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Diesen Absatz bzw. die Aussage dahinter finde ich sehr hilfreich.

Die grossen Ziele Freiheit, Gerechtigkeit, Frieden benötigen nämlich im Gegensatz zu den kleinen Zielen Befreiung, Fairness, Gewalt­verzicht den Neuen Menschen. Also beginnt man, sobald die kleinen Ziele erreicht oder teilweise erreicht sind, den Alten Menschen für die ideale Gesellschaft fit zu kriegen und ihn zur Freiheit zu erziehen. Notfalls mit Gewalt.

Das gefällt mir deswegen so gut, weil man es auf die persönliche Ebene übertragen kann. Ich kann als Einzelner für meine Bedürfnisse oder die anderer eintreten. Wenn ich aber darüber hinaus versuche, andere Menschen zu ändern, beginnt das Problem, das potentiell zu Frust und Gewalt führt. Man kann nur sich selbst ändern und das gilt auch für alle anderen.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Die grossen Ziele Freiheit, Gerechtigkeit, Frieden benötigen nämlich im Gegensatz zu den kleinen Zielen Befreiung, Fairness, Gewalt­verzicht den Neuen Menschen.

Liest man auch die folgenden Absätze in Arendts «Über Revolution», dann erkennt man schnell, dass beides, «Befreiung» und «Freiheit», in der Verfassung der Republik und Erschaffung dauerhafter Institutionen notwendig ist. Ja, dass vor allem die positive qua politische qua öffentliche Freiheit mit der Erfahrung des «Neuanfangs» und des «Gründens» verbunden ist.

Man kann sich auch fragen, ob der Übergang von Herrschaft zu Nicht-Herrschaft, von Unfairness zu Fairness, von Gewalt-«Kultur» zu Gewaltverzicht ohne eine andere, neue Moral mit entsprechenden Normen, Werten und Idealen einhergehen kann.

Wenn eine Gesellschaft von ihren lebenslangen Unterdrückern befreit wird, ist sie dann von selbst schon eine funktionale Gesellschaft? Bereits Platon bezweifelte dies in seinem Höhlengleichnis – und die Geschichte vieler Befreiungen and their aftermaths gibt ihm leider recht.

Die Unterscheidung zwischen «grossen» und «kleinen Zielen» mag zwar analytisch sinnvoll sein, doch einen derart dichotomen Gegensatz aufzubauen, erscheint nicht nur wenig adäquat, sondern auch wenig hilfreich.

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· editiert

Vielleicht kann ich es so ausdrücken: lieber immer wieder viele kleine Befreiungskämpfe, als einen grossen Kampf für die Freiheit und die Gerechtigkeit an sich.

Damit kommt man dann trotzdem dem Ideal absoluter Freiheit und Gerechtigkeit näher, ohne dass man daran verzweifelt, wieviele unwillige und rückständige Leute es gibt, die es einfach nicht kapieren wollen. Man sollte die Unzulänglichkeiten der Menschen akzeptieren, darf aber darauf hoffen, dass sie sich mit der Zeit ändern. Es mit Gewalt und Zwang zu forcieren, würde ich lieber sein lassen. Das verstünde ich dann unter den „Neuen Menschen“ schaffen.

„Kleine“ und „grosse“ Ziele in dem Zusammenhang verstehe ich wie Sie auch nicht als Gegensatz: Die (unvollkommene) Erreichung eines „kleinen“ Ziels kann ein ganzes Leben oder sogar mehrere Generationen in Anspruch nehmen, ist also im Grunde überhaupt nicht klein.

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Ich habe im Laufe der Jahre eine Reihe von Kriterien entwickelt, die es mir erleichtern, soziale Bewegungen, aber auch Gesetzesvorschläge, Initiativen, Projekte aller Art einzuordnen und auf ihr Unterstützungspotential zu prüfen:

  • Gewaltfreiheit

  • Menschenfreundlichkeit

  • demokratische Mitbestimmung

  • Das Vorhaben soll bewirken, dass nicht- oder wenigprivilegierten Menschen daraus ein Vorteil erwächst, allenfalls auf Kosten der Privilegierten, also auch auf meine Kosten.

Aktuell erfüllt nach meiner Einschätzung die Klimabewegung diese Kriterien.

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das freut mich, dass in dieser klugen Debatte jemensch das offensichtliche benennt: Die Klimabewegung geht nicht naiv mit diesen Machtfragen um und will den Wandel selber verkörpern, den wir brauchen für eine lebenswerte Zukunft. Mir gefällt das sehr gut, obwohl es basisdemokratisch auch anstrengend sein kann und nicht immer wie die perfekte Organisation funktioniert.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Abgesehen davon, dass es «die» Klimabewegung nicht gibt, können wir uns fragen, was im Falle der Klimakrise das «grosse» und das «kleine Ziel» wäre:

Die grossen Ziele Freiheit, Gerechtigkeit, Frieden benötigen nämlich im Gegensatz zu den kleinen Zielen Befreiung, Fairness, Gewalt­verzicht den Neuen Menschen.

Ist das grosse Ziel «Nachhaltigkeit» durch Verzicht und das kleine Ziel die «Mässigung» unter Beibehaltung von Wachstum? Aber was, wenn das kleine Ziel nicht reicht, weil die «Bedingungen der Gesellschaft» nunmal das grosse Ziel not-wendig macht? Und erfordert diese «langsame Gewalt» dieser Systemkrise nicht auch ein neues Welt- und Menschenbild (was nicht zugleich den Weg der Gewalt «ohne Umwege» impliziert)? Also «Netto-Null» mit all ihren Konsequenzen und nicht bloss ein grün angestrichener Lifestyle-Kapitalismus?

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Die Unterscheidung zwischen "grossen" und "kleinen" Zielen ist mir zu akademisch. Wenn es gilt, den Neuen Menschen zu schaffen, bin ich jedenfalls nicht dabei.

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Märchentante*onkel
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· editiert

Ein Aspekt in dieser spannenden Kolumne zum Thema Befreiung/Freiheit scheint mir zu kurz zu kommen. Der Versuch, Bewegungen in gute und schlechte einzuteilen anhand eines abzuhäkelnden Kriterienkataloges muss scheitern, wenn sie als absolute, in sich ruhende Grössen betrachtet werden. Das Verhalten von Bewegungen, ihre Entwicklung, ihr Erfolg oder Scheitern liegt häufig nicht an ihnen selbst oder ihren noblen oder weniger noblen Motiven. Denn befreiende Bewegungen sind in ein Umfeld oder System eingebettet: von konterrevolutionären und anderen Kräften, Nachbarstaaten, selbsterklärten Weltpolizisten, und vielen weiteren um Vormacht und Einfluss buhlenden Gesellschaftskräften. Es wäre naiv, die gute Freiheitsbewegung von der stalinistischen Perversion abzugrenzen, indem die Bewegung in sich selbst analysiert wird.
Das AJZ ist ja nicht untergegangen am Versagen der Bewegung, das heisst der Weigerung der Vollversammlung, Drogendealer wegzuweisen, sondern an einer repressiven Staatsmacht, die ihre damals auf dem Fetisch des Totalverbotes gründende Drogenpolitik ohne Methadon um jeden Preis und überall durchsetzen wollte und zu diesem Zweck bereit war, das AJZ zu räumen und schliessen.
Der an die postnatale Depression angelehnte Begriff der postrevolutionären Depression scheint mir eine irreführende Psychologisierung von sozialen Kräften. Die Übertragung individualpsychologischer Konzepte auf Befreiungsbewegungen halte ich für falsch, weil sie das Bewusstsein für systemische Ungerechtigkeiten und Unterdrückungen unterschlägt und Bewegungen als Handlungsmotiv unterstellt, emotionelle Individualbedürfnisse zu befriedigen statt Ungerechtigkeiten und Unterdrückungen zu beseitigen.

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Mir scheint die Machtproblematik in neuen Bewegungen ein ganz zentraler Punkt für ihre Tendenzen zum Autoritarismus. Die drei anfangs angeführten Argumente bezeichnen eigentlich eher mögliche Entschuldigungen bzw. "Begründungen" für solche Tendenzen, und die sechs Mittel können als Ausdruck der Bildung eines potentiell autoritären Machtkerns in der Bewegung interpretiert werden. Ideen spielen sicher eine wesentliche Rolle, aber lange nicht die einzige, und Mittel der Machtausübung und -mehrung sind eben nur Mittel und insofern Anzeichen, aber nicht der Motor ihrer Verwendung.
Eine amerikanische Soziologin und Feministin, Jo Freeman, hat in einem fast apokryph gewordenen Text aufgrund ihrer eigenen Beteiligung am aufkommenden Feminismus der zweiten Welle eine vermutlich besonders wirksame strukturelle Bedingung identifiziert und in ihrem Titel bezeichnet: the tyranny of structurelessness. Um es mit ihren Worten zu sagen: "When informal elites are combined with a myth of 'structurelessness' there can be no attempt to put limits on the use of power because the means of doing so have been eliminated. The groups thus have no means of compelling responsibilty from the elites that dominate them. They cannot even admit they exist."

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Vielen Dank, vor allem auch für den Hinweis auf Jo Freeman, die Idee scheint mir hochinteressant, allerdings darf man daraus nicht schliessen, dass das Gegenteil, als0 starke Strukturen, vor autoritären Tendenzen feit. (siehe Russische Revolution) Zur Frage der Macht: Ich würde Macht und Ideen nicht gegeneinander setzen. Ich denke (mit Foucault) dass Ideen auch Formen oder Vehikel sind, Macht auszuüben. Dass die Machtfrage immer im Hintergrund wirksam ist, scheint mir "geschenkt", es kommt vielmehr darauf an, die Formen ihrer Ausübung zu analysieren und das Mass der Unterdrückung zu bestimmen, das sie produziert.

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Herr Strassberg, ich habe die Erfahrung gemacht, dass je progressiver sich Gruppierungen fühlen, um so weniger die Frage nach der Macht innerhalb der Gruppe gestellt werden kann. Ganz selten sind sich Gruppierungen von Anfang an dieses Problems bewusst und versuchen Gesprächsmechanismen zu etablieren, die die Machtfrage periodisch angehen sollen. Dass Macht immer entstehen kann, scheint unter fortschrittlichen Menschen ein Tabu zu sein- ich hatte immer den Verdacht, letztlich mit dem Zweck, vorhandene Machtstrukturen zu schützen.

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Das finde ich interessant, was Sie schreiben. Es erinnert mich an das Problem der Verantwortungsdiffusion z. B. in sog. selbstorganisierenden Teams aber natürlich nicht nur dort. Auch der Trend zu sog. flachen Hierarchien in Unternehmen führt tendenziell zu den von Freeman beschriebenen Problemen.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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· editiert

Die «informal elites combined with a myth of ‹structurelessness›» und die dadurch fehlende «compelling responsibilty» erscheint mir geradezu als Definition nicht der «progressives», sondern im Gegenteil der Bürgerlichen und Liberalen mit ihrem Mythos des Individualismus, der Meritokratie und Klassenlosigkeit (Stichwort «Eigenverantwortung»), und die sich angesichts struktureller Diskriminierung, sei es Rassismus, sei es Sexismus o. a., «blind» zeigen. Nur, um ihre Privilegien nicht als solche anzuerkennen, geschweige denn zu kritisieren.

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Merci für diese Zusammenfassung klaren Denkens zum Thema. Warum das jetzt ausgerechnet unter dem Banner "autoritär" laufen muss (es könnte auch quasi-religiös, totalitär, faschistoid etc. heissen) verstehe ich nicht. Aber egal, die Analyse zur Freiheit behandelt Erscheinungsformen eines generellen Musters, wie der Abschnitt über [freiheit, gerechtigkeit, frieden] vs. [befreiung, fairness, gewaltverzicht] sehr konzis aufzeigt.
Ich bin kein ausgebildeter Philosoph, aber es scheint mir so als ob hier eine Klasse von Werten gegen eine Klasse von Handlungsanweisungen steht.
Das Alarmzeichen in einer "Bewegung" (das kann auch eine umrissene Gruppe von Gleichgesinnten sein) wäre demnach der Ruf nach einer Verständigung auf gemeinsame Werte, was auf mich zunächst kontraintuitiv wirkt. Wie soll sich eine Bewegung ausrichten ohne gemeinsame Werte? Aber tatsächlich geht es möglicherweise ohne sie. Man muss dazu ja stets bedenken, dass Werte von Natur aus nicht menschlich sind, sondern nur menschengemacht. Die Welt der Werte ist kalt und braucht den Menschen nicht. Und wenn man Mitglieder schöner sozialer Gemeinschaften nach den Werten dieser Gemeinschaft fragt, bekommt man tatsächlich oft einen etwas ratlosen Gesichtsausdruck zurück.

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Vielen Dank für die Gelegenheit, einiges zu präzisieren. 1. Ich habe autoritär, und nicht einen der anderen Begriffe gewählt, die Sie vorschlagen, weil ich ihn für den umfassendsten, den breitesten hielt. 2. zu den Werten: Selbstverständlich kommt man ohne Werte nicht aus, aber gefährlich wird es meiner Ansicht nach wenn die Grossen Werte zugleich zu Grossen Ziele werden. Wenn man mit anderen Worten die Utopien ohne Umwege in Realität umsetzen will.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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· editiert

Schade. Die heutige philosophische Kolumne beginnt so schön historisch-dialektisch, nur um zeitgeistig-dichotomisch zu enden und auseinander zu fallen. Doch zuerst: Um welche sozialen Bewegungen und Revolutionen geht es überhaupt? Nicht etwa um die global grassierenden rechts-populistischen Bewegungen oder eine konservative Revolution hin zu einem autoritären Nationalradikalismus. Nein, sondern um «Linke». Spätestens beim listical à la Snyder wird klar, dass es sich um eine verkappte Kritik an der linken identity politics mit ihrer wokeness und cancel culture handelt (vgl. dazu Daniel Graf).

Ohne diese zu nennen, zeigten sich «in heutigen Bewegungen» nicht nur «autoritäre Tendenzen», sondern mit «der wichtigsten Analytikerinnen totalitärer Strukturen» auch gleich totalitäre.

Das Zitat von Hannah Arendt wird jedoch völlig aus dem Kontext gerissen und genau in das Gegenteil verkehrt, was im Verlaufe des Buches, ja schon nur des Kapitels ausgesagt wird. Arendts Unterscheidung entspricht dabei jener von Isaiah Berlin in «Zwei Freiheitsbegriffe»:

  • negative Freiheit: «Zustand der Freiheit, in dem keine von anderen Menschen ausgehenden Zwänge ein Verhalten erschweren oder verhindern».

  • positive Freiheit: «Zustand der Freiheit, in dem die Möglichkeit der passiven Freiheit auch tatsächlich genutzt werden kann, oder nach noch weitergehender Auffassung einen Zustand, in dem die Möglichkeit tatsächlich genutzt wird.»

Entlang dieser Differenz verlief auch die Debatte zwischen Liberalismus/Libertarianismus und Kommunismus/Kommunitarismus (siehe Taylor).

Die negative Freiheit von wird durch Befreiung erlangt und die positive Freiheit zu durch den «Willen zur Freiheit».

Es wäre nun aber vollkommen verkehrt, zu sagen, dass Arendt Letzteres als «totalitären und gewalt­tätigen Abweg» ablehnte. Denn ihr geht es gerade um die positive Freiheit als politische Freiheit im Sinne der öffentlichen Freiheit, welche «in der unmittelbaren Anteilnahme an einem öffentlichen Leben» der «öffentlichen Person», «Republikaners» oder «Citoyens» besteht. Dies im Gegensatz zur rein privaten Freiheit des privaten «Idioten» (oder idiotischen «Privatiers»), also des «Spiessbürgers» oder «Bourgeois».

Ersteren liegt die Einsicht zugrunde, «dass ihr Glück im Leben nicht vollkommen war, wenn es nur in einem von Glück beseelten Privatleben bestand».

Es entspricht auch der «schönen Seele», etwa eines color blind liberal, bloss auf die Gesetze und Institutionen zu verweisen, ohne den Gegensatz und die Dialektik zu beachten zwischen der Freiheit:

  • de jure vs. de facto

  • formal vs. material

  • Anspruch vs. Realität

  • Versprechen vs. Einlösung

Denn nur weil etwas per Verfassung und Gesetz postuliert wird, ist es noch lange nicht Realität. Die fortschreitende Realisierung (deshalb auch progressives) ist dem Universalismus des demokratischen Versprechens der «Gleichfreiheit» angelegt. Die Befreiung der Sklaverei und rassistischen Diskriminierung endet nicht einfach per Gesetz und institutionellen Regeln, sondern erst mit veränderten Interaktionen, Kommunikationen, Relationen, d. h. Strukturen, Beziehungen und Alltagshandlungen.

Dabei stellt sich die Frage, ob die Erziehung der Gesellschaft nicht gerade auch durch Institutionen des Staates, wie der «Polizey», und der Wirtschaft, wie der Unternehmen, vonstatten geht. Spätestens seit Foucault, Bourdieu, aber auch dem bekennenden «Linkskonservativen» Sloterdijk wissen wir doch, dass wir uns permanent in einem «Trainings- bzw. Erziehungslager» befinden, in dem wir zu «Neuen Menschen» diszipliniert und gebildet werden (vgl. Hondrich und Groys). Sei es durch die Kirche, Kunst, Politik, Schule, Therapie oder Technik.

Und auch die Verwendung des Zitats von Adamczak verkehrt den Sinn ihres Buches, der sogar im Titel angedeutet wird: «Beziehungsweisen». Diese konstituieren nämlich soziale Strukturen, wie auch Bewegungen, welche diese verändern wollen.

Mit dieser Verkehrung wird nun aber das, was Adamczak in ihrer Arbeit offenlegte, abermals verschwiegen und verschüttet:

Verschwiegen und verschüttet blieb so, dass die nostalgische Sehnsucht auch der Erfahrung einer solidarisch-egalitären Bezeihungsweise galt.

Denn:

Führt Freiheit ohne Gleichheit zu Ausbeutung und Unterdrückung, so führt Freiheit ohne Solidarität zu Individualisierung. Führt Gleichheit ohne Freiheit zu Zwangskollektivierung bzw. Homogenisierung, so führt Gleichheit ohne Solidarität zu Bindungslosigkeit bzw. Autoritarismus.

Und:

Solidarität ohne Gleichheit führt in den Paternalismus, Solidarität ohne Freiheit in Loyalität und repressive Vergemeinschaftung.

Um mit Arendt zu schliessen, so würde auch sie die Herrschaft der öffentlichen Meinung als eine Form der Tyrannei bezeichnen und gegen diese die radikale «Pluralität» der Stimmen und Interessen hochhalten. Gleichzeitig aber ist für sie als Republikanerin auch die Erkenntnis, dass nur frei ist, wer frei unter Gleichen ist, essenziell. Wie diese zwei Güter abgewägt werden sollen in Anbetracht der Intoleranz gegen Intoleranz (vgl. Poppers «Toleranz-Paradoxon») ist, alas, eine andere Geschichte.

Ohne linker identity politics gleich den Persilschein aushändigen zu wollen, so bleibt doch zu konstatieren, dass durch diese Rosinenpickerei genau das Gegenteil dessen bezweckt wird, was die zitierten Quellen aussagen wollten. Eine Form der Instrumentalisierung also. Und persönlich fände ich es intellektuell auch redlicher, wenn explizit gesagt würde, gegen was konkret sich die Kritik wendet.

P.S. Disclaimer: Für all diese Verlinkungen kriege ich vom Suhrkamp-Verlag kein Geld ;-)

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Grundsätzlich wirken die 6 Faktoren schon "universell", bei links und rechts und früher und heute, doch wird historisch etwas arg gemixt: Erst seit kurzem wird "Geschlecht" thematisiert in internen Machtkämpfen. Über die längste Zeit der Geschichte herrschte jedoch eine patriarchale Struktur und "Geschlecht" war kein Thema in Freiheits- und Befreiungsdebatten: Frauen kamen einfach nicht vor, "Frauenwelten" waren nicht relevant.
Deshalb ist der "alte Diskurs" von Revolutionen und Utopien auch praktisch in rein traditionellen Männerwelten entstanden und geführt worden, und entsprechend "eng" geführt, im Vergleich zu neueren. Erst seit den 68ern und dem Slogan der neuen Frauenbewegung gibt es den Slogan "Das Private ist politisch". Arendt war eine Art "Zwischenfigur", ganz in der männerdominierten Philosophiewelt, aber als Frau mit durchaus entsprechenden Erfahrungen. Sie "entdeckte" daher auch bereits den Alltag, das vorher übersehene "Banale" als hochpolitisch.
Wie in meinem anderen Kommentar erörtert, "funktioniert" die Psyche des Menschen aber grundsätzlich gleich und seit dem 20. Jh. ist diese auch in den Blick gekommen, durch mehr Bildung, Sicherheit und Wohlstand. Interne Flügelkämpfe in gestandenen Demokratien beinhalten aber nicht mehr rohe Gewalt oder gar Totschlag. Die Teilnahme an Debatten ist massiv breiter, die Rechte und die Rechtslage ebenso.
Momentan ist das leute Geschrei und die Empfindlichkeiten allenthalben über Inklusion/Exklusion eher schon neurotisch-dekadent. Angetrieben durch medialen 24/7-Overkill und Social Networks.
Dass Gruppen/Parteien einen absoluten "Freiheitsanspruch" vertreten wollen, der als Folge einen "Neuen Menschen" gegen alle anderen autoritär implementieren will - diese Zeiten halte ich in stabilen Demokratien als "vorbei". Es ist eher eine "veraltete Männerangst", sprich: die traditionelle Denkweise. Auch die Jugend gegen den Klimawandel will sowas nicht wirklich.
Wichtig ist einfach, sich einzugestehen, dass Machtkonflikte, Neigung zu Dogmatischer Verengung via "Confirmation Bias", usw... überall auch im 21. Jh. - (und auch in progressiven Bewegungen) bestehen, weil menschlich. Und dass sie kompetent angesprochen werden müssen.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Absolut d'accord, Frau P. Deshalb fragte ich mich auch ständig, gegen welche, zumal linke, soziale Bewegung die Kritik konkret gerichtet ist. Wenn derartiges aber in «stabilen Demokratien als ‹vorbei›» zu gelten hat, dann entpuppt sich das ganze Argument als Strohmann-Argument. Aber sei's drum.

Was Sie zur strukturellen Gender-Codierung sozialer Bewegungen und Revolutionen sagen, ist ebenfalls eine richtige und wichtige Beobachtung. Dies ist auch eine der Hauptachsen von Adamczaks Argumentation in «Beziehungsweise Revolution», welche eben die (gender-codierten) Beziehungsweisen der Revolutionen von 1917, 1968 und die Kommende analysiert. Auch das fiel der Pointe willen leider unter den Tisch. Die Lektüre des ganzen Buches kann ich daher allen empfehlen.

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Lieber Herr Rebosura

Besten Dank für Ihre kluge und kenntnisreiche Kritik, und entschuldigen Sie die Verzögerung, aber ich brauchte etwas Zeit, um meine Gedanken zu «büschelen»
Ich sehe im Grunde drei Kritikpunkte, auf die ich einzeln eingehen möchte

Ich interpretiere die Autorinnen falsch oder zumindest tendenziös.
Mit diesem Punkt habe ich am meisten Schwierigkeiten. Es ist ja eine Kolumne und keine Dissertation, das heisst, es sollte allen klar sein, dass ich die Quellen wie einen Steinbruch benutze, um einen eigenen Gedanken zu stützen und zu illustrieren. Dazu kommt, dass ich nicht recht sehe, in welcher Weise die von Ihnen herangezogenen Stellen meiner Lesart widersprechen.

Ich sei unredlich, indem ich das Objekt meiner Kritik nicht nenne. Das ist natürlich richtig, aber Sie können sich die Reaktionen wohl vorstellen, wenn ich mit offenem Visier argumentiert hätte. Diese List hat zumindest eine hochstehende Diskussion ermöglicht. Und wer wollte, konnte durchaus verstehen, worum es mir geht, Sie sind das beste Beispiel. Wie heisst es im Talmud so schön: Daj leChakima beRemisa, dem Weisen genügt ein kleiner Hinweis.

Ich lege mich mit den Konservativen, ja Reaktionären wie Sir Isaiah Berlin ins Bett. Mein Freiheitsbegriff unterscheide sich kaum von seiner negativen Freiheit. Das scheint mir tatsächlich der schwierigste Punkt. Ich denke aber, das ist eine Folge davon, dass die Linke ein Defizit in Sachen Selbstkritik hat, und das Feld intellektuell der anderen Seite überlassen hat. Ich glaube, die Aufarbeitung der eigenen Geschichte, auch der eigenen Gewaltgeschichte, ist nicht gerade ein Ruhmesblatt der Linken, so dass man fast notgedrungen auf gegnerische Denker angewiesen ist. Aber ich nehme den Ball auf und werde mich in einer den nächsten Kolumne Ihrer Frage stellen: Gäbe es einen positiven Freiheitsbegriff, der nicht in Gefahr läuft in den Autoritarismus abzurutschen? Einverstanden? (unter dem Vorbehalt allerdings, dass mir dazu was einfällt, für Lesetipps jederzeit dankbar!)

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Lieber Herr Strassberg, ich danke Ihnen für ihre Replik, auf die ich ebenfalls gerne im Einzelnen eingehen werde. Vorab möchte ich jedoch sagen, dass ich ihre Kolumne überaus schätze und ich stets viel dazulerne – vor allem wie man Philosophisches vermittelt. Umso ärgerlicher (oder auch enttäuschender) war es daher, zu sehen, wie bestimmte Denkerinnen vereinnahmt werden, Sie ihre wahren Absichten verbergen und die eigentliche Quelle verheimlichen. Das waren dann der «Listen» zu viel, so dass die Kolumne wie ein Kartenhaus in sich zusammenstürzte.

Aber der Reihe nach:

Ich interpretiere die Autorinnen falsch oder zumindest tendenziös...

1.1. Ich wäre der Letzte, der sich gegen philosophische Brocken und Brosamen aussprechen würde, um eigene Gedanken zu stützen und zu illustrieren. Doch der rausgehauene Marmorblock wurde ausgehöhlt, mit anderem Inhalt gefüllt, zu einer Hohlsäule verarbeitet und statt einer nicht-tragenden Säule zu einer tragenden gemacht, so dass der Gedanke, den sie stützen soll, in sich zusammenfällt. Kurz, das Zitat wurde sinnentstellend interpretiert, so dass geradezu das Gegenteil dessen ausgesagt wird, was die Quelle selbst explizit damit aussagt. Ja, wie sich zeigte, wurden Arendt sozusagen Berlins Worte in den Mund gelegt.

1.2. Der Widerspruch ist folgender: Auf das Zitat folgt ihre Interpretation, was die Quelle damit aussagen will.

Arendt sieht den Haupt­grund für die totalitären und gewalt­tätigen Abwege von sozialen Bewegungen und Revolutionen in der Verwechslung von Befreiung und Freiheit.

Das ist schlichtweg falsch. Für Arendt ist der Wunsch nach Freiheit als Handlungsfreiheit gerade das Wesentliche der Revolution. In jeder erfolgreichen Revolution gehe es um die Verwirklichung von Freiheit in der Form der Konstitution eines politischen Raumes: der Republik. Anders als bei Marx, Lenin, Trotzki und folgende ging es ihr weniger um die Phase des revolutionären Befreiungskampfes, sondern vielmehr um jene danach: den Verfassungsakt und die Gründung des «Neuen».

Auf «totalitäre und gewalt­tätige Abwege» gerate man nicht durch die «Verwechslung von Befreiung und Freiheit», sondern durch die Verwechslung von Freiheit und Notwendigkeit. Sei es die (Nach-)Hegelsche «geschichtliche Notwendigkeit» oder die biologische, ökonomische und technologische Notwendigkeit. Die Französische Revolution etwa scheiterte durch das Überhandnehmen der sozialen Frage, also die Behebung der Armut und allgemein der masslosen Ungleichheit. Die angebliche Notwendigkeit legitimierte Gewalt und Terror. Der Ursprung des Totalitarismus liege gerade im Verschwinden des Politischen – also der Teilnahme am öffentlichen Leben und der Handlungsfreiheit – und Überhandnehmen des Ökonomischen. Daneben gebe es immer Figuren, die Macht, um der Macht willen oder Unruhe, um der Unruhe anstreben.

Fazit: Arendts Position widerspricht explizit ihrer Lesart. Womit das Zitat sinnentstellend benutzt wird und ihren Gedanken nicht stützen kann.

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„Omne animal post revolutionem triste“ könnte man in Abwandlung eines alten Sprichworts in Bezugnahme auf den letzten Abschnitt dieses interessanten Artikels sagen, wobei ich denke, dass Hannah Arendt die wesentlicheren Probleme der Befreiungsbewegungen herausgearbeitet hat. Zwei wichtige Elemente scheinen mir in diesen Überlegungen aber zu wenig berücksichtigt zu werden:
Da ist einmal die Machtfrage, die, wie die Geschichte zeigt, in jeder revolutionären Bewegung rasch ganz zentral wird und sehr schnell anfängliche Ideale zu pervertieren beginnt, indem sich Führer herausbilden, die die Deutungshoheit und die politische Macht für sich beanspruchen und bereit sind, zur Erreichung dieser Ziele die schlimmsten Verbrechen zu begehen.
Und auch die eschatologische Dimension scheint mir wesentlich zu sein, indem viele revolutionäre Bewegungen auf ein idealisiertes Ziel, auf einen paradiesischen Zustand hinarbeiten und zur Erreichung dieses Ziels im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen zu gehen bereit sind. Ganz im Sinne von: es muss zuerst schlechter werden, bevor es besser wird. Die Geschichte des Christentums ist ein anschauliches Beispiel dafür.
Zwei Lektüren möchte ich zu diesem hoch aktuellen Thema sehr empfehlen:
Albert Camus „L‘homme révolté“. Seine luziden Analysen haben nichts von ihrer Aktualität verloren.
Leonardo Paduro „Der Mann, der Hunde liebte“. In der romanhaften Geschichte von Trotzki und seinem Mörder werden die Abgründe der Revolutionen des zwanzigsten Jahrhunderts sehr eindrücklich, differenziert und überzeugend dargestellt.

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Hochspannend, das Thema treibt mich schon lange um. Vielen Dank.

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Nur die Befreiung von Leiden und das anschliessende Loslassen jeglicher Anmassung, anderen das "richtige Leben" vorzuschreiben, kann menschlich-konstruktiv bleiben. Es ist jedoch anspruchsvoller, weil es heisst, menschliche Schwächen auch an sich selber einzugestehen. Wie die moderne Psychologie zeigt, ist niemand gefeit vor "Confirmation Bias" (das Bevorzugen von Information, welche die eigenen bestehenden Überzeugungen bestärken und das ausblenden von Informationen, welche es kritisch in Frage stellen, bzw. andere Informationen als Fakten aufzeigen). Dazu haben alle Menschen die Neigung, ein erhöhtes Selbstbild zu pflegen (internales Attribuieren - Erfolge verbucht man als eigene Leistung, Misserfolge auf die äusseren Umstände). Sie schützen es auch oft abstrus lange gegen kränkende, anderslautende Fakten. (Am einen Ende der Skala, wo in der Mitte der "normale" Mensch steht, ist dann der klinisch auffällige Narzisst).
Am liebsten erhöht und bestätigt man/frau das Selbstbild in Werte-Gruppen, weil es "gratis", also billig zu haben ist, da jede/r ja das Bedürfnis gegenseitig stillt, und es zudem vergleichsweise wenig Disziplin und Anstrengung erfordert. Und gleichzeitig überschaubare Welterklärung liefert, was ebenso stressreduzierend, weil orientierungsfördernd und haltgebend wirkt.
Im Gegensatz dazu setzt einen die Begegnung mit "fremden" Andersdenkenden grossen Stress aus, sogar, wenn mensch explizit den Austausch sucht und tolerant sein möchte. Zuerst wird die "gänzlich andere" Gruppe gemieden, später wirkt es sich auch innerhalb der eigenen Gruppe aus, wenn es nicht erkannt wird. Was eher selten der Fall ist, sofern nicht Fachpersonen den Prozess begleiten.
Ich bin zuversichtlich, dass mittlerweile die punktuelle Befreiung der "Freiheit" als absoluter Wahrheitsanspruch generell vorgezogen wird. Die sozialen Medien verzerren diesen Befund noch eine Weile, weil es eben so verlockend einfach ist, sich selber zu erhöhen.

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Suchtleser
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Sehr informative Analyse. Aus der Geschichte kann man immer lernen.

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Vielen Dank für den spannenden Beitrag. Die Unterscheidung von Befreiung und Freiheit ist für mich auch die Unterscheidung zwischen dem Abreissen bestehender Strukturen und dem Aufbau neuer Strukturen anhand einer Ideologie oder Wertesystem. Wer natürlich der neuen Ideologie nicht zustimmt, wird dann oft wieder mit dem alten Feind gleichgesetzt, was die Angst über Zurückfallen in alte Strukturen schürt, und damit auch die Gewaltbereitschaft, um das Erreichte mit allen Mitteln zu schützen. Insofern dünkt mich die Analyse sehr schlüssig.

Nur eine kleine Anmerkung. Nach einer Revolution oder anderen Veränderung gibt es fast immer einen historischen bias - also die altbekannte Tatsache, dass die Geschichtsbücher von den Gewinnern geschrieben werden. Insbesondere gibt es zur Oktoberrevolution sehr viel Propaganda die auch heute noch nachwirkt und die Greueltaten der Sowjets beschönigt. Der rote Stern bzw. Hammer und Sichel wurde meiner Meinung nach auch aus diesem Grund - im Gegensatz zur Swastika - als Symbol nicht im selben Umfang gesellschaftlich geächtet, obwohl genau so viele oder sogar mehr Leute unter ihr verfolgt und ermordet wurden.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Ihre analoge «Unterscheidung zwischen dem Abreissen bestehender Strukturen und dem Aufbau neuer Strukturen» weist gerade auf Notwendigkeit beider Freiheiten jeder erfolgreichen Revolution hin (oder soll es beim «Abreissen» bleiben?). Und genau dies ist die eigentliche Aussage von Hannah Arendt. Anders als es Strassberg darstellt, ist die Idee der positiven qua politischen qua öffentlichen Freiheit mit der Erfahrung des «Neuanfangs» und des «Gründens» durch das politische qua öffentliche «Urteilen» und «Handeln» verbunden. Nach Arendt ist also gerade «der Wille zur Freiheit» das Movens zur Verfassung einer Republik und Erschaffung dauerhafter Institutionen. Vor allem des «öffentlichen Raumes» für die radikal pluralen Meinungsaustausch zwischen Gleichen.

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· editiert

Für jene aber, die Freiheit und Befreiung verwechseln und einen bestimmten Geistes­zustand erkämpfen wollen, ist die Gefahr der autoritären Entgleisung gross.

Bei andern einen bestimmten Geisteszustand erkämpfen wollen, ist per se autoritär. Ein solcher 'Kampf' setzt voraus, dass der Kämpfende weiss, welcher Geisteszustand 'richtig' ist, d.h. der eine glaubt sich im Besitz der umfassenden Wahrheit, was faktisch ein autoritärer Anspruch ist, der, wenn unreflektiert, leicht ins Totalitäre kippen kann. Aus dieser Sicht gebe ich Strassberg recht, auch wenn ich nicht jedem einzelnen Satz seiner Kolumne zustimmen würde.

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In Ihrer gestrigen Ausgabe lese ich einen Artikel des « Hausphilosophen Daniel Strassberg ». Ich kenne Herrn Strassberg nicht, gewiss ein kluger Mann, von Hannah Arendt sollte er aber wohl besser Abstand nehmen. Es geht um die Unterscheidung von Befreiung und Freiheit, die Arendt so wichtig ist. Zunächst einmal muss man, gerade wenn man sich auf Arendt’s abenteuerliche Argumentation einlässt, das Offensichtliche und Unbestreitbare nicht aus den Augen verlieren: Befreiung von Unterdrückung, Fremdbestimmung, Bevormundung - all dies sind notwendige, wenn auch erfahrungsgemäss oft scheiternde Schritte zu mehr Freiheit. Mit « Fairness, Gewaltverzicht » hat das nichts zu tun. Doch wie steht es mit der Freiheit? Freiheit, Gerechtigkeit, Frieden? Wieder falsch: Freiheit heisst für Arendt etwas ganz anderes. Frei ist, wer sich nicht um die mehr oder weniger beschwerlichen Angelegenheiten des Alltags kümmern muss, wer nicht der Not und Notwendigkeit - für Arendt der Gegensatz zur Freiheit - unterworfen ist. Oder, frei nach Aristoteles der für Arendt wegweisend war: frei ist, wer nicht Sklave ist, nicht arbeiten muss. So wäre denn nur eine kleine Elite der Nichtstuer frei? Nein, Arendt geht einen Schritt weiter, sie entwirft die Idee einer höheren Sphäre reiner, von keinen materiellen und vitalen Sorgen korrumpierten Politik. Ob jemand den Weg dorthin findet? So oder so, mit dem « Neuen Menschen » der da angeblich geschaffen werd soll, hat das nichts zu tun. Man sieht, in Strassbergs Ausführungen stimmt rein gar nichts - das kann passieren.

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Lieber Herr M., ich kenne Sie und schätze Ihre Arbeiten sehr, aber diese Replik ist nun wirklich äusserst ärgerlich. Sie gehen auf meine Argumente und Überlegungen mit keinem Wort ein, sondern machen daraus ein Fachseminar über Hannah Arendts Freiheitsbegriff - von dem Sie zweifellos mehr verstehen als ich, was Sie wahrscheinlich beweisen wollten. Zudem sehe ich immer noch nicht, weshalb das, was Sie ausführen, meinen Überlegungen widersprechen soll. Seis drum

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Führt nicht die unendliche Sehnsucht nach Reinheit schnurstracks in die Unfreiheit?

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(durch User zurückgezogen)

Lieber Herr Strassberg, Sie haben recht und ich verstehe Ihren Ärger. Das Thema das Sie ansprechen ist wichtiger als eine akademische Belehrung. Ich kenne die autoritären Versuchungen in linken Bewegungen aus eigener Erfahrung, doch wollte ich davon nicht sprechen, weil da zu Vieles hätte angesprochen werden müssen (im Hinblick auf meine diesbezüglichen Erfahrungen)

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