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Das überrascht mich inzwischen nicht mehr. Vor einigen Monaten haben wir vorübergehend ein ukrainisches Flüchtlingspaar zuhause aufgenommen. Sie sind beide Staatsbürger von Kamerun, leben aber seit über 8 Jahren in der Ost-Ukraine, haben dort eine permanente Aufenthaltsbewilligung und eine Wohnung und planen, den Rest des Lebens dort zu verbingen, wenn nicht gerade Bomben in ihr Quartier fallen.

Weil sie noch keinen ukrainischen Pass haben, wurde der Status-S-Antrag abgelehnt, was grundsätzlich gemäss dem geltenden Gesetz formal korrekt ist (sofern sie in ihr ursprüngliches Heimatland zurückkehren könnten). Beim Rekursverfahren haben sie dann erklärt, dass sie in Kamerun zu einer verfolgten Minderheit gehören, nicht sicher sind und beide schon mehrfach entfürt wurden. Die Frau wurde mal entführt und konnte während dem Tumult einer Schiesserei zwischen Rebellen und Regierungsleuten fliehen. Der Mann wurde ebenfalls schon entführt und kam nur gegen Lösegeld frei. In der Ukraine haben sie sich mit einer NGO politisch engagiert, was sie in Kamerun auch zu Zielen macht.

Der Rekurs wurde ebenfalls abgelehnt. SEM: "So handelt es sich bei Ihren angeblichen Entführungen um blosse Parteibehauptungen, welche jeglicher Beweisgrundlage entbehren." Die Videos, die sie als Beweise vorgelegt haben, hätten auch von kamerunischen Kollegen gefälscht worden sein.

Selbst wenn ein Antrag aufgrund der Beweislast abgelehnt wird, könnte man dies in der Ablehnung entsprechend schonend formulieren (z.B. "Es liegt nicht genügend Beweismaterial vor, um nachzuweisen, dass die Personen in Ihrem Heimatland gefährdet sind"). Formulierungen wie "blosse Parteibehauptungen, welche jeglicher Beweisgrundlage entbehren" hingegen sind eine Frechheit und ein Hohn gegenüber denjenigen Flüchtlingen, die solche Verfolgung erlebt haben und jedoch nicht formal beweisen können.

Unsere ehemaligen Gäste haben nun drei Optionen: Zurück nach Kamerun, wo ihr Leben bedroht ist. Zurück in die Ukraine, wo ihr Leben bedroht ist. Oder im Schengen-Raum potentiell illegal weiter verbleiben. (Wie die Rechtslage ist, weiss ich nicht genau.)

Dieses Vorgehen ist nicht "ein Problem des Systems". Es ist politisch so gewollt.

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Tragisch. Dieses Beispiel macht mich nicht nur traurig und wütend, es ist auch noch ein weiterer Tropfen, der das Fass meiner Geduld zum überlaufen bringen wird (Und ich irgendwann einmal politisch resigniere).
Das dies politisch so gewollt ist sehe ich genau so. Wenn man sich die Wähleranteile von den Parteien und deren offizielle Einstellung ggü. Asylsuchenden, Migranten UND Schweizern mit Migrationshintergrund ansieht, wird eines klar: über 50% der Wählenden scheinen mindestens eine Tendenz zur Xenophobie zu haben. (Und das gilt nicht nur für die SVP)

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Gaby Belz
semi-Rentnerin, semi-Berufsfrau
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Bei solchen Berichten frage ich mich immer wer das aufnimmt, was jetzt geschieht, ob es genügend (Fach-)Leute gibt die ordentlich Lärm und Druck machen. Ich selber kann höchstens eine Mail an KKS und das SEM schicken und hoffen dass viele andere das auch tun. Asylpolitik muss an Einzelfällen gemessen werden dürfen. Wenn die betroffenen Personen, die aus einer völlig anderen Logik heraus (die dem entspricht was sie tatsächlich erleben) argumentieren, nicht ernst genommen werden von Diplomat:innen und der Verwaltung, sind die falschen Leute an den entscheidenden Positionen. Sie weigern sich, sich ernsthaft mit den Fakten zu befassen und die Auskunft gebenden Personen wirklich ernst zu nehmen. Aber können wir hier Einfluss nehmen?

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Es muss halt niemand seinen Kopf hinhalten. Also macht das SEM, was die Politik sehr deutlich indirekt verlangt: Möglichst alle abgelehnten Asylbewerber ausschaffen. Wer aus der Reihe tanzt, riskiert seinen Job (SEM) oder seine Wiederwahl (Parlamentarier, KKS).

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Ich glaube nicht, dass KKS ein Opfer der "Politik" ist. Wenn sie diese Praxis nicht wenigstens akzeptabel fände, würde sie sicher Wege finden, diese zu ändern.

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Die Rolle der offiziellen Schweiz ist schon seit Jahren unmenschlich und nicht haltbar. Ich bin überzeugt, dass die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer ein solches Verhalten nicht goutieren. Hört endlich auf, euch wie Unmenschen zu verhalten!

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"Ganz offensichtlich nehmen die Schweizer Behörden solche Fälle in Kauf."
Dazu passt der Artikel im gestrigen Tages-Anzeiger (10.10.2022, Seite 3): "Bund lässt NGO-Angestellte im Stich", wonach einer Afghanin nicht geholfen wird, die jahrelang für eine Schweizer NGO gearbeitet hatte und die nun bedroht ist: Der Fall stehe "exemplarisch dafür, wie die humanitäre Hilfe wegen bürokratischer Hürden und spitzfindiger Argumente auf der Strecke bleibt."

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Als ehemalige Mitarbeiterin im Asylbereich, kann ich nur bestätigen, dass die Schweiz kein Humanitäres Land ist. Es ist gewollt, dass es den Menschen hier möglichst unangenehm gemacht wird. Sie möglichst viele Hürden zu bezwingen haben, hoffentlich aufgeben und wieder abhauen. So sind meine Erfahrungen. Das fängt bei Kleinigkeiten an. Zum Beispiel: Ein Mann aus dem Ostafrikanischen Raum arbeitete in seiner Heimat als italienisch Dolmetscher. Er wird für das Asylverfahren (noch in der Zeit vom alten Verfahren, welches Monate oder Jahre andauerte) in einem Deutschschweizer Kanton untergebracht. Unsere Bitte ihn im Tessin unterzubringen, damit er sich sprachlich verständigen kann und nicht zusätzlich Deutsch lernen muss. Wurde abgelehnt. Die Kosten nur für den Deutschkurs hätte man sich sparen können. Ganz zu schweigen von den Kosten, welche entstanden, weil der depressiv wurde und eine dolmetschergestützte Therapie beanspruchen musste.

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Die Schweiz rühmt sich ihrer weit zurückreichenden humanitären Traditionen. Das ist aber nur die eine, offizielle Seite. Die Tradition der Unmenschlichkeit ist genau so alt und wird, wie dieser Bericht aufzeigt, auch in der Gegenwart unvermindert weitergeführt. Politisches Kalkül, permanente populistische Hetze, Abschieben von Verantwortung und bürokratische Paragrafenreiterei sind der Nährboden dafür.
Es ist eine Schande.

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Enarchist & Anfänger
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Und gleichzeitig werden geflüchtete Menschen bei uns im untersten sozialen Bereich gehalten, es wird geknausert und gespart – und, beabsichtigt oder nicht, haben sie bei ihrer bevorstehenden Ausschaffung höchstens ein kleines Bekanntennetz aus einschlägigen Kreisen, das Lärm macht und für sie einsteht.
Wenn sich aus Versehen mal jemand breiter integriert hat, gehen bei einer drohenden Ausschaffung die Wellen ja hoch.

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SP-Nationalrat Christian Dandrès forderte einen Ausschaffungs­stopp

Gabs da noch mehr zu hören aus der Politik?

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Ist sie Situation für Angehörige der tamilischen Minderheit in Sri Lanka derzeit ähnlich wie die der Muslime?

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