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"Belässt man es bei nüchternen Statistiken, kann das zum Fehlschluss verleiten, die Menschheit werde schon glimpflich davon­kommen. Umgekehrt können Weltuntergangs­szenarien dazu führen, dass Menschen vorschnell alle Hoffnung aufgeben. Oder sie rufen gar psychologisches Abwehr­verhalten hervor – und bewirken trotziges Abstreiten statt Engagement." Diese drei Arten der Reaktion auf den Klimadiskurs treffen den Punkt und sind bereits im Gang. - Der Nachweis dürfte schwieriger sein als die Interpretation von politischen Positionen, da Gefühle selten Teil der Argumentationen sind. - Bilder und Vorstellungen von den Schritten der Meisterung des Klimaziels dürften am wirksamsten sein, um es tatsächlich schaffen zu können. Der Politik kommt eine wichtige Rolle zu, und zwar allen Parteien.

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Buchempfehlung: Naomi Klein, This changes everything.

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Chefredaktion
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Herr Vogel, seriously? Link hinwerfen? Was bezwecken Sie damit? Abgesehen davon ist’s am Thema vorbei: die Bärenbilder werden im Beitrag ja gerade kritisch behandelt.

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Toller Beitrag zu einem Schlüsselthema, wie so komplexe Themen wie Klimakrise nachvollziehbar und handlungsrelevant vermittelt werden können. Es braucht beides: den Schrecken möglichst erzählerisch und bildhaft deutlich zu machen, vor allem aber auch mögliche Visionen, wie ein anderer Umgang z.B. mit Umwelt und Ressourcen in attraktiven und plausiblen Bildern möglicher alternativer Wirklichkeiten visualisiert werden kann. Warum ist dieser Beitrag im Feuilleton? warum nicht im Magazin? Geht es im Magazin um die „Wirklichkeit“ und im Feuilleton um „künstlerische Fantasien“ darüber? Ist diese Trennung hilfreich wenn es zunehmend weniger darum geht, dass „Richtige“ zu tun und darüber zu streiten, als gemeinsam das Erwünschte zu imaginieren und zu gestalten?

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Im Zusammenhang mit den beiden heute erschienen Artikeln möchte ich auf die Arbeit der italienischen Soziologin Elena Esposito aufmerksam machen, die bei Eco und Luhmann zur Schule ging und genau diese beiden Aspekte behandelt: Fiktion und Finanzsystem.

Nach der Finanzkrise erwiesen sich die Grundannahmen des Finanzwesens als unangemessen, was nicht nur mit der Abkopplung von Finanz und Produktion zu tun habe, sondern auch damit, dass es „extrem selbstreferenziell“ geworden ist.

Ein systemisches Paradox das durch Banking und Rating entstanden sei, ist, dass mit der „Verringerung des Risikos im Banking die Vergütung des Kapitals nachlässt“.

Die „virtuelle Finanz“ beeinflusst die Realwirtschaft, in dem sie v. a. auf ein Element einwirke, von dem der Reichtum abhänge: die Zeit. Finanzmärkte handeln mit der ‚Verwaltung und Verfügbarkeit der Zeit in der Gegenwart und vor allem in der Zukunft‘.

Zeit ist nicht nur Geld (B. Franklin), sondern Geld ist Zeit.

Das Geld steht für die Unbestimmtheit der Zukunft: die Zukunft ist noch nicht da und man kann nicht wissen, was man benötigen wird – deshalb braucht man immer Geld, und Geld ist nie genug. Man braucht immer mehr davon, weil auf diese Weise man mehr unbestimmte Möglichkeiten gewinnt, d. h. schließlich mehr Zukunft.

Die „neue Finanz“ handle mit abstraktem und formalisiertem, objektiviertem und „commodified“ Risiko, „mithilfe von raffinierten Techniken wie die Modelle zur Berechnung und Management der Volatilität“. Deren Versprechen ist es, in „Risiko-neutralen“ Märkten operieren zu können, gerade „weil sie nicht beanspruchen, die Zukunft zu kennen“.

Die Finanzialisierung radikalisiere damit die Form des Kredits, in einem Kreislauf einen „Vorgriff auf die Zukunft in der Gegenwart“ zu machen, in dem ‚alle möglichen künftigen Läufe‘ verwendet und durch „finanziellen Techniken miteinander kombiniert und kompensiert“ werden.

Damit verschiebe sich auch der „moralische Sinn der Schuld“. Denn beruhte die „Vorsicht (prudentia)“ darauf Risiken zu vermeiden, so dass man selbst schuld war, wenn man zu viele Risiken eingegangen ist, gilt nun:

Wenn für einen umsichtigen Händler die Unsicherheit der Zukunft keine Bedrohung mehr ist und er immer auf die Füße fallen wird, ist es viel umsichtiger und lobenswerter zu riskieren, anstatt das erworbene Vermögen aufzubewahren. Wer nicht riskiert, ist sogar kleinlich zu sich selbst und zu den Anderen, weil die Tätigkeit auf dem Markt den verfügbare Reichtum für alle erhöht. Die Schuld geht dann eher zu demjenigen, der sich nicht verschuldet.

In der „Euphorie der neunziger Jahre“ war „die Zukunft optimistisch und positiv“ und das Modell schien zu funktionieren: Reichtum und Wohlstand wuchs. Doch nach der Krise erscheint die nun „Zukunft geschlossen und der Reichtum blockiert“.

Die Finanzkrise sei damit auch eine „Krise der Zukunft“, in der wir den Eindruck haben „keine Zukunft“ mehr zu haben.

Doch diese Zukunft ist nur die aus der Gegenwart und ihren Projektionen betrachtete „gegenwärtige Zukunft“. Was real sein wird, ist immer nur die „künftige Gegenwart“, die „aus dem Versuch resultiert, die Zukunft vorzubereiten und darauf reagiert“.

Daher bedürfe es im Gegensatz zu „Techniken der Defuturisierung“ (Luhmann), als Versuche, „in der Gegenwart die Offenheit und Unkontrollierbarkeit der Zukunft zu binden“ (z. B. durch Statistik, Utopien und Moral), einen „Gebrauch der Technik ohne Defuturisierung, der anstrebt, die Möglichkeiten zu multiplizieren und zu beobachten – gerade deshalb, weil er nicht beansprucht, sie zu kontrollieren“.

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Doch was bedeutet dies im Zusammenhang mit dem Klimawandel und den Klimamodellen, die uns wahrscheinliche Szenarien vor Augen führen? Geht es nicht auch hier darum anhand gegenwärtiger Prognosen, die Möglichkeiten in der Zukunft kontrollieren zu wollen? Kann es analog zu risiko-neutralen Märkten auch klima-neutrale Märkte geben?

Nach der Krise strebt die fatale System-Logik ihr Gleichgewicht wieder an, in Form der Retrotopie (Z. Bauman). Die Rückkehr zum „Goldenen Zeitalter“ der „Roaring Nineties“ im Kontext der Post-Globalisierung bedeutet nämlich erneute neoliberale Deregulierung mit Nationalismus, Autoritarismus. Eine „New Gilded Age“.

Im Zeitalter dieses Katastrophen-Kapitalismus’ zeichnet sich eine radikalere Einengung des Zukunft-Horizontes ab, die bis zur vollständigen Schliessung der Zukunft reicht. Mit der absehbaren Multiplizierung der Krisen und Katastrophen steigert sich die Volatilität ins Chaotische, so dass die Risiken unkalkulierbar und untragbar werden.

Was also gegenwärtig vorherrscht, ist einerseits eine „Apokalypse-Blindheit“ (G. Anders) und andererseits das Fehlen der „moralischen Phantasie“, die uns eine neue Erzählung gibt, in der wir als Teil des systemischen und ökologischen Ganzen post-souverän mit einem erweiterten „Prinzip Verantwortung“ (H. Jonas) und „hippokratischen Eid“ agieren können.

Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden. H. Jonas, Das Prinzip Verantwortung

keine Arbeiten anzunehmen und durchzuführen, ohne diese zuvor darauf geprüft zu haben, ob sie direkte oder indirekte Vernichtungsarbeiten (sind); die Arbeiten, an denen wir gerade teilnehmen, aufzugeben, wenn diese sich als solche direkten oder indirekten Vernichtungsarbeiten erweisen sollten. G. Anders, Die atomare Drohung

Mit der Pro-gnose käme die not-wendige pro-metheische Vor-sicht und damit das Offenhalten der Zukunft. Damit zukünftige Generationen überhaupt noch eine lebenswürdige Zukunft haben können.

Dazu brauchen wir nicht nur statistische Modelle mit diversen best & worst case scenarios, sondern auch fiktionale Erzählungen. Die jedoch nich de-futurisieren, sondern eine Zukunft eröffnen, von der wir wissen, dass sie immer anders sein wird, als wir annehmen.

Auch dazu schrieb Esposito in einer früheren Arbeit: „Die Realität ist unwahrscheinlich, und das ist das Problem“. Weil sie sich nicht einfach so mit Statistiken und Prognosen decken wird. Diese haben immer auch einen fiktionalen Charakter, wirken aber auf die „reale Realität“ zurück und werden dadurch wieder real.

Dieses Fiktionale der „Realitätsverdopplung“ haben Statistiken nun mit Erzählungen gemeinsam. Die Verfügbarkeit dieser alternativen Sphären verändere die Bedeutung des Realen selbst:

Für den Beobachter entsteht erst dann Realität, wenn es in der Welt etwas gibt, wovon sie unterschieden werden kann.

Erzählen wir uns also Geschichten, die einen wirklichen Unterschied machen - in der Realität und in der Zukunft!

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Danke M. Rebosura, was wären gewisse Texte ohne Ihre Erläuterungen. Gerne läsen wir auch Artikel von Ihnen in der Republik.

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