Geschmacksache – Folge 31

Für den kleinen Hunger: Ein Donburi mit Pilzen, Zucchetti und Onsen-Ei.

Geschmacksache

Japanisches Fast Food für den TV-Abend

Unser Autor verirrte sich einst in den Shopping-Labyrinthen Singapurs. Dass er überlebt hat, verdankt er einer Schüssel Reis. «Geschmacksache», Folge 31.

Von Michael Rüegg (Text) und Lilli Persson (Bild), 11.05.2022

Synthetische Stimme
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Seit nicht allzu langer Zeit ist bekannt, dass Bäume miteinander kommunizieren. Tief unter der Erde der Wälder existieren Netz­werke von Wurzeln und Pilzen, über die Informationen hin- und hergeschickt werden. Viel darüber weiss ich nicht, ich habe das eine oder andere Mal davon gelesen. Ich stelle mir ein solches Netz­werk etwa so vor wie das Underground-Shopping in Singapur.

Dort, also in Singapur, hielt ich mich vor vielen Jahren ein paar Wochen lang auf. Ich bin mir nicht mehr sicher, was ich in dem Stadt­staat eigentlich wollte. Nützlich machte ich mich nur einmal, als ich der Regisseurin einer Inszenierung des Musicals «Cabaret» Nachhilfe in korrektem Nazi­deutsch gab. In dem Stück kommen Nazis vor, die auf der Bühne rumschreien. Und das sollte einiger­massen authentisch klingen. Nun bin ich kein Experte in Nazi­deutsch, aber als Europäer steht man halt im Verdacht, über diese Dinge Bescheid zu wissen.

Die traditionelle Einkaufs­meile von Singapur ist die Orchard Road. Ihr entlang verläuft eine U-Bahn. Man kann an irgendeiner Halte­stelle aussteigen und über Roll­treppen nach oben an die nicht sonderlich frische Luft gelangen. Man kann aber auch einfach mal aus dem Waggon aussteigen und unterirdisch weiter­latschen. Irgendwann erkennt man, dass die U-Bahn-Halte­stellen alle über so etwas verbunden sind, was man in Zürich Shopville nennen würde.

Man latscht und latscht und latscht sich einen Wolf. Alles unter­irdisch. Alle etwa zwölf Minuten wiederholt sich ein Gross­teil der Geschäfte und Restaurants. Daran angeschlossen sind wiederum die grossen Einkaufs­zentren beidseits der Strasse, deren Unter­geschosse auch wieder nahtlos ineinander übergehen.

Auf diese Weise könnte man problemlos ein ganzes Wochen­ende in Singapur verbringen, ohne je das Tages­licht zu erblicken. Gelegentlich taucht ein Food-Schuppen mit dem Namen Yoshinoya auf, ein uralter japanischer Fast-Food-Konzern. Spezialisiert auf rice bowls, also «irgendwas auf Reis». Das Ganze nennt sich Donburi, was wörtlich übersetzt einfach «Schüssel» heisst. Wann immer mich ein kleiner Hunger heimsuchte, steuerte ich einfach den nächsten Yoshinoya an und genehmigte mir für dreimal kein Geld ein Gyūdon mit Miso­suppe: Dünn geschnittenes Rind­fleisch, das in einer Art suppiger Sauce gekocht wird, auf japanischem Reis.

Ich glaube, es gibt jetzt auch in Zürich einen Donburi-Laden. Aber dort kostet eine Portion ein asiatisches Tages­einkommen.

Gelegentlich mache ich für mich Gyūdon. Das ist recht einfach. Ich habe hier jedoch einer vegetarischen Variante den Vorzug gegeben. Wer lieber Rind­fleisch mag, kauft ein Steak, legt es mindestens eine halbe Stunde ins Gefrier­fach und schneidet es danach in so dünne Scheiben wie nur irgendwie möglich. Hier aber nun ein Donburi mit Pilzen und Zucchetti. Es soll Fast Food bleiben, also wunderbar für einen Netflix-Abend zu zweit.

Ein Hinweis: Die Zucchetti lassen sich auch durch Aubergine ersetzen. Und anstelle des frischen Ingwers wird im Original roter eingelegter Ingwer genommen. Ich mags aber gern mit frischem. Wer das zur Hand hat, gibt noch etwas Heu von getrockneten Algen oben­drauf.

Donburi mit Pilzen und Zucchetti

Zutaten (als TV-Dinner für 2 Personen): 2 frische Eier, 2 Kaffee­tassen Reis, 3–4 rote Zwiebeln, etwas Pflanzenöl, 2 Knoblauch­zehen, Sake, Mirin, Soja­sauce, (vegane) Austern­sauce, 1–2 TL Zucker, 300 g Austern­pilze (Pleurotus), 1 grosse oder zwei kleine Zucchetti, ein Stück Ingwer, 3–4 Frühlings­zwiebeln, weisser Sesam

  • Für die Onsen-Eier (sofern man kein Sous-vide-Gerät besitzt) einen kleinen Topf auf die kleinste Herdplatte stellen und auf der tiefsten Stufe einschalten. Im Wasser­kocher 5 Deziliter Wasser aufkochen, in den Topf giessen. Eier direkt aus dem Kühl­schrank ins Wasser legen. Nach ca. 10 Minuten Herd auf die zweite Stufe stellen. (Falls vorhanden, ein Koch­thermometer ins Wasser geben, denn dieses sollte um die 65 Grad haben. Allenfalls Herd gelegentlich rauf- oder runterdrehen.) Eier eine Stunde drin lassen.

  • Derweil den Reis zusammen mit ca. 2,6 Tassen kaltem Wasser in einen kleinen Topf geben und 30 Minuten stehen lassen. Während­dessen eine Episode einer Netflix-Serie Ihrer Wahl schauen. Danach Herd einschalten und Reis und Wasser bei geschlossenem Deckel aufkochen. Kurz bevor der Siede­punkt erreicht ist, Deckel kurz wegnehmen, sonst folgt eine Eruption. Herd auf kleinere Hitze runter­drehen und Deckel wieder auf den Topf setzen. 10 Minuten kochen lassen. Danach Herd­platte ausschalten und den Reis bei geschlossenem Deckel gute 15 Minuten auf dem noch heissen Herd ruhen lassen.

  • Kurz bevor wir mit der Reis­kocherei beginnen, die Zwiebeln halbieren und der Länge nach blättrig schneiden. Mit etwas Pflanzenöl in einem Topf bei nicht ganz so hoher Hitze langsam anschwitzen. Knoblauch sehr fein schneiden und nach 5–10 Minuten zu den Zwiebeln geben. Kurz mitschwitzen lassen, dann mit 3–4 EL Wasser ablöschen.

  • Nun folgt der Rest der Zutaten. Wie viel wovon, das hängt von Geschmack und Gefühl ab. Und davon, wie salzig die Soja­sauce ist. Falls es sich um eine mildere handelt, darf mehr davon hinein. Ich würde mal anfangen mit je 3 EL Sake, Mirin, Sojasauce und Austernsauce. Dazu den ersten TL Zucker und allenfalls noch einmal 1–2 EL Wasser. Bei kleiner Hitze mit den Zwiebeln ein paar Minuten ziehen lassen. Danach mit den Zutaten nach Belieben weiter­fahren. Es sollte eine intensive Sauce/Brühe entstehen mit viel Umami, wenig Säure, etwas Süsse, vielleicht einen Touch zu salzig, um nur sie allein zu geniessen. In der Pfanne macht die Flüssigkeit nicht mehr als 1–2 Zentimeter aus.

  • Wenn die Brühe genehm ist und die Zwiebeln ein bisschen darin geköchelt haben, die fein geschnittenen Pilze zugeben, 2 Minuten weiter­köcheln. Inzwischen die Zucchetti der Länge nach halbieren und in dünne Halb­möndchen schneiden. In den Topf geben und bei geschlossenem Deckel 5 Minuten bei geringer Hitze köcheln lassen.

  • Etwas Pfeffer hinein und bei Bedarf mit Sojasauce etc. justieren; falls zu salzig, ein wenig Wasser oder Sake beigeben. Noch einmal 5 Minuten auf geringer Flamme ziehen lassen.

  • Nun ein arbeiter­daumen­grosses Stück Ingwer in sehr feine Streifen schneiden, die Frühlings­zwiebeln in dünne Rädchen (nur die weissen und hellgrünen Teile).

  • Den Reis in zwei Schüsseln verteilen, das Pilz-Zucchetti-Zeug darüber­geben. Etwas Sesam, den Ingwer und die Frühlings­zwiebeln drauf verteilen und zum Schluss je ein Onsen-Ei in der Mitte aufschlagen.

Die Getränkewahl

Zum TV-Dinner gehört Bier. Schön, wenn man japanisches findet. Wers nobler will, trinkt Sake und dazu japanischen Tee. Alkohol­frei wäre Tee ohne Sake angesagt. Wenns doch Wein sein soll, dann ein glasklarer trockener Riesling aus deutschen Landen.

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