Effizienz ist Trumpf
Die wirksamsten Energiespartipps sind manchmal nicht die offensichtlichsten. Oder anders formuliert: Was ist eine Heizungsumwälzpumpe?
Von Simon Schmid, 19.09.2022
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Diesen Winter droht die Energiekrise: Wegen des russischen Krieges gegen die Ukraine, aber auch aus weiteren Gründen (Atomkraftwerke stehen still oder werden abgeschaltet, ohne dass ausreichend Strom aus anderen Quellen bereitsteht). Es könnte in der Schweiz zu einer Mangellage kommen.
Deshalb hat der Bundesrat eine Kampagne gestartet: «Energie ist knapp. Verschwenden wir sie nicht.» Sie beinhaltet zahlreiche Stromspartipps.
Darunter zum Beispiel:
Kaffeemaschine nicht auf Stand-by lassen
Licht in unbenutzten Räumen löschen
Duschen statt baden
Wasserkocher statt Pfanne benutzen
Wäsche mit niedrigen Temperaturen waschen
Heizung runterdrehen (das bringt wirklich viel!)
Radiatoren frei halten
Geschirrspüler ganz füllen
Backofen nicht vorheizen
Kühlschrank weniger kalt einstellen
Bildschirmhelligkeit reduzieren
In den Medien werden weitere Ratschläge erteilt:
WLAN über Nacht ausschalten
Weniger oft staubsaugen
Wäsche aufhängen statt tumblern
Weniger oft Wäsche waschen
Essen auskühlen lassen und erst dann in den Kühlschrank stellen
Von Hand abwaschen
Und auch der Klassiker unter allen Spartipps wird wieder herumgereicht:
Eier kochen nach der Ogi-Methode
All diese Tipps zum Stromsparen sind sinnvoll. Doch ein Aspekt wird fast durchwegs unterschlagen: Es kommt nicht nur auf das Verhalten von Konsumenten an – sondern ebenso sehr auf die Technologie, die sie nutzen.
Sparen ist wichtig ...
Steht in Ihrem Keller eine uralte Kühltruhe, die womöglich Ihre Grosseltern schon benutzt haben?
Waschen Sie Ihre Kleider in einer Maschine, die noch kein Display hat, sondern nur altertümliche Knöpfe und Regler?
Wissen Sie nicht mehr genau, ob Sie Ihren Tumbler vor oder nach der Jahrtausendwende angeschafft haben?
Dann ist es höchste Zeit, sich Gedanken über einen Ersatz des betreffenden Geräts zu machen. Denn: Neue Haushaltsgeräte sind wesentlich effizienter als alte – sie verbrauchen dank einer besseren Technik weniger Energie.
Wie viel Strom sich damit einsparen lässt, geht aus Zahlen hervor, die der «verkaufszahlenbasierten Energieeffizienzanalyse von Elektrogeräten» zugrunde liegen – einem jährlichen Bericht des Bundesamts für Energie.
Dort steht zum Beispiel, wie sich die heutigen Wäschetrockner von früheren Modellen unterscheiden. Sie verbrauchen ungefähr zwei Drittel weniger Strom als noch vor 10 oder 20 Jahren. Grund dafür ist eine neue Konstruktionsweise: Die warme, feuchte Abluft wird nicht mehr einfach aus der Maschine herausgeblasen, sondern zuerst in eine Wärmepumpe geleitet, wo ein Teil der Energie zurückgehalten wird für eine erneute Nutzung.
Ähnliche Verbesserungen gab es bei anderen Haushaltsgeräten:
Neuere Geräte sind effizienter
Stromverbrauch nach Kaufdatum
kWh = Kilowattstunden. Jahresverbrauch eines durchschnittlichen Geräts in einem durchschnittlichen Haushalt. Quelle: Prognos.
Nicht nur «Weisswaren» – also Waschmaschinen oder Geschirrspüler – sind umweltfreundlicher geworden, sondern auch die Unterhaltungselektronik. Fernseher, PCs, Notebooks, Bildschirme, Drucker, Beamer: All diese Geräte verbrauchen heute deutlich weniger Strom als noch vor 20 Jahren.
Das bedeutet natürlich nicht, dass Sie sofort den Laptop ersetzen sollten, den Sie vor zwei Jahren gekauft haben und der vermutlich noch tipptopp funktioniert. Doch es unterstreicht, dass es beim Energiesparen eben nicht nur um Dutzende von kleinen Verhaltensregeln geht, die man sich im Alltag immer wieder von neuem zu Herzen nehmen muss – den Ofen 10 Minuten vor Ende der Backzeit ausschalten –, sondern auch um Investitionen, die man vornimmt und mit denen man einen länger anhaltenden Effekt erzielt.
... Aufrüsten ebenso
Diese Investitionen sind vor allem auf lange Sicht wichtig. Denn der Schweizer Stromverbrauch wird weiter wachsen. Verantwortlich dafür ist primär die Mobilität. Für den Klimaschutz müssen Benzin- und Dieselautos verschwinden zugunsten der Elektromobilität. Das führt dazu, dass 2050 im Verkehr rund siebenmal mehr Strom gebraucht werden wird als heute.
Ein Teil dieses Wachstums muss durch Effizienz kompensiert werden – und zwar nicht nur in der Mobilität, sondern überall, wo Strom gebraucht wird.
Beispielsweise durch den Einsatz von sparsameren Leuchtmitteln. Hier geht es vor allem um LEDs: Sie verbrauchen laut Angaben des Bundesamts für Energie bei gleicher Lichtstärke 95 Prozent weniger Strom als Glühbirnen, 80 Prozent weniger Strom als Halogenlampen, 50 Prozent weniger Strom als Energiesparlampen und 30 Prozent weniger Strom als Leuchtstoffröhren.
Bevor Sie also abends im Halbdunkeln sitzen und sich über den russischen Präsidenten Wladimir Putin, die Schweizer Energieministerin Simonetta Sommaruga oder über die Welt ganz im Allgemeinen aufregen: Rüsten Sie besser die Lampen in Ihrer Wohnung nach – mit sparsamen LEDs.
Oder – und dazu bietet die Kampagne des Bundes leider kein vorgefertigtes Material – schreiben Sie Ihrer Vermieterin einen Brief und bitten Sie freundlich darum, das ganze Gebäude auf Möglichkeiten zur Verbesserung der Energieeffizienz hin abzuklappern (mit finanziellem Vorteil für Sie: der Vermieter zahlt die Investitionen, Sie erhalten die tiefere Stromrechnung).
Dabei geht es um Massnahmen wie besser isolierte Fassaden und Dächer, um dreifach verglaste Fenster (spart Heizenergie), um bessere Belüftungsanlagen (spart ebenfalls Heizenergie) oder – als Beitrag zur Stromproduktion – um die Installation von Solarkollektoren. Und es geht auch um Dinge, von denen Sie vielleicht noch nie etwas gehört haben, wie zum Beispiel Umwälzpumpen.
Das sind unscheinbare Geräte, so um die 20 Zentimeter gross, die bei Ihnen im Heizungsraum montiert sind. Sie sehen aus wie Elektromotoren, und das ist kein Zufall, denn im Wesentlichen sind sie genau das: ein Antrieb, der warmes Wasser vom Keller ins Wohnzimmer und wieder zurück pumpt.
Diese Pumpen können gut und gerne drei bis vier Jahrzehnte lang tadellos funktionieren. Trotzdem kann es Sinn ergeben, sie vor Ende der Lebensdauer zu ersetzen. Denn moderne Umwälzpumpen verfügen über einen anderen Motorentyp (für die Nerds unter Ihnen: einen Permanentmagnet-Motor), arbeiten intelligenter (das heisst: sie pumpen nur dann, wenn es wirklich nötig ist) und verbrauchen deshalb rund drei Viertel weniger Strom als alte.
Bekäme jedes Gebäude in der Schweiz eine neue Umwälzpumpe – der Einbau ist eine Sache von wenigen Stunden –, liesse sich jedes Jahr eine Menge an Strom einsparen, die über den Daumen gepeilt gut zwei Drittel der Produktion des inzwischen stillgelegten Kernkraftwerks Mühleberg entspricht.
Achtung, Rebound
Investitionen zugunsten der Energieeffizienz können einen Beitrag zur Entschärfung der aufziehenden Krise leisten. Ganz abgesehen davon, dass sie sowieso zwingend sind, wenn die Schweiz ihre Klimaziele erreichen will.
Aber aufgepasst: Effiziente Technologien sind kein Ersatz für ein sparsames Verhalten. Denn sie bringen auch problematische Anreize mit sich. Werden etwa Wäschetrockner effizienter und somit im Gebrauch billiger, so kann das dazu führen, dass die Leute mehr Wäschetrockner kaufen und diese Geräte auch öfter laufen lassen, statt ihre Wäsche an der Leine aufzuhängen.
Dieser sogenannte Rebound-Effekt könnte – nebst dem höheren Wohlstand und dem Wachstum der Bevölkerung, die seit der Jahrtausendwende in der Schweiz um fast 20 Prozent zugenommen hat – dafür verantwortlich sein, dass heute ungefähr doppelt so viele Tumbler in Betrieb sind wie vor 20 Jahren: 2,2 Millionen. Das entspricht etwa einem Wäschetrockner auf 4 Einwohnerinnen statt wie früher auf 7 Einwohner.
Und er könnte – nebst der Tatsache, dass Tumbler zunehmend voluminöser geworden sind – auch der Grund dafür sein, dass die Schweizer Bevölkerung heute rund ein Viertel mehr Strom zum Wäschetrocknen verbraucht als vor 20 Jahren, obwohl die Geräte heute um 40 Prozent effizienter sind.
Ein Teil der Effizienzgewinne geht verloren
Veränderung des Energieverbrauchs von 2002 bis 2020
Lesebeispiel: Waschmaschinen wurden 42 Prozent effizienter, zugleich stehen 47 Prozent mehr Geräte in Schweizer Haushalten. Insgesamt hat dies den Energieverbrauch um 14 Prozent verringert. Quelle: Bundesamt für Energie.
Dass der Mehrverbrauch einen Teil der Effizienzgewinne wegfrisst: Dieses Phänomen lässt sich auch bei der Elektronik beobachten. So brauchen zum Beispiel die heutigen Fernseher im Schnitt wieder mehr Strom als jene vor 5 Jahren – weil die Geräte ähnlich wie die Tumbler immer grösser werden.
Auch Beamer und Laptops sind über die vergangenen zwei Jahrzehnte zwar viel effizienter geworden. Aber gleichzeitig sind viel mehr dieser Geräte in Gebrauch, sodass insgesamt mehr Strom damit verbraucht wird. (Immerhin: Wenn ein neuer Laptop einen bestehenden Desktop-PC ersetzt, so spart das in der Gesamtbilanz der zwei Computertypen wiederum Strom.)
Die Existenz des Rebound-Effekts bedeutet nicht, dass man auf Investitionen zugunsten der Effizienz verzichten sollte. Aber sie ruft in Erinnerung, dass auch die effizienteste Technologie nicht zum Ziel führt (weniger Energie zu verbrauchen), wenn sie auf verschwenderische Art und Weise genutzt wird.
Und damit zu ein paar alternativen Spartipps.
Sie wollen wissen, ob Sie ein bestimmtes Haushaltsgerät ersetzen sollen? Informieren Sie sich bei Energie Schweiz.
Sie wollen wissen, welche Geräte die beste Energiebilanz haben? Vielleicht hilft die Website Top Ten weiter.
Sie wollen wissen, wie der Staat Sie bei energetischen Sanierungen unterstützt? Das Gebäudeprogramm gibt Auskunft.