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Zusammengefasst: 16 Prozent der Postdocs hatten nach vier Jahren eine feste Stelle inne, die im weitesten Sinne mit Forschung zu tun hat

kann man das sagen, wenn man von 37 Prozent nur weiss, dass sie im Ausland sind, aber nicht, was sie dort tun und wie sie angestellt sind? Diese 37 Prozent mangels Daten alle dem Prekariat zuzurechnen scheint mir nicht korrekt.

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Cornelia Eisenach
Wissenschaftsjournalistin
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Ich sehe nicht, das sie dem Prekariat zugerechnet werden. An dieser Textstelle geht es um die Beschreibung der Daten des SWR für die Schweiz. Sicher ist es so, dass unten den 37 % die Forscherinnen auch im Ausland eine feste Stelle gefunden haben.

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Na ja, der Balken mit den 37% ist grau, und von diesen 37% sind 0% zur Gruppe der Forschenden mit Festanstellung gezählt worden.

Indem die Zusammenfassung schreibt "16 Prozent der Postdocs hatten" erweckt sie den Eindruck, dass 84% nicht hatten. Ich hätte mir hier wenigstens eine Formulierung im Stil von "16% hatten nachweislich", besser noch den Nachsatz "16% hatten, bei 37% wissen wir es nicht, weil sie im Ausland waren" gewünscht.

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Im Forschungskarussell ist es sehr üblich, dass man im Ausland weiterforscht als Postdoc oder dann "Researcher " oder "Senior Researcher". Insofern bin ich einig mit Ihnen, die Statistik ist da nicht so klar, wie sie sein könnte.

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Cornelia Eisenach
Wissenschaftsjournalistin
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Oftmals ist ja ein Forschungsaufenthalt im Ausland essenziell, wenn es um eine Professur geht

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Molekularbiologe PhD, Unternehmer
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· editiert

Das Problem der befristeten Anstellungen auf Postdoc-Ebene ist unterdessen auch auf die Industrie übergeschwappt: Viele Pharma-Firmen bieten Postdocs zunächst auch nur befristete Stellen an. So lässt es sich einfacher Projekte und Abteilungen restrukturieren, man muss die Leute nicht entlassen, man muss sie nur nicht wieder einstellen.

Das Postdoc Problem an der Akademie beschränkt sich im Übrigen nicht nur auf die befristeten Anstellungen. Solange es im Verhältnis zu der Anzahl Postdocs nur so wenige attraktive Stellen auf den höheren Karrierestufen (Professur, oder in manchen Ländern zT. Oberassistenzen) gibt, ist es äusserst unattraktiv, längere Zeit unterbezahlt als Postdoc zu darben; insbesondere da die Chancen, es auf höhere Ränge zu schaffen, je unwahrscheinlicher werden, je länger man auf der Postdoc-Stufe sitzen bleibt. In Grossbritannien z.B. verlassen denn auch 70% der Doktoratsinhaber die Akademie bis spätestens drei Jahre nach ihrer Promotion. Sicher hätten die allermeisten von ihnen durchaus eine weitere, wiederum unterbezahlte Postdoc Stelle gefunden, aber mit welchen Zukunftsaussichten?

Bis vor drei Jahrzehnten waren Universitäts-Spin-off Firmen in der Schweiz praktisch inexistent, und mit extremen Risiken verbunden. Auch gab es keinerlei Start-up Förderung. Heute hat sich diese Situation stark verbessert, womit Start-ups in der Tat eine attraktive Alternative geworden sind. Allerdings nicht wegen der Jobsicherheit, sondern wegen den vielseitigeren Entwicklungsmöglichkeiten. Aber wie der Artikel richtig andeutet, kann dies keine billige Ausrede dafür sein, die Probleme in der Akademie aussen vor zu lassen. Ausserdem werden Start-ups bereits so breit gefördert, dass hier wenig zusätzliches Potential liegt.

Forschung ist heute extrem international, und ein Grossteil der Postdocs in allen westlichen Industriestaaten sind Ausländer. Es ist also schwierig, das Problem als Einzelnation zu lösen. So gesehen ist es erfreulich, dass die OECD entsprechende Bemühungen zeigt. Die Schweiz, als OECD Gründungsmitglied und Innovations-Weltmeisterin, könnte hier eine Führungsrolle einnehmen, statt sich in Ausreden zu üben.

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Cornelia Eisenach
Wissenschaftsjournalistin
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Danke für Ihre aufschlussreichen Ergänzungen.

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Zu den wenigen Festanstellungen beim Bund in den Forschungsanstalten: Eine junge wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschung, ehemalige Postdoc, mit welcher ich letzthin diskutierte, bedauerte, dass bei Agroscope (Kompetenzzentrum und Forschungsanstalt des Bundes, dem BWL angegliedert) heute anstelle von Praktikant*innen Zivis beschäftigt werden. Die Mitarbeit und Nähe, früher der Praktikantinnen, nun der Zivis, sei zugleich ein wesentlicher Vorteil und eine Quelle bei den Neuanstellungen.
Die Zivis jedoch sind alles Männer, was sich nun als Nachteil für Frauen bei den Anstellungen auswirkt.

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Sehr guter Punkt, den sie einbringen U. M.. Dieser Zivi-Frage sollte man unbedingt mal nachgehen! Es gibt da nämlich tatsächlich diesen ungeplanten aber signifikanten Geschlechter-Effekt: gut bezalte Praktika und andere Möglichkeiten der Berufserfahrung für männliche Zivis, keine oder nur schlecht bezahlte (insbesondere im Vergleich) Praktika für Nicht-Zivis (was vor allem Frauen betrifft). Das bedeutet nicht vernachlässigbare Nachteile für Frauen im Berufseinstieg (z.B. fehlende Netzwerke, ...)

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Gleichberechtigung wäre eben auch ein obligatorischer Militär oder Zivildienst für Frauen.

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Die Leaky Pipeline ist ein seit Jahren an den Unis vieldiskutiertes Problem, und es wurden und werden viele verschiedene mehr oder weniger erfolgreiche Programme ins Leben gerufen, um die Leaky Pipeline abzudichten. Das Dilemma ist hierbei, dass Wissenschaft ähnlich wie Spitzensport funktioniert: akademische Karrieren bis zu einer Professur schaffen nur ein paar Wenige und da auch niemand erwarten würde, dass man mit reduziertem Training im Sport WeltmeisterIn wird, funktionieren auch die vorgeschlagenen familienverträglichen Teilzeitmodelle in der Wissenschaft schlecht. Wer nicht bereit ist, seine ganze Zeit und Energie für die Wissenschaft zu geben, wird meines Erachtens in einem international kompetitiven Forschungsgebiet kaum erfolgreich sein.

Ich finde es hingegen richtig, dass praktisch alle Mittelbaustellen (DoktorandInnen und Postdocs) befristet sind, denn es handelt sich ja hier um die Lern- und Wanderjahre junger WissenschafterInnen, in welchen sie in möglichst verschiedenen Orten möglichst viel lernen und sich vernetzten sollen. Permanente Postdoc-Stellen würden für die Unis ein grosses Problem generieren, das im Artikel gar nicht angesprochen wird: Diese Leute sind hochspezialisierte Experten auf dem jeweiligen Gebiet ihrer Forschungsgruppe, aber meist 10-30 Jahre jünger als ihr/e ForschungsgruppenleiterIn. Was soll dann mit diesen Leuten passieren, wenn der/die ForschungsgruppenleiterIn in Pension geht und die Uni eine neue Professur auf einem anderen Gebiet auschreibt?
Ich empfehle meinen eigenen Doktoranden und Postdocs darauf zu achten, dass sie sich früh genug um einen Plan B für eine Karriere ausserhalb der Uni kümmern (und die gibts ja in der Schweiz glücklicherweise zuhauf), sobald es danach auszusehen beginnt, dass es für eine angestrebte Dozentur/Professur nicht reichen wird. Wer bereits 40 Jahre alt und auf seiner dritten oder vierten Postdocstelle ist, hat sich wohl selber zulange etwas vorgemacht und sollte dann nicht frustriert der Uni die Schuld für das Nicht-Erreichen seiner Ziele geben.

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Molekularbiologe PhD, Unternehmer
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Die Parallele mit dem Spitzensport hinkt. Dort geht es darum, den Gewinner zu eruieren und auf's Podest zu setzen, wobei der Markt ein genügend hohes Einkommen, um davon leben zu können, nur für wenige hergibt. Bei der wissenschaftlichen Forschung geht es darum, mit einem gut eingespielten Team in neue Wissensbereiche vorzudringen. Auch dies stellt eine Spitzenleistung dar, die den Teilnehmern ein entsprechendes Engagement abverlangt, aber eben mit anderer Funktionsweise, in der das Dogma "alles oder nichts", "es kann nur den einen geben, der es (auf das Podest bzw. auf eine Professur) schafft, und die anderen scheiden völlig aus" weder effizient noch überhaupt irgendwie zielführend ist.

Ihr Beitrag erinnert mich etwas an den guten alten akademischen Dünkel, "diejenigen, die es in der Akadamie nicht schaffen, müssen dann halt in die Industrie gehen, und lieber frühzeitig, als spät und frustriert". Dieser Dünkel ist zum Glück nicht mehr sehr prominent, seit es in den letzten zehn bis zwanzig Jahren sogar sehr "hip" geworden ist, Start-up Firmen zu gründen, oder bei einer bestehenden mitzumachen.

Wenn nun der Wissenschaftsrat vorschlägt, die Studenten vermehrt auf Start-ups aufmerksam zu machen, ist ihm offensichtlich nicht bewusst, dass er der Akademie damit das Wasser abgräbt, statt ihre internen Probleme zu lösen: Er fördert mit dem Vorschlag nur den Brain-Drain in den eigenen Reihen der findigsten und unternehmungslustigsten jungen Forscher, die bereit sind, ins Risiko zu gehen, statt auf eine verbeamtete und kündigungssichere Professur hinzuarbeiten.

Letztendlich geht es darum, in der Akademie Zustände herzustellen, bei denen ein Mitwirken auf allen Stufen attraktiv ist. Die Wirtschaft hat dies in den Tätigkeitsgebieten, die sie abdeckt, (unterschiedlich) erfolgreich geschafft, es gibt keinen Grund, wieso dies im Tätigkeitsgebiet Grundlagenforschung in der Akademie nicht möglich sein sollte.

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Lieber Herr M., ich denke sie haben mich zumindest teilweise missverstanden. Dass die Grundlagenforschung (ich arbeite in den Life Sciences, andere Gebiete funktionieren vielleicht etwas anders) hochkompetitiv ist und genau wie der Spitzensport funktioniert ist meine alltägliche Erfahrung seit 30 Jahren. Die 2. Gruppe, die etwas findet was bereits jemand anderes publiziert, hat kriegt keine Lorbeeren mehr; der Vergleich ist also zutreffend. ABER das bedeutet in nicht, dass ich dieses System gutheisse. Ich bin mit ihnen einig, dass es aus der Perspektive der Wissensgeneration problematisch ist, zumal bei der Grundlagenforschung auch der Faktor Glück mitentscheidet, ob man etwas Wichtiges aufdeckt oder halt etwas eher Nebensächliches, und vorallem für die bessere Vereinbarkeit von Beruf(ung) und Familie stellt es eine riesige Hürde dar.
Das zweite Missverständnis: Es liegt mir fern zu suggerieren, dass Forschung innerhalb der Unis besser, wertvoller oder befriedigender ist als im privaten Sektor. Ganz im Gegenteil, wenn ich sehe welche Technologien und Gelder privaten Labors zur Verfügung stehen, dann erblasse ich oft vor Neid. Ich ermuntere meine DoktorandInnen und Postdocs sehr aktiv darin, Wege ausserhalb der Akademie unbedingt in ihre Karrierepläne miteinzubeziehen, denn das akademische System ist nicht als Selbstläufer konzipiert: wie der Beitrag zeigt, bleiben von den Studierenden nur wenige Prozent im akademischen Betrieb (das war vor 40 Jahren übrigens auch schon so und sollte auch so bleiben), unsere Aufgabe ist es also hochqualifizierte Absolventen für die Gesellschaft (Industrie und öffentlicher Sektor) auszubilden. Damit graben wir uns in keinster Weise selbst das Wasser ab, sondern erfüllen unseren Grundauftrag: wir bilden junge Leute aus indem wir ihnen lehren, wie gute Forschung betrieben werden sollte. Stellen an der Uni stehen damit in Konkurrenz mit Stellen im privaten Sektor, aber davor müssen und sollten wir uns an der uni nicht fürchten. In der Schweit sind Postoc Stellen nach wie vor äuserst attraktiv und es mangelt uns nicht an guten BewerberInnern. die vielbeschriebene Postdoc crisis findet in den USA statt, nicht hier.

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Spitzensport? Ich bitte sie. Dort hören die Athleten nach kurzer Zeit auf und machen Platz für die jüngeren. Notgedrungen, denn die Leistung wird immer gemessen.

Es gibt zu viele Professoren, die nach einer Einberufung weder in der Forschung noch in der Lehre herausstechen. Leistungsbedingte Abgänge gibt es keine. Wenn sie als junger Spitzenwissenschaftler ein schlechtes Thema erwischen haben sie halt Pech gehabt und alles was sie nun haben ist ein Doktortitel. Der Postdoc zählt kaum als Berufserfahrung.

Gesellschaftlich ist das ein riesen Verschleiss an Können und extrem ungerecht. Leider müsste das System von innen reformiert werden, die Wahrscheunlichkeit dazu ist Null. Denn diejenigen, die es 'geschafft' haben wollen ihr kleines Königreich natürlich behalten und sich nicht messen lassen. Und alle argumentieren genau so wie Sie.

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Lieber Herr K., wenn sie fordern, dass an den Unis nicht bloss die Doktoranden und Postdocs nach ihrer Performance evaluiert werden, sondern auch die ProfessorInnen, dann rennen sie bei mir offene Türen ein. Auch wenn es aus meiner 30 -jährigen Erfahrung im akademischen Betrieb äusserst selten vorkommt dass ProfessorInnen sich in ihrem Bürostuhl zurücklehnen und bloss noch an ihrem guten Gehalt erfreuen, dann ist es in diesen wenigen Fällen wirklich unverständlich, dass das für sie privat kaum Konsequenzen hat, ihr Gehalt wird dennoch weiter bezahlt und Entlassungen gibt es nur bei schwerwiegendem Fehlverhalten. Ich muss wohl nicht betonen, dass dies v.a. auch für diejenigen KollegInnen besonders stossend ist, die seit Jahren mit 50-60-Stundenwochen und Teilzeitarbeit während ihren Ferien versuchen, allen Anforderungen ihrer Stelle gerecht zu werden (Ich gehöre selber zu dieser Gruppe der ProfessorInnen, die aus meiner Erfahrung die Mehrheit an den Unis bildet). Eine offene und schwierige Frage bleibt allerdings dann noch, wer diese Performance wie genau beurteilen soll.

Trotzdem bin ich der Meinung, dass der Vergleich mit dem Spitzensport zutrifft: Um unseree Forschung finanzieren zu können (und das beinhaltet auch die Löhne von 50-70% meiner Doktoranden und Postdocs), müssen wir uns um kompetitive Fördergelder bewerben (beim SNSF, Human Frontiers, hoffentlich auch bald wieder bei Horizon 2020, etc.), und wer hier nicht mit einer Topleistung in der Vergangenheit und überzeugenden Forschungsgesuchen ins Rennen steigt, wird keine oder weniger Gelder einwerben, deshalb künftig weniger Forschungsleistung erbringen können, somit in einer Abwärtsspirale landen, und rasch forschungsmässig in die nächst tiefere Liga absteigen. Wo genau hinkt da ihres Erachtens die Analogie zum Spitzensport?

Diese Kompetition im Forschungsgelder ist übrigens auch der Hauptgrund für die temporären Verträge der Mittelbauleute, die in der Presse angeprangert werden: wenn ich einen Grant für 3 Jahre erhalte, dann kann ich den MitarbeiterInnen, die ich für das Projekt anstelle logischerweise keinen Arbeitsvertrag anbieten, der über diese 3 Jahre hinausgeht. Eine Verlängerung des Vertrags kann ich erst dann anbieten, wenn ich den nächsten Grant ergattert habe. Anders als in der Privatwirtschaft kann man in der Akademie keinen Kredit aufnehmen, um Finanzierungslücken zu überbrücken. Die breite Öffentlichkeit hat offenbar den Eindruck, wir würden Forschung mit uni-internen Kantonsgeldern machen, was aber nicht stimmt: Die Stellen und Gelder, die ich von der Uni für meine Gruppe erhalte, erlauben mir meinen Ausbildungsauftrag auszuüben, aber wenn ich auch noch international kompetitiv forschen will, dann muss ich diese Forschung über selber eingeworbene Drittmittel finanzieren. Das ist jedenfalls mein Alltag in den Naturwissenschaften, wo die Forschung in der Regel kostenintensiv ist, und mag nicht auf alle Disziplinen so zutreffen.

Insgesamt bin ich enttäuscht davon, wie negativ hier in den Kommentaren Leute über ein System herziehen, das sie nur aus der Studi-Perspektive oder gar nicht kennen (Eine Anekdote zu dieser Ignoranz: Ich habe Bekannte, die meinten die ProfessorInnen hätten während der vorlesungsfreien Zeit Ferien - schön wärs ;-). Deshalb möchte ich hier nochmals betonen: die Ausbildung und die Forschung an den Schweizer Hochschulen ist im internationalen Vergleich absolut Top und die akademischen Stellen an Schweizer Hochschulen (inkl. Doktorat und Postoc) sind heiss begehrt, ein "Prekariat" kann ich nicht erkennen. Ergo, das System scheint insgesamt sehr gut zu funktionieren und es laufen intern viele Prozesse, um Schwachstellen zu identifizieren und zu verbessern. Aber eine Binsenwahrheit, die sich auch unter Generation Z nicht verändern wird, ist: Ausserordentliche Erfolge/Karrieren erfordern ausserordentliche Leistung und Einsatz.

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· editiert

Dass die Post-Docs an den Universitäten kaum Festanstellungen bekommen, hat unter anderem zu tun mit der krankhaften Fixierung der herrschenden Politik aufs Private. "Die Privaten können es besser", hört man aus der politischen Mitte und von rechts davon sowieso. Die Wissenschafter sollen hinaus ins "Leben" und sich dort bewähren, anstatt im staatlichen Elfenbeinlabor zu forschen. Das hallt über Feld und durch die kleine Stadt und damit sind Stimmen zu gewinnen; leider aber hält kaum jemand dagegen und erzählt, was die (Grundlagen-) Forschung alles leistet. Im Gegenteil. Das Virus zeigt, wie virulent Wissenschaftsfeindlichkeit ist in unserem Land. Dazu kommt das Hecheln nach der Rendite. Wissenschaft schön und gut, aber nur wenn sofort Gewinn auf dem Tisch. Das aber ist das Gegenteil von Wissenschaft. Und vielleicht sind Schweizerinnen eben keine Wissenschafter im Geiste sondern eher Bauern, Mechaniker, Immobilienbewirtschafter, Ingenieure und Bänker. Das halt, was sofort was ergibt. Ins Maul und aufs Konto.

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Molekularbiologe PhD, Unternehmer
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Ich glaube nicht, dass die Fixierung auf die Privatwirtschaft, und die zunehmende Wissenschaftsfeindlichkeit wirklich die Gründe für die Misere sind: Früher, als die Menschen noch mehr Respekt vor Wissen und Wissenschaft hatten, waren die Zustände an den Universitäten sogar noch schlimmer.

Im Gegenteil: Der Übeltäter ist die Akademie selbst. Ein veraltetes, hierarchisches System, das auf Ausbeutung der Masse an Mitarbeitenden auf der einen Seite, und der völligen Unantastbarkeit von Professoren und Professorinnen beruht, die nicht nur fest-, sondern vor allem auch praktisch unkündbar angestellt sind. Eine Kündigung eines Professors in der Schweiz ist kaum möglich, ohne dass das Ganze zum nationalen Skandal wird und die Gerichte beschäftigt, wie die Affären Mörgeli, Ritzmann, Carollo etc. zeigen. Dahinter steht der Anspruch, dass Professorinen und Professoren im Prinzip unkündbar sind, wenn sie sich nicht extreme Vergehen zu Schulden haben kommen lassen.

Dieses extreme Gefälle, das längst nicht mehr zeitgemäss ist, löst beim Mittelbau natürlich Frustration und Missgunst aus. Gerechtfertigt wird die Unkündbarkeit meist mit Forschungsfreiheit. Das Argument überzeugt aber nur zum Teil: Es spricht nichts dagegen, wie dies im Ausland zum Teil schon der Fall ist, dass gewisse Mindestanforderungen gestellt werden, was die Vorlesungsqualität, Studentenbetreuung und die Publikation von Forschungstätigkeiten in begutachteten (peer-reviewed) Wissenschaftszeitschriften betrifft.

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MSc ETH, Ehem. Mittelbau Fachhochschule
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Schärfere Anforderungen an Publikationen sind auch problematisch. Je wichtiger solche Anreize werden, um so mehr leiden die weniger messbare Tugenden.

Dann bleiben am Ende genau die Leute als Vorbilder, welche das Zitate-Spielchen optimiert haben. Warum sollte da jemand etwas wirklich neues erforschen, wenn nicht garantiert innerhalb von 6 Monaten etwas publizierbares rauskommt? Lieber einen marginalen Beitrag machen in einem schon gut erforschten Bereich.

Es gibt heute schon Seilschaften die sich gegenseitig zitieren. Oder es wird einfach die sonst übliche Verifikation übersprungen und direkt publiziert. Anreize gibt es ja nur fürs Zitiert-werden. Das Aufdecken von falschen Ergebnissen schadet der eigenen Karriere eher. Falls sich ein Journal überhaupt dafür interessiert seine bereits publizierten Artikel zu hinterfragen. Viele ziehen nicht einmal bei nachweislich gefälschten Daten einen Artikel zurück.

Daher wäre ich sehr vorsichtig, hier die Selektion durch messbare Anreiz-Systeme weiter zu verschärfen.

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Ich kenne viele "Wissenschaftlerinnen im Geiste" mit Schweizer Pass.

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Molekularbiologin
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Tja, leider beschreibt der Beitrag die prekäre Situation recht gut.

Uns wurden gegen Ende des Studiums, vor gut 30 Jahren, an einer Job-Messe bei einem Vortrag durch einen Referenten der Pharmaindustrie folgende Messages übermittelt:

  • es gibt nur sehr wenige Plätze in der Industrie-Forschung

  • wir finden Euch, und kontaktieren Euch in Eurem Labor, wo auch immer ihr dann als Postdoc seid, sofern ihr das publiziert, was uns interessiert

  • Dissertation und Postdoc zählen nicht als Arbeitserfahrung, sondern ihr seid ‚Studenten‘.

Wenn man dann also mit 35 Jahren, mit Studium, Dissertation und 2-3 Postdocs in der Tasche, aus der Akademie-Pyramide rausfällt, steht man unter Umständen ohne Job da, mit nix in der Pensionskasse, und ev ohne Kinder. Dabei sind es oft die Postocs welche unterrichten, korrigieren, Studis betreuen. Die wenigen langjährigen Festangestellten die ich kannte, waren elementare Wissensträger und haben das ganze Labor gemanagt.

Kommt noch die Problematik der Dual Career Couples mit/ohne Kinder dazu. Fast unlösbar, wenn man wirklich vorankommen will. Es gab Postdocs, bei denen ist die Nanny mit den Kindern zwischen 2 Städten hin und her geflogen. Frauenförderungsgrants hatten Alterslimiten, was beim familienbedingten Pausieren dann eun Hindernis darstellt.

Ich hatte das erste Kind zu Beginn der Diss, das zweite kurz danach. Gemeinsam in derselben Stadt in den USA eine Postdocstelle zu finden, hat nicht geklappt. Das war das Ende von zwei akademischen Karrieren. Aber ich habs nicht bereut, eine Familie und ein Wochenende zu haben, waren mir wichtiger. Von unserem gesamten Jahrgang (rund 30 Biolog:innen) ist am Ende nur 1 Person in der Forschung gelandet. Der Betrieb ist seither nur noch härter, die Konkurrenz grösser geworden.

Meines Erachtens wäre es fairer, wenn man nur die allerbesten zur Dissertation zu lassen würde, und bei den Postdocs ebenfalls stärker selektionieren würde, damit die akademisch begabten eine reelle Chance für eine Professur haben, und die lehrbegabten eine Chance auf eine unbefristete Stelle im Mittelbau. Aber dafür müsste man wieder unbefristete Mittelbaustellen schaffen wollen, und danach sieht es nicht aus. Drum geht das Produzieren von „studentischem Ausschuss“ fleissig weiter…

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Cornelia Eisenach
Wissenschaftsjournalistin
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Danke, Frau B., dass Sie Ihre Erfahrung geteilt haben. Tatsächlich wäre es eine Lösung, einfach weniger Doktorandinnen und dann Postdocs zu haben. Das wurde auch im SWR-Bericht diskutiert, man sprach sich aber gegen eine Zugangsbeschränkungen auch. Nach dem Motto: weniger postdocs haben wollen wir auf keinen Fall, denn sie sind unverzichtbar, aber feste Stellen sollten wir ihnen deswegen nicht geben.

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Molekularbiologe PhD, Unternehmer
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Eine stärkere Selektion bereits auf Stufe der Zulassung zur Dissertation halte ich für kontraproduktiv, da sich die Eigenschaften guter Forscher erst während der praktischen Forschungstätigkeit entwickeln und unter Beweis stellen können. Vorher büffelt man vor allem viel Lehrbuch-Stoff, aber das so erworbene theoretische Wissen macht noch keinen findigen Forscher.

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Florian Fisch
Wissenschaftsjournalist
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Mehr Festanstellungen muss zwangsläufig mit einer Reduktion der Zahl der Postdocs einhergehen. Das heisst: frühere Selektion. Alternativ würde ein unrealistisch massives Wachstum der Hochschulen resultieren.

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Molekularbiologe PhD, Unternehmer
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Da hatten Sie gerade etwas Pech: Vor 30 Jahren waren die Job-Aussichten für Molekularbiologen sehr viel schlechter als heute; das Gebiet wurde ja in den Achziger-Jahren erst an den Unis neu etabliert, in der angewandten Forschung in der Industrie gab es ein wirklich breites Job-Angebot erst ca. 20 Jahre später.
Für Zulassungsbeschränkungen wegen mangelnder Berufschancen sehe ich heute keinen Anlass mehr; es gilt jedoch nach wie vor, die Nachhaltigkeit des Mittelbaus in der Akademie zu verbessern.

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PhD Student
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Das Problem das sich daraus ergibt ist, dass man als Postdoc unter Druck ist, für sein eigenes Weiterkommen zu optimieren statt primär für den Wissensgewinn in der Gesellschaft.
Das dient der Forschung meiner Meinung nach leider nicht.

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Und dann begründet die Pharmaindustrie ihre überrissenen Medikamentenpreise mit dem Forschungsaufwand.
Diesen erbringen offensichtlich die Universitäten und damit bezahlen wir gleich doppelt: mit den Steuern und in der (Schweizer-)Apotheke resp. mit der Krankenkassen-Prämie.

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So einfach ist es nicht. Die Pharma beschäft sehr viele Forschende für die Entwicklung und die Tests von Medikamenten.

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In der Forschung sind ja wissenschaftliche Publikationen wichtig, die sog. papers, da gleich in Englisch verfasst. Ein Arbeiten im globalen wissenschaftlichen Netzwerk ist unabdingbar, gemeinsames Publizieren des Eigenen mit andern gehört dazu. Es braucht vertieftes Interesse und Neugierde fürs sich verzweigende Forschungsgebiet, doch ohne Netzwerk, irgendwann auch im interdisziplinären Bereich, ist man, akademisch oder nicht, weg vom Fenster.
Wie ich es von aussen wahrnehme, hilft zudem Freude an der eigentlichen Forschung, also nicht am Verwalten der Forschung, zum Präsentieren klug strukturierte und illustrierte Resultate von Fragestellungen, um gelassen all die vielen Hürden zu nehmen. So wie bei diesem Republik Artikel, besten Dank 🙏🏼

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Stimmt diese Aussage: "Wie die untenstehende Grafik zeigt, ist die Zahl der Postdocs in den Jahren seit 2014 um etwa 9 Prozent gestiegen, ähnlich stark wie die Zahl der Professuren." Das ist doch die jährliche Zunahme.

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Cornelia Eisenach
Wissenschaftsjournalistin
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Guten Morgen, Danke für den Hinweis. Es sollte korrekterweise Prozentpunkte heissen, wird korrigiert. Der Zahlenwert an sich ist schon korrekt, er steigt von 6104 2014 auf 6634 2020.

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