Donnerstag, 10. November 2022
Ein Autor spricht über vieles, während die Uhr für das Artensterben läuft.
Vor einer Woche eröffnete Milo Rau seine Poetikvorlesung auf der Bühne des Schauspielhauses Zürich. Eine Uhr tickte im Hintergrund, er musste sich sputen. Alle sieben Minuten stirbt auf diesem Planeten eine Art aus – und wir: «Eine globale künstlerische Elite versammelt sich, um die Grenzen dessen auszutesten, was Theater heute sein kann»? Selbstverständlich war das von dem Theatermacher nicht nur zynisch gemeint. Er arbeitet seit Jahren an Projekten in Kriegs- und Krisengebieten, um den eiskalten Kräften der Gegenwart mikrokosmische Utopien entgegenzusetzen. Wie dieser von ihm sogenannte «Globale Realismus» geht und was es dafür konkret braucht, will er unter anderem heute Abend im Literaturhaus klären, wenn er seine zweite Poetikvorlesung hält. Wir sind gespannt!
Wir haben unsere Redaktion temporär um 16 Stellen ausgebaut. Am Zukunftstag erhielten wir Unterstützung von Kindern unserer Redaktoren und Verlegerinnen. Wie es sich für Nachwuchsjournalisten gehört, stellten sie viele Fragen. Und sie wünschten sich, dass wir mehr über Tiere schreiben:
Unsterblichkeit stand schon immer auf der Wunschliste der Menschheit, und da liegt es nahe, bei denen abzuschauen, die es können. Zum Beispiel der Quallenart Turritopsis dohrnii aus dem Mittelmeer. Bei ihr haben Forscherinnen besonders viele Gene entdeckt, die das Erbgut reparieren und die Zellen so besonders lange in Schuss halten. Ihre «Unsterblichkeit» ist aber eher ein Verwandlungstrick: Bevor Quallen zu diesen glibberigen Dingern aus dem Sommerurlaub werden, leben sie als Polypen am Meeresgrund. Aus ihnen entstehen die Medusen – die wir als Quallen kennen –, die sich fortpflanzen, neue Polypen hervorbringen und sterben. Die unsterbliche Quallenart aber hat anscheinend keine Lust auf Standard-Fortpflanzung mit Eierlegen, Männlein und Weiblein etc. Sie programmiert Zellen ihres Aussenschirms einfach um. Aus diesen Zellen wächst wieder ein neuer Polyp, und so beginnt ihr Leben von vorn. Also ungefähr so, als würde ein Baby am Finger wachsen. Klingt wie etwas, das sich eher nicht zum Abschauen eignet.
Von unseren Besucherinnen vorbereitet: Wir bleiben in der Tierwelt ...
Neben der Kernaufgabe eines Journalisten, Fragen zu stellen, haben sich die Besucherinnen der zweiten Kernaufgabe gewidmet: zu schreiben. Wir sind beeindruckt und hätten gerne noch viel mehr Beispiele publiziert. Hier einer der Texte:
Als ich letzte Woche in der Schule war, wollte ich gerade in die Pause gehen, als mir ein Mitschüler entgegenkam. Er fragte mich, ob ich für ihn eine Flasche öffnen kann, denn mit meinen Baumwolle-Händen gehe das sicher gut. Diese Aussage hat mich bis ins Knochenmark erschüttert. Ich lag am Abend noch lange in meinem Bett und überlegte, ob ich etwas dafür konnte.
Jemand, der sich mit diesem Thema gut auskennt, ist Noah Sow. Sie ist eine afrikanisch-deutsche Autorin, die sich sehr stark gegen Rassismus einsetzt, wie man auch im Zitat von ihr lesen kann: «Wir können nichts dafür, dass wir so viel rassistischen Unsinn beigebracht bekommen haben. Wir können ihn jetzt aber loswerden.»
Deswegen sage auch ich Nein zu Rassismus. Denn niemand kann
entscheiden, was für eine Hautfarbe oder Herkunft man hat.
Text von Cyrill, 13 Jahre
Und wir haben unsere Gäste gefragt, wie sie sich einen typischen Arbeitstag vorstellen würden, wären sie bei der Republik angestellt ...
Noch eine überraschende Wendung, die Hoffnung macht.
Der Name sagt Ihnen wahrscheinlich wenig: Coalbrookdale. So heisst ein Dorf im Mittelwesten Englands, 1709 wurde dort eine Giesserei eröffnet, die mit Steinkohle statt mit Holzkohle beheizt wurde. Mit Unternehmen wie diesen begann der Siegeszug der Industrialisierung, der bald viele Länder dieser Welt erfasste. Und die Korrelation lautete immer: mehr Wachstum, mehr Emissionen, gut 300 Jahre lang. Doch jetzt hat sich diese Hebelwirkung aufgelöst: In den vergangenen Jahren, so berichtet der «Economist», haben 33 Länder der Welt ihre Emissionen gesenkt und zugleich Wachstum verzeichnet, zum Beispiel China, Amerika, Australien und Israel. Wenn das mal keine gute Nachricht ist!
Unsere jungen Gäste hatten nicht nur Fragen, sondern auch eine Meinung zur Republik.
Kinder sind schamlos, heisst es. Also haben wir die jungen Besucherinnen, die heute am Zukunftstag das Rothaus unsicher machen, nach ihrer Meinung zur Republik gefragt. Eine Blattkritik, so heisst das im Journalistenjargon. Die jungen Kollegen waren aber eher höflich als schamlos. Die Beiträge seien «spannend geschrieben», «informativ» und «sehr schön gestaltet». Vielen Dank, das hören wir gern. Wobei: «Wenn man nichts darüber weiss, dann kommt man nicht draus.» Und Themenwünsche gibt es schon: mehr über Kinder, mehr über Tiere schreiben. Gut, dann ab an die Arbeit!
Wir bleiben im eigenen Kosmos. Denn wir freuen uns, dass das Medienmagazin «Schweizer Journalist:in» drei Kollegen der Republik zu den «Hidden Stars 2022» zählt. Spannend ist, wie die Prämierten überhaupt zur Republik fanden.
Jonas Studach aus dem Community-Support erlebte den vielleicht unbürokratischsten Anstellungsprozess ever. In Kürze war es so: Jonas kam im Januar 2018 zufällig im Rothaus vorbei, und es fehlte jemand, der das E-Mail-Postfach der Republik sortierte. Ob er ein paar Wochen aushelfen könne, fragten wir. Das war vor fünf Jahren. Kurze Zeit später, am 1. Februar 2018, begann Christian Andiel seinen ersten Arbeitstag als Produzent. Rückblickend dürfen wir uns glücklich schätzen, hat uns Christian nicht gleich wieder verlassen, denn sein erster Arbeitstag dauerte 20 Stunden. Last, but not least Softwareentwickler Patrick Venetz. Ihn zeichnet aus, dass er in 11 von 10 Fällen weiterhelfen kann. Wäre er nicht, wir würden unser digitales Magazin aus Verzweiflung auf Papier drucken. (Wobei: Ohne Patrick würde vermutlich auch unser zickiger Drucker nicht laufen.)
Ihre Crew der Republik
Republik AG
Sihlhallenstrasse 1
8004 Zürich
Schweiz