Am Gericht

Auf Biegen und Brechen kriminalisiert

Die Basler Staatsanwaltschaft sagt es selbst: Eigenhändige Gewalt kann sie dem Demonstranten nicht nachweisen. Trotzdem beantragt sie für den bislang unbescholtenen Mann eine unbedingte Freiheits­strafe von 10 Monaten. Wie kommt sie dazu?

Von Yvonne Kunz, 24.05.2023

Vorgelesen von Magdalena Neuhaus
0:00 / 19:58

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Demokratische Freiheiten sind hart erkämpft – und leicht verloren. Siehe Gross­britannien, wo der verschärfte «Public Order Act» seit diesem Mai das Recht auf Strassen­proteste weitest­gehend aushöhlt. Das Gesetz eröffnet der Polizei maximalen Spielraum bei der Wahrung der öffentlichen Ordnung: Eine Klima­kleberin muss sich nicht mehr festkleben, um verhaftet zu werden; Klebstoff dabeizuhaben, reicht. Glaubt ein Polizist, eine Person in der Nähe einer Tunnel­blockade könnte daran teilnehmen wollen: reicht für eine Durch­suchung. Wehrt sich die Person, drohen bis zu 51 Wochen Gefängnis.

Auch in der Schweiz sind Demonstrations­rechte – konkret die verfassungs­rechtlich garantierte Versammlungs- und Meinungs­äusserungs­freiheit – unter Druck. Die Genfer Stimm­berechtigten beschlossen 2012, dass jede Versammlung im öffentlichen Raum bewilligungs­pflichtig ist. Kommt es dabei zu Ausschreitungen, haften die Organisatorinnen für die entstandenen Kosten. In Zürich steht die Abstimmung über eine Initiative der Jungen SVP für ein «Anti-Chaoten-Gesetz» bevor, mit derselben Stoss­richtung. Wie der britische «Public Order Act» richtet sich der SVP-Vorschlag explizit gegen Klima­aktivistinnen und ihre Methoden.

Und in Basel hat sich an diesem 1. Mai eindrücklich gezeigt, wie unerwünscht Demonstrationen sind.

Wer solche Entwicklungen als Erosion der demokratischen Kultur, als Angriff auf die Grundrechte deutet, wird gerne verlacht. Eine Paranoikerin, wer vor uneingeschränkten Befugnissen der Polizei warnt – obwohl die Geschichte lehrt: Ungezügelte Staats­macht ist bedrohlicher als die Störung des Alltags durch einen Protest. Autoritäre Macht­strukturen sind immer das grössere Übel als randalierende Demonstranten.

Ort: Strafgericht Basel
Zeit: Verhandlung vom 11. Mai 2023, 8.15 Uhr, Urteils­eröffnung am 12. Mai 2023, 11.00 Uhr
Fall-Nr.: VT.2019.8034
Thema: Landfriedens­bruch, Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte; Hinderung einer Amts­handlung; Störung von Betrieben, die der Allgemeinheit dienen; üble Nachrede; Beschimpfung; Verletzung von Verkehrs­regeln; Dienst­erschwerung; Teilnahme an nicht bewilligter Versammlung

Nein, ein politischer Prozess, wie vom Beschuldigten behauptet, sei das heute nicht, sagt Staatsanwalt Camilo Cabrera. Sondern ein stink­normales Straf­verfahren.

Doch ganz so einfach ist es nicht. Es fällt schwer, diesen Fall nicht in den Kontext der Ereignisse rund um die «Basel nazifrei»-Demonstration vor vier Jahren zu stellen. Und da hat sich die Basler Justiz selbst in ein politisches Licht gerückt.

Die Polizei schaute weg, als am 24. November 2018 an einer Kundgebung der inzwischen aufgelösten rechts­extremen Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) eine antisemitische Hassrede gehalten wurde. Lieber filmte sie die Gegen­demonstration «Basel nazifrei», 12 Stunden 35 Minuten Material kamen zusammen. Und sie beschoss die Gegendemo mit Gummi­schrot – ein Ablenkungs­manöver, damit die Pnos-Anhänger den Ort sicher verlassen konnten. Natürlich eskalierte die Situation.

Auch die Staats­anwaltschaft interessierte sich nicht für den Judenhass der Pnos – der war ihr erst drei Jahre später unter medialem Druck eine Anklage wert. Derweil sie umgehend und mit grösstem Eifer über 50 Klagen gegen jene anstrengte, die gegen die Pnos demonstrierten.

Und die erstinstanzlichen Gerichte doppelten mit harten Urteilen nach. Während sich die Verfahren nun durch die Instanzen wälzen, kommt Unappetitliches zum Vorschein: heikle Absprachen unter Richtern, manipulative Video­zusammen­schnitte als Beweis­mittel, unstatthafte mediale Stimmungs­mache gegen die Demonstranten durch den Präsidenten des Strafgerichts.

Diesen Januar rügte das Bundesgericht das Basler Appellations­gericht wegen Willkür und Voreingenommenheit.

Politisch aufgeladen ist die Sache somit allemal.

Die Anklageschrift von Staats­anwalt Cabrera gegen einen 31-jährigen Aktivisten, um den es hier geht, zeigt, dass die Strafverfolger an ihrer harten Gangart gegen linke Demonstrantinnen festhalten. An die zwei Dutzend zum Teil mehrfach verletzte Gesetzes­bestimmungen legt der Staats­anwalt dem Beschuldigten zur Last. Es wird die passive Begehung von Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte eingeklagt. Oder dass der Beschuldigte einen Polizisten ehrverletzend als «Bullen» bezeichnet haben soll.

  • Die schwersten Delikte, Landfriedens­bruch und Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte, stehen im Zusammen­hang mit zwei Protest­aktionen: den Anti-G-20-Randalen in Hamburg 2017 und einem Demonstrations­zug vor das deutsche Honorar­konsulat in Basel gegen die türkische Militär­offensive in Afrin 2018.

  • Bezüglich einer 18-minütigen Blockade am Kopf der Mittleren Rhein­brücke gegen den Krieg in Rojava 2019 geht es um die Störung von Betrieben, die der Allgemeinheit dienen. Sprich: dem öffentlichen Verkehr.

  • Bei der 12-minütigen Strassen­blockade anlässlich der Solidaritäts­kundgebung «Echo» zum Auftakt der «Basel nazifrei»-Prozesse um einfache Verkehrsregel­verletzungen.

  • Betreffend die Vorfälle in Basel sind zudem Teilnahme an nicht bewilligter Versammlung, Hinderung einer Amtshandlung und Dienst­erschwerung eingeklagt.

  • Darüber hinaus geht es um einen Vorfall 2021, als sich der Beschuldigte in eine Polizei­kontrolle eines Dritten einmischte und die Polizisten des racial profiling bezichtigt sowie als rassistisch beschimpft haben soll.

In der Anklage ist viel von «zusammen­gerotteten Haufen» zu lesen, vom «Schwarzen Block», von einem «einschlägig vorbestraften und wiederholt an gewalt­tätigen Demonstrationen mitwirkenden Beschuldigten». In anderen Worten: von einem dieser nervigen Krawallanten, denen es nicht um Inhalte geht, sondern um die Konfrontation mit der Polizei.

Ob diese Einschätzung stimmt, dazu ist vom Beschuldigten am Prozess nicht viel zu erfahren. Die Fragen des Gerichts­vorsitzenden Markus Hofer beantwortet der Mann nicht. Er sagt bloss: «Ja, ich bin politisch aktiv und werde es auch bleiben.» Daran würden die Einschüchterungs­versuche der Basler Behörden nichts ändern.

«Ja, ich bin hässig»

Gegenüber der Republik führt er seine Ansage nach der Verhandlung weiter aus, spricht darüber, was ihn auf die Strasse treibt.

Ist es Wut?

«Ja, ich bin hässig», sagt er. «Wer diese Welt anschaut und nicht hässig ist, der hat kein Herz.» Wut sei aber nicht der Haupt­motor seines politischen Handelns.

Sondern?

«Die Welt steuert auf den Klima­kollaps zu. Es herrscht unvorstellbare Ungleichheit.» Diese Krisen, ist er überzeugt, lassen sich unter den heutigen Besitz­verhältnissen, im Wachstums­diktat des Kapitalismus, nicht bewältigen. Das sei zwar vielen klar – und doch herrsche vor allem ein Gefühl der Ohnmacht. «Strassen­proteste sind ein Mittel, die Ohnmacht zu durchbrechen, Hoffnung zu schaffen und Leute zu motivieren, sich politisch zu organisieren», sagt er.

Und dann?

«Gegenmacht aufbauen! Also von unten, wo wir leben und arbeiten, uns gegen die Probleme dieses Systems organisieren.» Sonst definierten nur Reiche und Mächtige den Rahmen dessen, was sinnvolle politische Praxis ist. «Wenn es illegal ist, Farb­flaschen gegen eine Bank zu werfen, warum ist dann legal, was Banken machen?» Es brauche revolutionäre Veränderung, jetzt. Und die müsse feministisch sein, denn das Patriarchat würde Herrschafts­verhältnisse nur stabilisieren.

Und ja, der gesetzliche Rahmen werde enger. Überbewerten will er das Verhalten der Basler Behörden in den letzten Jahren aber nicht. Konjunkturen gebe es immer, Phasen eines repressiveren gesellschaftlichen Klimas.

Dieses Klima wird im Gerichts­saal dokumentiert. Gezeigt wird ein Video­zusammenschnitt mit Bildern von Zusammen­stössen zwischen Polizei und Demonstranten aus Hamburg und der «Basel nazifrei»-Solidaritäts­kundgebung. Das Gericht hatte dem von Strafverteidiger Andreas Noll gestellten Beweis­antrag nach kurzer Beratung stattgegeben. Was auf der Leinwand zu sehen ist: Bei den Protesten der jeweils 100 bis 150 Links­aktivistinnen greift die Polizei rigoros ein.

Kontrastiert werden die Bilder mit Aufnahmen von einer Kundgebung 2021, als 1000 Fans des FC Basel gegen die Freistellung des Captains ihres Clubs demonstrierten. Die Polizei erliess eine Spontan­bewilligung und liess sie gewähren.

Trotz Corona.

Und obwohl auch sie den Verkehr lahmlegten.

«Starke ideologische Gewalt­bereitschaft»

Eigenhändige Gewalt, das räumt Staats­anwalt Cabrera in seinem Plädoyer mehrfach ein, könne dem Beschuldigten nicht nachgewiesen werden. Ein friedlicher Demonstrant sei er trotzdem nicht. Der Staatsanwalt attestiert ihm eine «starke ideologische Gewalt­bereitschaft». Auf ein «subjektiv empfundenes Gefühl der Repression» reagiere er mit Militanz.

Der Mann sei an den G-20-Protesten in Hamburg gefilmt worden, und «ostentatives Mitmarschieren» genüge für eine Verurteilung wegen Landfriedens­bruchs, sagt Cabrera. Denn damit leisteten friedliche Demonstranten «psychologische Unter­stützung» für die gewalt­tätigen Teilnehmer, böten ihnen Rückzugs­räume. Selbst wenn sich der Beschuldigte vor Ausbruch der Gewalt entfernt hätte, hätte er sich laut Staatsanwalt strafbar gemacht.

Beim Afrin-Protest 2018 in Basel wurde die deutsche Flagge verbrannt und die Polizei mit zwei Pyros beworfen. Sprayereien verursachten einen Sachschaden von 2300 Franken. Auf dem Kabel­binder, mit dem ein Transparent ans deutsche Honorar­konsulat befestigt wurde, befand sich die DNA des Mannes. Ein eindeutiger Abdruck, sagt der Staatsanwalt, das heisst: Der Aktivist war da und hat die Gewalt mitgetragen.

Dann die 18-minütige Blockade auf der Mittleren Rheinbrücke 2019: keine Lappalie! Es hätte schonendere Mittel gegeben, um den Krieg in Rojava in Erinnerung zu rufen, mahnt Cabrera. Und das Video­material von der «Basel nazifrei»-Solidaritäts­kundgebung 2020 zeige den Beschuldigten gar als «Leader-Figur mit Megafon», der die Menge mit polizei­feindlichen Parolen anstachle.

Für all das beantragt der Staatsanwalt eine unbedingte Freiheits­strafe von 10 Monaten. Zum Schluss reicht er dem Gericht noch einen kleinen Stapel Fotos ein, die den Beschuldigten vor wenigen Wochen an der 1.-Mai-Demo zeigen.

Stimmt, erwidert Cabrera auf den Einspruch von Strafverteidiger Noll, die 1.-Mai-Demo sei nicht Gegenstand dieser Verhandlung. Aber die Fotos des Beklagten sprächen bezüglich der Legal­prognose für sich: akute Fortsetzungs­gefahr.

«Von persönlichen Vorurteilen geprägte Anklage»

Noll eröffnet sein Plädoyer mit einer Standpauke. Das Strafgericht Basel habe in den vergangenen Jahren seine wichtigste Aufgabe arg vernachlässigt: die Pflege des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats, die Wahrung der Grundrechte. Und die seien nicht irgendwelche Theorie – sondern eine Schluss­folgerung aus den Schrecken des Zweiten Weltkriegs.

Und sie gälten auch für den Schwarzen Block: «Vor dem Recht sind alle gleich.»

Zur Bedeutung von Strassen­demonstrationen in einer gesunden Demokratie führt der Verteidiger aus: Sie erlauben auch sozial Schwächeren, am Wettbewerb der Ideen teilzunehmen, jenen, die nicht die Mittel haben, das Land mit Plakaten zuzukleistern oder ganze Regionen flächen­deckend mit Informations­pamphleten einzudecken.

Die Anklage, um die es an diesem Prozess geht, hält Andreas Noll für exzessiv. Sie zeuge vor allem von persönlichen Vorurteilen des Staatsanwalts.

Erstens sei der Beschuldigte, anders als Cabrera behaupte, nicht vorbestraft. Die laut Staatsanwalt «nicht kontaminierte DNA» auf dem Kabel­binder sei, zweitens, ein Mischprofil. Und drittens habe der Staatsanwalt bezüglich des Straftat­bestands «Hinderung einer Amtshandlung» einen krass überhöhten Strafantrag gestellt: zwei Monate Freiheits­strafe. Im Gesetz sei als Straf­obergrenze eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen vorgesehen.

Für den Verteidiger widerspricht diese Anklage – einmal mehr – der ständigen Recht­sprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschen­rechte (EGMR): Friedliche Demonstranten mit einer klaren politischen Message geniessen einen umfassenden Schutz durch die Versammlungs- und Meinungs­äusserungsfreiheit.

Dies gelte laut EGMR auch dann, wenn es zu Randalen komme, so Noll. Dann seien Gerichte gehalten, zu differenzieren: Geht es um vereinzelte Gewalt – oder ist die ganze Versammlung als gewalt­tätig einzuordnen? Und selbst im letzteren Fall sei gemäss der Strassburger Instanz gegen Teilnehmende, denen keine Gewalt­ausübung nachgewiesen werden könne, nur dann ein Verfahren zu führen, wenn die Demonstration keinen politischen Inhalt habe.

In Hamburg, erinnert Noll, wurde gegen obszönen Reichtum und die Ausbeutung des Globalen Südens demonstriert.

Vor dem deutschen Konsulat und mit der Brücken­blockade in Basel gegen das Vergessen von äusserst gewalt­vollen Kriegen. An der «Basel nazifrei»-Kundgebung für faire Verfahren.

Ob für einen Protest eine Bewilligung vorliege, spiele eine untergeordnete Rolle – es gehe um eine Meldepflicht. Er habe gesucht und kein einziges Kriterium dafür gefunden, wie die Basler Polizei über die Erteilung von Bewilligungen entscheide; das führe eine Bewilligungs­pflicht ad absurdum.

Und 10 oder 20 Minuten Verspätung im öffentlichen Verkehr? Das müsse ein demokratischer Rechts­staat ertragen, wenn politische Anliegen auf die Strasse getragen würden, sagt Andreas Noll. Alles unter fünf Stunden sei durch die Meinungs­äusserungs­freiheit gedeckt. Ab dann könne die Polizei unter gewissen Umständen eine Demonstration auflösen.

Aber danach Teilnehmende kriminalisieren, die nicht erwiesener­massen Gewalt gegen Personen und Sachen verübt hätten? Nein. Doch genau das sei die Tendenz in der Schweiz, stellt Noll zusammen­fassend fest. Da sei dringend eine Kurs­korrektur angezeigt.

Er fordert einen vollumfänglichen Freispruch für seinen Mandanten.

Auch für die Sache mit der Polizei­kontrolle. Dazu sagt der Verteidiger: Strukturellen Rassismus gäbe es, rassistisches Verhalten der Polizei sei gut dokumentiert. Und der Ausdruck «Bullen» sei nicht ehrverletzend, sondern umgangs­sprachlich.

«Er hat den demokratischen Boden verlassen»

Volles Haus zur Urteils­eröffnung am Tag danach. Dabei hatte nicht mal die Hälfte aller Sympathisantinnen, die sich vor dem Gerichts­gebäude eingefunden hatten, Platz im Saal, um den Beschuldigten zu unterstützen.

Dieser weigert sich, für die Urteils­eröffnung aufzustehen. Gerichts­präsident Markus Hofer nimmts zur Kenntnis.

Er beginnt mit generellen Anmerkungen. Einerseits, dass es sich hier nicht um einen politischen Prozess handle, sondern um einen Strafprozess. Anderseits, dass das Recht auf freie Meinungs­äusserung und Versammlungs­freiheit dort ende, wo die Grund­rechte anderer betroffen seien.

Zu einem Schuldspruch wegen Landfriedens­bruchs gelangt das dreiköpfige Gerichts­gremium hinsichtlich der G-20-Proteste in Hamburg. Der Sachverhalt sei durch Video­aufnahmen erstellt. Es sei gut erkennbar, dass es dort einzig um Krawall gegangen sei. Es habe eine gewalt­tätige Grund­stimmung geherrscht.

«Da hat der Beschuldigte den demokratischen Boden verlassen», so der Gerichts­präsident.

Bezüglich der Afrin-Demo in Basel sieht das Strafgericht hingegen weder einen Landfriedens­bruch noch eine Drohung und Gewalt gegen Behörden und Beamte als erwiesen. Zum einen sei der Aktivist bei der polizeilichen Identifikation verwechselt worden. Zum anderen handle es sich bei der DNA-Probe tatsächlich um ein Mischprofil – ein Indiz, kein Beweis.

Ein Schuldspruch ergeht auch wegen Störung von Betrieben, die der Allgemeinheit dienen. Mit der Brücken­blockade gegen den Krieg in Rojava habe der Aktivist eine erhebliche Störung des öffentlichen Verkehrs verursacht, ein halbes Dutzend Tramlinien seien betroffen gewesen. «Das geht über ein duldbares Mass hinaus», sagt der Richter.

Auch bei der «Basel nazifrei»-Solidaritäts­demo habe er sich unnötig lange auf der Fahrbahn aufgehalten – doch es bleibt bei einem leichten Verstoss. Statt der einfachen Verkehrsregel­verletzung wird er der Übertretung der Verkehrsregel­verordnung schuldig gesprochen.

Die blosse Teilnahme an einer unbewilligten Demonstration, hält das Gericht klar fest, sei nicht strafbar – und spricht den Aktivisten bezüglich dieser Vorwürfe in allen Punkten frei.

Schuldig gesprochen wird der Mann im Zusammen­hang mit den Protesten in Basel dennoch, weil er aktiven Widerstand gegen Polizei­kontrollen geleistet habe: Hinderung einer Amts­handlung und Dienst­erschwerung. Letzteres gilt auch für seine Intervention gegenüber der Polizei­kontrolle; in dieser Sache wird er wegen mehrfacher übler Nachrede verurteilt.

Die Sanktion: eine bedingte Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu 40 Franken bei einer Probezeit von vier Jahren und eine Busse von 1800 Franken für den Verstoss gegen die Verkehrsregel­verordnung. Zudem werden ihm Verfahrens­kosten in Höhe von 6800 Franken sowie eine Urteils­gebühr von 2200 Franken auferlegt.

Illustration: Till Lauer

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