Islamische Republik versus Iran – Teil 3

Bilder des Protests: #mahsaamini (links) und «Für die Fehler der Revolution von 1979 – Frauen, Leben, Freiheit» (ganz rechts).

Ein Regime auf der Anklagebank

Weltweit sammeln Aktivisten Indizien, um Irans Regime­angehörige eines Tages vor Gericht zu bringen. Fair, transparent, mit den Mitteln des Rechts. Denn nur eine saubere Abrechnung mit der Diktatur kann einem neuen Iran den Weg ebnen. Serie «Islamische Republik versus Iran», Teil 3.

Von Solmaz Khorsand, 27.02.2023

Vorgelesen von Danny Exnar
0:00 / 19:26

Ein Schlussstrich hat etwas Befreiendes. Es ist die Einleitung für ein neues Kapitel im Leben. Im besten Fall für ein besseres. So gerne würden die Menschen im Iran das Kapitel Islamische Republik nach 44 Jahren abschliessen. Doch wie lässt sich unter eine Diktatur, die Tausende Opfer gefordert hat, ein Schluss­strich ziehen? Wie kann ein totalitäres Regime so abgewickelt werden, dass der Weg in eine demokratische Zukunft führt?

Zwei Positionen dominieren derzeit den iranischen Diskurs, beobachtet die Anwältin und Aktivistin Shadi Sadr. Die einen plädieren für eine Amnestie aller Personen, die sich früher oder später der aktuellen Protest­bewegung anschliessen und zum Sturz der Islamischen Republik beitragen. Es soll eine Art Anreiz sein, sich auf den letzten Metern doch noch zu entschliessen, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen, eine Garantie der späteren Begnadigung unabhängig von der Position im Regime und der eigenen Vergangenheit.

Die anderen sinnen auf Rache und Vergeltung. Keine Gnade, nicht im Entferntesten. «Sie fordern: An jedem Baum muss ein Mullah hängen!», sagt Shadi Sadr. Den Impuls kann sie nachvollziehen, so wie viele iranische Menschen­rechts­expertinnen, die um Nachsicht bitten, wenn derartige Extrem­forderungen geäussert werden. Ein Regime, das über vier Jahrzehnte getötet, gefoltert und vergewaltigt hat, provoziere nun einmal solche Reaktionen. Dennoch: Zu akzeptieren sei das nicht. Weil ein Start­schuss für einen neuen und demokratischen Iran nicht mit einem Blutbad beginne. Sondern mit Recht und Ordnung.

Daran arbeiten Menschen wie Shadi Sadr. Die Iranerin ist Mitbegründerin der in London ansässigen Organisation Justice for Iran, einer NGO, die seit 2010 Verletzungen der Menschen­rechte im Iran dokumentiert und die Täter identifiziert, die sie begehen. Die so entstandene Daten­bank soll eines Tages dazu dienen, all die Personen vor Gericht zu bringen, die bislang nie zur Verantwortung gezogen wurden.

Islamische Republik versus Iran

Seit dem gewaltsamen Tod der Kurdin Jina Mahsa Amini im Herbst 2022 ist im Iran nichts mehr, wie es war. Die Menschen verlangen unter der Parole «Frau, Leben, Freiheit» den Systemsturz der Islamischen Republik. Angeführt von den Unterdrücktesten des Landes, geeinter denn je. Zur Übersicht.

Seit dem Tod von Jina Mahsa Amini im September 2022 und den anschliessenden Protesten arbeitet Sadrs Organisation auf Hoch­touren. Bis zu sieben Leute sichten und verifizieren Videos von Demonstrationen, Märschen und Zusammen­stössen, die auf unter­schiedlichen Plattformen und Kanälen geteilt werden. 15’000 haben Sadr und ihr Team bereits gesammelt. «Es sind so viele, dass wir uns nur auf die Videos konzentrieren können, auf denen Gewalt­szenen zu erkennen sind», sagt Sadr. Zudem haben sie eine Liste erstellt von fast 2500 verdächtigen Personen der mittleren und unteren Regimeränge – von lokalen Regime­milizen bis hin zum Kommandanten der Landes­polizei –, die involviert sein sollen in Menschen­rechts­verletzungen. Knapp 100 von ihnen haben sie bereits als potenzielle Täter ausweisen können.

Eines Tages soll diese Liste zum Einsatz kommen. In einem fairen und transparenten Verfahren nach internationalen Standards. Es wird nicht mehr lange auf sich warten lassen, davon ist Sadr überzeugt. Zwei Jahre wird die aktuelle Protest­bewegung, die sie als Jina revolution bezeichnet, noch brauchen, bis sie das Regime stürzt, so prophezeit die Anwältin. Zwei Jahre, bis Irans Macht­haber, ihre Helfer und Helfers­helfer auf der Anklage­bank landen werden.

Und auch die internationale Community gibt Hoffnung, dass dieser Tag nicht mehr fern liegt. Im November 2022 hat die Uno beschlossen, eine eigene Kommission ins Leben zu rufen, die untersucht, inwiefern die iranische Führung aktuell Menschen­rechte der Protestierenden verletzt. 18 Personen gehören dieser «Fact finding»-Mission an, die bis März 2024 ihre Ergebnisse präsentieren soll. Das ist ein Meilen­stein für iranische Menschenrechts­organisationen: Zum ersten Mal in 44 Jahren seit der Gründung der Islamischen Republik hat sich die Uno zu einem derartigen Schritt entschlossen.

Für Mahmood Amiry-Moghaddam ist es eine späte Genugtuung. Der norwegisch-iranische Neuro­wissenschaftler ist Direktor der Osloer Iran Human Rights, einer der führenden NGOs weltweit, die sich mit dem Iran beschäftigen. Er hält den Beschluss für historisch: «Zum ersten Mal geht die Uno einen Schritt weiter.» Es sei ein starkes Signal an die iranische Bevölkerung, aber auch an die Macht­haber: «Irgendwann werdet ihr für das, was ihr tut, zur Rechenschaft gezogen», sagt er. «Verbrechen gegen die Menschlichkeit verjähren nicht; selbst wenn ihr 95 Jahre alt seid und im Rollstuhl sitzt, könnt ihr noch zur Verantwortung gezogen werden.»

Immer wieder hat seine Organisation für eine derartige Untersuchungs­kommission lobbyiert. Zuletzt 2019. Damals hatte Irans Regime im November die Benzin­preise erhöht, was Tausende landesweit auf die Strassen trieb. Die Macht­haber reagierten mit brutaler Gewalt. Binnen weniger Tage sollen 1500 Demonstrierende getötet worden sein. Wie viele es tatsächlich waren, konnte bislang nicht festgestellt werden. Der «blutige November» von 2019 wurde zu einem weiteren Schlüssel­datum in der Chronologie der nicht aufgearbeiteten iranischen Traumata. Damals beliess es die Welt­gemeinschaft bei den üblichen Verurteilungs­floskeln gegenüber dem Regime, ohne konkrete Konsequenzen.

«Wir hätten euch alle hinrichten sollen»

Daher griffen die Angehörigen der Opfer zur Selbsthilfe. Sie verlangten einen Prozess. Und die drei Menschen­rechts­organisationen Justice for Iran, Iran Human Rights und Together Against the Death Penalty setzten diesen Wunsch in die Tat um. Im November 2021, zwei Jahre nach den Ausschreitungen im aban – dem achten Monat des iranischen Kalenders, der dem Zeitraum vom 23. Oktober bis zum 21. November entspricht – initiierten sie das Aban-Tribunal.

Es handelt sich dabei um ein informelles, von staatlichen Instanzen unabhängiges Volks­gericht, in Anlehnung an die berühmten Russell-Tribunale: Benannt nach dem Literatur­nobelpreis­träger und Initiator Bertrand Russell, sollte ein unabhängiges Tribunal 1966 US-Kriegs­verbrechen im Vietnam­krieg untersuchen und dokumentieren. Es war ein Tribunal ohne rechtliche Befugnisse, das aber trotzdem die Möglichkeit bot, Beweise zu sammeln, Zeuginnen zu befragen, Opfer zu Wort kommen zu lassen – und damit das Fundament für eine spätere Straf­verfolgung zu legen.

Auch das Aban-Tribunal verfolgte das Ziel, mit seinen Ergebnissen die Grundlage für einen echten Prozess vor einem internationalen Gerichtshof zu schaffen. Acht Tage lang befragten sechs internationale Anwältinnen 55 Zeuginnen in London oder online dazu, was im November 2019 im Iran passiert war, mit welchen Mitteln die Islamische Republik ihre eigenen Bürgerinnen getötet, inhaftiert und eingeschüchtert hatte. Regime­angehörige lehnten eine Teilnahme ab. Am Ende kam das Tribunal zum Schluss, dass es sich bei der Nieder­schlagung der Proteste 2019 um Verbrechen gegen die Menschlichkeit gehandelt hatte. 13 Haupt­verantwortliche wurden identifiziert, darunter der heute amtierende Präsident Ebrahim Raisi und Revolutions­führer Ali Khamenei.

Machtpositionen: Präsident Ebrahim Raisi, Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamenei und der irakische Schiitenführer Muqtada al-Sadr (von links, eine Aufnahme aus dem September 2019). Khamenei.Ir/AFP

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Iraner selbst auf diese Weise um eine Aufarbeitung ihrer jüngeren Geschichte bemühen. Bereits 2012 fand im nieder­ländischen Den Haag das Iran-Tribunal statt, das sich mit den Massen­hinrichtungen von 1988 beschäftigte. Damals hatte Revolutions­führer Ayatollah Khomeini die Order gegeben, inhaftierte Oppositionelle so schnell wie möglich zu exekutieren. Ein vierköpfiges Todes­komitee, dem auch der aktuelle Präsident Raisi als junger Vizegeneral­staatsanwalt angehörte, kümmerte sich um die Abwicklung.

Mindestens 5000 Menschen sollen damals hingerichtet worden sein, schätzen inter­nationale Organisationen. Heute noch suchen die Familien nach den Massen­gräbern, in denen ihre Angehörigen verscharrt wurden. Zur Rechenschaft gezogen für die Morde wurde niemand.

Bis zum 10. August 2021.

Es war ein grosser Tag für iranische Regime­gegnerinnen: Zum ersten Mal wurde einem Vertreter der Islamischen Republik für Verbrechen in seiner Heimat im Ausland der Prozess gemacht. Hamid Nouri, ein ehemaliger Justiz­beamter, kam in Stockholm für seine Rolle bei den Massen­hinrichtungen von 1988 vor Gericht. Neun Monate dauerte das Verfahren, in dem die schwedische Staats­anwaltschaft Nouri «grobe Verletzung des Völker­rechts» und «vorsätzlichen Mord» vorwarf. Möglich wurde das unter dem «Weltrechts­prinzip», das es Staaten erlaubt, schwere Verbrechen wie Genozid und Folter im eigenen Land zu verfolgen, auch wenn sie im Ausland verübt worden sind.

Ins Rollen gebracht hatten den Prozess iranische Aktivisten, welche die schwedischen Behörden 2019 von Nouris Einreise nach Stockholm in Kenntnis gesetzt und über seine Verstrickung in die Massen­hinrichtungen aufgeklärt hatten. Laut Zeugenaussagen soll Nouri am Tag nach dem Ende der Exekutionen 1988 in die Zellen gekommen sein und gesagt haben: «Möge Gott uns vergeben, dass wir Khomeinis Befehl nicht haben umsetzen können. Wir hätten euch alle hinrichten sollen.» Nouri wurde im Juli 2022 in Stockholm zu lebens­langer Haft verurteilt. Derzeit ist der Fall des 61-Jährigen in Berufung.

Bringschuld der demokratischen Welt

Der Prozess gegen Nouri ist richtungs­weisend auf vielen Ebenen. Einerseits motiviert er iranische Aktivistinnen weltweit, nach weiteren Nouris Ausschau zu halten und sie vor Gericht zu bringen. Andererseits bringt er demokratische Staaten in eine Bring­schuld. Wieso nicht weiteren Regime­vertretern den Prozess machen, wenn es in Schweden gelungen ist? Und wenn es möglich ist, einen kleinen Beamten wie Nouri zu verurteilen, was liesse sich dann bei den grossen Fischen erreichen, den wahren Verantwortlichen der Massen­hinrichtungen wie etwa Präsident Ebrahim Raisi?

«Es wird in Zukunft sehr schwierig sein für schwedische Politiker, neben Raisi zu stehen und ihm die Hand zu schütteln», sagt Menschen­rechts­experte Mahmood Amiry-Moghaddam. «Man weiss: Er wird eines Tages von einem internationalen Gericht oder einem schwedischen Gericht für diese Verbrechen verurteilt werden können.»

Nouris Fall hat Irans Macht­haber beunruhigt. Zum ersten Mal wurde einer der ihren verurteilt. Und das im Ausland. Das Signal ist klar: Was Nouri passiert ist, kann eines Tages auch anderen Regime­anhängern passieren.

«Es hatte definitiv eine abschreckende Wirkung», sagt Anwältin Shadi Sadr. «Sobald Regime­vertreter, die in der Vergangenheit Verbrechen begangen haben, einen Fuss ins Ausland setzen, riskieren sie eine Straf­verfolgung.» Sie erinnert sich, wie das Regime in den ersten Monaten das Verfahren ignorierte und dann begann, ihn öffentlich als Schau­prozess zu diskreditieren. «Die Islamische Republik tut immer so, als würde sie ihr Ruf auf der Weltbühne nicht interessieren, aber in Wahrheit sorgt sie sich sehr wohl darum», sagt sie.

Diese Sorge war Sadrs einzige Chance, als Anwältin ihre Klientinnen erfolgreich zu verteidigen. Bis zu ihrer Flucht nach England im Jahr 2010 zählte sie zu den bekanntesten Menschen­rechts­anwältinnen des Iran. Sie war berühmt dafür, Frauen zu vertreten, die zum Tode verurteilt worden waren wegen ausser­ehelicher Affären oder der Ermordung ihrer Partner, die sie bedroht hatten. Sieben Frauen hat sie vor der Todes­strafe durch Steinigung oder den Strang bewahrt.

«Ich konnte alle meine Mandantinnen retten», erzählt sie, «alle bis auf eine.» Reyhaneh Jabbari wurde 2014 durch den Strang hingerichtet. Sie hatte einen Angreifer getötet, der sie hatte vergewaltigen wollen. Sadr konnte sie nicht mehr verteidigen, da sie just einen Tag vor Verhandlungs­beginn selbst festgenommen worden war wegen der Teilnahme an einer Demonstration – ein Berufs­risiko im Iran. Als Anwältin in einem Land zu arbeiten, das Menschen­rechte mit Füssen tritt, habe etwas Kafkaeskes.

Reyhaneh Jabbari hatte sich gegen ihren Vergewaltiger verteidigt und ihn dabei mit einem Messer getötet. 2009 wurde sie wegen Mord zum Tode verurteilt, 2014 wurde sie hingerichtet. Goalara Sajadieh/dpa

Oft musste Sadr bei der Verteidigung ihrer Klientinnen «barbarische und absurde Regeln» heran­ziehen, um die eine Nische zu finden, die sie vor der Todes­strafe retten konnte. Sie erinnert sich, wie sie einmal den Richter, einen Geistlichen, mit einem Imam verglich, der eine Ehebrecherin nicht steinigen liess, die einen kleinen Sohn hatte – als Akt der Barmherzigkeit. Die Verteidigung funktionierte, der Richter liess sich mit dem schmeichel­haften Vergleich überzeugen. Die Frau wurde nicht exekutiert.

Wie Täter und Opfer versöhnen?

Werden derartige Anekdoten bald endgültig der Vergangenheit angehören? Werden aus den Gejagten bald die Jäger? Wird es gelingen, ein ganzes Regime auf die Anklage­bank zu bringen?

«Nein, es ist unmöglich, jeden vor Gericht zu bringen», sagt Shadi Sadr. 44 Jahre Islamische Republik können nicht auf Punkt und Komma juristisch abgewickelt werden. Es würde Jahrzehnte dauern, meterhohe Aktenberge generieren, unzählige Prozess­stunden, etliche Richterinnen, Anwälte, Ressourcen beanspruchen, die kein Gericht der Welt in diesem Ausmass zur Verfügung stellen könnte. Irans Bevölkerung müsse sich auf eine abgespeckte Version der Straf­verfolgung von Regime­angehörigen einstellen, sagt Sadr. Jahrelang hat sie am Beispiel anderer Länder studiert, wie Gesellschaften den Übergang von Diktatur zu Demokratie bewerkstelligt haben. In der Fachsprache heisst das: transitional justice.

Für Menschenrechts­experten wie Mahmood Amiry-Moghaddam von Iran Human Rights ist diese Phase essenziell für die Zukunft eines Landes. «Was in diesem Übergang passiert, ist der Indikator dafür, in welche Richtung sich der Iran entwickeln wird», sagt er. Daher: Je zivilisierter und demokratischer der Übergang ist, umso grösser wird die Chance für einen Iran, der eines Tages tatsächlich eine Demokratie ist.

Ein Rezept, wie so ein demokratischer Übergang aussehen könnte, gebe es zwar nicht, sagt Shadi Sadr, doch die Iranerinnen könnten aus der Erfahrung anderer Länder lernen. Etwa jener Südafrikas nach dem Fall des Apartheid­regimes 1994. Damals wurde eine «Wahrheits- und Versöhnungs­kommission» beschlossen, in der Täter und Opfer angehört wurden. Den Angeklagten wurde Amnestie zugesagt, sofern sie ihre Taten vollständig gestanden, den Opfern finanzielle Unterstützung.

Für Sadr wäre das auch für die Menschen im Iran ein gangbarer Weg, vorausgesetzt, die Opfer würden derartige Kommissionen akzeptieren und die Täter bäten um Gnade: «Amnestie gibt es nicht umsonst. Natürlich würden diese Kommissionen nicht die Straf­verfolgung derjenigen ausschliessen, die involviert waren in Verbrechen gegen die Menschlichkeit», präzisiert Sadr. Doch eine Kombination aus Strafverfolgung und Versöhnungs­kommissionen hält sie auch im Fall des Iran für eine Möglichkeit.

Es ist eine Entscheidung, die nach dem Regimesturz letztlich bei der iranischen Bevölkerung liegen wird. Dass es in dieser fragilen Übergangs­phase zu Konflikten kommen wird, davon geht Sadr aus. Doch sie sagt, diese müssten ausgehalten werden, wenn aus der Utopie eines demokratischen Iran tatsächlich Wirklichkeit werden solle.

Sadr hat Hoffnung in ihre Landsleute. Erst vor ein paar Wochen hat sie mit einem jungen Mann telefoniert, dessen Bruder bei der Nieder­schlagung der aktuellen Proteste getötet worden war. Es war in einer kleinen Stadt im Norden des Landes, so klein, dass jeder jeden kennt. Opfer und Täter ebenso. Im Gespräch mit Sadr sagt der Mann, wie leicht es für ihn und seine Freunde wäre, den Mörder seines Bruders vor seiner Haustür abzufangen, ihn zu entführen und zu töten. «Wissen Sie, Frau Sadr, wir könnten das ganz einfach erledigen», sagte er. «Aber ich will das nicht. Ich will ihn vor Gericht sehen, wo er vor allen gestehen muss, was er meinem Bruder angetan hat.»