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Was für ein Thema zum Jahresende. Ob es mit meinem biologischen Geschlecht zu tun hat, dass Dein Text bei mir einige Haare zum Sträuben bringt? Der Medici unterstütze den nicht-ökonomischen Aspekt der Liebe durch die Publikation von Texten einer Frau, die sich aus ökonomischen Gründen als Liebesobjekt zur Verfügung stellen muss? Betrachtest Du die Liebe in diesem Text nicht einseitig nach ökonomischen Kriterien (Nachfrage deckt sich nicht mit Angebot)? Liebe aus meiner (Frauen?) Sicht bedingt ein liebendes Gegenüber. Dass Begehren und Liebesgefühle nicht deckungsgleich sind, ermöglicht doch gerade auch die Interaktion und den stegigen Wandel, die das Leben so bereichern!

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Findest du es nicht erstaunlich, liebe Christina, dass über die Liebe immer in rosa Farben geschrieben wird, und gleichzeitig so unendlich viele Menschen darin unglücklich sind? Findest Du nicht, das wäre nicht auch mal ein Nachdenken wert, statt immer an dieser theologisch gefärbten Idealisierung festzuhalten. (Dass Frauen da anders ticken als Männer entspricht übrigens meiner Erfahrung nicht, eher sogar umgekehrt, das gilt übrigens auch für die maliziöse Bemerkung von Herrn C.)

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Über die Liebe wird nicht immer in rosa Farben geschrieben, das ist einfach nur Unsinn - schon ihr eigener Text und die darin enthaltenen Beispiele zeigen das. Unglück und Dramatik in der Liebe, die Schwierigkeiten des einander Begehrens füllen doch Bücherregale und Kinosäle...

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Lieber Dani, klar kommt es immer auf den Kontext an. Aber mir drängen sich mal abgesehen von den weihnachtlichen Kitschgeschichten wenig Berichte auf, welche die Liebe problemlos und in rosa Farben verhandeln. Vielleicht ist das das Ideal, mit welchem Du Dich als Analytiker abmühen musst. Mir scheint der tragische Aspekt der Liebe in Literatur und Musik viel lauter, man suhlt sich doch geradezu im eigenen Begehren, dass vom Liebes-"objekt", nicht erwidert wird und ach so unglücklich sein muss. Lassen wir weiter "die Liebe die Liebe suchen" und möge sie uns "tragen.., wohin ich nicht will", da wird es ja erst spannend.

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(durch User zurückgezogen)
Theologin/Pfarreiseelsorgerin
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Ich habe meine vorherige Antwort gelöscht, da ich einem Missverständnis beim Text aufgesessen bin, welches Herr Strassberg mittlerweile aufgeklärt hat. Damit wurde meine Antwort hinfällig.

Edit: Rechtschreibung

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Vielleicht kann man Ihre spannende, wenn auch unfrohe Botschaft, lieber Herr Strassberg, mit den Worten eines Graffitis, das ich eben in einer Unterführung entlang dem Spatzierweg der Sihl entlang gelesen habe, zusammenfassen : "This shit sucks". Wobei ich dem gleich befügen würde: But's the only shit it's worth living for!

Und eine noch etwas ernsthaftere Bemerkung: Dass Sie in 40 Jahre kein gelungenes Beispiel einer gegenseitig erfüllenden Beziehung erlebt haben könnte ja vielleicht auch mit der Situation zu tun haben, in denen Sie ihnen begegnet sind: nämlich auf der Couch!
Die glücklich Verbundenen haben wohl wenig Anlass zu Ihnen zu kommen.

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ich habe nie geschrieben, dass ich keinen glücklichen Beziehungen begegnet bin, nur keinen symmetrischen. Die glücklichen waren die Melancholiker, die sich mit der Asymmetrie abgefunden oder ihr sogar etwas abgewinnen können.

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Symmetrisch beschreiben Sie ja als "beider Seiten gleichermassen befriedigenden Beziehungen" - weswegen ich im Umkehrschluss davon ausgehe, dass asymmetriche Beziehungen unglückliche sind. Aber eben, vielleicht muss man sich jenen Wilhelm Meister als glücklichen Menschen vorstellen, der wohl mal gesagt hat: "Wenn ich dich liebe, was geht's dich an?"

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Uiuiui, was für ein gestriger und patriarchaler Text!! Brr! Und hat fast gar nichts mit aktueller Erkenntnissen in der Psychologie (die keinesfalls identisch mit Psychoanalyse ist!) zu tun. Ich dachte, das sei in der Republik vorbei. Es ist Herrn Strassberg unbenommen, sich die "Welt der Liebe" so vorzustellen, und dazu vergangene Zeiten zu zitieren und zu deuten, aber der geistigen Erhellung dient es im Jahre 2021 einer wissenssuchenden Leserschaft wirklich nicht. Wenn am Schluss dann noch die Ökonomie, der Kapitalismus für alles herhalten muss, wirds gruselig und ideologisch-dilettantisch. Ähnlich wie bei der Möchtegern-Psychologin Eva Illouz, die ihr Wenigwissen über die aktuelle empirische wissenschaftliche erforschte Psychologie, gemixt mit Soziologie als der "Psychologie überlegen" anpreist (im letzten Buch)!
Die Psyche eines Menschen und sein Handeln ist ungleich komplexer und in einem so hohen Ausmass jeweils auch kontextua/situational geprägt, dass es mit einem Konstrukt von lediglich einigen recht willkürlich gewählten Quellen nicht annähernd abgebildet werden kann.
Wenn schon, ist Liebe wie Sexualität jeweils ein bei jeder Person etwas anders zusammengesetztes und ständig dynamisch fluides Gemisch aus alledem und noch mehr.
Es ist anzunehmen aus der Anthropologie, dass der Homo Sapiens seit jeher so tickt, immer in der jeweilig etwas anderer Form einer gerade wirkenden Kultur.
Da diese nun ca 5000 Jahren über alle Verschiedenheiten hinweg aber patriarchal geprägt waren, kommt dies noch hinzu.
Dieser Sachverhalt allein kann uns schon fast nichts über die Möglichkeiten von Liebe sagen, mit oder ohne Sexualtiät. Herr Strassberg hat de facto noch nie ein Paar beraten können, das nicht von patriarchaler Kultur geprägt war, weil es das noch gar nicht gibt. auch nicht 2021, bald 22. Wenig noch durch Machtgefälle und Recht, aber viel durc Rollensozialisierung. So sehr ich Freud als einer der grossen Denker des 20. Jh. schätze, er hatte noch wenig Ahnung davon und war auch nicht in der Lage, zu sehen, dass Biologie - so sehr ich die Unterschiede, zB der sogen. Geschlchtshormone, durchaus als existent anerkenne (wenn auch da bei genauem Hinsehen wieder ein höchst komplexes Ineinadergreifen am Werk ist) - also dass Biologie und Sozialisierung von Geschlecht, also Gender, zwei verschiedene Dinge sind. Die sich aber auch wieder von Mensch zu Mensch unterscheiden, es gibt ja noch individuelles Temperament, Intelligenz, Gene,...
Liebe war zudem für die allermeisten Menschen /Homo Sapiens die letzten 100 000 Jahre ein seltener Luxus, ging es doch die längste Zeit schlicht ums Überleben. Die ca 30 Jahre, die das Leben dauerte, reduzierten es noch mehr, wohl vor allem auf die Mutterliebe, die auch biologisch mitgesteuert ist und raffiniert durch die Hilfolosigkeit und Niedlichkeit von Säuglingen angetrieben. Die Fortpflanzung war garantiert durch das Begehren, das bereits allein hormongesteuert überleben kann.
Entgegen der ideologischen Deutungen der jüngsten Zeit, unterlagen waren Liebes-Beziehungen immer der Ökonomie untergeordnet. Sexualität immer ein Tauschgeschäft. Oder eine kurze Zerstreuung für Männer und für Frauen ein Verhängnis. 99% der Bevölkerung kannte nichts anderes und wir orientierten uns tatsächlich bis vor kurzem am einen Prozent der männlichen Ausnahmen höheren Standes!
Heute haben wir den nie dagewesenen Luxus von Freheit und Lebenserwartung und zunehmend auch die Frauen. Es verändert/ermöglicht das Entscheiden und somit kann man interpretieren, dass erstmals Liebe und Sexualität für die Mehrheit zufriedenstellend und erlebnismässig verbunden gelebt werden kann und nicht mehr lebenslang passiv erlitten oder normengemäss geregelt aktiv. Das ist eine grosse Befreiung der Liebe und Sexualität! Menschen sind - wenn sie denn einigermassen erwachsen damit umgehen gelernt haben, also auch mit Verlust, Trauer, Niederlage, Asymmetrie, sehr zufrieden mit ihren Beziehungen! Es ist keine "Entweihung, Entwertung", dass man pragmatischer, nüchterner, aber auch offener, vielfältiger damit umgeht, auch wenn die alten Freudianer lieber Pathos und Tragik haben! Und mit Verlaub: Mit Kapitlaismus hat das alles nichts zu tun! Handelsware und Kapital war die Liebe nie weniger als heute!

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Liebe Frau P., natürlich ist es schön, wenn Sie andere Erfahrungen gemacht und daraus andere Einsichten gewonnen haben. Dass meine Sicht dem Patriachat geschuldet ist, mag sein, nur hatten wir bislang nicht anderes. Nur zwei Punkte möchte ich Aufgreifen: Erstens den Versuch 2000 Jahre Kulturgeschichte mit einem Federstrich , dh. heisst mit dem Hinweis auf "neue wissenschaftliche Erkenntnisse" abzutun,. Das halte ich für grotesk und brandgefährlich. Als würden Sie sagen, Hamlet sei nichts wert, weil neueste wissenschaftliche Erkenntnisse bewiesen hätten, dass es keine Geister gäbe. Das zweite ist der sogenannt wissenschaftliche Fortschritt in der Psychologie: Die empirischen Untersuchungen werden in der Psychologie in der überwiegenden Anzahl mit Studentinnen und Studenten der weissen Mittelschicht gemacht. Und sie werden praktisch nicht weiderholt, was unabdingbar zur guten wissenschaftlichen Praxis gehört. Die wenigen UNtersuchungen, die wiederholt werden haben fast allesamt andere Ergebnisse gezeigt (Stichwort zum googeln: Marsh mellows) Soviel zum Wert der Psychologie als Wissenschaft.

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noch dazu
"Dass meine Sicht dem Patriachat geschuldet ist, mag sein, nur hatten wir bislang nicht anderes".
Am Ende eines Jahres sollte ein Text doch ein wenig in die Zukunft weisen. Liebe/Begehren und Melancholie wird immer sein, solange Menschen sind. Es wäre dann eben sehr viel "Trost", festzustellen, dass sich durch die fortgeschrittene gesellschaftliche Befreiung von sozial einengenden Normen und /oder Diskriminierungen, die früher als "gottgegeben" und heute als "ungerecht" verstanden werden, auch eine Verfeinerung/Zivilisierung eingestellt hat. Ein laufender Prozess, welcher das Ziel hat, allen Menschen ihre Liebe und Sexualität/Begehren zu ermöglichen. Diese Freiheit ist wie jede Freiheit natürlich auch mit dem Risiko der "falschen Wahl" verbunden, was Schmerz und Melancholie auf den Plan ruft. Nur ist das halt völlig normal. Die Menschen ziehen aber die "Freiheit der Wahl" trotzdem meistens vor. Sie können es ja nun zeitlich begrenzen, beenden und neu anfangen - und zwar erstmals beide Seiten mit (nun fast) gleichen Möglichkeiten. Für heutige Paare ist es nüchterner, sie rechnen mit "seriellen" Beziehungen bereits und dies reduziert halt auch Drama und Melancholie. Was nicht bedeutet, dass die aktuell gelebte Liebesbeziehungen dadurch entwertet wird, die Hoffnung, dass es eine bleibende ist, ist völlig selbstverständlich da. Immer noch sehr romantische Vorstellungen geistern weiter herum, wenn sie aber nicht eintreffen, wird nicht mehr jahrelang/lebenslang getrauert, sich umgebracht wie Goethes "Werther", oder ins Kloster gegangen. Sondern eine neue Liebesbeziehung angefangen. Im Wissen, dass auch da Defizite sein werden. Das ist alles ein riesengrosser Trost!
Dass es etwas "konsumistische" Strömungen gibt, wo Aussehen, Status, zentral sind bei der Wahl, ist nun wirklich schon immer so gewesen. Einfach, dass man die Wahl via "Tinder" statt auf dem Ball vornimmt. Auf dem Ball waren eh nur die obersten 1%, bei Tinder können alle. Und "konsumistisch" ist immer noch viel demokratischer. Halt "vulgärer" - aber das entlarvt doch vor allem die Denkweise der Mittelschicht.
Natürlich gibt es bei jungen Menschen immer noch Tendenzen, vor allem in der Mittelschicht, die "perfekte Beziehung" sei wichtig und stehe einem zu. Nur ist das halt das Ergebnis von sehr viel Zeit und Wohlstand und wenig Realitätsdruck. Wir möchten der Melancholie möglichst ausweichen. Das ist ein an sich "gesunder" Impuls, doch mit zunehmender Lebenserfahrung wissen wir, dass sie dazugehört und sogar eine der Voraussetzungen für Lebensgenussfähigkeit ist.
Die Zufriedenheit in einer Liebesbeziehung, gerade was das Begehren anbelangt, kann nur gespürt und frisch gehalten werden, durch die präsente Erinnerung an die Referenzgrössen wie "Niemanden haben", schmerzhafte Trennungen, etc. . Damit kann eine reife emotional erwachsene Person Liebe und Begehren immer wieder erneuern/vertiefen.
Selbstverständlich nur mit einem genügenden "Fit" von zwei Personen, (Milieu, Interessen, Temperament, sogar IQ, Wertehaltungen,...) also genügend Ähnlichkeiten und etwas Fremdheit.
Es ist oft ein Weg bis dahin zurückzulegen. Dafür sind Therapien auch da.

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Auf das Niveau, den Wert der Psychologie als Wissenschaft in Frage zu stellen, wollen Sie hier hoffentlich nicht sinken. Mit Wissenschafts-Bashing kommen wir nicht weiter. Wissenschaftliche Erkenntnisse werden systematisch kritisch hinterfragt; das ist zentraler Teil des wissenschaftlichen Ansatzes und dient der Weiterentwicklung des Wissens. Der wissenschaftliche Diskurs baut auf der Geschichte auf (oftmals gar etwas zu sehr, sogar); er verwirft sie nicht sondern entwickelt weiter. Bitte, beim Streiten nicht den Kopf verlieren. Danke.

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Danke für Ihre Antwort Herr Strassberg. Die psychologie wird nie eine absolut genau operationalisierbare Wissenschaft sein, es geht darum möglichst gute hinzukriegen. Und es gibt tatsächlich viele nicht sehr gut operationalisiert und/oder mit nicht genügend strengen Messverfahren Studien. Leider ist der Mensch in seinem Verhalten/Empfinden mit fast unendlich vielen "Störvariablen" ausgestattet, sprich, derart komplex, dass jede genauer eingegrenzte Operationalisierung auf Kosten der Realitätsabbildung eines "echten Lebens" geht. Siehe auch "Untersuchungen nur an Psychologiestudierenden". Das trifft sehr oft zu, aber natürlich nur an Universitäten. Die wiederum halt den Haupt-Output liefern. Der "feste, reproduzierbare Kern" an psychologischem Wissen kommt so nur sehr langsam voran und ist recht klein im Bezug auf das ganze zt übermässige Forschungsgeschehen (Publizieren auf Teufel komm raus). Aber er kommt voran. Und in 100 Jahren war das bemerkenswert viel.
Die Kunstgeschichte soll genauso stehen gelassen werden, wie sie war, kein Problem! Keine Zensur früherer kultureller Erzeugnissse, , egal wie sexistisch sie heute empfunden werden könnte! Auch keine Abwertung. Sie ist ein Zeugnis. Hamlet ist ein wertvolles Zeugnis und ein künstlerischer Genuss. Das Ünzeitgeässe" darin muss ausgehalten werden und zugemutet. Aber auch beannt. Davon spreche ich.
Kunstgeschichte darf nur nicht mit "objektiven wissenschaftlichen Erkenntnissen in der Psychologie" gemessen/verwechselt werden. Schon gar nicht mit aktuellen.
Wenn Sie einen Erkenntnisbeitrag im Jahre 2021 zur Dynamik von Liebesgefühlen, Begehrensgefühlen, dem Umgang damit und die allgemeine Befindlichkeit dazu von heutigen Menschen leisten wollen, erwartet man/frau auch in einem philosophischen aktuelle Essay halt wissenschaftliche Fakten und aktuellen gesellschaftlichen Kontext.

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Uiuiui, gemach gemach Frau P., da scheint Ihnen Herr Strassberg ja gehörig auf die Füsse getrampt zu haben!! Als Teil der "wissenssuchenden Leserschaft" kann ich diesen Artikel sehr gut einordnen, bzw. in einen historischen Kontext verorten und relativieren. Oder wollen Sie mir mitteilen, die Republik hätte gescheiter Sie als Artikelschreiberin zum Thema engagiert?

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Mir ist niemand auf die Füsse getrampt. Ich kritisiere einen schlechten Essay, den ich in dieser Art in den letzten 40 Jahren wohl 100x gelesen habe, als es so noch akzeptierter Mainstream und Zeichen von "Hochkultur" war. In jungen Jahren habe auch ich oft einfach beeindruckt genickt oder etwas hilflos. 2021 hat es sich auch gesellschaftlich längst geändert und ich habe zudem viel mehr Wissen. Manchmal haue ich es den Leuten etwas um die Ohren. Um die "alten Rituale" des oberflächlichen Zustimmens aufgrund eines elaboriert daherkommenden Textes zu brechen. Das regt die Leserschaft viel mehr zu Selberdenken an.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Liebe Frau P., vielen Dank für Ihre interessanten Gedanken. An entscheidender Stelle scheinen Sie sich jedoch selbst zu widersprechen. Einerseits schreiben Sie (polemisch):

Wenn am Schluss dann noch die Ökonomie, der Kapitalismus für alles herhalten muss, wirds gruselig und ideologisch-dilettantisch. Ähnlich wie bei der Möchtegern-Psychologin Eva Illouz […].

Und mit Verlaub: Mit Kapitlaismus[sic] hat das alles nichts zu tun! Handelsware und Kapital war die Liebe nie weniger als heute!

Andererseits aber:

Entgegen der ideologischen Deutungen der jüngsten Zeit, unterlagen waren Liebes-Beziehungen immer der Ökonomie untergeordnet. Sexualität immer ein Tauschgeschäft.

Welche «ideologische Deutung» stimmt nun? Vielleicht könnten Sie da weitere Differenzierungen anfügen, welche den offensichtlichen Widerspruch zu einem scheinbaren macht.

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Lieber Herr Rebosura, Sie lesen aber genau;-)
Illouz und Co meinen vor allem den Neoliberalismus ab den 80ern Jahren, wo (etwas verkürzt ausgedrückt) im Fokus des Beziehungslebens die Reduktion auf "Konsum" steht. Jeder Beziehung, egal ob Heirat oder One-Night-Stand. Wenn der "Konsumismus" der letzten Jahrzehnte sicher gerade bei der Jugend und bis zu 40-Jährigen etwas auf das Liebesleben abgefärbt hat, ist er doch nur marginal prägend und bereits wieder am Abnehmen. ZB der "Markt" an perfekten Körpern. Am gefährlichsten halte ich dabei noch die durch harten Porno absurd beeinflussten Sexualitäts-Vorstellungen.
Der ökonomische Fokus der Beziehungen seit Jahrhunderten, gar Jahrtausenden war aber die reguläre Beziehung (Heirat) als Austausch und Kapital. Die Irreguläre war eben für Männer gesellschaftlich nicht zählend (aber wichtig und erlaubt) und für Frauen absolut verboten. Die offiziellen Konkubinen "wichtiger Männer" waren die Ausnahmen, aber im engen von den Männern vorgegebenen Rahmen. Ursprung war wohl wie bei fast allen sexuellen Restriktionen für Frauen das Verhindern von "Kukukskindern", die einerseits den Mann "entehrten/lächerlich machten", andererseits einen ökonomischen Aufwand für "Fremde Gene" ausserhalb der Familienlinie bedeuteten, was man sich meist nicht leisten konnte. Das Patriarchat zeichnet sich ja auch durch strikte Patrilinearität aus. Die Frauen, die dann die "Bastarde" ja gebären mussten, wurden auf allen Ebenen diskriminiert und verachtet, das war die beste "Prävention" gegen Liebe und Sexualität. Die Frau war immer eher "Ware" als Subjekt. Ich sage das nicht einmal wertend, es war einfach so, für alle. Es ist aus der Zeit/Geschichte heraus durchaus erklärbar. Führt einfach hier zu weit.

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Grüezi Frau P., zuerst zögerte ich, Ihnen eine Replik auf Ihren Beitrag zu geben, weil ich als älterer Mann allzu schnell in die von Ihnen propagierte Patriarchen-Thematik schubladisiert werden könnte. Und da muss ich Ihnen auch Recht geben. Ich bin zu einer Zeit erzogen und sozialisiert worden, zu der die Frauen noch keine politischen Rechte besassen und der Vater in der Familie das Oberhaupt war – das hat, ganz gewiss, untilgbare Spuren in mir interlassen, die mich heute noch auf (Irr)wege führen und die ich manchmal erstaunt, bisweilen beschämt, zur Kenntnis nehmen muss.
Mir scheint aber, dass Ihr Rundumschlag gegen den Artikel von Herr Strassberg einem grundlegenden Missverständnis unterliegt. Denn sie begegnen diesem, als wäre er ein empirisch wissenschaftlicher Text, den er geschrieben hat. Das ist er aber nicht, sondern eine vergnügliche, manchmal auch nachdenklich machende Kulturgeschichte zum Thema Liebe, Begehren (Verliebtsein) und Melancholie (Liebeskummer) – mehr nicht. Weil sie dies anscheinend nicht zu realisieren scheinen, werfen Sie dem Herrn Strassberg vereinzelt auch eine ideologisch-dilettantische Haltung vor.
Ihrerseits sind Ihre Behauptungen so, als wären diese die Wahrheit. Alleine schon Ihre (harmlose) Behauptung, dass die vergangen 100'000 Jahre für das Leben des Homo Sapiens ein reiner Überlebenskampf war, in welchem die Liebe ein seltenes Luxusgut war, ist wegen ihrer Absolutheit und Verallgemeinerung nicht zutreffend. Und ebenso auch Ihre Feststellung, dass wir heute, insbesondere auch die Frauen, in nie dagewesener Arte und Weise frei von Diktat und Konventionen, in Sachen Liebe und Sexualität entscheiden könnten, und dass dies die Bedingung für eine zufriedenstellende Liebe und Sexualität sei. Das ist wohl in der Tendenz zutreffend, aber in dieser Verallgemeinerung gleichzeitig falsch. Denn – das wussten bereits die Daoisten vor 2600 Jahren – ein Überangebot an Lebensmöglichkeiten und Gütern macht die Menschen nur gierig und unzufrieden. Die heutige globalisierte Welt ist bestimmt durch den Konsumismus, dem wir Menschen unterworfen sind. Und dazu gehört auch die Liebe und Sexualität. Ob dies zu einem glücklicheren Leben führt, ist, zumindest, diskussionswürdig. Denn die Werbung macht uns vor, was glücklich zu leben bedeutet, und wir rennen diesem Glück dann nach, selbstverloren und ohne Bezug zum Hier und Jetzt. So gaukelt sie uns (Entscheidungs)Freiheit vor und nimmt sie uns gleichzeitig.

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Guten Tag Herr Schmuziger. Sie müssen keine Angst haben, ich werte niemanden ab, wenn das einzige Kriterium "älterer weisser Mann" ist. Wenn es wichtig für den Text ist, weise ich allenfalls auf Einseitigkeiten hin, die dieser "Status" beinhalten kann. Wenn Solches offensichtlich der Fall ist, sage ich es. Mehr nicht.
Leider wird mein Temperament sehr oft als "unkontrollierte Emotionalität " gewertet, was zwei verschiedene Dinge sind. Emotionsregulation ist eine der wichtigen "exekutiven Funktionen" und dies kann bedeuten, dass es oft sogar je nach Kontext wichtig ist, Emotionen zu zeigen. Nur dass es reflektiert getan wird. Ich tue es halt je nach "Anforderung" der Psychohygiene, also durchaus auch direkt und klar, was vor allem bei den sChweizerInnen oft schhnell als "aggressiv" und "unangemessen" ankommt.Dies sagt jedoch mehr über die übermässige Emotionskontrolle der SChweizerInnen aus, als über gesunde angemessene Emotionen. Männer verwechseln es auch mit "frustrierte Frau" oder gar "Emanze". Da sind wir eben noch weit entfernt von einer Normalität von "symmetrischen Beziehungen". Schweizer Männer sind extrem verunsichert davon und können meine Art fast ausschliesslich nur als "unsympathisch" bis "aggressiv", also "leicht gestört" empfinden. Tja. ich hab wohl oder übel über die Jahrzehnte gelernt, damit zu leben.
Herr Strassberg und Sie auch, gehören da offenbar am Rande dazu. Der von Ihnen verwendete Begriff "Rundumschlag" weist in diese Richtung.
Ein Essay, der bezahlt wird und veröffentlicht, soll fundierte Grundlagen haben. Sonst ist er allenfalls eine Kolumne, oder gar nichts. Im Jahre 2021 kann man dafür auch mindestens teilweise empirische Belegbarkeit verlangen.
Herr Strassberg wertet meine Äuserungen so ab, indem er meint, "ich hätte wohl solche Erfahrungen gemacht". Dabei argumentiere ich empirisch und er leitet sozsagen seine ganzen Schlussfolgerungen von seinen Erfahrungen mit Klienten ab! Der Vorwurf ginge also direkt an ihn, wenn schon!
Seine Schlussfolgerungen dürfen Sie als Meinung teilen, damit habe ich kein Problem, ich denke, eine Menge Menschen teilen diese immer noch.
Ich denke aber, die Redaktion der "Republik" hat eher wenig Interesse, eher altbackene Texte zu veröffentlichen.
Zur Historie der Liebe und zu meiner Infragestellung der Auswirkungen der neoliberalen Ökonomie- Phase der letzten bald 40 Jahren kann ich Ihrem Kommentar wenig Klares entnehmen. Dilettantisch ist Eva Illouz, auf die habe ich mich bezogen, wenn sie sich als Psychologie -Fachperson gibt, die sie nicht ist. Für die "Konsumwahn"- Folgen für die Liebe und Sexualität habe ich meine Einschätzung klar abgegeben. Mangels seriöser Studien - und damit meine ich ebebn gerader nicht die schon als Stichproben nicht repräsentativen Befragungen von Frau Illouz- sind solche Behauptungen eben rasch einmal ideologisch unterfüttert. (Conformation Bias). Ihre Aussagen dazu sind wiederum die von Strassberg. Leider denken die meisten Menschen in ihren Einschätzugen der Zukunft immer sehr vom aktuellen Moment aus. Das sind systematische Verzerrungen, weil der aktuelle Moment immer als viel länger als die Geschichte und auch sogar länger und wirkmächtiger als die Zukunft empfunden wird. Jede Generation hat nur einen winzigen Ausschnitt der Geschichte miterlebt, aber für diese Generation ist es die ganze Welt! Das ist unser menschliches Schicksal. Doch davon gilt es sich als Fachperson halt schon sich möglichst etwas zu lösen... Selbstverständlich macht Konsum allein nicht glücklich - dazu braucht es auch nicht den Taoismus, um sowas festzustellen.
Ein gutes neues Jahr Ihnen!

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Johanna Wunderle
Muttersprache NL
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Ganz grossen Dank für diese Klarstellung Herr Schmuziger.
Die jungen Mädchen und Frauen der heutigen Zeit haben mir schon oft Leid getan. Eine Weile fuhr ich immer im Tram nach Hause zur Zeit des " Saturday Night Fever."
Blutjunge Mädchen mit Bierbüchsen in der Hand, dürftig angezogen, grossmaulige Burschen. Warum lassen wir unsere jungen Menschen so verkommen? Und wundern uns dann über mangelnde Integration. Das ist nicht die Bildung, die ich mir für den jungen Frauen und Männer wünsche. Arme verführte, verlorene Kinder sind wohl kaum als glücklich zu bezeichnen.

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· editiert

Danke, Frau P., für Ihre fundierte Replik auf eine Kolumne mit altbackenen, abgestandenen Theorien aus dem trivialpsychologischen Nähkästchen, willkürlich angereichert mit dem einen oder anderen wikipedianischen Bildungsbürgertumsklischee.
Auch bei mir löst das leider nur Ärger über eine verpasste Chance aus. Ich wünschte mir eine echte philosophische Kolumne verfasst von einer Vertreterin der jüngeren Generation, so ungefähr 21. Jahrhundert.

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Danke! Ich war einfach zusätzlich verwirrt, warum das Thema quasi als "Auftakt" zum Jahresende/Neujahr aufgenommen wird und dann nur Aufgewärmtes drin steht, das zudem deswegen gerade zeitlich besonders schlecht passt...

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· editiert

Das Lesen dieser philosophisch-kulturellen Zeitreise lässt mich etwas unbefriedigt zurück. Letztlich ist es mir etwas viel gebildeter, patriarchaler, nachweihnachtlicher Mystizismus, auch wenn der Anfang und das Ende dieser Reise entwaffnend biologistisch geklammert wird mit der Beschreibung, dass da ein Mann von einer Frau nicht bekommt, was er will. Vielleicht trifft der nüchterne Artistoteles da doch besser als dem Autor lieb ist.

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Also ich komme da nicht nach.
Ich habe in meinem Leben gelernt, dass es mir gut tut, zu geben aus dem einzigen Grund, dass ich geben will. Und zu nehmen, was kommt.
Die Auseinandersetzung mit meinem Wollen und Nichtwollen in beiden Situationen ist, was mich wach im Leben hält. Und das Eintauchen in gemeinsame Lust oder einsamen Schmerz lässt mich spüren, dass ich bin.
All das ist für mich Liebe.

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Johanna Wunderle
Muttersprache NL
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Danke für die Kolumne Herr Strassberg.
Sie gibt mir die Gelegenheit auszudrücken, dass ich die Liebe wie sie so oft besungen und gefeiert wird in der westlichen Welt, eine traurige Angelegenheit finde, die viel Leid bringt. Aus meiner Sicht sind Anziehungskraft und Begehren nicht gleichzusetzen mit Liebe. Die mögen ihren Platz haben in eine gelungene Partnerschaft. Sollte die Partnerschaft nachhaltig sein ( das Modewort ist hier vielleicht mal am Platz), braucht es das Üben der wirklichen Liebe.
Wie Sie sicher wissen, sind im Buddhismus die vier Wesenszüge der Liebe die folgenden :

  1. Maitri : Loving Kindness

  2. Karuna : Compassion

  3. Mudita : Joy

  4. Upeksha : Nondiscrimination
    Ist es nicht spannend, dass statt Melancholie, hier FREUDE und Liebe zusammengehören?
    Herzlicher Gruss, JW

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Theologin/Pfarreiseelsorgerin
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Danke für diesen unterhaltsamen Überblick; eines merke ich: je länger, je weniger kann ich mit Freud etwas anfangen. Zudem bin ich unsicher, ob dieses strikte entweder Liebe oder Begehren wirklich (noch) aufgeht. Und daran anknüpfend: was die heutige Praxis der Kontemplation (im christlichen Kontext) betrifft, so führt diese eben zu der Erfahrung, dass unsere Welt eine des gleichzeitig ist, und das gilt es (liebend) auszuhalten.

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Da liegt ein Missverständnis vor: Im Gegenteil, ich halte alle Versuche, Liebe und Sexualität zu trennen, für untauglich. Einen besseren Beweis dafür, als die (katholische) Kirche gibt es nicht.

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Ach was! Ich liebe meine Kinder, meine Eltern - ganz asexuell.
Man kann Liebe natürlich so eng sehen, dass damit nur sexuell relevante Beziehungen gemeint sind. Aber blendet man(n) damit nicht das halbe Leben aus?

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Theologin/Pfarreiseelsorgerin
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· editiert

Oh gut, dann bin ich erleichtert! - (der Beweis der (röm-)kath Kirche ist leider nur zu deutlich; meine Erfahrung ist, dass ein (schneckenlangsames) Umdenken beginnt.)

P.s. - danke für Ihre Reaktion, ich war wirklich irritiert

Edit: p.s.

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Advocatus diaboli
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Lieber Herr Strassberg
Am meisten mag ich Ihre Kolumnen, wenn sich Ihr grosses philosophisches Wissen mit Ihrer jahrelangen Berufserfahrung als Psychoanalytiker durchmischen. Dann fühlt sich alles stimmig an und man folgt Ihnen mit Freude durch die Jahrhunderte.
Danke für diesen wunderbaren Text. Ich freue mich auf weitere Kolumnen von Ihnen im neuen Jahr und wünsche Ihnen dafür nur das Allerbeste.

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Ich finde diese Gedanken von Daniel Strassberg wie auch die Diskussionen über diesen Text sehr anregend. Es ist eine spannende und zum Nachdenken anregende Zeitreise zu einem Thema, das die Menschen seit je begleitet hat, das immer wieder irritiert, verunsichert, herausfordert, zu höchsten Glücksgefühlen und tiefster Verzweiflung führt und das – zum Glück – nie abgeschlossen ist und auf das es keine endgültigen Antworten gibt.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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· editiert

Vielen Dank, Daniel Strassberg, für die passende Kolumne zwischen dem «Fest der Liebe» und dem Zu-Ende-gehen des Jahres. Lustig auch, wie am Schluss zwei Ausnahmen, die Deiner psychoanalytischen Praxis begegneten, den rabbinischen Urteilen entsprechen.

  1. Beziehungen, in denen die Sexualität, also der «Genuss des Beischlafs», keine Rolle mehr spielt.

  2. Der Genuss, der einzig «Sündern» in verbotenen Beziehungen vorbehalten ist, in denen die Unmöglichkeit der Erfüllung äusseren Umständen zugesprochen werden kann.

Die kurze Antwort auf Deine Frage, weshalb seit über zweitausend Jahren die Liebe mit der Melancholie assoziiert wird, wäre: Weil das Begehren unendlich ist oder man das Unendliche begehrt, jedoch alle Liebe (und alles Leben) endlich ist – und man sich dessen schmerzlich bewusst ist.

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Liegt es am aufkommenden Sturm da draussen, dass so schwärmerische Töne angeschlagen werden? Die Leiden des jungen Werthers scheinen hier Urstände feiern zu wollen in der Philosophie-Kolumne.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Welche «Schwärmerei» meinen Sie? Jene des «nüchternen» Aristoteles? ;)

Nach Aristoteles bewegt der unbewegte Beweger «wie ein Geliebtes», nämlich als Ziel (Met. XII 7, 1072b3), denn das Begehrte, das Gedachte und insbesondere das Geliebte kann bewegen, ohne bewegt zu sein (Met. XII 7, 1072a26). Seine Tätigkeit ist die lustvollste und schönste. Da er immaterielle Vernunft (nous) ist und seine Tätigkeit im Denken des besten Gegenstandes besteht, denkt er sich selbst: das «Denken des Denkens» (noêsis noêseôs) (Met. XII 9, 1074b34 f.). Da nur Lebendiges denken kann, muss er zudem lebendig sein. Den unbewegten Beweger identifiziert Aristoteles mit Gott (Met. XII 7, 1072b23 ff.).

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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· editiert

Eine lange Antwort aber noch, da mir scheint, dass der Selektion und/oder Kondensation halber manch Begriffe unklar und unbestimmt bleiben: Was ist Liebe? Welche Liebe? Eros, Philia, Agape? Also körperliche, zwischenmenschliche, göttliche Liebe? Ist Genuss Begehren oder Lust? Ist jedes Begehren körperlich? Usw.

Interessanterweise scheinen viele in religiösen Dingen weitgehend a-theistisch zu sein, doch in Liebesdingen nicht: Gott, der Ewige und Unendliche, hat sich psychologisiert und säkularisiert zur ewigen und unendlichen Liebe (umgekehrt kann man sich mit Feuerbach Fragen, ob zuvor nicht umgekehrt die Liebe nicht projizierend zu Gott theologisiert und sakralisiert worden ist).

Dantes «Liebe, die bewegt die Sonn’ und Sterne» ist Aristoteles «Gott der Philosophen»: Der «unbewegte Beweger», der «wie ein Geliebtes» bewegt, nämlich als Ziel. Nicht der Mangel bewegt sich auf die Erfüllung zu, sondern das Überfüllende zieht das nach Vervollkommung Strebende an. Wie der Gegenstand der Liebe den Liebenden:

Denn das Begehrte, das Gedachte und insbesondere das Geliebte kann bewegen, ohne bewegt zu sein. Seine Tätigkeit ist die lustvollste und schönste. Da er immaterielle Vernunft (nous) ist und seine Tätigkeit im Denken des besten Gegenstandes besteht, denkt er sich selbst: das «Denken des Denkens» (noesis noeseos)». Da nur Lebendiges denken kann, muss er zudem lebendig sein.

Deshalb ist das Eudaimonische, das vom guten Geist beherrschte gute Leben, also die begeisterte, inspirierte und beseelte Glückseligkeit nach der Tugendhaftigkeit im Praktischen erst mit der Kontemplation im Theoretischen vollkommen. Der absolute, letztendliche und damit zwecklose Selbstzweck ist die absolute, unabschliessbare und damit unendliche Selbstbezüglichkeit, wenn Einer Alles denkt – und Allmächtiges Alles erschafft.

In diesem Sinne stellt de Medicis Verteidigung der Liebe als unendliches, unerfüllbares Begehren nach reiner selbstbezüglicher Aktivität kein Widerspruch dar zum Kapitalismus des unendlichen Wachstums und der unerfüllbaren Gier nach Mehr – das nie den Mangel zu stillen vermag.

Die «Mönchskrankheit» und Todsünde acedia entsteht durch das Bewusstsein, der (eigenen) Endlichkeit und dass man nie das Unendliche zu erreichen vermag – und wurde gelöst durch labora, also Arbeit, denn Müssiggang ist aller Laster Anfang. Die moderne Erschöpfungsdepression hingegen durch die unendliche Ökonomisierung, unerfüllte Gier und intensivierte Aktivität.

Aristoteles nun, war ja bekanntlich gegen den Gelderwerb als Selbstzweck und das «unnatürliche» unendliche Wachstum des Zinses – auch hier also ganz dem «Mass der Mitte» (mesotes) verpflichtet. Melancholie hatte bei ihm seinen Grund, dass die phantasia sich Massloses vorstellt, man dieses begehrt und sich – seine Endlichkeit nicht demütig eingestehend – nicht beherrschen kann. Wobei auch die totale Enthaltsamkeit masslos ist.

Jammern würde man hier «nur» noch darüber, dass das Gegenüber einen masslosen Begriff der Liebe hätte, der – als Agape – höchstens einer Göttin oder einem Gott gemäss wäre. Oder sollten wir im Gegenteil die Andere oder den Anderen – wie Levinas – als Unendliches, als Antlitz vorstellen?

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Theologin/Pfarreiseelsorgerin
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Liebe Michel, nur kurz. Ich stolpere über folgenden Satz in Deiner langen Antwort:

Gott, der Ewige und Unendliche, hat sich psychologisiert und säkularisiert zur ewigen und unendlichen Liebe (...).

Wie meinst Du das mit dem psychologisiert/säkularisiert? Danke Dir für Präzisierung, herzlich, Anne

Edit: eigene Wege der Autokorrektur am Natel getilgt

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In den fast vierzig Jahren als Psycho­analytiker bin ich noch keiner auf Dauer funktionierenden symmetrischen, das heisst beide Seiten gleicher­massen befriedigenden Beziehung begegnet (...)

Selection Bias?

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Leserin
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Weiss jemand, welchen Rang das Thema "Beziehung" (Leiden an, Mangel an etc.) in Beratungsangeboten hat? Wer etwas älter ist hat vielleicht auch bemerkt, dass sich die Erwartungen an Liebes- und Lebenspartner:innen in den letzten Jahrzehnten sehr verändert haben. Gut möglich, dass der Kapitalismus die treibende Kraft ist, die uns allen vorgaukelt, dauerndes Liebesglück sei möglich, beim Erwerb bestimmter Produkte oder Kompetenzen. Der Artikel von Strassberg könnte doch auch etwas Entlastendes, Tröstendes haben?

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Verband Tel143 - Die Dargebotene Hand
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Gemäss unserer Statistik dominieren seit Jahren auf den Plätzen 1-4 Psychisches Leiden, Alltagsbewältigung, Einsamkeit und Körperliches Leiden. Beziehungen und Paarbeziehungen folgen erst auf den Plätzen 6 und 7. Wobei man Einsamkeit ev auch zum ‚Beziehungsleiden‘ schlagen könnte. Cave: Die Definitionen sind bei uns nicht scharf, und wir sind bei Tel143 sicher nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung.

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Diesmal nicht zufrieden mit der Kolumne. Kenne etliche Personen die lange sehr glücklich lieben und geliebt werden. Daher diesmal zu düster und auch zu Feuilleton-mäßig geschrieben, fast wie Geschwurbel auf intellektuell getrimmt. Meist mag ich seine Artikel, der hier ist aber irgendwie zu gewollt und fühlt sich unfertig an. Dies hier schreibt eine Frau. Aus Deutschland 😂

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Nun hab ich schon mehrmals einen Beitrag zu verschiedenen Aspekten geschrieben und wieder gelöscht, aber irgendwie lässt mich der Artikel und Diskussion über den Beitrag von Herrn Strassberg nicht los. Gibt es überhaupt symmetrische Beziehungen? Wenn wir unseren Körper anschauen sind wir nicht symmetrisch, obschon wir von manchem deren zwei in uns tragen. Sie kennen sicher die Bilder, bei denen dieselbe Gesichtshälfte zu einem Gesicht zusammengefügt wurde und das leichte schaudern, das einem bei der Betrachtung befällt. Befähigt Symmetrie zum handeln oder ist Assymetrie dynamischer? Würden wir in uns , in einer Beziehung, in einer Gruppe nicht eher das Gleichgewicht verlieren, wenn alles symmetrisch wäre? Und könnte sich der nährende Boden einer Beziehung nicht unterhalb dem hin und her zwischen symmetrisch und nicht symmetrisch befinden? Mit meinen besten Wünschen zum Jahreswechsel.. in eine Jahreszahl die fast symmetrisch ist, wäre da nicht diese Null!

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Ein fundierter Essaie endet im Streit unter Psychologen über Wissenschaft, d.h. ob das Essaie überhaupt fundiert sei, ob es mit Grund oder Abgrund zu tun hat.
Naturwissenschaftlich ausgerichtet muss ich mich fragen, wie das, was wir als Leben in Lebewesen wahrnehmen, es fertigbringt, dass es 1) 3'400'000'000 Jahre überdauerte, obschon 2) das einzelne Wesen, das Leben lebt und offenbar genealogisch weitergibt, in der Kette wenig Bedeutung hat. Das Ganze wird rechnerisch umso komplexer, als dass Viren sehr sehr kurz, Bakterien nicht viel länger, komplexere Organismen erst spät in den 3,4 Milliarden Jahren auftreten, d.h. 3) das Leben der.m einzelnen Genüberträger.in so wenig (bleibenden) Wert beimisst, dass sie.er der völligen Anonymität der Fackelträger der olympischen Flamme gleicht.
Das seltsamste aber ist 4): Das naturwissenschaftliche Wissen vom Heliozentrismus zeigt uns, dass die Erde nie Zentrum im Universum war, obschon Platon, Aristoteles und mit ihnen die monotheistischen Religionen sich diesem Wahndenken verschrieben. Seit 400 Jahren kümmert sich die Astronomie um die Angelegenheit und beobachtet den Untergang von Sonnensystemen. Denken wir konsequent, so wird Leben im NULLSUMMENSPIEL von der sich verbrennenden Sonne verdampft werden. Also alle unsere Werke werden sang- und klanglos mit dem Leben verschwinden, auch Glauben, Wissen, Besitz, Daten.
Erlauben Sie mir die Frage 1): welchen Platz würden Sie der Liebe in diesem Nullsummen-Spiel zudichten, das heute andauert wie schon Jahrmilliarden ? Auch die Spezies sind austauschbar, in dem Sinn vorübergehende Erscheinungen, solange sie physisch-genealogisch das Leben weitergeben, daran ändert die Fortpflanzungsmedizin als Teil des Gesundheitsmarktes für den Sapiens nichts.
2) Wundern Sie sich, dass der Beitrag mit Weihnachten verbunden wurde?

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Kosmologischer Nihilismus vs. subjektive Empfindsamkeit… zwei mächtige Gegner 👍

Edit: gab ein technisches Problem beim abschicken, worauf 3 Mal gepostet wurde, was für den minimalen Inhalt dann etwas übertrieben wäre.

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Wenn der Arzt Leben in Lebewesen wahrnimmt, dann handelt es sich nicht um Nihilismus, sondern um die grosse Herausforderung einer auf totale Vermarktung von allem und jedem, also auch von Lebewesen, ausgerichteten Gesellschaft und Wirtschaft.
Kosmologisch ist insofern zutreffend, dass Leben und Lebewesen eben mit Kleinmen und Grossen symbiotisch verbunden sind, was das Marktprinzip der Veräusserung negieren muss, sonst könnte es seinen Besitzanspruch gar nicht vertreten.

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Herr Strassberg, ich geniesse den Spaziergang und die Plauderei mit Ihnen. Mir liegt das Assoziative und ich erfahre Neues. Erst bei den Kommentaren erfahre ich, dass wir uns offenbar auf einem Truppenübungsplatz und nicht draussen in der freien Natur befinden. Schade.
Ich möchte noch etwas zum Thema Melancholie sagen. In Bern praktizierte ich bei Ernst Georg Böttger etwas, das er "Elementarpantomime" nannte. Er orientierte das Spiel der Figuren teilweise an den Temperamenten Sanguiniker, Choleriker, Phlegmatiker und eben Melancholiker, wobei er letzteren die Sportart "Speerwurf" und die Körperhaltung "auf der Erde stehend und sich gegen den Himmel hoch dehnend" zuordnete. Eine Arbeit mit der Schwerkraft. Daraus entstanden dann in diesem Fall Bilder von Menschen, die an ihrem Ort stehen und den Dingen hinterher schauen. Bei Interesse kann ich allenfalls die Schwerpunkte in der Körperarbeit der anderen Temperamente auch noch schildern. Alles Gute!

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Toni & Inge Bucher Müller
Rentner macht Pause
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Hier mein klitzekleiner Versuch einer Annäherung SCHWARZ auf WEISS 👉 https://flic.kr/p/2kgwiwj 😷

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