territorium kommt und zu welchem Zweck. Sonst kann ein Staat meiner Überzeugung nach auf Dauer nicht existieren. Ob und auf welche Weise und in welchem Umfang die Grenze gesichert ist, muss derjenige Staat natürlich selbst festlegen.

Was würde denn passieren, wenn wir gar keine Grenzen mehr hätten? Meiner Meinung nach würden sich dann die Menschen, die es sich leisten können, sprich sehr reiche Menschen, wiederum ihre eigenen Grenzen errichten: gated Communities „inklusive Hochsicherheitszäune und Antikatzen-Pfeifton“. Es gibt ja sogar schon die meiner Meinung nach unsägliche Idee von privaten Städten. Mit den Stichworten „private city“ bin ich auf diese Website gestossen. Die zwei Firmenvideos haben mich dann wieder abgestossen.

Ich sehe es genauso wie Sie: Wir, die sog. erste Welt, beuten die sog. dritte Welt gnadenlos mit sog. Freihandelsverträgen etc. aus und das muss sich lieber gestern als heute radikal ändern. Aber die Staatsgrenzen abzuschaffen und ungehinderte Grenzübertritte (die es ja dann nicht mehr wären) für alle und jeden zu ermöglichen, selbst wenn diese aus völlig nachvollziehbaren Gründen erfolgen, halte ich für keine gute Idee.

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Theologe
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Für viel wichtiger als Grenzen halte ich Kernideen, die flexibel lokal Communities bilden und dynamisch global Bewegung anstiften können.

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Theologe
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Danke für den Link zu den „Privatstädten“ - für mich ebenfalls ein gruseliges Szenario. Haben wir aber nicht schon längst annähernd „gated communities“ durch Steuergesetze, Vermögensverhältnisse und Einschränkungen von Nichtvermögenden? Die einen können sich alles leisten und die anderen sind von der Teilnahme am öffentlichen Leben faktisch ausgeschlossen. Und sind nicht gerade die Staatsgrenzen, die für gewisse Personengruppen unüberwindbar sind aber sehr wohl durchlässig für Konzerne mitverantwortlich für Vermögensballungen ohne jedes Mass, inklusive Fluchtgelder? Dazu kommen Schäden an unseren Ökosystemen, die kaum ein Staat alleine stemmen wird.
Ich halte Grenzen auf der Landkarte und im Denken für Hindernisse auf einem evolutionären Weg mit der Menschheit in die Zukunft. Leben ist Vernetzung und Bewegung. Grenzen haben einen beschränkten Nutzen und müssen zu gegebener Zeit wie Eierschalen abgeworfen werden.

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Ich traf in Australien vor viele Jahren einen alten Oestereicher, der meinte, die Weltkriege haetten das Vertrauen der Leute zerstoert. Vor dem 1., oder 2. Weltkrieg haette man als Unbekannter in einem fremden Tal in ein Restaurante gehen, und die Kosten anschreiben lassen koennen, bis zum naechsten Mal. Das Vertrauen war da, die Leute haben spaeter tatsaechlich bezahlt. Da scheint ein Stimmungswechsel stattgefunden zu haben.
Waehrend wir in den 80ern nach einen Einbruch im Quartier begonnen haben die Haustueren zu schliessen, kenne ich Gegenden hier in der Schweiz, wo die Leute sogar in die Ferien gehen, ohne abzuschliessen. Weil eben das Vertrauen noch da ist.

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Was mir in diesem sehr interessanten Beitrag fehlt, ist die Rolle und Beteiligungen der maffiösen Strukturen und ihren Gesetzen: Menschenhandel hat "den Vorteil", dass der Gewinn am Transport bereits vor dem Ziel enorm hoch ist. Das ist ein wichtiger Unterschied zum sonstigen illegalen Handel/Transport von Drogen oder Waffen und eventuell auch ein Grund weshalb lieber Menschen als Kokain über das Mittelmeer transportiert werden?

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