Mittwoch, 3. Mai
Zuerst zu den süssen Seiten des Lebens. Beziehungsweise – den oft zu sehr gesüssten.
Gut, einerseits ist alles ein Trend. Lange war das Fett der Bösewicht in unseren Lebensmitteln, dann die Kohlenhydrate. Jetzt ist es: Zucker. (Gut, streng genommen ein Kohlenhydrat. Aber Sie wissen schon, was gemeint ist, oder?)
Man könnte also sagen: Alles im Lot, solange alles in Massen konsumiert wird. Nur, was heisst das, «in Massen»? Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt Erwachsenen, maximal 50 Gramm Zucker pro Tag zu konsumieren, idealerweise sogar nur 25 Gramm. Im Durchschnitt verzehren Erwachsene in der Schweiz allerdings 85 Gramm pro Tag.
Das hat Folgen: mehr als 2,2 Millionen Menschen in der Schweiz leiden an chronischen Krankheiten, die nicht übertragbar sind, zum Beispiel Adipositas, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Eine wichtige Ursache davon ist der zu hohe Zuckerkonsum.
Aus diesem Grund wurde am Dienstag das «Zuckermanifest» für die Schweiz ausgerufen. «Die Schweiz tut noch zu wenig, um den Zuckerkonsum zu reduzieren. Das muss sich ändern – insbesondere zum Schutz unserer Kinder», sagt Nationalrätin Manuela Weichelt, die das Manifest unterstützt.
Falls Sie mehr wissen wollen über den Aufstieg von Zucker – und über die, die davon profitieren – die Republik-Autorinnen Marie-José Kolly und Olivia Kühni haben die Fakten in einem Zweiteiler zusammengetragen:
Die verführerische Wirkung des Zuckers: Was macht sie mit uns? Und was haben Politik und Wirtschaft damit zu tun? Eine Recherche in zwei Teilen.
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Jetzt zu einem Ort, an dem es statt süss eher frostig zugeht. Seit vier Monaten ist die Schweiz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vertreten, seit Montag hat sie den Vorsitz inne. Und heute Mittwoch steht der erste wichtige Auftritt auf dem Programm: Bundesrat Ignazio Cassis leitet eine Debatte zum Thema «nachhaltigen Frieden fördern».
Die Schweiz hat als Präsidentin des Uno-Sicherheitsrates zwar primär protokollarische, verwaltende Aufgaben: Wie jeder Staat im monatlich rotierenden Vorsitz bereitet sie die Sitzungen vor und leitet diese. Dennoch freuten sich offenbar viele der 15 im Sicherheitsrat vertretenen Staaten auf den 1. Mai, den Tag, an dem die Schweiz die Präsidentschaft übernahm.
Das hat mit der Vorgängerin zu tun: Im April hatte Russland das Amt inne. Und sorgte dabei gleich für mehrere Eklats. Etwa, als es seine Kinderrechtsbeauftragte Maria Lwowa-Belowa per Video zuschalten liess – jene Frau, die wegen der Verschleppung ukrainischer Kinder per Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gesucht wird.
Oder letzte Woche, als der russische Aussenminister Sergei Lawrow den Einmarsch in der Ukraine einmal mehr mit einer angeblich existenziellen Bedrohung durch die Nato verteidigte.
Solches Gebaren rief auch Kritik aus der Schweiz hervor: Es sei «ganz schön schwer», unter der russischen Präsidentschaft zu arbeiten, sagte Uno-Botschafterin Pascale Baeriswyl kürzlich an einem Anlass der Swiss Society in New York.
Da im vergangenen Monat viele Mitgliedsstaaten des Sicherheitsrates ihre Anliegen zurückhielten, weil sie diese nicht unter russischer Federführung behandelt wissen wollten, besteht in vielen aktuellen Fragen Nachholbedarf. Nicht zuletzt bei allen, die mit dem Krieg in der Ukraine in Zusammenhang stehen.
Wie viel die Schweiz in den nächsten vier Wochen bewirken kann, ist offen. Fest steht: Zu hohe Erwartungen wären fehl am Platz. Zu zerstritten ist der Sicherheitsrat in heiklen Fragen – und eben auch zu wenig handlungsfähig, weil die fünf ständigen Mitglieder China, Frankreich, Grossbritannien, Russland und die USA ein Vetorecht haben.
Entsprechend bescheiden klingt Baeriswyls offizielle Zielsetzung, die sie Anfang Woche in einem Interview kundtat: «Wir werden versuchen, alle zu konsultieren, einzubeziehen, also auf gut schweizerische Art faire Entscheidungsprozesse zu unterstützen.»
Bereits 2018 stellte die Republik zur heutigen Uno-Botschafterin Pascale Baeriswyl die Frage: Weshalb hat gerade sie so viel Macht bekommen?
«Lange genug erinnerte sie an Kassandra, die Seherin der griechischen Mythologie, die das Unheil früher als alle voraussah, aber kein Gehör fand.» So beginnt der Republik-Text über Pascale Baeriswyl, damals Staatssekretärin des EDA, des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten. Das war im April vor fünf Jahren. Weiter heisst es: Wie die antike Sagengestalt habe sie «auch ein ‹disruptives Ereignis› vorausgesehen, eine internationale Zäsur, die den Lauf der Welt ändert».
Baeriswyl sagte damals Sätze, die mit heutigem Wissen noch ein ganz anderes Gewicht entwickeln. Zum Beispiel: «Eine schwierige geopolitische Zeit steht uns, denke ich, bevor.» Und: «Wir fahren Richtung Konfrontation.»
Das Porträt über die heutige Uno-Botschafterin der Schweiz hält fest: Was Baeriswyl besonders umtreibe, seien nicht so sehr die Konflikte an sich, als dass die Regeln immer weniger gelten, auch jene, die im Kalten Krieg noch respektiert wurden.
Als Vertreterin der Schweiz im Uno-Sicherheitsrat wird die Diplomatin ihre Kompetenzen vielleicht mehr denn je einbringen können. Wer wissen möchte, wie sie tickt, dem sei dieser Republik-Beitrag empfohlen:
Pascale Baeriswyl im Porträt. Lesezeit: 14 Minuten.
Eine kritische Anmerkung muss an dieser Stelle noch sein.
Die Schweiz als Hoffnungsträgerin für das Präsidium des Sicherheitsrates – das überspielt, wie schwer sich die Eidgenossenschaft mit ihrer Rolle auf dem internationalen Parkett zuletzt tat.
Republik-Autor Constantin Seibt beschrieb etwa den Entscheid zu Waffenlieferungen an die Ukraine zum Jahrestag des Krieges mit folgenden Worten: «So beschloss das Schweizer Parlament am Ende nur etwas Zynisches: Schweizer Waffen können unter der Bedingung an eine Kriegspartei geliefert werden, dass der Uno-Sicherheitsrat den Aggressor verurteilt. Da dort Russland ein Vetorecht hat, heisst das: Die Ukraine bekommt dann in der Schweiz gefertigte Munition, wenn Putin persönlich zustimmt.»
Keine Glanzleistung. Und das wirft die Frage auf: Ist und bleibt das Völkerrecht ein Papiertiger?
Was bringt internationales Recht?, so formulierte es Susi Stühlinger anlässlich des Überfalls durch Russland auf die Ukraine in unserer Gerichtskolumne. Antworten liefern Experten für Völkerrecht.
Internationales Recht wird oft als nicht ‹real› oder ‹effektiv› verstanden, weil mächtige Akteure sich nicht an die Regeln halten. Das heisst aber nicht – und soll nicht heissen –, dass wir die Regeln über Bord werfen sollten.Héloïse Guichardaz (Allgemeines internationales Recht)
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