Auf zu alten Ufern

Die Abhängigkeit von China wird für Unternehmen zum Problem. Doch wie holt man die längst ausgelagerte Produktion zurück in die Schweiz?

Von Philipp Albrecht, Cornelia Eisenach (Text) und Juanjo Gasull (Illustration), 28.09.2022

Vorgelesen von Magdalena Neuhaus
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Wer bei den Schweizerischen Bundes­bahnen erstmals ein Abo abschliesst, hält normaler­weise innert Tagen einen Swiss Pass in den Händen. Doch derzeit müssen Abonnentinnen bis zu zwei Monate auf ihr rotes Kärtchen warten. Dessen Elektro­chip wird unter anderem in China gefertigt. Immer wieder müssen dort Fabriken vorüber­gehend schliessen, wenn wegen der Null-Covid-Politik von Xi Jinping Lockdown angesagt ist. Daher die Liefer­verzögerung.

Zu den Eng­pässen bei der Fertigung gesellen sich Staus in den Häfen und ein Mangel an Containern. Ob Schweizer S-Bahn-Fahrer, deutsche Autobauerinnen oder amerikanische Smartphone-Hersteller: Die Pandemie zeigt auf, wie sehr wir im sogenannten Westen von globalen Liefer­ketten abhängen. Und damit von China.

Diese Abhängigkeit erscheint seit dem Angriffs­krieg durch Russland auf die Ukraine in neuem Licht: Was, wenn China Taiwan angreift? Folgen dann das China-Embargo und der endgültige Zusammen­bruch der Liefer­ketten? «Ein Boykott des chinesischen Marktes würde unserer Wirtschaft massiv schaden», sagt Ökonom Stefan Legge, der an der Universität St. Gallen Handels­theorie lehrt.

Eine Strategie, um die Abhängigkeit zu reduzieren, besteht darin, die Lager auszubauen und mehr auf Vorrat zu halten. Doch das kostet. Oder aber, man stellt wieder mehr im Inland her – oder wenigstens in der Nähe.

Reshoring oder Near­shoring nennt man das. Fertigungs­schritte, die im Zuge der Globalisierung in ein fernes, typischer­weise asiatisches Land ausgelagert wurden, werden zurück­geholt. Dorthin, wo die Produkte entwickelt oder verkauft werden, oder in ein benachbartes Land.

Made in Switzerland

Besuch beim Koch­geschirr-Hersteller Kuhn Rikon. Das Zürcher Traditions­unternehmen hat die Willkür des Corona­virus in der eigenen Liefer­kette zu spüren bekommen, denn es produziert ebenfalls in China.

Doch das soll sich ändern. Den Anfang macht ein schwarzer Nylon-Braten­wender. Firmen­chef Tobias Gerfin schlägt mit ihm auf sein Stehpult. So viel Druck muss ein Küchen­helfer mindestens aushalten. Nach bestandenem Härte­test hält Gerfin ihn in die Luft: «Der wurde in der Vergangen­heit in China hergestellt. Dann haben wir ihn neu designt und lassen ihn jetzt in der Schweiz produzieren.»

Der stolze Name des Küchen­helfers lautet «Swiss Braten­wender». Er ist eines von sechs Teilen einer Produkt­linie, die Kuhn Rikon ab diesem Jahr vollständig in der Schweiz herstellen wird. Der Rückhol­aktion ging ein jahrelanger Prozess mit vielen Sitzungen, Telefonaten, Design-Präsentationen, Fabrik­besuchen und Handshakes voraus.

Kuhn Rikon hatte allerdings nie die gesamte Produktion ausgelagert. Bei der wichtigsten Produkt­gruppe produziert das KMU eh und je am Stamm­sitz in Rikon. In Gerfins Stehpult­büro ist das unüberhörbar: Seine Worte werden begleitet von dumpfen Schlägen aus dem Nachbar­gebäude, wo bis zu 50 Angestellte an schweren Maschinen aus runden Stahl- und Aluminium­platten Koch­töpfe formen.

Hier im Tösstal, rund zehn Kilometer vor Winterthur, werden die Premium-Töpfe hergestellt. Sie kriegen das Swiss-made-Label mit Schweizer­kreuz eingebrannt. Die in China hergestellte Ware muss mit dem Swiss-Design-Label und einer abstrakten Darstellung eines verschneiten Bergmassivs auskommen. Dafür kostet sie bis zu 50 Prozent weniger.

«Seit 2016 versuchen wir, Alternativen in Europa oder anderen asiatischen Ländern zu finden», sagt Gerfin. Daraus ist nun ein Versprechen gewachsen, das Gerfin nicht ohne Stolz verkündet: «Heute werden 50 Prozent unseres Umsatzes mit Produkten generiert, die in China produziert wurden. Bis 2030 wollen wir diesen Anteil halbieren.»

Heisst im Tages­geschäft: Die Firma überlegt sich bei jedem neuen Produkt und jeder Design­überarbeitung, wie man die Herstellung so nah wie möglich an die Schweiz zurück­holen kann.

Dabei geht es für die Firma vor allem darum, verlässliche Partnerinnen etwa in West- und Osteuropa zu finden. Schon heute arbeitet das Unternehmen mit Firmen in Italien, Spanien, Österreich und der Slowakei zusammen, aber eben nur in Teil­bereichen wie Verpackung, Griffe oder Keramik. Geht es um Pfannen und Töpfe, wird es schnell zu teuer.

Versteckte Kosten

Reshoring als Lösung klingt im ersten Moment gut. Im zweiten Moment klingt es kostspielig. Wenn die Produktion wegen hoher Kosten ins Ausland verlagert wurde, wie soll dann eine Rückkehr gelingen nach Europa oder in die Schweiz, wo die Löhne viel höher sind?

Das Ding ist: So günstig ist Offshoring gar nicht.

Zum einen, weil die Lohn­kosten in China gestiegen sind. So hat sich der Mindest­lohn in den letzten zehn Jahren dort fast verdoppelt. Unser Bild vom Produktions­land China sei veraltet, sagt Handels­ökonom Legge. «Viele der Investitionen, die wir heute noch in Liefer­ketten sehen, basieren auf der Annahme, dass China ein Zehntel bis ein Zwanzigstel der Lohn­kosten hat.» Mittler­weile lägen diese Kosten jedoch bei bis zu einem Drittel der Ansätze des hiesigen Marktes.

Zum anderen lässt sich eine Liefer­kette rund um den Globus mit einem Schnäppchen­kauf auf Ricardo vergleichen. Der Preis ist zwar unschlagbar. Doch dann muss man x-mal für den Abhol­termin hin- und her­simsen und das über­dimensionierte Möbel mit Müh und Not nach Hause schleppen. Um dort dann festzustellen, dass die Farbe in echt ganz anders aussieht als auf dem Foto.

Spätestens dann schwindet die Gewiss­heit, wirklich etwas gespart zu haben.

Übertragen auf eine globale Liefer­kette bedeutet das: Die Stück­kosten, also wie viel man durch­schnittlich für die Herstellung eines, sagen wir, T-Shirts bezahlt, sind nur ein Teil der Vollkosten­rechnung. Ausgaben für Zoll, Transport, Versicherung und Übersetzung treiben die Rechnung zusätzlich in die Höhe. Diese Zusatz­kosten seien in der Vergangenheit oft unterschätzt worden, wenn die Entscheidung für ein Out­sourcing gefällt wurde, sagt Suzanne de Treville, Professorin für Betriebs­führung an der Universität Lausanne.

Dazu kommen nur schwer zu beziffernde Kosten, zum Beispiel der Preis für das, was man als Know-how bezeichnen kann.

So werden zwar viele Produkte in westlichen Ländern entwickelt – Stichwort «Swiss Design». Doch werden im Produktions­prozess immer wieder kleine Anpassungen nötig, sodass allmählich auch das Wissen ausgelagert wird, wie man ein Produkt herstellt. Experten sind sich einig, dass die Entwicklung an den Ort der Produktion folgt, was bedeutet, dass Ideen für Neues auch dort entstehen – die Innovation wandert ab. Zum Beispiel entstehen 71 Prozent der amerikanischen Firmen­patente aus dem Herstellungs­prozess heraus.

«Darum bin ich froh, dass wir hier noch eine Produktion haben», sagt Kuhn-Rikon-Chef Tobias Gerfin. «Wir haben das Know-how für Stahl und Alu nicht ausgelagert, weil es sehr schwierig ist, das zurück­zuholen.»

Ein weiterer Punkt, der massive Kosten oder Umsatz­einbussen mit sich bringen kann, ist die Frage nach dem geistigen Eigentum. Chinesische Firmen machen immer wieder mit gestohlenen Geschäfts­geheimnissen und gefälschten Waren Schlagzeilen.

Auch bei Kuhn Rikon besteht die Gefahr, dass irgendwann eine Kopie des Swiss Designs inklusive gültigen Patents auf dem chinesischen Markt auftaucht und den Weg nach Europa findet: «Viele neue Patente werden auf Chinesisch gemacht, und wir bekommen sie gar nicht zu sehen. Wenn Sie als nichtchinesische Firma in China dagegen vorgehen wollen, können Sie sich das Geld genauso gut sparen. Es käme günstiger, auf das Produkt zu verzichten.»

Lieferkette am Limit

Neben diesen unterschiedlichen versteckten Kosten stehen die Firmen noch vor einer weiteren Heraus­forderung, die die Management­expertin Suzanne de Treville und ihr Team untersucht haben: Es geht um sogenannte «Mismatch»-Kosten. Diese treten besonders bei Saison­artikeln auf, wie zum Beispiel Garten­möbeln, Sonnen­brillen oder Ski­jacken, bei denen Turbulenzen in den Liefer­ketten massive Umsatz­einbussen zur Folge haben können.

Ein Beispiel: Eine Schweizer Herstellerin lässt Ski­jacken offshore, in einem asiatischen Land, nähen. Damit die Kleidungs­stücke es aber im Winter auf die Schweizer Pisten schaffen, müssen sie bereits im Herbst oder Sommer bestellt werden. Also dann, wenn noch gar nicht klar ist, ob es eine gute Ski­saison wird oder ob die Leute gerade im Lock­down sind.

Wegen dieser Unsicher­heit bestellen Unternehmen zu viel oder zu wenig, erklärt de Treville. So entstehen die «Mismatch»-Kosten. «Zu viel» bedeutet hohe Lager­kosten oder gar Artikel, die nicht mehr verkauft werden können. «Zu wenig» bedeutet Wettbewerbs­nachteil und weniger Profit.

De Treville und ihre Mitarbeiter haben einen Online-Rechner entwickelt, mit dem Unternehmen ermitteln können, wie viel billiger ein Anbieter in China wirklich sein muss, um all die versteckten, oben erwähnten Kosten auszugleichen. Der Preis­aufschlag, der durch die versteckten Kosten entsteht, könne fast 70 Prozent der ursprünglich angenommenen Herstellungs­kosten betragen, so de Treville.

Der Verkauf von Koch­töpfen ist zwar weniger saison­abhängig als der einer Ski­jacke. Dennoch kennt Kuhn Rikon die Kosten, die entstehen, wenn die Nach­frage schwankt. «Während des Lock­downs im Herbst 2020 blieben die Leute zu Hause und kochten», erzählt Firmen­chef Gerfin. «Es gab eine riesige Nachfrage, die Mengen waren so gewaltig, dass man sie in China nicht stemmen konnte. Es kam zu Liefer­engpässen, und der Transport ist kollabiert.»

Kurz­fristig blieb nichts anderes übrig, als abzuwarten. Aber mittel­fristig reagierte Gerfin so wie viele andere Konsumgüter­hersteller auch: Er erhöhte die Bestellungen und füllte das Lager bis unters Dach. Doch dann brach im Frühling 2022 die Nachfrage auf einmal zusammen, die Menschen gingen wieder raus, die Pfannen blieben verstaut. Die Detail­händlerinnen traten auf die Bremse, und Kuhn Rikon blieb auf der bestellten Ware sitzen. «Wir versuchten dann, Bestellungen zu stoppen, aber vieles war bereits unter­wegs. Und so wurde unser Lager immer voller.»

Auch jenseits von Corona können staatliche Inter­ventionen die Liefer­kette beeinträchtigen. Etwa wenn der CO2-Ausstoss einer Region zu hoch ist. Gerfin sagt: «Letzten Herbst wurde einer unserer Partner informiert, dass er nur noch an zwei Tagen Strom erhalte. Dann gingen die Liefer­fristen rauf, die Liefer­kette brach zusammen, Termine konnten nicht eingehalten werden.» Kein gesundes Geschäfts­modell hält das länger­fristig aus. «Würden wir mehr Near­shoring machen, würde das massiv helfen.»

Lösungen aus der Forschung

Ausgelagerte Produktion bringt also eine ganze Reihe von versteckten Kosten mit sich. Schon allein deswegen kann es sich für Unternehmen lohnen, ihre Fertigung zurück­zuholen. Die Schwierigkeit dabei: Mehr als 20 Prozent darf die Vollkosten­rechnung durch eine Veränderung der Liefer­kette nicht steigen. Das ist eine Faust­regel der produzierenden Industrie, die auch für Kuhn Rikon gilt. «Wir können nicht einfach auf 20 Prozent Marge verzichten», sagt Gerfin. «Praktisch jede Firma, die ich kenne, geht dann ins Minus.»

Dennoch liesse sich auch in einem Hochpreis­land wie der Schweiz profitabel produzieren.

Dabei spielt die Automatisierung eine grosse Rolle. So setzen viele Expertinnen darauf, dass neue Technologien Arbeits­schritte übernehmen. Beispiels­weise lassen sich Textilien inzwischen so behandeln, dass sie steif werden. Das ermöglicht es, sie mittels eines Näh­roboters zusammen­zunähen. Und es gibt 3-D-Drucker, die innerhalb kurzer Zeit Schuh­sohlen und Sport­schuhe fertigen.

Der Brot­aufstrich Ovomaltine beispiels­weise wurde bis 2016 in Belgien hergestellt. Eine neue Produktions­anlage baute die Firma dann aber nicht im zuerst favorisierten Polen, sondern im Schweizer Neuenegg. Die höheren Lohn­kosten waren kein Gegen­argument mehr, dank einer voll­automatisierten Produkt­linie.

Auch Suzanne de Treville und ihr Team haben ein Modell entwickelt, mit dem Firmen in einem Hochpreis­land wettbewerbs­fähig sein können. Es eignet sich für Produkte, bei denen die Nachfrage saison­bedingt schwankt und bei denen geringe Vorlauf­zeiten wichtig sind, also etwa für Mode­artikel.

De Treville schlägt vor, beispiels­weise eine Ski­jacke nicht als reines Produkt zu betrachten, sondern als Dienst­leistung, bei der eine individuelle Beratung, Material- und Farb­auswahl eingeschlossen sind. Dafür würden die Kunden mehr bezahlen als allein für die Jacke. Es wäre eine Investition ähnlich wie ein Besuch im Restaurant oder bei der Coiffeuse. Dieses teure Produkt muss auf Bestellung und sehr schnell hergestellt werden.

In dem Moment, wo keine Bestellung vorliegt, müssten die Arbeits­kräfte und Näh­maschinen aber trotzdem ausgelastet werden, damit der Betrieb profitabel ist. De Treville schlägt vor, in dieser Zeit eine zweite Art von Produkt herzu­stellen, etwa eine Jacke für Uniformen, deren Fertigung nicht zeitkritisch ist.

Durch die Kombination dieser beiden Produkt­typen kann der Betrieb, so berechnete es die Forscherin, sogar profitabler wirtschaften als mit einer ausgelagerten Produktion. Denn das teurere Produkt bezahlt für die nötigen Kapazitäten, und diese können ausserhalb von zeitkritischen Bestellungen dafür genutzt werden, preiswerte Produkte herzustellen, die mit jenen aus Niedriglohn­ländern konkurrieren können.

«Ich treffe sehr viele Leute aus Unternehmen, die das Prinzip verstehen und einsehen, dass sie mit ihrer ausgelagerten Produktion Geld verschenken», so de Treville. Bisher sei es vielen Managern schwer­gefallen, sich für ein Reshoring ihrer Produktion zu entscheiden. Ein so radikaler Perspektiven­wechsel, auch wenn er sich lohnen kann, ist anstrengend. Doch ein multi­nationales Unternehmen wage nun den Schritt, sagt die Forscherin. Es arbeite derzeit daran, die Methode vollständig umzusetzen.

Einzelfall oder Massen­phänomen?

Wieder im Inland herzustellen, wird für Firmen also immer interessanter. Das zeigt auch eine aktuelle Auswertung von Bloomberg, die ergab, dass Führungs­kräfte in den USA in Gewinn­mitteilungen und Präsentationen die Schlag­worte Onshoring, Reshoring oder Near­shoring Anfang 2022 achtmal so häufig verwendeten wie im gleichen Zeitraum des Jahres 2020. Auch würde, dem Bericht zufolge, in den USA in neue Produktions­anlagen investiert. Die Firma Intel zum Beispiel baut im US-Bundes­staat Arizona neue Chipfabriken.

Auf unserer Seite des Atlantiks gibt es sogar einen Rück­kehrer aus einer Branche, die für Off­shoring berüchtigt ist: Die Textil­firma C&A näht künftig Jeans in Mönchen­gladbach. Auch wenn der Anteil der Hosen aus Deutsch­land am welt­weiten Jeans­verkauf des Unter­nehmens vorerst minim ist: Es ist ein Anfang.

Wie genau das Zurück­holen in der Praxis aussieht, weiss Matthias Ehrat von der School of Management and Law an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Er hat Reshoring in verschiedenen Forschungs­projekten untersucht.

Dass in China die Produktion abgestellt und hierzu­lande angesiedelt werde, sei eher selten, sagt Ehrat. Das Rück­holen finde meistens dann statt, wenn für eine Firma sowieso gerade Investitionen anstünden. Etwa wenn es darum gehe, eine neue Generation eines Produktes herzu­stellen, oder darum, eine Verbesserung vorzunehmen. «In dem Fall wird heute eher lokal oder regional in Europa produziert.»

Es gibt zwar einige bekannte Unternehmen, die auf das Rück­holen setzen. Das sind jedoch vorerst Ausreisser. Reshoring, das bereits vor der Pandemie ein Thema war, aufgrund von Ereignissen wie der Finanz­krise, der Reaktor­katastrophe von Fukushima oder dem Franken­schock, bedeute nicht das Ende des Off­shoring und werde nicht alle Aktivitäten, die in den letzten Jahrzehnten ausgelagert wurden, zurück­bringen, heisst es in einer Studie der OECD aus dem Jahr 2016.

Eine Verkürzung der Liefer­ketten durch mehr Reshoring würde sich auch auf den Welt­handel auswirken, weil der Ort der Produktion näher am Ort des Verkaufs läge. So diagnostizierte der «Economist» bereits eine «Slowbalisation», und dass Handel vermehrt regional statt global stattfinden werde.

Die Ökonomen Stefan Legge und Piotr Lukaszuk sind dieser These nach­gegangen und haben 2021 für das World Economic Forum Handelsdaten unter­sucht. Sie wollten wissen, ob benach­barte Länder oder Länder auf dem­selben Kontinent in den letzten Jahren mehr Handel miteinander trieben als noch vor 20 Jahren. Das war, gemäss der Auswertung, nicht der Fall.

Zwar gibt es staatliche Förder­programme, die das Rück­holen der Industrie subventionieren – besonders bei kritischen Gütern wie Halb­leitern, so wie sie auch im Swiss Pass gebraucht werden. Doch ein Massen­phänomen ist Reshoring auch heute nicht.

Es wäre eine Illusion, zu glauben, dass sich die auf Frei­handel gepolte Welt innerhalb kürzester Zeit deglobalisiert. Und nicht für jedes Unternehmen, für jede Branche eignet sich das Rück­holen.

Dennoch zeigt sich, dass die alte Faust­regel «Produziere dort, wo es am billigsten ist» zu kurz greift. Die Widerstands­fähigkeit der Liefer­ketten ist wichtiger geworden. Innovative Konzepte aus der Wissen­schaft und neue Technologien können dazu beitragen, die Produktion hierzulande wieder rentabel zu machen. Und unabhängiger – sei es von der Willkür neuer Erreger oder unberechenbarer Autokraten.

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