Läuft! Oder wem fehlt hier etwas? Impressionen von einem Charity-Event Ende der 90er-Jahre. Edgar Herbst/13 Photo

Dene wos guet geit

In der Schweiz konzentriert sich immer mehr Vermögen bei den Reichsten der Reichen. Gleichzeitig nimmt die Armut zu. Die Entwicklung droht die Gesellschaft auseinander­zureissen. Ein analytischer Blick auf zwei Extreme.

Von Priscilla Imboden und Jana Schmid, 12.04.2023

Vorgelesen von Magdalena Neuhaus
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Ein Dutzend Menschen stehen an diesem Januartag Schlange vor dem reformierten Kirchgemeinde­haus in Bethlehem bei Bern. Sie sind früh dran – die Türen zur Essens­ausgabe des Hilfswerks «Tischlein deck dich» gehen erst in einer halben Stunde auf. «Meine Kinder würden gerne Eier essen, aber dafür reicht es im Moment nicht», sagt eine Frau und stellt sich hinten an. Sie ist verheiratet, hat zwei Kinder und bezieht Asyl­sozialhilfe. Es sei schwieriger geworden mit dem Geld. «Wenn ich ehrlich bin: Hundert­prozentig genug zu essen haben wir nicht.»

In den 37 Minuten, in denen die Frau wartet, vergrössert sich das Vermögen der Reeder-Familie Aponte in Genf um 774’000 Franken. Die Familie besitzt den globalen Container- und Kreuz­fahrtschiff­konzern Mediterranean Shipping Company (MSC). Dank der Container-Knappheit auf den Weltmärkten wurden die Apontes im letzten Jahr 11 Milliarden Franken reicher – ein Rekord unter den Reichsten der Schweiz.

In Bern-Bethlehem kommt nun eine Frau mit einer vollen Einkaufs­tasche aus dem Kirch­gemeinde­haus. Sie ist verheiratet und hat fünf Kinder, eines davon leidet an Diabetes. Die Familie möchte sich einbürgern lassen – aber das ist nur möglich, wenn sie keine Sozial­hilfe bezieht. Der Mann verdient pro Monat 5000 Franken netto, die Frau etwa 500 Franken dazu. Das reicht für die sieben­köpfige Familie kaum zum Leben. «Es ist ein bisschen streng», sagt die Frau. «Aber wir müssen durchhalten, sonst können wir den Schweizer Pass nie erhalten.»

In den 25 Minuten, in denen die Frau «Tischlein deck dich» besucht, vergrössert sich das Vermögen von Gérard Wertheimer aus Genf um 428’000 Franken. Er ist Besitzer des Luxus­konzerns Chanel und der Mann in der Schweiz, dessen Vermögen sich im letzten Jahr am zweit­stärksten vermehrt hat.

Ein Mann sitzt auf der Mauer vor der reformierten Kirche in Bern-Bethlehem; an seinem Arm baumelt eine leuchtend rote, leere Einkaufs­tasche. Er ist zum ersten Mal bei der Essens­ausgabe. 38-jährig ist er, alleinstehend, Schweizer Bürger und Sozialhilfe­bezüger: «Ich bin ein starker Raucher. Also spare ich beim Essen und bei Pflege­produkten. Wenn das Geld nicht für die ganze Woche reicht, dann esse ich manchmal auch gar nichts.»

In den 17 Minuten, in denen der Mann Lebensmittel holt, steigt das Vermögen der Familie Blocher um 40’000 Franken. In den letzten zehn Jahren wuchs es von 2,5 auf 15 Milliarden an, weil sich der Wert der Ems-Chemie entsprechend steigerte, sie gehört der Familie Blocher.

Aponte, Wertheimer, Blocher. Das sind lediglich drei Beispiele für eine Entwicklung, die in der Schweiz schon vor Jahren eingesetzt hat: Die Reichsten werden reicher und reicher.

Der Ansturm der Bedürftigen

Neu hingegen ist, dass in der Schweiz auch immer mehr Menschen ärmer werden. Zwar geht die Armut gemäss der letzten Armuts­statistik zurück, und auch die Sozialhilfe­quote sinkt. Aber die offiziellen Zahlen sind veraltet und hinken der Realität weit hinterher.

In jüngster Zeit beobachten wohltätige Organisationen nämlich alle das Gleiche: Sie erleben einen regelrechten Ansturm von Bedürftigen.

Bei «Tischlein deck dich» beispiels­weise beziehen rund 23’000 Menschen jede Woche Lebens­mittel (die von der Industrie, vom Detail­handel oder von der Land­wirtschaft gespendet werden). «Die letzten zwei Jahre waren heraus­fordernd», sagt Sprecherin Mina Dello Buono. «Die Pandemie wurde praktisch abgelöst vom Ukraine-Krieg und von den steigenden Konsumenten­preisen. Tatsächlich spüren wir eine grössere Nachfrage.»

Die Organisation «Schweizer Tafel», die Suppen­küchen und Flüchtlings­unterkünfte beliefert, verzeichnete allein in den letzten Monaten einen Anstieg um 20 Prozent, wie sie auf Anfrage der Republik mitteilt.

Einen «traurigen Umsatz­rekord» vermeldet auch Caritas Schweiz: Die Verkäufe in den Caritas-Märkten, in denen Menschen mit knappem Budget einkaufen können, sind im letzten Jahr um ein Drittel gestiegen.

Und das ist nur der Anfang.

Wegen der Teuerung steigen die Lebens­mittel­preise. Anfang Jahr wurden die Kranken­kassen­prämien deutlich erhöht. Und auch die Rechnungen für die Miet­nebenkosten werden wegen der steigenden Energie­preise höher ausfallen. Wohltätige Organisationen bereiten sich deshalb auf einen noch grösseren Zulauf vor. Andreas Lustenberger, Leiter Grundlagen und Politik von Caritas Schweiz, sagt: «Unsere Sorge ist: In den letzten Pandemie­jahren wurden Reserven ab- und Schulden aufgebaut. Und jetzt kommt mit den hohen Energie­preisen und den stark steigenden Kranken­kassen­prämien ein neuer Hammer.»

Ich will es genauer wissen: Ab wann gilt man als arm?

In der Schweiz leben offiziell 8,5 Prozent der Bevölkerung unter der Armuts­grenze. Grundlage für die Berechnung der Grenze bildet der sogenannte Grund­bedarf, der Betrag, den es zum Leben braucht. Diesen legen die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (Skos) und die Konferenz der kantonalen Sozial­direktorinnen (SODK) fest, und zwar sowohl nach ökonomischen Kriterien (wie viel braucht es zum Leben?) als auch nach politischen Kriterien (wie viel ist den Kantonen zumutbar?). Die Richtlinie ist eine Empfehlung: Einige Kantone (etwa Bern) übernehmen zentrale Elemente davon nicht. Das Bundesamt für Statistik rechnet die Wohnkosten zum Grundbedarf hinzu und kommt damit auf eine Armutsgrenze für einen Ein-Personen-Haushalt von rund 2300 Franken pro Monat.

Doch Armuts­forscher Oliver Hümbelin sagt: «Die Statistik ist trügerisch.» Denn in der Armuts­statistik des Bundes würden Rentner und Erwerbs­tätige gleich behandelt. «Ausschlag­gebend ist das Einkommen. Aber viele Leute im AHV-Alter bestreiten ihren Lebens­unterhalt mit ihrem Vermögen.» Da das Vermögen aber nicht erfasst werde, würden mehr Rentnerinnen als armuts­betroffen gelten, als sie es in der Realität tatsächlich seien. Hümbelin: «Die Alters­armut existiert tatsächlich, aber mit den Ergänzungs­leistungen erhalten Pensionierte immer noch wenig, aber mehr Geld als das Existenz­minimum. Das Armuts­risiko ist aber eigentlich, wenn man die Alters­klassen betrachtet, bei den Kindern am höchsten

Während der Pandemie habe die Politik Firmen mit Kurzarbeits­beiträgen und A-fonds-perdu-Zuschüssen gestützt, sagt Armuts­forscher Oliver Hümbelin von der Berner Fachhochschule. Jetzt, wo es nicht mehr um die gefährdete Wirtschaft gehe, schwinde der Wille, einzugreifen.

Das bedeutet für Personen, die mit knappem Budget leben müssen: Es wird noch härter.

Viele von ihnen leben nur knapp über der Armuts­grenze und erhalten deshalb keine Sozial­hilfe, wie Caritas in einer Studie aufzeigt. Würde die Grenze um 500 Franken erhöht, hätten doppelt so viele Leute Anrecht auf Sozialhilfe.

Was dazukommt: Viele Personen verzichten von sich aus auf Sozial­hilfe. Laut Unter­suchungen jede dritte bis jede vierte Person, die darauf Anrecht hätte. Hümbelin hat dieses Phänomen untersucht. Er sagt: «Viele Leute wollen keine Sozial­hilfe beziehen, weil sie sich schämen und nicht stigmatisiert werden wollen – im Sinne von: ‹Wenn ich zur Sozialhilfe gehe, gelte ich offiziell als arm.›»

Eine neuere Entwicklung lässt diese Dunkel­ziffer weiter wachsen. Das nationale Parlament hat 2019 das Ausländer- und Integrations­gesetz verschärft: Wer Sozial­hilfe bezieht, kann die Aufenthalts­bewilligung verlieren – und zwar ungeachtet dessen, wie lange er schon in der Schweiz lebt. Oder er kann sich nicht einbürgern lassen.

In den Beratungen stellt Caritas seither eine stärkere Zurück­haltung fest, wenn es darum geht, Sozial­hilfe in Anspruch zu nehmen, wie Andreas Lustenberger sagt. Das habe sichtbare Folgen. «Wir sehen, dass die Leute vermehrt in offensichtlich prekären Lagen an unsere Anlauf­stellen kommen als früher: mit kaputten Zähnen, abgetragenen Kleidern und Schuhen – und mit mehr Schulden.»

Die Reichsten besitzen fast die Hälfte der Vermögen

Während die Armut grösser wird, wachsen in der Schweiz auch die enorm hohen Vermögen.

Das reichste Prozent der Bevölkerung verfügte 2018 über 44 Prozent aller Vermögen in der Schweiz, wie eine Studie des Bundes zeigt. Dieser Anteil war von 2005 bis 2018 um 6 Prozent­punkte gestiegen. «Unter Industrie­ländern ist das eine rekords­tarke Ballung des verfügbaren Privat­kapitals», sagt Marius Brülhart, Ökonomie­professor an der Universität Lausanne. Ein Treiber dieser Entwicklung seien vermutlich die tiefen Zinsen, die seit der Finanzkrise herrschten. Sie führten dazu, dass Immobilien und Aktien an Wert gewannen. Diese befinden sich eher im Besitz von Reichen, weshalb sich ihr Vermögen in den letzten 15 Jahren stärker vermehrte als jenes weniger wohl­habender Menschen.

Die ungewöhnlich starke Konzentration der Vermögen bei den sehr Reichen sei aber zum Teil auch hausgemacht, sagt Brülhart. Er hat mit Kollegen der Universität Basel untersucht, wie sich die grossen Vermögen in Luzern entwickelten, nachdem der Kanton 2009 seine Vermögens­steuer halbiert hatte. Luzern ist beispielhaft, weil der Kanton bis dahin schweizweit gesehen über eine durchschnittliche Konzentration des Vermögens beim reichsten Prozent verfügte. Der Befund der Untersuchung: Die Vermögens­konzentration im Kanton stieg markant an, unter anderem dank reichen Zuzügerinnen aus dem Ausland sowie aus anderen Kantonen.

Der grösste Zuwachs erfolgte aber durch Personen, die bereits im Kanton ansässig waren. Einerseits, weil mit sinkenden Vermögens­steuern die Immobilien­preise steigen. Anderseits wurde, wie Brülhart vermutet, zuvor undeklariertes Vermögen neu den Steuer­behörden gemeldet.

Was in den Steuer­statistiken ganz fehlt, sind die Vermögen der Pauschal­besteuerten. Diese müssen sie gar nicht deklarieren, sondern sie bezahlen einen Betrag, der auf ihren Lebens­haltungs­kosten in der Schweiz basiert. Ebenso fehlen in den Statistiken die Renten­guthaben aus der zweiten und dritten Säule sowie ein Teil der Immobilien­werte (weil der Steuerwert einer Immobilie rund 30 bis 40 Prozent unter dem Marktwert liegt). Mit anderen Worten: Die Konzentration des Reichtums ganz oben dürfte in Wirklichkeit noch ausgeprägter sein, als das die Statistiken ausweisen.

Immer tiefere Steuern – für die Millionäre

Wenn wenige immer mehr besitzen, so steigt das Macht­gefälle der Gesellschaft an. Die Reichsten haben immer mehr Möglichkeiten, ihre Interessen durchzusetzen, indem sie Lobbyisten zahlen und teure Kampagnen finanzieren. Ökonomie­professor Marius Brülhart sagt es so: «Je stärker das Vermögen konzentriert ist, desto grösser ist die Gefahr, dass eine kleine Elite unverhältnis­mässig stark Einfluss nehmen kann auf die Politik.»

Befeuert wurde diese Entwicklung dadurch, dass in den letzten drei Jahrzehnten fast alle Kantone die Erbschafts­steuer faktisch abgeschafft und die Steuern auf hohe Einkommen und Vermögen gesenkt haben. Der Schweizerische Gewerkschafts­bund rechnet in seinem «Verteilungs­bericht» vor: Eine allein­stehende Person mit einem Einkommen von einer Million Franken zahlt heute über 30’000 Franken weniger Steuern als im Jahr 2000.

Wenn die wohlhabendsten Menschen im Land einen stetig steigenden Anteil am Vermögen besitzen, aber gleichzeitig immer weniger zum Gemein­wesen beisteuern, so stellt das den Zusammen­halt der Gesellschaft auf die Probe. Die Lebens­realitäten zwischen Arm und Reich driften auseinander, die Furcht vor dem sozialen Abstieg stärkt rechtsradikale Kräfte.

Marius Brülhart erwartet, dass mit den seit 2022 wieder steigenden Zinsen der Trend zur Vermögens­konzentration gedämpft wird. Die Politik könne, wenn sie das wolle, zusätzlich Gegen­steuer geben, «indem sie Vermögen, Kapital­gewinne oder Erbschaften stärker besteuert, die Pauschal­besteuerung reicher Ausländer abschafft oder das Bank­geheimnis auch im Inland aufhebt». Anpassungen bei der Steuerpolitik empfiehlt auch die OECD. Ebenso argumentiert die NGO Oxfam damit, dass höhere Steuern für Wohlhabende nötig sind, um den wachsenden Graben zwischen Arm und Reich zu schliessen.

Obwohl viele Menschen von derartigen Massnahmen profitieren würden, scheitern sie regelmässig an der Urne. Das zeigt das Beispiel der Erbschafts­steuern. In vielen Kantonen stimmte das Volk gegen sie – und folgte damit dem Argument, dass mit der Steuer viele Reiche in andere Kantone abwandern würden. «Dieses Argument hat sich in Untersuchungen als falsch erwiesen», sagt Brülhart. Vermögende Rentnerinnen würden wegen einer moderaten Erbschafts­steuer sehr selten umziehen. Versuche, eine nationale Steuer auf millionen­schwere Erbschaften einzuführen, scheiterten an der Urne immer wieder, zuletzt 2015 mit einem Nein-Stimmen-Anteil von mehr als 70 Prozent.

Das heisst: Der Grossteil des Stimmvolks stimmte jeweils gegen das eigene Interesse – und für dasjenige von Erben. «Rein ökonomisch betrachtet ist das irrational», sagt Brülhart. Ein Grund dafür dürfte fehlendes Wissen sein. Studien aus den USA zeigen, dass Stimm­berechtigte einer Erbschafts­steuer eher zustimmen, wenn sie mit den Fakten zur Vermögens­konzentration konfrontiert werden.

Ebenso wenig motiviert zeigt sich die bürgerliche Mehrheit im National- und Ständerat, die Steuern auf Vermögen und hohe Einkommen zu erhöhen.

Bezeichnend dafür: Mitte-Ständerat Stefan Engler. Als Präsident von Caritas Graubünden ist er sich als einer der wenigen bewusst, dass eine steigende Zahl von Menschen zu wenig Geld zum Leben hat. Und dass sich gleichzeitig der Reichtum immer stärker in den Händen weniger konzentriert. Er sagt zwar: «Es gibt eine solidarische Verpflichtung, zu schauen, dass die Gesellschaft nicht weiter auseinander­driftet.» Beim Thema «höhere Vermögens­steuern» erklärt er aber, er sei «nicht sicher, ob ich das generell unterstützen würde». Und bei der Erbschafts­steuer winkt der Mitte-Politiker gleich ganz ab: «Das bedeutet, das gesellschaftliche System infrage zu stellen, das auf der Weitergabe des Vermögens an die Nachkommen aufbaut.»

Mehr Bereitschaft zeigt Engler, am unteren Ende der Gesellschaft anzusetzen. So könnte er eine wichtige Rolle dabei spielen, einer parlamentarischen Initiative von SP-Nationalrätin Samira Marti zum Erfolg zu verhelfen: «Armut ist kein Verbrechen» heisst sie. «Wer krank wird oder einen Schicksals­schlag erlebt und deswegen Sozialhilfe braucht, soll deswegen nicht den Aufenthalts­status riskieren», sagt der Mitte-Politiker. Der Vorstoss ist im Nationalrat angenommen worden und geht im Juni an den Ständerat. Er werde im Ständerat dafür lobbyieren, sagt Engler – sowohl bei seinen Partei­kollegen der Mitte als auch bei «sozial­verantwortlichen FDP-Mitgliedern». Solche Verbündete hat er allerdings noch nicht gefunden.

Und was nun?

Caritas Schweiz empfiehlt Prämien­verbilligungen und den vollen Teuerungs­ausgleich auf AHV- und IV-Beiträge, um den von Armut betroffenen Menschen zu helfen. Beim Teuerungs­ausgleich ist das Parlament zwar aktiv geworden und hilft den Rentnerinnen. Ob es aber mehr Geld für die Verbilligung von Kranken­kassen­prämien geben soll – was Familien unterstützen würde –, darüber sind sich National- und Ständerat nicht einig.

Das Parlament nimmt sich bei der Bekämpfung der Armut und der sozialen Schere Zeit – mit ungewissem Ausgang.

Das ist kein neues Phänomen.

3000 Franken in weniger als einer Minute

Schon vor 50 Jahren sang der Berner Troubadour Mani Matter:

Dene wos guet geit, giengs besser,
giengs dene besser,
wos weniger guet geit.
Was aber nid geit, ohni dass’s dene
weniger guet geit, wos guet geit.

Drum geit weni, für dass es dene
besser geit, wos weniger guet geit.
Und drum geits o dene nid besser,
wos guet geit.

Seit Matter das Lied gesungen hat, ist der Graben zwischen Reich und Arm nicht etwa kleiner geworden. Sondern grösser.

So sagt die Frau mit den fünf Kindern bei der Essens­ausgabe von «Tischlein deck dich» in Bern-Bethlehem: «Meine Kinder freuen sich immer auf den Montag, weil ich dann manchmal Eiscreme oder Joghurt von hier mitbringe. Das können wir uns sonst nicht leisten.» Ins Restaurant geht die Familie nie. Auch Hobbys der Kinder musste sie unterbinden. Und etwas lastet momentan besonders schwer auf der Mutter: eine Zahnarzt­rechnung über 3000 Franken. «Ich habe keine Ahnung, wie wir die bezahlen sollen.»

Keine solchen Sorgen muss sich Ivan Glasenberg machen, der 10 Prozent am Rohstoff­giganten Glencore mit Sitz im Kanton Zug hält. In der Minute, in der die Mutter von ihren Sorgen mit der Zahnarzt­rechnung erzählt, ist sein Vermögen um mehr als 3000 Franken gewachsen.

Darfs noch etwas Kaviar sein? Edgar Herbst/13 Photo

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