Donnerstag, 2. März
Der Schweizer Historiker Raphael Gross wird die Bührle-Sammlung im Zürcher Kunsthaus überprüfen.
Der Skandal um die ins Kunsthaus eingezogene Bührle-Stiftungssammlung hält Zürich seit Oktober 2021 in Atem.
Jetzt hat der von Stadt und Kanton eingesetzte runde Tisch bekannt gegeben, welche Fachperson das Mandat übernehmen soll, die Herkunft – im Fachjargon die Provenienzen – der Werke in der Bührle-Sammlung zu überprüfen. Es besteht der Verdacht, dass eine Reihe von Gemälden aus jüdischem Besitz stammen und nur aufgrund der Nazi-Verfolgung von Emil Bührle erworben werden konnten.
Die Neubeurteilung der bisherigen Bührle-Provenienzforschung soll nun Prof. Dr. Raphael Gross anvertraut werden. Der gebürtige Zürcher ist Historiker, Präsident des Deutschen Historischen Museums in Berlin und ausgewiesener Kenner des Themenbereichs. Eine gute Wahl!
Wer sich ein Bild machen will, wie gross der Handlungsbedarf und wie zweifelhaft die bisherige Bührle-Provenienzforschung ist, kann das im Republik-Artikel «Die Bührle-Blackbox: Aufklärung unerwünscht» nachlesen.
Die Bührle-Stiftung verweist gerne auf ihre aufwendige Herkunftsforschung, die sie für die Kunstsammlung des Kanonenkönigs betreibt. Doch wie seriös ist diese Forschung? Serie «Bührle-Connection», Teil 2.
Am Mittwoch berichtete Redaktorin Adrienne Fichter über den Rechtsstreit zwischen Sony und der Internetstiftung Quad 9. Heute hat das Landgericht Leipzig in der Sache geurteilt.
«Im Namen des Volkes» steht oben auf der ersten Seite des Urteils des Landgerichts Leipzig im Fall Sony versus Quad 9, das der Republik vorliegt. Doch ob hier wirklich im Sinne des Volkes und nicht eher im Interesse der Profitmaximierung eines Grosskonzerns entschieden wurde, scheint fraglich.
Das Landgericht hat die Stiftung Quad 9, einen sogenannten DNS-Resolver, wegen Urheberrechtsverletzung verurteilt. Das heisst: Die Schweizer Internetstiftung muss weiterhin zwei Musik-Piraterieplattformen für deutsche Nutzerinnen sperren. Sonst drohen 250’000 Euro Geld- oder gar Freiheitsstrafen.
Das Urteil ist brisant. Die Richterinnen begründen den Entscheid damit, dass ein DNS-Resolver es erst ermöglicht, eine Website aufzufinden. Gleich hat schon das Landgericht Hamburg argumentiert. Doch Leipzig geht sogar noch weiter und verlangt neu auch Vorsorgepflichten. Quad 9 muss künftig also sogar aktiv verhindern, dass Websites mit Musik-Piraterie-Inhalten erreichbar sind.
Das widerspricht der Funktionsweise eines DNS-Resolvers diametral. Denn der stellt lediglich einen Teil der Internetinfrastruktur dar und funktioniert neutral. Man könnte fast meinen, die Leipziger Richter hätten noch nie im Leben einen Browser geöffnet.
Hinzu kommt: Das Gericht ignoriert die EU-Gesetzgebung, die ab 2024 Ansprüche bei DNS-Resolvern schützen will. Und es befürwortet sogar globale Zensur. Quad 9 argumentiert, dass die lokale Sperre der Websites für Deutschland einen grossen Kostenaufwand bedeutet. Das Leipziger Gericht findet deshalb, die Stiftung solle die Piraterieplattformen doch gleich global sperren.
Die Judikative masst sich dabei an, für die gesamte Welt zu sprechen: «Auch weltweit ist kein berechtigtes Interesse der Internetnutzer auf Zugriff auf diese Website mit offensichtlich ausschliesslich illegalen Angeboten ersichtlich.»
Klar ist: Das Verfahren ist hier nicht zu Ende. Die Stiftung Quad 9 muss jetzt Kräfte sammeln und finanzielle Unterstützung organisieren, um das Urteil weiterzuziehen. Von den Gerichtskosten von 100’000 Euro gehen laut Urteilsschrift 80’000 Euro zu ihren Lasten. Sie wird das weitere Vorgehen noch kommunizieren.
Fun Fact: Das von Sony herausgegebene Album, um das hier so leidenschaftlich gestritten wird, weil es auf den Piraterie-Websites verfügbar ist, stammt von der Band Evanescence. Der Albumtitel lautet: «The Bitter Truth».
Ein deutsches Gericht befindet heute über die Klage des Unterhaltungsgiganten Sony gegen die Schweizer Stiftung Quad9. Der Ausgang des Verfahrens könnte Folgen für die ganze Welt haben.
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Zur Auflockerung: Fische-Skills.
Die Stärke der Fische ist nun mal das Schwimmen und nicht das Klettern. So viel ist klar. Aber manchmal muss man den Weg ins Unbekannte wagen und etwas tun, wofür man eigentlich nicht geschaffen ist. Denn wo wäre die Welt hingekommen, wenn Fische nie das Wasser verlassen hätten? Eben.
Was damals, vor etwa 360 Millionen Jahren, abging, können wir heute nur erahnen. Möglicherweise sah es ähnlich aus wie das, was die Schlammspringer heute machen. Das sind Fische, die tatsächlich klettern können. Sie leben in den Mangrovensümpfen Südostasiens oder Westafrikas und führen dort ein Doppelleben unter und über Wasser. Bei Flut klettern sie gern auf die Wurzeln der Mangroven.
Ihre Brustflossen nutzen die Schlammspringer dabei wie Arme – manche sagen auch: wie Gehstöcke –, um sich vorwärtszuhieven. Einige Arten halten sich zudem mit ihren Bauchflossen beim Klettern fest. Und soll es mal schneller gehen, katapultieren sie sich mit der Schwanzflosse nach vorne.
Schlammspringer haben übrigens neben dem Klettern noch einen Trick auf Lager: Ihre Augen können sie getrennt voneinander um 360 Grad drehen. Das verschafft ihnen einen Panoramablick und den wissenschaftlichen Namen Periophthalmus, zu Deutsch Rundumauge.
Sind Mitarbeitende der privaten Asylfirma ORS wie Beamte zu behandeln, weil sie staatliche Aufgaben wahrnehmen? Das musste das Bundesgericht entscheiden. Mit Konsequenzen für die Strafbehörden.
Folgendes ist passiert: Im Mai 2020, kurz nachdem der Lockdown in der Corona-Pandemie aufgehoben worden war, hat der renommierte Zürcher Anwalt Marcel Bosonnet im Namen von acht abgewiesenen Asylbewerbern eine Strafanzeige erstattet.
Es ging unter anderem um Körperverletzung, Nötigung und vorsätzliche Widersetzung gegen die Covid-Verordnung des Bundes. Er beschuldigte Behörden und die Asylfirma ORS, sie hätten die Asylsuchenden zu wenig vor dem Coronavirus geschützt. Für Aufregung sorgte die Anzeige, weil sie sich nicht nur gegen die Kader der ORS richtete, sondern auch gegen den Zürcher Sicherheitsdirektor Mario Fehr und seine Chefbeamtinnen.
Der Fall schien schnell erledigt. Denn Fehr genoss magistralen Schutz. Das Parlament verweigerte der Staatsanwaltschaft die Ermächtigung, gegen den beliebtesten Regierungsrat im Kanton Zürich zu ermitteln.
Ursprünglich wurde diese Hürde geschaffen, um höchste Exekutiv- und Justizorgane vor mutwilliger Strafverfolgung zu schützen und damit das Funktionieren des Staats zu gewährleisten. Lange profitierten aber auch einfache Beamte, später Staatsangestellte und schliesslich auch private Firmen im Dienst des Staats von diesem erhöhten Schutz vor Strafverfolgung. So mussten in einigen Kantonen Staatsanwälte um eine Ermächtigung bitten, wenn sie beispielsweise gegen prügelnde Sicherheitsmänner in Asylunterkünften vorgehen wollten.
Das wird sich in Zukunft ändern.
Das Bundesgericht hat in einem neuen Grundsatzentscheid festgehalten, dass Mitarbeiterinnen von privaten Firmen dieses Privileg nicht mehr weiter geniessen, auch wenn sie staatliche Aufgaben übernehmen.
Das sind die wichtigsten Sätze aus dem Urteil:
Im konkreten Fall bedeutet das zwar noch nicht, dass die Zürcher Staatsanwaltschaft gegen das Top-Kader der profitorientierten ORS AG vorgehen wird (von einer Anklage und einem Urteil ganz zu schweigen). Aber immerhin: Die Staatsanwaltschaft darf ermitteln – wenn sie denn will (und eine strafbare Handlung «in minimaler Weise glaubhaft» erscheint).
Ausserdem: Wir ziehen Zwischenbilanz.
Vor sieben Wochen haben wir das Klimalabor gestartet, als Ort für Austausch und Experimente. Bis im Sommer möchten wir gemeinsam mit Ihnen herausfinden: In welcher Form und mit welchen Schwerpunkten soll die Republik die Klimakrise behandeln?
Wir haben Interviews, Essays und Analysen veröffentlicht. Haben Sie mitgenommen auf eine virtuelle Zeitreise. Haben Hunderte Kommentare und Anregungen von Ihnen gelesen. Viele Gespräche geführt. Das Klimalabor live auf die Bühne gebracht. Und sind immer noch etwas baff, dass schon über 6000 Menschen mit dabei sind.
Aber was haben wir eigentlich … erreicht? Und welche Erkenntnisse und Vorsätze nehmen wir mit in die nächste Etappe unserer Expedition?
Zeit für eine erste Zwischenbilanz.
Eine Zwischenbilanz nach der ersten Etappe – was wir erreicht haben, was wir von Ihnen gelernt haben, was wir als Nächstes vorhaben.
Ihre Crew der Republik
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