

Männerrat Ständerat, Grünen-Chef Glättli tritt ab – und schon wieder werden Daten des Bundes gehackt
Das Wichtigste in Kürze aus dem Bundeshaus (255).
Von Dennis Bühler, Adrienne Fichter und Lukas Häuptli, 16.11.2023
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Der Ständerat: kleine Kammer, Kammer der Kantone, 46 Mitglieder.
Manchmal wird er auch «chambre de réflexion» genannt (was nicht selten ein Euphemismus ist). Manchmal «Dunkelkammer» (was unerwähnt lässt, dass der Nationalrat kaum transparenter ist). Manchmal «Stöckli», also Altenteil (was angesichts des Durchschnittsalters im Rat der Wirklichkeit am nächsten kommt).
Bis jetzt sind 40 der 46 Mitglieder für die nächsten vier Jahre bestimmt. 33 wurden vor dreieinhalb Wochen gewählt, 7 am letzten Sonntag, und die letzten 6 folgen am nächsten Wochenende. Dann findet in den Kantonen Aargau, Schaffhausen, Solothurn, Tessin und Zürich der zweite Wahlgang statt.
Zwei Dinge stehen bereits jetzt fest: Der Ständerat bleibt die Wagenburg von FDP und Mitte, der ehemaligen CVP. Zusammen haben sie bisher 24 Sitze geholt, mehr als die Hälfte des gesamten Rats. An der Vormachtstellung der beiden Parteien wird auch der nächste Sonntag nichts ändern. Wenn es für sie richtig gut läuft, gewinnen sie sogar noch 3 Sitze dazu.
Was die Wahlen auch zeigen: Das Stöckli ist ein Rat der (mehrheitlich alten) Männer. Die Kantone Genf und Waadt bestätigten am letzten Sonntag diese Regel, Freiburg und Wallis (zumindest zur Hälfte) bilden lediglich zwei der seltenen Ausnahmen.
So verlor in Genf die 35-jährige Lisa Mazzone von den Grünen ihren Sitz im Ständerat; gewählt wurden die beiden 64-jährigen Mauro Poggia (Mouvement Citoyens Genevois) und Carlo Sommaruga (SP). Auch die Waadt schickte zwei (ältere) Männer ins Stöckli, nämlich Pascal Broulis (58) und Pierre-Yves Maillard (55).
Immerhin konnten sich in Freiburg mit Isabelle Chassot von der Mitte und Johanna Gapany von der FDP sowie im Wallis mit Marianne Maret von der Mitte drei Frauen durchsetzen.
Womöglich folgen ihnen am nächsten Sonntag drei weitere. In drei Kantonen kommt es nämlich zu einem Showdown zwischen Frauen und Männern: in Zürich zwischen Tiana Moser (GLP) und Gregor Rutz (SVP), in Solothurn zwischen Franziska Roth (SP) und Christian Imark (SVP) sowie im Aargau zwischen Marianne Binder (Mitte) und Benjamin Giezendanner (SVP).
Wenn die drei Frauen gewinnen würden, sässen ab der Wintersession 16 Frauen im Ständerat. Damit läge der Frauenanteil bei knapp 35 Prozent.
Zwar wäre das in der 175-jährigen Geschichte der kleinen Kammer ein Rekord. Bisher betrug der Anteil rund 26 Prozent.
Doch selbst dann bleibt der Ständerat ein Rat der Männer.
Damit zum Briefing aus Bern.
Grünen-Präsident Balthasar Glättli tritt ab
Worum es geht: Der Zürcher Nationalrat Balthasar Glättli hat am Dienstag bekannt gegeben, dass er sein Amt als Präsident der Grünen Schweiz im nächsten April abgibt. Er war seit 2020 Parteipräsident.
Warum das wichtig ist: Glättli prägte die grüne Partei in den letzten Jahren massgeblich. Als Co-Wahlkampfleiter führte er sie bei den nationalen Wahlen 2019 zu ihrem bisher grössten Erfolg: Sie holte 28 Nationalrats- und 5 Ständeratssitze. Bei den diesjährigen Wahlen aber musste er als Parteipräsident den Rückschlag der Grünen mitverantworten. Sie verloren 5 Sitze in der grossen und 2 Sitze in der kleinen Kammer.
Wie es weitergeht: Wer Glättlis Nachfolge an der Spitze der Grünen antritt, steht noch nicht fest. Nicht ausgeschlossen ist, dass ein Co-Präsidium nachrückt. Entscheiden soll die Delegiertenversammlung der Partei am 6. April 2024.
Macron besucht die Schweiz
Worum es geht: Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron ist am Mittwoch zu einem zweitägigen Besuch in der Schweiz eingetroffen. In Bern traf er Bundespräsident Alain Berset. Macron wies in seiner Rede in der Wandelhalle des Bundeshauses auf die Gemeinsamkeiten der beiden Länder hin und betonte, wie wichtig es sei, dass die Schweiz die EU-Sanktionen gegen Russland vollumfänglich mittrage.
Warum das wichtig ist: Das Verhältnis zwischen der Schweiz und Frankreich ist zurzeit ziemlich unbelastet. Das war nicht immer so: In den letzten Jahren trübten verschiedene Vorfälle und Affären die Beziehungen. So warfen französische Staatsanwaltschaften der UBS vor, reichen Franzosen bei Steuerhinterziehung und Steuerbetrug geholfen zu haben. Deshalb wurde die Grossbank 2019 zu einer Busse von 4,5 Milliarden Euro verurteilt; das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Überdies sorgte in Frankreich für Unmut, dass der Bundesrat im Mai 2021 die Verhandlungen für ein Rahmenabkommen mit der EU abbrach. Kurz darauf brachte die Wahl des amerikanischen Kampfjets F-35 statt des französischen Rafale die Stimmung auf einen Tiefpunkt. Die Schweiz hatte in Verhandlungen zuvor schriftliche Garantien für finanzielle und politische Zugeständnisse gefordert und die Franzosen so im Glauben gelassen, ihr Kampfjet hätte gute Chancen.
Wie es weitergeht: Geplant ist, dass Macron am Donnerstag die ETH (EPFL) in Lausanne sowie die Kernforschungseinrichtung Cern in der Nähe von Genf besucht, bevor er nach Frankreich zurückreist.
Hacker stehlen Daten des Bundes
Worum es geht: Das Nationale Kompetenzzentrum für Cybersicherheit (NCSC) hat am Dienstag mitgeteilt, die Firma Concevis sei von einer Ransomware-Gruppe gehackt worden. Concevis ist ein IT-Dienstleister des Bundes. Die Hacker verschlüsselten alle Daten der Firma.
Warum das wichtig ist: Concevis verkaufte wie die schon früher gehackte Firma Xplain Software an den Bund. Kunden sind unter anderem das Bundesamt für Bevölkerungsschutz, das Bundesamt für Raumentwicklung, das Bundesamt für Statistik, das Bundesamt für Zivilluftfahrt und die Eidgenössische Steuerverwaltung. Gemäss Recherchen der Republik wurden all diese Aufträge nicht öffentlich ausgeschrieben, sondern sogenannt freihändig an Concevis vergeben. Der Bund wies verschiedene dieser Mandate aber nicht aus. Gemäss Auskunft des Kompetenzzentrums für Cybersicherheit wurden beim Hackerangriff keine Systeme der Bundesämter getroffen.
Wie es weitergeht: Concevis weigerte sich, für die Entschlüsselung der Daten zu bezahlen – was der üblichen Praxis im Umgang mit Hackerangriffen entspricht. Allerdings besteht damit die Gefahr, dass die gestohlenen Daten des Bundes bald im Darknet zum Verkauf stehen werden. Ob es in diesem Fall wie beim Xplain-Hack zu einer Administrativuntersuchung und zu Strafanzeigen kommen wird, hat das Kompetenzzentrum (das ab dem 1. Januar 2024 in ein Bundesamt umgewandelt wird) noch nicht kommuniziert. Künftig wird das neu geschaffene Staatssekretariat für Sicherheit beim VBS die Aufsicht über die IT-Dienstleister der Bundesverwaltung übernehmen.
Bundesrat Rösti will KI regulieren
Worum es geht: Medienminister Albert Rösti hat in einem Interview der «NZZ am Sonntag» erklärt, dass die Schweiz die Anwendung von künstlicher Intelligenz regulieren müsse. Desinformation werde sonst zu einem grossen Risiko. Rösti sagte, allenfalls könne die Schweiz in diesem Bereich auch EU-Regeln übernehmen.
Warum das wichtig ist: Bemerkenswert sind Röstis Aussagen vor dem Hintergrund, dass sich die Schweiz bis jetzt gegen eigentliche KI-Gesetze auf nationaler und internationaler Ebene sperrte. In verschiedenen Berichten hielt der Bund fest, dass der geplante AI Act der EU kein Vorbild für die Schweiz sei. Röstis Aussage könnte nun schlicht pragmatischer Realismus sein und auf der Einsicht gründen, dass die Schweiz die KI-Regeln der EU früher oder später sowieso übernehmen muss. Und dass helvetische Sonderwege gerade in diesem Bereich in die Sackgasse führen.
Wie es weitergeht: Rösti kündigte eine Auslegeordnung für die Regulierung künstlicher Intelligenz bis Mitte nächsten Jahres an. Bis dann soll auch der AI Act der EU sowie die sogenannte KI-Konvention des Europarats verabschiedet sein.
Zirkusdirektorin der Woche
Kein anderes Bundesratsmitglied ist so mächtig wie Karin Keller-Sutter: Das schrieb die Republik im letzten Dezember, später bemerkten es auch die «NZZ am Sonntag» und der «SonntagsBlick». Erst jetzt aber wird klar, dass die FDP-Finanzministerin schon als Kind die Grundlagen für ihre heutige Macht gelegt hat. Im Quartier habe man sie damals «Zirkusdirektorin» genannt, weil sie Meerschweine, Streifenhörnli, Kanarienvögel und Hamster gezüchtet habe, verriet sie vergangene Woche in einem Interview, das mehrere Kinder anlässlich des Nationalen Zukunftstags mit ihr führten. Ein Zirkus wilder Tiere und schräger Vögel: ein Schelm, wer dabei an die Landesregierung denkt?
Illustration: Till Lauer