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Der Artikel zeigt es klar: Das Problematische ist nicht die generelle Zunahme der Gesundheitskosten, sondern die ungleiche Verteilung der Last - für die Ärmsten ist es ein Fünftel des Einkommens, für die Reichsten fast nur ein Zwanzigstel. Wenn wir bedenken, dass die obligatorischen Prämien wie Steuern ebenfalls Zwangsabgaben sind, sollte für sie selbstverständlich der Verfassungsgrundsatz der Belastung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gelten. Dies würde das Übel an der Wurzel anpacken. Prämienverbilligungen hingegen sind eine Symptombekämpfung, die immer wieder unter Spardruck gerät.

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Datenanalystin
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Warum wir uns trotzdem beklagen?
Weil „wir“ auch Menschen sind mit tiefen Einkommen, wo die Krankenkassenprämien und Krankenkosten mehr ausmachen als die 10% unseres Haushaltseinkommens, viel mehr! Teilweise 20% und mehr sogar!
Wie Sie schön schreiben aber nicht analysieren gibt es zuwenig Prämienverbilligungen, die das wettmachen. Es gibt grosse kantonale Unterschiede bei der Prämienverbilligung, so ist der Kanton BS relativ anständig und es gibt tatsächlich eine Entlastung. In den meisten anderen Kantonen hingegen sind diese einen Tropfen auf den heissen Stein.
Nicht von ungefähr gibt es viele Menschen in unserem Land, die aufgrund von Krankenkassenprämien und Krankheitskosten in eine Schuldenspirale geraten.

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Vielen Dank für diesen Beitrag, der sich sehr wohltuend abhebt von den ewigen Schuldzuweisungen aller Art. Er zeigt auf anschauliche Weise das auf, was alle, die wie ich im Gesundheitswesen tätig sind, im Alltag erleben: die Kosten steigen hauptsächlich aufgrund der Nachfrage und der Verbesserungen der medizinischen Möglichkeiten. Und genau das wollen wir alle - zumindest so lange, wie es um uns selbst und unsere Angehörigen geht.

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Und noch lieber hätten offensichtlich viele LeserInnen, dass über einkommensabhängige Prämien andere den grössten Teil der Kosten tragen...

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Datenanalystin
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Haben Sie schon einmal vom Solidaritätsprinzip gehört, das unserem Krankenkassen-System zugrunde liegt? Schon, oder?
Die Solidarität zwischen Gesunden und Kranken ist der Hauptpfeiler unseres Gesundheitssystems.
Sie wissen aber auch, dass ein Grundpfeiler des Solidaritätsprinzipes eigentlich ist, dass jede und jeder gemäss seiner individuellen Leistungsfähigkeit beiträgt? Das würde eigentlich eben genau heissen, dass es einkommensabhängige Prämien gibt.
Nominal ja, würden einige mehr bezahlen. Prozentual würde jedoch jeder und jede den gleichen Anteil des Einkommens, oder zumindest annähernd gleich viel bezahlen. Im heutigen System soll das durch die Prämienreduktion erreicht werden, was jedoch nur bedingt funktioniert.
Deswegen verstehe ich Ihren etwas despektierlichen Kommentar nicht so ganz. Denn es heisst ja eben nicht, dass die Verantwortung für die Kosten abgeschoben wird, sondern, dass jeder und jede etwas beiträgt, einfach anteilsmässig, bemessen nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.
Und über die Nachfrage oder allenfalls sogar die ungerechtfertigte Nachfrage, sagt das alles noch gar nichts aus.

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Keine Antwort auf Fragen, keine Argumente, dafür Unterstellungen? Krankenversicherung beruht auf dem Solidaritätsprinzip: jedeR nach seiner/ihrer Leistungsfähigkeit. Was an diesem Grundsatz macht Sie so aggressiv?

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· editiert

Einkommensabhängige Prämien würden die Ungleichbelastung zwischen hohen und tiefen Einkommen ausgleichen. Kopfprämien sind unsozial: es ist stossend, dass die Reinigungskraft gleichviel obligatorische Prämie zahlt wie der Bankdirektor am gleichen Wohnort.
Medinside, das (interessegleitete) Portal für Gesundheitsberufe titelt: Haushalte geben mehr Geld für Verkehr aus als für Gesundheit.

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Das ist genau der Punkt! Weg von den Kopfprämien.
Zum Vergleich mit den Verkehrsausgaben: Hier kann ich selber beeinflussen, was ich ausgeben will. Bei den KK-Prämien nicht.
Deshalb finde ich den Vergleich zwar interessant, aber eben doch auch nicht ganz richtig.

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Und bei den Lebensmitteln? Auch hier sind die Ausgaben bei tieferen Einkommen höher. Wie oben in verschiedenen Kommentaren beschrieben, werden massgebliche Teile der Gesundheitskosten über Steuern finanziert, die ja bekanntlich progressiv sind. Weiter finde ich das System der Prämienverbilligungen, fair und richtig angewandt, die gerechtere Lösung, um tiefe Einkommen zu entlasten.

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Danke, dass sie die Ausgaben und Belastungen nicht nur als Durchschnitt zeigen, sondern auch auf Quantile aufgeteilt. Hier liegt der soziale Sprengstoff der Zukunft.

Das wäre doch mal einen Artikel wert:

Wie hoch müsste der Lohnabzug sein, wenn die obligatorische KK so finanziert würde?
So könnte jeder rechnen, wie viel er/sie mit so einem System gewinnen oder verlieren würde. Ich schätze, dass 80-90% profitieren würden.

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Gesundheitsökonom
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Wie richtigerweise bereits angemerkt wurde, finanzieren die Krankenkassenprämien „nur“ ein gutes Drittel (35.6%) der Gesundheitskosten von insgesamt 82.8 Mia. Franken (Quelle: Kosten und Finanzierung des Gesundheitswesens, BFS, 2017 definitive Zahlen). Weitere 5 Mia. Franken zahlen andere Sozialversicherungen (insbesondere IV, UVG) und nochmals rund 5 Mia. Franken kommen von den (privaten) Zusatzversicherungen.
Weil die Krankenkassen die ambulanten Leistungen vollständig bezahlen und diese aufgrund des medizinischen Fortschritts schneller wachsen als andere Leistungskategorien, steigen die Krankenkassenprämien im Verhältnis zu den gesamten Gesundheitskosten deutlich stärker an. Dies erklärt auch, warum oft von der „Kostenexplosion im Gesundheitswesen“ die Rede ist. In Tat und Wahrheit ist es eher ein „Prämienexplosion“.
Im Gegensatz zum ambulanten Bereich, werden stationäre Spitalleistungen und die Langzeitpflege von Kassen und Kantonen/Gemeinden zusammen (dual) finanziert. Diese öffentlichen Haushalte hatten in den letzten Jahren dort auch spürbare Kostenzunahmen zu verzeichnen. Aber das bekommen die Steuerzahlenden (die auch immer die für die Prämien aufkommen) nicht so direkt zu spüren und die Steuerbelastung ist im Gegensatz zu den Prämien direkt vom Einkommen abhängig.
Diese doch sehr unsoziale Finanzierung der Prämien verschärft das Problem zusätzlich. Da nützt es nicht viel, die generelle Einkommensentwicklung mit den Prämien zu vergleichen. (Auch wenn die Analyse von Simon Schmid sicher zutrifft und mit zunehmendem Wohlstand die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen überdurchschnittlich zunimmt.) Aber das trifft eben die gefühlte Belastung von vielen Familien nicht. Kommt dazu, dass einige Kantone (z.B. Luzern) im Sparwahnsinn die Prämienverbilligung völlig pervertiert haben. Diesem Treiben hat das Bundesgericht zum Glück nun Einhalt geboten!
Weil aber die Belastung durch die Krankenkassenprämien nicht nur als Gejammer abgetan werden kann, bietet sich hier eine - vielleicht einmalige - Gelegenheit Gesundheits- und Umweltanliegen zusammen zu bringen. Um unser Leben zu dekarbonisieren, braucht es eine massive Erhöhung der CO2 Lenkungsabgaben. Dieses Geld kann dann - wie es heute schon der Fall ist - über die Krankenkassenprämien zurück zu den Bürger*innen fliessen. So kann dem Klima sozialverträglich geholfen werden.
Unschön an dieser Lösung ist, dass damit ein Gut künstlich verbilligt wird, was wiederum einen Überkonsum fördern kann, den wir zum Teil schon heute haben. Also an den anderen Problemen des Gesundheitswesens muss daher weiter hart gearbeitet werden.

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Dass das System der Kopfprämien bei gleichzeitig mässiger sozialer Abfederung ungerecht ist, steht ausser Frage. Das Problem wird sich mit der zunehmenden und politisch gewünschten Verlagerung in den ambulanten Bereich verschärfen, da der Anteil der Steuerfinanzierung dann immer kleiner wird.
Meiner Meinung nach besteht das Grundübel in der medizinischen Versorgung darin, dass das Gesundheitswesen als normaler Wirtschaftszweig angesehen wird. Das wird inzwischen kaum mehr hinterfragt. Dabei stellen sich schon einige Fragen:

Muss mit Krankheit (oder Gesundheit) Geld verdient werden? Ausser von den Leistungserbringern - und damit meine ich die Menschen (Pflegende, ÄrztInnen, Reinigungskräfte, VerwaltungsmitarbeiterInnen etc.) und nicht Institutionen (Krankenversicherungen, Spitäler, Unternehmensberatungen).
Warum werden Aktionäre aus Prämien und Steuergeldern bezahlt?
Warum ist es in einem hochregulierten Umfeld möglich, dass Pharmakonzerne für einige Medikamente Phantasiepreise durchsetzen können und gleichzeitig bei weniger lukrativen Medikamenten nicht mal die Versorgungssicherheit garantieren müssen?
Warum wird nicht offiziell anerkannt, dass Effizienzsteigerungen nur begrenzt möglich sind? Ich kann als Arzt nun mal nicht mit mehreren Patienten gleichzeitig sprechen. Ein Verbandswechsel lässt sich nicht in 10 Sekunden durchführen.
Warum werden immer mehr Kontrollen und Zertifizierungen eingeführt, die oftmals nur auf dem (geduldigen) Papier wirksam sind? - und die tatsächliche Qualität oftmals verschlechtern, da weniger Zeit für "echte" Arbeit bleibt.
Mir fallen noch einige Fragen ein, aber der Text wird schon etwas lang.
Nur ein Aspekt noch: Ich bin vor längerer Zeit wegen der zunehmend schlechteren Arbeitsbedingungen aus Deutschland in die Schweiz ausgewandert. Nach 6 Jahren Medizinstudium und 10 Jahren Arbeit & Facharztausbildung. Also eher eine schlechte Bilanz für den deutschen Staat. Wenn es hier so weitergeht, werden wahrscheinlich auch hier viele im Gesundheitswesen Tätige nach Alternativen suchen.
Dann erledigt sich das Kostenproblem von selbst!
Hoffentlich gelingt es in der Schweiz noch rechtzeitig gegenzusteuern.

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Schreiben Sie bitte mal einen Artikel zu der Hirslandengruppe und überhaupt zu wieviel Geld aus dem System für Shareholders (Privatspitäler, Pharma, Kassen) geholt wird!!!! danke.

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Sehr interessant wie bis jetzt alle dieser Statistik-Artikel - Danke! Auch wenn das so nicht steht, gehe ich davon aus, dass das Einkommen ebenfalls inflationsbereinigt ist (Grafik “Erwerbs­einkommen, Vermögens­einkommen und Transfer­leistungen zugunsten der privaten Haus­halte.“), richtig? Es wäre übrigens für die Diskussion praktisch, wenn man die Grafiken nummerieren würde.

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Guten Tag
Ja, das Einkommen ist ebenfalls inflationsbereinigt. Das könnten wir noch anschreiben! Herzlichen Dank für den Hinweis...
Beste Grüsse

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Rolf Kern
Pensionist
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Alles schön und recht. Mit den Kassenprämien steigen also auch die Löhne! Ist ja toll. Wenn ich als junger und zielstrebiger Karrierist damit rechnen kann, dass mein Salär und der Bonus regelmässig den Lebenshaltungskosten angepasst wird, dann habe ich weniger oder vielleicht sogar keine Probleme mit den jährlich steigenden Krankenkassenprämien.
Wie sieht die Sache jedoch aus, wenn die Pensionskasse seit über 20 Jahren auf eine Anpassung der Rente verzichtet? Real ist diese heute über 30% kleiner als zur Zeit der Pensionierung. Nicht sehr lustig für uns Betroffene. Aber zum Trost erledigt sich die Sache dann in absehbarer Zeit ja von selbst. Damit zurück zum republikanischen Tagesgeschehen.

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Chefredaktion
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Danke für die Rückmeldung. Niemand sagt, dass die hohen Prämien kein Problem sind. Der Beitrag setzt sie bloss in einen gesamtgesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kontext und weist darauf hin, dass wir mit hohen Ansprüchen (individuell und gesellschaftlich) die hohen Kosten mitverursachen. Herzlicher Gruss aus der Redaktion

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Michel Romanens
Präsident www.vems.ch
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Ich bin ein Doktor und habe deshalb wie ja alle wissen, massive Interessenskonflikte. Deshalb bitte hier nicht weiter lesen.
Dass rund ein Drittel der medizinischen Behandlungen unnötig seien, haben wir inzwischen so oft und an so vielen Stellen gelesen, dass sich uns diese Zahl zur Wahrheit verdichtet hat. Dabei wird mitunter auf Zahlen des Bundes verwiesen, wie es in der NZZ vom 12.11.2019: «Eine vom Bundesrat eingesetzte Expertenkommission geht davon aus, dass rund 20 Prozent aller Eingriffe überflüssig sind.»
Der VEMS (www.vems.ch) hat eine entsprechende E-Mail-Anfrage an das Bundesamt für Gesundheit gerichtet. Das BAG schreibt uns: «Im Bericht der Expertengruppe «Kostendämpfungsmassnahmen zur Entlastung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung» vom 24. August 2017 wird gesagt, dass verschiedene Studien und Expertenschätzungen für die Schweiz vorliegen, «…die zum Schluss kommen, dass – würden die Effizienzreserven ausgeschöpft – die Leistungen zu Lasten der OKP durchschnittlich um rund 20 Prozent günstiger erbracht werden könnten» (Seite 19).» Das BAG stellt klar: «In diesen Berichten wird von Effizienzreserven gesprochen, was die gesamten Ineffizienzen und nicht nur unnötige Behandlungen umfasst.»
Die Unterscheidung der Ineffizienz in Overuse und Overhead wurde durch Shrank im Journal of the American Medical Association untersucht. Demnach werden rund 30% der Kosten als ineffizient betrachtet, wovon 35% durch unnötige Overheadkosten verursacht werden, während Abuse mit 8% und Overuse mit 10% berechnet werden. doi:10.1001/jama.2019.13978. Es wäre schon interessant, hier valide Daten für die Schweiz zu generieren.
Felix Schneuwly von Comparis, ehemaliger Sprecher von santésuisse und als Aerzte-Lobbyist vollkommen unverdächtig, schreibt in den Freiburger Nachrichten vom 04. März 2019:
"Die steigenden Krankenkassenprämien führen in Bundesbern zu einer Hysterie, die für
das Gesundheitswesen nicht gut ist. Eine sachliche Analyse ist insbesondere vor den
Wahlen nötig. Mit noch mehr Staat erhöhen wir bloss die Bürokratiekosten. Wir brauchen
Anreize für mehr Effizienz und Qualität. Und steuern soll die Gesundheitswirtschaft nicht
der Staat, sondern der Bürger, der das Ganze auch bezahlt, via Steuern, via
Krankenkassenprämien und direkt aus dem eigenen Portemonnaie. Der Staat soll dafür
sorgen, dass sich alle an schlanke Spielregeln halten. Letzteres tut er kaum.
Die steigenden Krankenkassenprämien belasten insbesondere die Haushaltsbudgets des
unteren Mittelstands. Die SP hat dieses Problem erkannt und sammelt nun im Wahlkampf
Unterschriften für einen Verfassungsartikel, der festlegt, dass wir nicht mehr als 10
Prozent unseres Haushaltsbudgets für Krankenkassenprämien ausgeben sollen. Warum
nicht 8 oder 12 Prozent? Egal! Hauptsache, man nimmt ein Unbehagen der Wähler auf.
Wenn die Kantone das im Krankenversicherungsgesetz (KVG) verankerte Instrument der
Prämienverbilligungen richtig anwenden – der Kanton Luzern wurde eben vom
Bundesgericht gerügt, weil er es nicht tut – braucht es die SP-Initiative nicht. Auch die
CVP will etwas für den unteren Mittelstand tun. Sie will eine Gesundheitskostenbremse in
der Bundesverfassung und verlangt, dass durchschnittlichen Kosten je versicherte Person
und Jahr in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zwei Jahre nach Annahme
der Initiative nicht mehr als ein Fünftel über der Entwicklung der Nominallöhne steigen.
Wie bei den 10 Prozent der SP stellt sich auch hier die Frage, ob ein Kostenwachstum in
der Verfassung sinnvoll ist. Nun gilt aber: Kosten = Mengen x Preise. Weil primär die
konsumierten Mengen an medizinischen Leistungen für das Kostenwachstum
verantwortlich sind, müsste die CVP bei der Unterschrftensammlung den Leuten
ehrlicherweise sagen, wie denn das Mengenwachstum gebremst werden soll. Das
Mengenwachstum kann man politisch nur durch Rationierung bremsen. Von Rationierung
will aber auch die CVP nichts wissen. Egal! Hauptsache, man nimmt ein Unbehagen der
Wähler auf! Wenn Bundesrat und Verwaltung das KVG richtig vollziehen, braucht es auch
die CVP-Initiative nicht. Mit der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit
sowie mit der transparenten Qualität sind im KVG die richtigen Grundsätze für Effizienz
und Qualität verankert. Sie müssen bloss durchgesetzt werden.
Nur wer sich bei der oberflächlichen Kostenhysterie die Mühe nimmt, das Wachstum der
Gesundheitskosten etwas genauer zu analysieren, schafft die Basis für die richtigen
politischen Weichenstellungen. Zwischen 1996 und 2015 sind die Gesundheitskosten
jährlich um 3.7 Prozent gestiegen, das BIP nur um 2.3 Prozent. Prozentwerte ohne
Basisangaben können aber wie hier ein völlig falsches Bild vermitteln. Die 3.7 Prozent
Gesundheitskostenwachstum entsprechen rund 3 Milliarden Franken, die 2.3 Prozent BIP Wachstum ensprechen hingegen 15.4 Milliarden Franken pro Jahr. Der geringere
Prozentwert ist absolut knapp 15 Mal mehr als der grössere. Wenn sich das Wachstum der
letzten 20 Jahren fortsetzt, wird das absolute Wachstum von BIP und
Gesundheitsausgaben im Jahr 2135 gleich hoch sein. Erst dann müssen wir die Wohlfahrt
in den anderen Bereichen reduzieren, wenn das Gesundheitssystem gleich
weiterwachsen soll.
Die gesundheitspolitischen Massnahmen haben bisher das Kostenwachstum nicht
gebremst, sondern bloss die Bürokratiekosten in die Höhe getrieben. Das muss jede
Gesundheitsfachperson tagtäglich erfahren. Dass viele Gesundheitspolitiker von links bis
weit ins bürgerliche Lager hinein ausgerechnet mit noch mehr Staat, ein Problem lösen
wollen, das mit zu viel Staat erst entstanden ist, scheint mir grotesk. Statt noch mehr
Staat brauchen wir in der Gesundheitswirtschaft mehr Wettbewerb um Effizienz und
Qualität, damit der Bürger und nicht der Staat das System mit den richtigen Entscheiden
steuern kann. Wenn der Bürger steuern soll, braucht er datengestützte Informationen
über Chancen und Risiken seines Verhaltens, aber auch über Chancen und Risiken der
medizinischen Untersuchungen und Behandlungen, die er versteht. Wir wissen zwar auf
Franken und Rappen genau, wie teuer unser Gesundheitswesen ist, über ihre Qualität und
Wirkung wissen wir leider immer noch nicht annähernd so genau Bescheid. Mehr
Wettbewerb würde auch die Digitalisierung vorantreiben, denn die Qualitätsdaten über
die letzten 20 Behandlungen eines Arztes sind für Patienten viel wichtiger als sein 20
jähriges Diplom. Dagegen wehren sich aber die Diplomfetischisten der Berufsverbände."
Sorry hier für die Länge der Ausführungen, aber diese stammen vom Comparis-Chef Felix Schneuwly, ehemaliger Sprecher von santésuisse.
Wenn wir schon bei den Statistikkurven sind, möchte ich an dieser Stelle noch eine Beobachtungsstudie von Steffie Woolhandler, M.D., M.P.H., Terry Campbell, M.H.A.,
and David U. Himmelstein, M.D. im New England Journal of Medicine erwähnen. Der Titel der Studie lautet: "Costs of Health Care Administration in the United States and Canada". Es geht also hier um die Overhead Kosten der Administration, welche um rund 3500% gestiegen sind, im Vergleichszeitraum bei den Doktores um 100%. Immerhin. N Engl J Med 2003;349:768-75. Schade, dass hier das schöne JPEG dazu nicht eingefügt werden kann, liebe Republik Redaktion, bitte dieses Problem diskutieren. Das würde unsere Leser-Blogs noch viel interessanter machen, bitte alle mit einem Thumb up antworten.
Für diejenigen, die sich bis hierher durchgearbeitet haben, nun das Dessert (Fazit): Es ist richtig, dass die hohen Kosten, welche Heilung, Pflege und Prävention verursachen, thematisiert werden. Die Verhältnismässigkeit der Kosten des Controllings im weiteren Sinn (Verwaltung, WZW-Verfahren ecc) muss aber gewahrt bleiben, denn diese explodieren weit mehr als die Kosten für die Versorgungssicherheit.
Nun hier noch die Käseplatte mit Trauben und Schwarzbrot: Die juristische Praxis zeigt, dass rund ein Arzt von 200 das Wirtschaftlichkeitsgebot verletzt, die von santésuisse produzierten fehlbaren Ärztinnen und Ärzte – ein Arzt von 5 – sind Fehlbeurteilungen durch die Statistik. Diese sind für santésuisse sehr lukrativ, weil verängstigte Ärztinnen und Ärzte – teils genötigt durch irrational agierende Vertrauenskommissionen – in absonderliche Vergleichszahlungen einwilligen. Millionen Gewinne locken bei den Versicherern. Die aus der Unschärfe des Regressions-Indexes erzeugten Overhead Kosten alimentieren weiterhin eine ganze Armada von Juristinnen und Juristen.
Das einzige unabhängige Gutachten der ETH Zürich (https://www.docfind.ch/WZWGutachten2ETH2008.pdf) zeigt das Problem. Im Jahr 2008 verlangte die Tessiner Ärztegesellschaft per Anwalt von uns, dieses Gutachten vom Netz zu nehmen. Ergo: Tarif-Verbandelungen zwischen santésuisse und Ärztegesellschaften degradieren Ärztinnen und Ärzte zum Spielball von Tarifinteressen. Die FMH hat den WZW-Vertrag zu künden. Und so weiter und so fort. Bis zum nächsten Mal.... und weiterhin viel Glück und Erfolg der Republik! Denn es gibt noch wahnsinnig viel Arbeit...

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Was ich hier schreibe, geschieht im Wissen, dass es ganz viele engagierte Menschen im Gesundheitsbereich gibt, für deren Arbeit wir alle dankbar sind.

Weshalb das ellenlange Zitat von Schneuwly? Die Mär, dass mehr Staat bloss die Bürokratiekosten erhöht, wird dadurch nicht wahrer, dass Sie als Arzt sie wie die NZZ und die FDP seit Jahrzehnten verbreiten.
Hinsichtlich Versicherungen ist es so, dass in all den Kantonen, in denen eine kantonale Gebäudeversicherung vorhanden ist, die Prämien viel billiger sind als in den Kantonen, in denen die Gebäudeversicherung den privaten Players überlassen wird. Soviel zur Marktgläubigkeit, dass der Wettbewerb alles viel besser löst als der Staat. Es gibt Bereiche, wo der Wettbewerb ganz einfach nicht funktioniert, wie zum Beispiel beim Gesundheitswesen, weil die Leistungserbringer gegenüber den Patienten am viel längeren Hebel sitzen und über einen riesigen Wissensvorsprung verfügen. Es handelt sich beim Gesundheitsbereich also immer nur um einen Pseudowettbewerb, der letztlich auf dem Buckel der Patienten ausgetragen wird, solange er vom Gewinnstreben von Ärzten, Kassen und privaten Spitälern geprägt ist.

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Michel Romanens
Präsident www.vems.ch
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Die Overhead Kosten werden nur zu einem sehr geringen Teil durch den Staat verursacht. Stellen Sie mich bitte nicht beliebig in irgendwelche Ecken, ja?

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Danke für diesen unterhaltsamen, fundierten, leidenschaftlichen und überaus witzigen Beitrag.

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Michel Romanens
Präsident www.vems.ch
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"". Ist alles korrekt. Korrekte Lektorierung gehört sich auch, oder ?

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Lektorieren? Das hier ist ein Leser*innenforum. Da 'lektoriert' man selber. Korrektes Zitieren hat m.E. etwas mit Respekt zu tun, gegenüber den Leser*innen wie gegenüber dem/r Zitierten.

Zu den Prämienverbilligungen: diese sind umstritten, seit es sie gibt (1996). Längst nicht nur Luzern hat den eigenen Beitrag unzulässig gekürzt, wie das Bundesgericht festhielt. Der Kanton ging mit dem 'Knauserei' (NZZ) einfach nur am weitesten. Irgendwo müssen die Steuerkürzungen in diesem unsäglichen 'Standortwettbewerb' ja wieder hereingeholt werden. Und weshalb nicht bei jenen, die sich in der Regel am wenigsten wehren? Die SP kann die Sparbemühungen der entsprechenden Kantone ja dann wieder vom Bundesgericht überprüfen lassen.
Die Perspektive der Mediziner*innen ist nicht die einzige, die in der Debatte um Gesundheitskosten eine Rolle spielt und spielen sollte. Das Thema ist grösser und komplexer, als Ihr Rundumschlag vermuten lässt.

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Entschuldigen Sie bitte. Ds war mein Fehler. Ich habe das Schlusszeichen übersehen, weil das Zitat extrem lang war. Aber eigentlich dient das Forum ja dazu, eigene Gedanken zu teilen, nicht dazu, lange Texte zu verbreiten, die anderswo bereits publiziert worden sind.

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Unter den wichtigsten Kostentreibern wurde leider der inzwischen extrem angewachsene Verwaltungs- und Dokumentationsaufwand nicht berücksichtigt. Diesen Einfluss zu untersuchen wäre sehr interessant.

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Ah ja, und auch noch wieviel in die Werbung geht (Spitäler, Pharma, Kassen). Und wieviel kostest den jährlichen Karussell der Kassenwechsel! Hat der freie Markt alles effizienter und billiger gemacht??

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Naja. "Vogelperspektive" errachte ich eig. immer als interessant (und löblich) und die Artikel von Simon Schmid fand ich bislang meist hochinteressant. Allerdings bin ich der Auffassung, dass dieser Artikel hier an den grösseren Zusammenhängen komplett vorbeirasselt. Statt der Kostenentwicklung im Gesundheitssektor die Entwicklung der Einkommen gegenüberzustellen, könnte man stattdessen auch die Profitabilität der gesamten Pharmabranche nehmen. Ich wage jetzt mal zu behaupten, dass ein solcher Vergleich wesentlich aufschlussreicher wäre.

Denn eine vermeintliche Erklärung für die steigenden Kosten lautet ja:

die medizinischen Fortschritte. Immer mehr Therapien, immer modernere Geräte und immer teurere Medikamente sind auf dem Markt, das kostet.

Dabei werden technologischer Fortschritt (Innovation) gleichgesetzt mit Geld/Kosten/Ausgaben, was ich gelinde gesagt für ideologischen Schwachsinn halte. Dieser Logik folgend müsste uns die heutige IT am Hungertuch nagen lassen – das Gegenteil ist der Fall. Hardware wurde (mal abgesehen von den wohlstandsverblödeten Statussymbolen mit Apfellogo & Co.) immer billiger, die beste Software ist faktisch gratis (da FLOSS), weil in der Branche intensiver Wettbewerb spielt, der die Margen der (meisten) Firmen auf ein gesundes Niveau drückt und erpresserische Oligopolpreise verunmöglicht.

Dabei haben Pharma- und IT-Branche einige Gemeinsamkeiten. Am wichtigsten: Bei beiden sind die wesentlichen Produktionsgüter immaterieller Natur in Form von Wissen/"Know-how".

Der m. E. zentrale Unterschied zwischen beiden: In der IT ist die Verknappung dieses Produktionsmittels über Wissensmonopole (aka Patente und andere Privatisierungsformen sog. "geistigen Eigentums") nicht annähernd so weit fortgeschritten wie in der Pharma. Im Gegenteil: Das sytematische Teilen des entsprechenden Wissens hat mittlerweile Ausmasse erreicht, die sogar die ehemals grössten Gegner dieses "Open-Source-Prinzips" in die Knie – soll heissen zur Kooperation – zwingen. Einige Beispiele solcher Kooperationsformen: Open Invention Network, Open Neural Network Exchange oder so ziemlich jedes Projekt der Linux Foundation. Je länger, desto mehr setzt sich Open Source auch im Hardware-Bereich durch. Denn – so die "take home message" dieser Entwicklung – Wettbewerb ≠ Konkurrenz. Kooperativer Wettbewerb führt zu weitaus mehr Innovation (zu gleichzeitig markant tieferen Kosten), widerspricht aber natürlich dem nach wie vor in den Köpfen vorherrschenden "Knappheitsprimat" aus der vordigitalen Zeit.

In der Pharma steckt Open Source noch in den Kinderschuhen. Deshalb die vergleichsweise hohen Kosten, soweit mein Verdacht.

Würde mich extrem freuen, wenn diesem Zusammenhang mehr nachgegangen, bzw. -recherchiert würde, statt Binsenweisheiten zu dreschen wie jene, dass das Wachstum der Gesundheits­ausgaben "eine logische Folge des hohen Wohlstands" sei. Diese vermeintliche Erklärung funktioniert fast immer und fast überall, wo die Kosten eines "Luxus­gutes" wachsen, erklärt aber natürlich fast gar nichts, da ja eben nicht die Kosten aller Luxusgüter gleich – oder überhaupt – wachsen.

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pensionierter Arzt, alt Spitalrat
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Vielen Dank für diesen interessanten Beitrag, der einmal mehr bestätigt, dass die Kolumne "Auf lange Sicht" neben den Gerichtsreportagen das wertvollste Gefäss der Republik ist.
Die ungleiche Verteilung der Lasten für die unterschiedlichen Einkommen wird jedoch massiv überzeichnet, wenn nur die Prämien verglichen werden.
Wie Herr Knobel bereits anführte, wird nur etwa die Hälfte der Gesundheitskosten von den Haushalten getragen. Die andere Hälfte wird von den Kantonen (und gering vom Bund via Zuschüsse an die Prämienverbilligung) getragen, d.h. von den Steuerzahlern. Hier werden durch die Progression die höheren Einkommen stärker belastet, während das unterste Quintil wenig bis keine Steuern zu zahlen hat.

  • Die Kantone haben mindestens 55 % der Kosten für stationäre Leistungen der OKP (obligatorische Krankenpflege, d.h. der allgemeinen Abteilung der Spitäler) zu übernehmen. (Art. 49a des KVG)

  • Die Kantone gaben 2017 zusätzlich 1,8 Milliarden Franken aus für gemeinwirtschaftliche Leistungen, d.h. vorwiegend Forschung und Ausbildung. (AZ 23.9.19, Anna Wanner)

  • Die Kantone haben die Prämien für weniger verdienende Personen zu verbilligen (Art. 65 KVG), sie erhalten einen Beitrag vom Bund. Dieser beträgt 7,5% der Bruttokosten der OKP für die Gesamtheit der Kantone.

  • Die Kantone bauen Spitäler in Milliardenhöhe. Die Spitäler sind seit 2012 für die Investitionen zwar selbst verantwortlich, können wegen eines als zu tief beurteilten Investitionszuschlages diese Kosten zum Teil nicht voll tragen. Die Kantone oder Gemeinden haben dann gerade zu stehen (siehe Triemli Spital).
    Die Zusatz- und Privatversicherten haben eine überdurchschnittliche Kostendeckung, d.h. sie zahlen mehr als sie Leistungen beziehen und subventionieren damit die allgemeinen Spitalabteilungen.
    Um die effektive Belastung der verschiedenen Einkommensklassen wirklich beurteilen zu können, ist eine Darstellung der Prämienverbilligung erforderlich. Dies ist allerdings eine Fleissaufgabe, da die Verbilligungen kantonal unterschiedlich sind.
    Aber nur damit und mit Berücksichtigung der oben erwähnten Punkte kann die Belastung der einzelnen Haushalte redlich beurteilt werden.

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Jakob Surber
Show me the data.
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Gibt es auch Daten zur Preisentwicklung vor/nach der Einführung des Krankenkassenobligatoriums?

Es gibt ja diejenigen, die behaupten, dass die Prämien nur deswegen gestiegen sind, weil die Kunden keine opting-out Möglichkeit haben (was sozusagen eine Monopolstellung generiert & die Krankenkassen damit ungestraft die Prämien in die Höhe treiben können).

Ich halte diese Meinung für eine grobe Simplifizierung, aber ein vorher/nachher Vergleich wäre trotzdem interessant.

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Alles gut und richtig und überhaupt. Und doch: Wir haben ein Problem. Einerseits generieren wir einen Grossteil der Krankheitskosten in unseren letzten ein bis zwei Lebensjahren, relativ unabhängig vom Alter. Spricht m.E. dafür, dass wir den Tod gern verdrängen. Bekanntlich funktioniert das auf Dauer nicht. Hier helfen Patientenverfügungen, aber auch Absprachen mit Angehörigen und Hausärzten, zu denen man über Jahre eine Vertrauensbeziehung aufgebaut hat. - Andererseits besteht bei Zusatzversicherten und sicher auch bei manchen doctor-shoppers eine Tendenz zur Überversorgung, gleichzeitig mit den erwähnten relativ hohen Kosten für die Ärmsten, die dadurch eher in einer Unterversorgung landen. Ein Beispiel ist die häufigste Operation überhaupt, die des grauen Stars. Die Tarife werden ständig verhandelt. Lange war die bewährte Standard-Kunstlinse (eine sogenannte monofokale asphärische) eine Pflichtleistung der Grundversicherung. Eine einzige Kasse scherte aus und vergütete nur ein älteres und qualitativ nicht gleichwertiges Modell, so dass eine Differenz von etwa 200 Franken selber zu berappen blieb. Neu droht genau das flächendeckend eingeführt zu werden. Gleichzeitig werden sogenannte „Premium“-Kunstlinsen beworben, die einem zwar zur Brillenfreiheit verhelfen, wenn man das unbedingt will, aber auch gewichtige Nachteile haben und sich längst nicht für alle eignen. Aufpreis nach oben offen, oft vierstellig. Dass bei diesem Eingriff die Arztleistung des Anästhesisten inzwischen höher vergütet wird als jene des Chirurgen (!), setzt falsche Anreize. O tempo‘a, o mo‘es.

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..und dann sind da noch die Kosten, welche durch die Regulierungen in der Produktzulassung entstehen. 5 ist die Veramerikanisierung des Haftungsprinzips. Jeder Teilnehmer in der Kette, sei es der Gesetzgeber, die Medizinproduktebehörden, die Prüfstellen, Auditoren der Qualitätssicherung und die Hersteller der Medizinprodukte wollen 100% Sicherheit (am liebsten noch etwas mehr). Ganz im Sinne der gesellschaftlichen grassierenden Vollkaskomentalität. Die in der Einführung stehenden neuen Gesetze MDR und IVDR werden in den nächsten 10 Jahren die Produktzulassung verteuern, viele KMU aus diesem Sektor verdrängen, eine Konzentration der Grossfirmen fördern, welche die entstehenden immensen Kosten auf die Produktepreise abwälzen, die der Patient zum Schluss berappen muss.

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Was dieser Artikel nicht berücksichtigt ist die Tatsache, dass nur die Hälfte der Gesundheitskosten (wenn ich richtig informiert bin) direkt von den Haushalten bezahlt werden. Der Rest (z.B. Infrastruktur, Ausbildung) wird wie die Prämienverbilligungen von allgemeinen Steuergeldern finanziert, welche die hohen Einkommen überdurchschnittlich belasten. Das relativiert die "Ungerechtigkeit" der Kopfprämie massiv.

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Trotz Relativierung: Was spricht Ihrer Ansicht nach gegen einkommensabhängige Prämien?
Für mich persönlich wäre es die einzig sinnvolle Schlussfolgerung aus diesen Statistiken. Wenn Einkommen und Prämien im Durchschnitt ungefähr ähnlich steigen, wäre das über Einkommensprozente doch auch am wenigsten schmerzhaft für den grössten Teil der Bevölkerung zu verkraften?

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Ich bin zwar nicht derjenige, der hier gefragt wurde, aber ich hatte unten schon fast diese Idee kommentiert:
Wieso dann nicht gerade öV, Benzinpreise,.. auch einkommensabhängig machen?
Das würde vor allem einen grossen administrativen Aufwand bedeuten. Wir haben ja bei den Steuern (nicht bei der MwSt) die Progression. Wenn man Krankenkassen-Prämienzahler*innen mehr als bisher entlasten will, sollte man aus diesem Topf mehr Geld für die Prämienverbilligung einsetzen, so zahlen die reicheren auch mehr als die ärmeren. Aber mehrere progressive Systeme nebeneinander finde ich nicht sinnvoll. Bei jedem dann wieder separat jedes Jahr ein Gezänk, wie viel nun die Prämien für welche Einkommen steigen/fallen sollen...

Was wohl für viele ebenfalls gegen einkommensabhängige Prämien spricht: Dann müssten ja die Krankenkassen von allen den Lohn kennen (oder vom Steueramt automatisch mitgeteilt bekommen). Auf so etwas reagieren hierzulande recht viele "allergisch".

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Das scheint mir ein wichtiger Punkt zu sein. Können Sie Herr Schmid, darauf noch eingehen?

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Warmer Dank von Pharma & Co. ist der REPUBLIK gewiss!

REPUBLIK: "Unsere Krankenkassenprämien steigen, weil wir es uns leisten können."

Gratuliere, liebe Republik! Die PR-Agenturen der Gesundheits- und Pharmalobby könnten es nicht besser als Du. Ein wunderbares Beispiel, wie man mit quantitativer Ökonomie an den Grundproblemen unseres Gesundheitswesens, am Kern der Sache vorbeirast - letztlich vorbei an uns Menschen, um deren Wohl es ja eigentlich (!) gehen sollte: Du hast DIE Frage aller Fragen ausgelassen: „Was ist Gesundheit?“
Solange du, liebe Rep., das von Big Pharma und Gesundheitsindustrie verfolgte heutige Verständnis von Gesundheit - vollständige Freiheit von körperlichen, psychischen und psychosozialen Leiden - „pflegst“, ist das heutige Gesundheitswesen ein schwarzes Loch von höchster Unmenschlichkeit: Es macht uns glauben, Leid(en) sei(en) nicht Teil unseres Lebens, wir könnten es/sie mit Pillen und Skalpell aus unserem Leben verbannen. Gesundheit wird so zu einem Konsumgut mit infinitem Regress: Wie bekommen nie genug davon und rennen der Illusion der Leidenslosigkeit nach wie Süchtige ihren Drogen - immer ungebremster: Vom perfekten Haupthaar über geliftete Schamlippen bis zu GreisInnen, die auf der Intensivstation zwei Wochen lang am „Leben“ erhalten werden, obschon sie selber längst gehen möchten...
Liebe Republik: Kein Wort darüber, dass Lebensqualität auch darin bestehen könnte, ein Leiden mit erhobenem Haupt zu ertragen wie etwa der Paraplegiker Silvano Beltrametti oder der CVP-Nationalrat Christian Lohr, kein Wort davon, dass zu einem guten Leben auch gutes Sterben gehört statt der Fimmel der nach oben grenzenlosen Verlängerung des Lebens.
Die quantitative Ökonomie hat das menschliche Leben nur quantitativ im Blick: der Mensch als biologisches Wesen. Dass die eigentliche Domäne des Menschen die geistig-kulturelle Welt ist, in welcher wir uns mit dem Leiden konkret und philosophisch auseinander setzten müssen, statt ihm dauernd mit Hilfe eines ausbeuterischen Gesundheitswesens davonzurennen, das kommt bei der Republik überhaupt nicht in den Fokus.
Der Mensch wird auf seine Biologie eingedampft: Ein eindrückliches Beispiel dafür, was Menschen und Zivilisation immer kranker werden lassen: Die Ausblendung des genuin Menschlichen, die Ausblendung des Menschen als geistig-kulturelles Wesen mit allen seinen Ups und Downs, mit all seinen Freuden und all seinem Ringen mit seiem Dasein. Hunde, wollt ihr wirklich ewig leben - und der unmenschlichen, sinnfreien Fiktion der Leidensfreiheit alles opfern?

Nota bene: Ich heroisiere unnötiges menschliches Leiden in keiner Weise. Aber das heutige Gesundheitswesen geht nicht auf die individuelle Situation jedes Menschen ein, sondern sieht ihn bloss noch als Sammlung von quantitativen Benchmarks und Erkrankungswahrscheinlichkeiten - eine ganz perfide Angstmache! Keine Frage nach der Lebens-Qualität, zu der nicht zuletzt Glaube, Liebe, Hoffnung, Wertschätzung, Lebenssinn zählen: DIE Krankheit unserer Zeit schlechthin...weil nicht kommerzialisierbar. Letzlich liegt darin der Zynismus des Rep.-Beitrags. Er degradiert uns Menschen zu blossen Objekten und abstrahiert von uns als Subjekten.
DAS ENTWÜRDIGT UNS!
DAS MACHT UNS UND UNSERE GESELLSCHAFT KRANK!

Dazu ein erhellendes Werk von Prof.em. Dr.med. Johannes Bircher, Titel: Die verlorene Hälfte der Medizin, Springer 2019.

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natürlich sind das auch wichtige Fragen. Aber die vorliegende Analyse fokussiert hier anders und für mich sehr wertvoll. Die qualitative Diskussion über Leben, Ted, Gesundheit ist nochmal ein ganz anderes Füllhorn, die spannend aber auch sehr komplex ist. Deshalb bin ich zunächst dankbar zu erkennen, dass wir auch im Gesundheitsbereich immer mehr Luxus konsumieren. Dass dieser Luxus oft auch unsinnig ist - wie Sie feststellen - ist eine andere, spannende aber hier sinnvollerweise nicht fokussierte Dimension.

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