Wie wir die Ozon­schicht repariert haben

Die grösste ökologische Erfolgs­geschichte der Menschheit wird leider viel zu selten erzählt. Was lernen wir daraus für die Klima­krise?

Von Hannah Ritchie (Text), Andreas Bredenfeld (Übersetzung) und Qianhui Yu (Illustration), 23.01.2023

Vorgelesen von Dominique Barth
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Blicken wir in der Geschichte der Ökologie zurück, gibt es nicht viele Erfolgs­meldungen, aus denen wir etwas lernen können. In manchen Bereichen des menschlichen Lebens gab es in den vergangenen Jahrzehnten massive Fortschritte: Die extreme Armut geht zurück, die Kinder­sterblichkeit sinkt, die Lebens­erwartung steigt. Beim Schutz der Umwelt dagegen entwickeln sich die meisten Kenn­zahlen in die falsche Richtung. Auf lokaler und nationaler Ebene ist zwar der eine oder andere Erfolg zu verzeichnen – wie zum Beispiel die deutliche Reduzierung der Luft­verschmutzung in reichen Ländern. Aber global gibt es so gut wie keine Fortschritte.

Eine Ausnahme gibt es allerdings: die Ozon­schicht. Dass die Menschheit in der Lage war, die ausgedünnte Ozon­schicht zu retten, ist nicht nur unsere grösste ökologische Erfolgs­story, sondern in der Geschichte überhaupt das eindrücklichste Beispiel dafür, wie man Probleme durch internationale Kooperation lösen kann.

Wie wir erkannt haben, dass es ein Problem gibt

Zunächst etwas Ozon-Grundwissen: Ozon (O3) ist in der Erd­atmosphäre in mehreren Schichten anzutreffen. Je nachdem, in welchem Teil der Atmosphäre es sich befindet, wird es als «schlechtes» oder als «gutes» Ozon bezeichnet. Ein Teil des Ozons entsteht am Boden durch Reaktionen mit Luft­schadstoffen, die durch Auto­abgase, Industrie­prozesse und chemische Lösungs­mittel freigesetzt werden. Das ist das sogenannte schlechte Ozon, das vor allem bei Jungen, bei Alten oder bei Menschen mit Atem­beschwerden zu Gesundheits­schäden führen kann. Es kann Schmerzen in der Brust, Atem­probleme, Atemwegs­entzündungen und langfristige Schädigungen des Lungen­gewebes verursachen. Ozon einzuatmen, ist nicht ratsam.

Ozon gibt es aber auch sehr weit oben in der Atmosphäre – rund 15 bis 35 Kilometer über dem Boden, in der Stratosphäre. Dort findet sich das sogenannte gute Ozon. Molekular sind das gute und das schlechte Ozon identisch, aber das gute Ozon spielt, weil es sich in der Stratosphäre befindet, eine entscheidende Rolle bei der Absorption der schädlichen ultra­violetten Strahlung (UV-B) der Sonne. Die Schutz­schicht aus Ozon bewahrt die Menschen vor Hautkrebs, Sonnen­brand und Erblindung und ist auch für den Schutz anderer Lebens­formen äusserst wichtig. Das bedeutet: Das bodennahe Ozon wollen wir abbauen, das Ozon in der Stratosphäre auf keinen Fall.

Zu diesem Text

Ein neuer Expertenbericht im Auftrag der Uno, der USA und der EU geht davon aus, dass sich die Ozon­schicht in den kommenden Jahrzehnten vollständig erholen wird. Die im Protokoll von Montreal 1987 beschlossenen Massnahmen zeigten die gewünschte Wirkung.

Dieser Artikel erschien erstmals im Mai 2021 unter dem Titel «How We Fixed the Ozone Layer» bei «Works in Progress». Die Autorin analysiert, wie es nach der Entdeckung des Ozon­lochs gelang, rasch weitreichende Massnahmen zum Schutz der Ozon­schicht auf den Weg zu bringen. Eine Geschichte mit zahlreichen Parallelen zu heutigen Heraus­forderungen der Klimakrise – und einigen interessanten Unterschieden.

Der 2021 verstorbene niederländische Atmosphären­chemiker Paul Crutzen äusserte als Erster die Befürchtung, dass sich die Chemie der Stratosphäre durch die Einwirkung des Menschen verändere. In den 1960er-Jahren gewannen Forscherinnen erste Erkenntnisse darüber, welche Reaktionen die Fotochemie der oberen Atmosphären­schichten regeln. Damals arbeiteten viele Wissenschaftler mit Modellen, die die Wechsel­wirkungen zwischen OH-Radikalen und Ozon­molekülen in den Mittel­punkt rückten.

Crutzen überzeugten diese Modelle nicht. Die hohen Ozon­konzentrationen in der oberen Stratosphäre liessen sich aus seiner Sicht durch diese Reaktionen allein nicht erklären. Er vermutete, dass weitere Faktoren eine Rolle spielten; dass sich in der Stratosphäre noch andere Wechsel­wirkungen zwischen chemischen Stoffen wie Stickstoff­verbindungen und dem Sonnen­licht abspielten. Leider konnte er seine Vermutung nicht belegen, weil es damals noch nicht möglich war, die Stickstoff­konzentration in der Stratosphäre zu messen.

Ein Jahr später bekam er endlich die Daten, die er brauchte. Forscher hatten mithilfe von Höhen­forschungs­ballons das Sonnen­spektrum untersucht und eine Möglichkeit gefunden, die Dichte von Stickstoff­verbindungen (HNO3) in der Stratosphäre zu messen. Crutzen stellte nicht nur fest, dass Stickstoff in der Stratosphäre mit dem Ozon reagieren konnte. Er fand auch heraus, dass durch den Menschen emittierte Stickstoff­verbindungen diese Reaktionen beeinflussen können. Stickoxide (N2O) produzierte der Mensch auf vielfältige Weise – mit Dünge­mitteln, Raketen­triebwerken und Verbrennungs­motoren. Die dabei entstehenden Emissionen konnten in die Stratosphäre gelangen, mit dem Ozon (O3) reagieren und bewirken, dass dieses Ozon zu Sauerstoff (O2) zerfällt. Die UV-Strahlung begünstigte die Reaktion dabei ideal.

Die grösste Sorge bereitete Crutzen die damals geplante Flotte grosser Überschall­flugzeuge, die in stratosphärischen Höhen verkehren sollten. Er befürchtete, diese würden durch ihren Ausstoss von Stickstoff die Ozon­schicht massiv schädigen. Während andere Forscher davon ausgingen, dass die Überschall­flugzeuge nur geringe fotochemische Auswirkungen auf das Ozon hätten, bahnte sich aus seiner Sicht ein ernstes ökologisches Problem an. Crutzen war sichtlich frustriert, als auf einer Konferenz andere Wissenschaftler seine Bedenken abtaten: «Ich schrieb an den Rand ihres Papers: Idioten!»

Nur wenige Jahre später äusserten die Wissenschaftler Frank Sherwood Rowland und Mario Molina die Vermutung, dass vom Menschen emittierte Chlor­verbindungen möglicher­weise genau die gleiche Wirkung hätten. Diese Verbindungen – am bekanntesten sind die Fluor­chlorkohlen­wasserstoffe (FCKW) – kamen in Kühl- und Eisschränken, Klima­anlagen und Spraydosen und in der Industrie­produktion ausgiebig zum Einsatz. Durch Messungen der Chlormolekül­konzentration in den unteren Schichten der Atmosphäre stellten Rowland und Molina fest, dass die Chlor­verbindungen nicht zerfielen: Ihre Menge in der Atmosphäre war nahezu identisch mit der bis dahin erzeugten Gesamt­menge. Die chemische Reaktions­trägheit, die sie für die Technologie so attraktiv machte, hinderte die Chlor­verbindungen daran, sich in der unteren Atmosphäre zu zersetzen.

Rowland und Molina entwickelten ein Modell der möglichen Quellen und Senken dieser Verbindungen, um herauszufinden, wohin sie verschwinden. Sie stellten fest, dass sich die einzige mögliche Senke in der Stratosphäre befand. Dort konnte die UV-Strahlung die Chlor­atome abspalten, sodass diese mit dem Ozon reagieren und es zersetzen konnten. Es mehrten sich die Beweise, dass die Menschheit dabei war, durch den Einsatz dieser Schadstoffe die Ozon­schicht auszudünnen.

Es überrascht nicht, dass viele Akteure aus der Industrie versuchten, die Arbeit der Wissenschaftler in Misskredit zu bringen. Da noch keine experimentellen Beweise vorlagen, konnten sie die Warnungen einfach als reine Spekulation abtun. Der Vorstands­vorsitzende des weltgrössten FCKW-Produzenten Dupont bezeichnete die Theorie als «Science-Fiction-Geschichte … einen Haufen Müll … absoluten Unsinn». Um ihre Aktivitäten zu koordinieren, schlossen die führenden Hersteller sich zu einer «Allianz für eine verantwortungs­volle FCKW-Politik» (Alliance for Responsible Cfc Policy) zusammen. Sie starteten gross angelegte PR-Kampagnen, welche die Theorie der Ozon­ausdünnung in Verruf bringen sollten.

Erst spät wurde Crutzen, Rowland und Molina doch noch die Anerkennung zuteil, die sie verdienten: 1995 erhielten sie für ihre Arbeit den Nobel­preis für Chemie.

Das erfolgreichste internationale Abkommen überhaupt

In der Wissenschaft bildete sich relativ schnell ein Konsens über das Problem der Ozon­ausdünnung. 1974 traten Rowland und Molina mit ihrer Hypothese zum ersten Mal an die Öffentlichkeit. 1976 bestätigte die US-Akademie der Wissenschaften in einem Bericht, dass die wissenschaftliche Beweis­lage klar für die Richtigkeit dieser Hypothese sprach. Ab 1979 beobachtete die Nasa mit einem Instrument namens TOMS (Total Ozone Mapping Spectrometer) die Ozon­konzentration in der Stratosphäre und stellte fest, dass sie von Jahr zu Jahr zurückging.

Doch die Politik hinkte der wissenschaftlichen Forschung hinterher. 1978 verboten mehrere Länder – die USA, Kanada und Norwegen – lediglich die Verwendung von FCKW als Treibmittel in Spray­dosen. Und das erst, nachdem viele Verbraucherinnen bereits von sich aus auf FCKW-haltige Sprays verzichtet hatten. Diese minimalen Veränderungen reichten hinten und vorne nicht aus. Über viele Jahre bewegte sich nichts, weil Branchen­riesen wie Dupont massiven Widerstand leisteten und auch die Reagan-Regierung in den USA sich gegen Umwelt­auflagen positionierte. Anne Gorsuch, die erste Chefin der amerikanischen Umweltschutz­behörde EPA, tat die Sorge über den Abbau der Ozon­schicht als Umwelt­hysterie ab.

Mitte der 1980er-Jahre änderte sich die Lage rasch. Dafür gab es wissenschaftliche, politische und wirtschaftliche Gründe. Die Nasa konnte den Abbau der stratosphärischen Ozon­schicht inzwischen mit über mehrere Jahre erhobenen Daten belegen. In einem ausführlichen Bericht präsentierte sie 1985 die wissenschaftlichen Belege für die Veränderung der Ozon­schicht durch den Menschen.

Der grösste wissenschaftliche Gamechanger war allerdings die Entdeckung des Ozon­lochs über der Antarktis. Es schien aus dem Nichts zu kommen. Seit Jahren hatten Forscher in Boden­stationen in der Antarktis Langzeit-Datenreihen gesammelt. 1981 gab es erste kleine Hinweise, aber 1983 bot sich ein klares Bild.

Das Bild, welches das Ausmass des Ozonlochs über der Antarktis deutlich machte, aufgenommen 1983 von Satelliten der Nasa.

J. C. Farman, B. G. Gardiner und J. D. Shanklin, die im Rahmen des britischen Polar­forschungs­programms British Antarctic Survey am Südpol waren, veröffentlichten ihre Erkenntnisse erst 1985 im Fach­magazin «Nature». Die späte Publikation hatte ihren Grund: Die Erkenntnisse waren so unerwartet und die Implikationen so weitreichend, dass die Forscher unbedingt ausschliessen mussten, dass ein Mess­fehler vorlag. Die Bilder des grösser werdenden Ozon­lochs setzten die Staaten und die Industrie unter Druck, zu handeln.

Politisch hätte das Timing dieser Erkenntnis besser nicht sein können. Eben hatte William Ruckelshaus als Nachfolger von Anne Gorsuch den Chef­posten der US-Umweltschutz­behörde EPA übernommen. Ihn beunruhigte das Ozon­problem bereits sehr viel stärker, und wegen der zunehmenden Besorgnis der Öffentlichkeit angesichts des entdeckten Ozon­lochs konnte er wirksamer darauf drängen, dass in den USA und international gehandelt wurde.

Als führende Industrie­nation waren die Vereinigten Staaten prädestiniert für die Vorreiter­rolle bei den internationalen Bemühungen. 1985 wurde das Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozon­schicht aus der Taufe gehoben: Zwanzig Länder – darunter die meisten grossen FCKW-Produzenten – kamen überein, sich bei der Regulierung der ozon­schädigenden Stoffe international zu koordinieren. Die Schweiz gehörte zu den Erstunterzeichnern.

Auch bei einigen Branchen­akteuren kam es zu einem raschen Umdenken. Die FCKW-Patente von Dupont waren inzwischen ausgelaufen. In Erwartung einer strikten Regulierung schaltete der Konzern kurzerhand um und machte aus der Risiko­situation eine Chance. Dupont erklärte, chemisch stehe dem Umstieg auf sicherere Alternativen nichts im Wege, aber es gebe sehr wohl preisliche Hindernisse. Man könne innerhalb weniger Jahre Alternativen entwickeln, sofern es dafür entsprechende regulatorische und markt­wirtschaftliche Anreize gebe. Der Konzern hatte es auf den Erstanbieter­vorteil abgesehen.

1987 handelten die Unterzeichner­staaten der Wiener Konvention ihr erstes Protokoll aus: das Protokoll von Montreal. Darin verpflichteten 43 Staaten sich dazu, ozon­schädigende Stoffe ab 1989 schrittweise zu verbieten. Dieser ersten Gruppe gehörten mehrheitlich reichere Länder an, die damals die meisten FCKW produzierten: USA, Kanada, Japan, die meisten europäischen Staaten inklusive der Schweiz und Neuseeland. Ihr Ziel: Sie wollten bis 1999 die weltweite Produktion dieser Substanzen gegenüber dem Niveau von 1986 halbieren. Eines wird allerdings oft übersehen: Das erste Protokoll von Montreal wäre absolut unzureichend gewesen, um das Problem zu lösen. Das Reduktions­ziel war zu niedrig angesetzt und die Liste der Stoffe, die verboten werden sollten, unvollständig. Hätten wir an dieser Ziel­vorgabe festgehalten, wäre das Loch in der Ozon­schicht weitergewachsen.

Der Erfolg der Wiener Konvention lag darin, dass sie mit der Zeit immer ambitionierter wurde. Die Regeln wurden nachgeschärft, nachdem weitere Beweise für die Ausdünnung der Ozon­schicht und die schädliche Rolle der dafür verantwortlichen Gase auf den Tisch gekommen waren. Die Deadline für den schrittweisen Ausstieg aus der Herstellung ozon­schädigender Gase wurde immer weiter vorgezogen. Weitere Länder schlossen sich an. Bis zur Jahrtausend­wende wuchs der Kreis der Unterzeichner auf 174. 2009 wurde die Wiener Konvention als erster Vertrag überhaupt weltweit ratifiziert.

Der Erfolg dieser internationalen Bemühungen war wahrhaft überwältigend. Bevor 1989 das erste Protokoll in Kraft trat, hatte der Einsatz ozon­schädigender Stoffe immer weiter zugenommen. Der anschliessende schrittweise Ausstieg vollzog sich in hohem Tempo. Innerhalb eines Jahres sank der Verbrauch auf ein Niveau, das 25 Prozent unter dem von 1986 lag. Innerhalb eines Jahrzehnts betrug der Rückgang fast 80 Prozent (und ging damit weit über das ursprüngliche 50-Prozent-Reduktions­ziel des Protokolls von Montreal hinaus). Inzwischen ist der Einsatz dieser Stoffe gegenüber 1986 um 99,7 Prozent gesunken.

Rapider Rückgang gegen null

Weltweiter Einsatz ozonschädigender Stoffe, relativ zur Menge im Jahr 1986

19902000201020180,3 %020406080100120 %

European Environment Agency (EEA) via Our World in Data.

Mit wenigen bewilligten Ausnahmen sind wir aus dem Einsatz dieser Stoffe komplett ausgestiegen. Viele Unternehmen haben sie durch weniger schädliche Alternativen wie Fluor­kohlen­wasserstoffe (FKW) ersetzt. Das Problem bei einigen ozonschädigenden Stoffen war, dass sie Chlor oder Brom enthielten. Diese reaktionsfreudigen Elemente können dem Ozon (O3) ein Sauerstoff­atom «stehlen» und ClO oder BrO bilden, die den Zerfall von Ozon bewirken. Da FKW weder Chlor noch Brom enthalten, können sie dem Ozon nichts anhaben. Allerdings haben FKW den Nachteil, dass sie als potente Treibhaus­gase den Klima­wandel befördern.

Erholt sich das Ozonloch?

Auch wenn die weltweite Antwort auf die Ausdünnung der Ozon­schicht schnell erfolgte: Um sich zu erholen, wird die Ozon­schicht sehr viel länger brauchen. Doch eine vollständige Erholung ist möglich. Das wissen wir, weil wir inzwischen die Ozon­konzentrations­werte in der Stratosphäre messen können. Die Nasa überwacht schon seit den späten 1970er-Jahren im Rahmen ihres Programms Ozone Watch die Ozon­konzentration und die Grösse des Ozonlochs.

Die Ozon­konzentration wird in sogenannten Dobson-Einheiten gemessen (Dobson units, DU). Eine Dobson-Einheit ist die Anzahl der Ozon­moleküle, die man braucht, um bei bestimmten Temperatur- und Druck­verhältnissen eine 0,01 Millimeter dicke Ozon­schicht zu erzeugen. Im Bereich von 100 DU oder weniger sprechen wir von einem «Ozonloch».

In den späten 1970er- und in den 1980er-Jahren sank die Ozon­konzentration in der Stratosphäre rapide. Sie wurde innerhalb von zehn Jahren halbiert und geriet in die Gefahrenzone unter 100 DU. Die Ozon­schicht, die uns vor den Gefahren der UV-B-Strahlung geschützt hatte, begann sich aufzulösen. Doch unsere globalen Anstrengungen zeigten Erfolge. Durch die rapide Senkung unseres Ausstosses konnten wir die Ozon­konzentration stabilisieren. Wir haben aufgehört, der Stratosphäre dieses wertvolle Gas zu entziehen.

Über dem kritischen Wert stabilisiert

Mittlere tägliche Ozonkonzentration in der Stratosphäre der südlichen Hemisphäre

19791993200620200100150200250 Dobson-Einheiten

Nasa Ozone Hole Watch via Our World in Data.

Und wie hat sich das auf die Grösse des Ozonlochs ausgewirkt? Da diese Auswirkungen erst mit einer gewissen Verzögerung sichtbar werden, war in den gesamten 1980er-Jahren zu beobachten, wie das Loch über der Antarktis grösser wurde. Ende der 1990er-Jahre hatte es eine Ausdehnung von 30 Millionen Quadrat­kilometern – dreimal so gross wie die USA. Doch irgendwann wurde sichtbar, dass unsere Bemühungen Wirkung zeigten. Seit den späten 1990er-Jahren stabilisiert sich die Grösse des Ozonlochs. 2018 veröffentlichte die Nasa-Mission «Aura» ihre ersten Ergebnisse, die deutliche erste Anzeichen einer Erholung erkennen liessen.

Um sich von den in Jahrzehnten entstandenen Schäden zu erholen, wird die Ozon­schicht noch eine Weile brauchen. Bis die Ozon­konzentration weltweit wieder das Niveau von 1960 erreicht, wird es wohl bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts dauern. In der Antarktis, wo die Ozon­schicht wegen der tiefen Temperaturen besonders stark gelitten hat, dürfte sich der Erholungs­prozess sehr viel länger hinziehen. Dort werden wir womöglich bis zum Ende des Jahrhunderts warten müssen. Solange wir an unserem Ausstieg aus dem Einsatz ozon­schädigender Stoffe festhalten, können wir aber davon ausgehen, dass die Situation sich immer weiter verbessern wird. Auch wenn wir eine Weile warten müssen: Das Warten lohnt sich.

Das Loch schrumpft, langsam

Grösse des Ozonlochs über der Antarktis (jährliches Maximum und Mittel)

Maximum
Mittel
19801990200020102020051015202530 Mio. km²

Nasa Ozone Watch via Our World in Data.

Bei der Bewältigung anderer ökologischer Probleme sind wir nicht ganz so erfolgreich. Können wir die eine oder andere Erkenntnis, die wir aus der Rettung der Ozon­schicht gewonnen haben, auf andere Heraus­forderungen wie den Klima­wandel übertragen?

Es gibt eine Reihe von offensichtlichen Parallelen: Sowohl der Abbau der Ozon­schicht als auch der Klima­wandel sind Probleme, die die Welt gemeinsam meistern muss. Anders als die Luft­verschmutzung, bei der die örtliche Bevölkerung unter örtlichen Emissionen zu leiden hat, leidet unter den ozonschädigenden Stoffen und Treibhausgas­emissionen die gesamte Welt­bevölkerung, weil diese Gase sich einfach über den Globus verteilen; darum heissen sie auch well-mixed gases. Und: In beiden Fällen liegt auf der Hand, dass es ohne internationale Koordination nicht geht.

Die Tatsache, dass bei der Rettung der Ozon­schicht die Bemühungen im Lauf der Zeit intensiviert wurden, kann uns ebenfalls eine Lehre sein. Das erste Protokoll von Montreal aus den 1980er-Jahren war bei weitem nicht ambitioniert genug, um das Problem in den Griff zu bekommen. Es war zwar immerhin besser als business as usual, aber mit dem darin formulierten Reduktions­ziel wäre das Ozon­loch weitergewachsen.

Unsere Bemühungen waren nur deshalb erfolgreich, weil wir die Regulierungs­standards mit der Zeit immer weiter angehoben haben. Die Klima­politik ist heute in einer ähnlichen Situation – und das schon seit langem. Mit dem, was die Länder bisher zugesagt haben, steuern wir auf eine Erwärmung von 2,6 bis 2,9 Grad Celsius bis 2100 zu und sind damit weit entfernt vom Ziel der Vereinten Nationen, die Erderwärmung auf unter 2 Grad Celsius zu begrenzen. Wenn wir unser Ziel erreichen wollen, müssen wir mehr Ehrgeiz entwickeln – und zwar schnell.

Es gibt zwischen den beiden Problemen allerdings auch wichtige Unterschiede. Beide sind zwar globale Heraus­forderungen, aber ihre Auswirkungen machen sich nicht überall auf der Welt in gleichem Masse bemerkbar.

Die Ausdünnung der Ozon­schicht ist in höheren Breiten­graden gravierender, weil die Luft dort kälter ist. Das ist einer der Gründe, warum Ozon­löcher sich gerade über der Antarktis und der Arktis bilden. Die reicheren Länder in Europa und Nord­amerika sind vom Ozon­abbau nicht nur in stärkerem Masse betroffen, sondern ihre Bevölkerung ist wegen ihrer Hautfarbe auch anfälliger für Gefahren wie Hautkrebs. Darum hatten die weltgrössten Produktions­länder ozon­schädigender Stoffe eine starke Motivation, tätig zu werden.

Ein Leitartikel in der «New York Times» warnte 1986 für die kommenden Jahrzehnte vor Millionen von zusätzlichen Hautkrebs­fällen infolge des Ozonabbaus. Die Tatsache, dass die grössten Produzenten am meisten zu verlieren hatten, wirkte vermutlich beschleunigend auf ihre Bemühungen um eine Problem­lösung.

Beim Klima­wandel liegen die Dinge anders: Diejenigen, die am stärksten von den Auswirkungen des Klima­wandels bedroht sind, zählen in der Regel zu den Ärmsten der Welt und haben nicht die Ressourcen, um sich auf diese Auswirkungen einzustellen. Am meisten darunter leiden ausgerechnet diejenigen, die am wenigsten zum Treibhausgas­ausstoss beitragen.

Ein weiterer grosser Unterschied zwischen der Schädigung der Ozon­schicht und dem Klimawandel: Die Ozon­ausdünnung war ein branchen­spezifisches Problem, während der Klima­wandel das gesamte Wirtschafts­system betrifft. Ersatz­lösungen für die Substanzen in unseren Kühlmitteln und Spraydosen zu finden, war viel leichter, als unsere gesamte Volks­wirtschaft umzumodeln. Wir brauchten nicht aufzuhören, unsere Lebens­mittel zu kühlen oder Deodorant zu versprühen. Wir mussten nur eine Möglichkeit finden, dies auf eine andere Weise zu tun.

Doch unser Leben, die Industrie, der Verkehr, Strom­quellen und Lebensmittel­systeme basieren allesamt auf CO2-emittierenden Brenn­stoffen. Viele dieser Infrastruktur­systeme haben eine jahrzehnte­lange Lebens­dauer. Unser Reise­verhalten, die Lebensmittel­produktion oder die Energie­gewinnung komplett umzustellen, gelingt nicht über Nacht.

Die gute Nachricht ist, dass kohlenstoff­arme Energie­träger derzeit deutlich billiger werden und es dadurch leichter werden dürfte, diese Energie­träger zur Standard­option zu machen. Doch die Systeme neu zu gestalten, die das Fundament für Volks­wirtschaften in der ganzen Welt bilden, wird mit Sicherheit keine so leichte Übung, wie die Gase auszuwechseln, die in unseren Kühl­schränken zum Einsatz kommen.

Auch wenn uns die Bewältigung des Klima­wandels vor grössere Schwierigkeiten stellen wird, lassen sich aus der Ozon-Erfolgs­geschichte wichtige Lehren ziehen. Wir sind fähig, reale globale Probleme in den Griff zu bekommen. Wir können jedes Land in diesen Prozess einbeziehen. Und wir sind, wenn die Zeit knapp wird, zu schnellem Handeln in der Lage.

Dass wir nur noch selten über die Ozon­schicht reden, ist vielleicht ein Beleg dafür, dass wir sie erfolgreich gerettet haben. Aber wir sollten uns auf unsere Fähigkeit besinnen, bei der Bewältigung solcher globalen Probleme an einem Strang zu ziehen. Das ist der Grund, warum es Sinn ergibt, immer wieder auf die Geschichte vom Ozon­loch zurück­zukommen und sie immer wieder aufleben zu lassen.

In einer früheren Version stand, dass UV-Strahlung als Katalysator fungiert. Wir haben die Stelle korrigiert. Vielen Dank für den Hinweis im Dialog.

Zur Autorin

Hannah Ritchie ist im Führungs­team von «Our World in Data», nachdem sie dort lange das Forschungs­team geleitet hat. Ritchie hat den Doktortitel in Atmosphären- und Erd­wissenschaften, als Autorin schreibt sie über Themen wie Land­wirtschaft, Energie und Umwelt.

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