Dienstag, 1. November 2022

Guten Abend.

Kommenden Montag ist es so weit: Brian Keller, vormals bekannt als Jugend­straftäter «Carlos», wird aus dem Gefängnis entlassen.

Free Brian

Mehr als sechs­einhalb Jahre hat Brian Keller nonstop hinter Gittern verbracht, einen grossen Teil davon unter Haft­bedingungen, die von Experten als Folter bezeichnet werden. Brian, heute 27 Jahre alt, befindet sich in Sicherheits­haft – wegen Vorfällen, die alle im Gefängnis geschahen. Und die Brian mit den menschen­unwürdigen Haft­bedingungen erklärt. «Sie erwarten von mir ein menschliches Verhalten und behandeln mich wie ein Tier», sagte er im Gespräch mit der Republik. Nun hat das Zürcher Obergericht entschieden. Es bestehe die unmittelbare Gefahr von «Überhaft». Der Insasse sei auf freien Fuss zu setzen. Ohne Ersatz­massnahmen. Der Entscheid ist eine Watsche für die Staats­anwaltschaft, die nach wie vor eine drakonische Strafe für Brian Keller verlangt. Plus die Verwahrung.

Zwischen­frage: Wann sind Sie das letzte Mal geflogen – und wie fühlten Sie sich dabei? Für unsere Chefin vom Dienst ist diese Frage einfach zu beantworten.

Und täglich grüsst das Klima­gewissen

Nach langer Abstinenz trete ich mit Gewissens­bissen einen Kurzstrecken­flug an. Zürich–Berlin–Zürich, 1300 Kilometer Flug­strecke. Da wir zu dritt fliegen, macht das eine Tonne CO2. Autsch! Netterweise zitiert der «Spiegel» kürzlich eine Studie mit dem Tenor: Kurzstrecken­flüge sind besser als ihr Ruf. In Zahlen heisst das, Flüge unter 1000 Kilometern machen fast 60 Prozent der Abflüge aus. Sie sind aber «nur» für 18 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Magere 6 Prozent der Abflüge betreffen Reisen ab 4000 Kilometern, diese Langstrecken­flüge produzieren aber 47 Prozent der Emissionen. Erleichtern diese Zahlen mein Gewissen? Ehrlich gesagt: Nicht wirklich. Das nächste Mal lieber wieder Nachtzug.

Wo wir schon in Deutschland sind, liegt vielleicht auch Besuch in Hamburg drin. Konkret: im Penny-Markt an der Reeper­bahn. Was für Abenteuer einen dort erwarten, hat Spiegel TV zuerst 2007 in einer viral gegangenen Doku säuberlich aufgezeigt. Eine neue Folge reiht sich nun nahtlos in den Kult ein.

Party, Pech und Polizei bei Penny

Ein Mann versucht, eine Flasche Bacardi zu stibitzen, und wird erwischt. Die Polizei fährt ein: «Sprechen Sie Deutsch?» – «Ein bisschen», sagt der Mann. Der Polizist: «Sie sind Beschuldigter in einem Straf­verfahren. Ihnen wird Laden­diebstahl zur Last gelegt.»

Es ist die Fülle von solchen Szenen, die die Spiegel-TV-Doku über den Penny-Markt an der Reeperbahn zum Kult machten. Figuren wie der «Captain zur See», der nur «die ganz grossen Pötte» fährt, haben inzwischen Legenden­status.

Nach einer Episode im Lockdown hat das Filmteam nun erneut im Penny vorbeigeschaut. Und unter anderem einen Kunden getroffen, der, so erzählt er, das mit täglich 300’000 Euro entlöhnte Jobangebot, Putin zu ermorden, leider ausschlagen musste (die Verlobte ist schuld).

Wer viel hat, hat auch viel zu verlieren, pflegte der Vater ärgerlicher­weise zu sagen, wenn man sich zum Geburtstag die neuste Spiel­konsole wünschte. Bis einem irgendwann die Erkenntnis schwante: Vielleicht hatte der Alte doch recht.

Gesucht: 34 Milliarden

MacKenzie Scott ist reich. Sehr reich. Doch sie will ihr Geld nicht vermehren. Im Gegenteil: Nachdem sie sich 2019 von Amazon-Gründer Jeff Bezos hatte scheiden lassen, beschloss sie, ihren Anteil am Familien­vermögen möglichst sinnvoll loszuwerden. Und dabei keine Zeit zu verlieren. In drei Jahren spendete sie mehrere Milliarden an Hilfs­organisationen in den USA. Als die Republik im Sommer 2021 Scott porträtierte, besass sie 59 Milliarden Dollar. Inzwischen sind es nur noch 25 Milliarden. Wo sind die 34 Milliarden hin? Leider nicht zu Hilfs­organisationen. Das Geld hat sich in Luft aufgelöst, denn Scotts Vermögen basiert auf Amazon-Aktien, und die sind in den letzten Monaten an der Börse komplett abgeschmiert. Das ging dann doch schneller als gedacht.

Die Wette der zweitreichsten Frau der Welt

Das Porträt über MacKenzie Scott lesen Sie hier – dauert 13 Minuten.

Schönere Neuigkeiten gab es kürzlich aus dem Hause Republik: Sie können sich nun alle Magazin-Texte vorlesen lassen. (Das Journal zählt nicht dazu, wie Sie vielleicht schon gemerkt haben.) Das Votum eines Lesers dazu hat uns besonders gefreut:

Ich dachte nicht, dass ich das jemals nutzen werde. Ich habe mich geirrt.

Wir lesen uns später.

Ihre Crew der Republik