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Manche Musiker glauben ja, unsere Harmonien in periodischen Kreisbahnen von Himmelskörpern zu erkennen. Nun also auch in Pilzen, dazu noch auf der Theaterbühne. Man ahnt ungutes: „Einführung ins Stück“ eine Stunde vor „44 Harmonies…“, oder „Audioeinführung“ vom Schauspielhaus auf Youtube. In meinem Fall hat das Tutorial nicht wirklich geholfen, ich erwartete schliesslich einen abstrusen musikalischen Diskurs. Zum Glück hatte ich zufällig (in einer Probeausgabe der Republik) diese glänzende Rezension gefunden (übrigens auch sehr gute Fotos) meiner favourite Theaterrezensentin, B Villiger Heilig, die ich seit ihrem Abgang von der NZZ schwer vermisste. Die Rezensentin ist sich hier nicht zu schade, dem Laien hilfreiche Tipps versteckt in fachlicher Analyse der Verwicklungen und Schichtungen des Stücks auf den Weg in die Theatervorstellung zu geben. Kunstbeflissene mögen wegen dieser klugen Didaktik aufstöhnen, mir hat es sehr geholfen.

Zum Beispiel beim Herzstück des Theaterabends, bei „44 Harmonies…“ von John Cage. Die zugrunde liegende barocke Musik waren ja Tänze. Cage ändert sie so, dass statt den erwarteten angenehm fliessenden Bewegungen eine lange Reihe von Stockungen das Ohr erreicht. Eine krankmachende Diagnose könnte auch lauten: Coitūs interrupti mult. ad lib., man kann die Flucht des Konzertpublikums damals an der Premiere gut nachvollziehen. Das Rezept der Rezensentin ist im schönen Wort „pausendurchwirkt“ enthalten, was heisst, man entlässt die Erwartung an einen ununterbrochenen tänzerischen Fluss und anerkennt Stille als jeweils das Natürliche dazwischen, eine vielleicht beinahe zenmässige Haltung. Dann wird das schwierige musikalische Stück erträglich, ja schön…

Nicht geklappt hat es bei mir beim Chörli, wo bei jeder Wiederholung ein Ton tiefer angefangen wird. Der Chor löst sich zusehends auf, die mit tiefen Tönen nicht mithalten gehen weg, am Schluss bleibt einer mit unmenschlich tiefem Bass, kein schöner Klang, ein kehliges Bassgeräusch im Stillstand. Da man die eigenen Spiegelneurone nicht abstellen kann, macht man alles innerlich mit, man rekrutiert die letzten Höhlungen im Rachen bis die völlig entspannten Stimmbänder in der Vorstellung wund aneinanderschlagen. Dieser subtilen Marthalerschen Folter konnte ich also nicht entweichen.

Gefehlt an diesem Theaterabend hat freilich der grosse Hallimasch-Akkord! Die Herleitung im Stück: der sportliche und zielstrebige Blondschopf in kurzen Hosen erinnerte mich sehr an den vom Himmelskörper Sirius entsandten, grössenwahnsinnigen und ewig kurze Hosen tragenden Karlheinz Stockhausen (Zeitgenosse von Cage). Bekanntlich ist Stockhausen auf dem Cover von „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ zu finden, wo im Stück „A Day in the Life“ am Schluss, wir alle erkennen das sofort, ein riesiges aufsteigendes Crescendo in einem infernalischen und lange nachklingenden Akkord endet. Statt dem tröstlichen Mahler im Finale hätte man durchaus dies spielen können, Instrumente waren ja genügend auf der Bühne. Und, wer sonst kann den grossen Hallimasch-Akkord verkörpern, wenn nicht die Pilzköpfe?

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