«Verlorene Covid-Generation» – so nennt Unicef die Kinder, die wegen der Pandemie nicht zur Schule gehen konnten.

Zukunft im Lockdown

Schul­schliessungen und Fern­unterricht – damit bekämpfte auch Peru die Pandemie. Jetzt, nach fast zwei Jahren, gehen im Land die Schulen wieder auf. Und wird der Schaden sichtbar.

Eine Reportage von Monique Misteli (Text) und Florence Goupil (Bilder), 17.03.2022

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Mitten in der Pandemie, im November 2021, steht der Schul­direktor Joseito Castro in seinem Büro am offenen Fenster und blickt auf den Pausen­hof. Es ist still da draussen. So still, dass man sogar das Hupen der Autos, das Quietschen der Zuggleise der Metro und das Feilschen um den besten Markt­preis der Strassen­händler hört. «Diese Stille darf es nicht mehr geben», sagt Castro.

An diesem Mittwoch­morgen durchdringen erste Sonnen­strahlen die staub­verhangene Luft. Es ist zehn Uhr. Eigentlich sollten jetzt Schüler über den Pausen­hof des Colegio Nicolas Copernico rennen, spielen, sich zanken, sich versöhnen. Sollten. Doch seit über 600 Tagen ist der Platz leer. Das sind bald zwei ganze Schul­jahre ohne Freundinnen, Diskussionen im Klassen­zimmer, einen sicheren Aufenthalts­ort, während die Eltern arbeiten.

«Die dachten, das sei in 15 Tagen vorbei»

Castro wendet sich vom Fenster ab, setzt sich in seinen Leder­stuhl. Hinter dem massiven Holztisch, auf dem sich Akten­mappen und lose Papier­berge türmen, scheint der 58-Jährige noch zierlicher. Unter dem Kragen seines Kurzarm­hemds lugt eine silberne Christus-Kette hervor. Das markante Brillen­gestell und zwei Schutz­masken verdecken sein Gesicht. Castro sorgt sich, wann die Kinder wieder an die Schulen zurück­kehren dürfen. «Die dachten ja auch, das Ganze sei in 15 Tagen wieder vorbei», sagt er.

Mit «die» meint der Schul­direktor die peruanische Regierung. Kurz nachdem der erste Corona-Infizierte registriert worden war, rief der damalige Präsident Martín Vizcarra am 15. März 2020 kurzerhand den nationalen Notstand aus. Das öffentliche Leben stand abrupt still. Geschlossene Landes­grenzen, striktes Zuhause­bleiben und nächtliche Ausgangs­sperren für 33 Millionen Peruaner. Sämtliche Märkte, Kirchen, Ämter, Restaurants, Museen, Bildungs­institutionen blieben zu. Einzig Spitäler, Banken, Lebens­mittel­läden und Apotheken durften offen bleiben.

Joseito Castro, Leiter des Colegio Nicolas Copernico in Lima, musste von einem Tag auf den anderen improvisieren.

In Lima, dem Wirtschafts- und Ballungs­zentrum, galten noch strengere Massnahmen. Einen anderen Stadt­bezirk zu besuchen, war verboten, wollte man das Zuhause verlassen, musste man online eine Bewilligung beantragen. Das Militär und die National­garde patrouillierten durch die Strassen. Wer keine Erlaubnis vorzeigen konnte, wurde abgeführt.

Das Colegio Nicolas Copernico liegt an einem Haupt­verkehrs­knotenpunkt in San Juan de Lurigancho, dem bevölkerungs­reichsten der insgesamt 43 Stadt­bezirke von Lima. Während der Stoss­zeiten verstopfen Autos, Minibusse, Lastwagen und Motor­räder die sechs­spurige Haupt­strasse vor dem Schultor. Die Metro rattert über mächtige Beton­pfeiler. An den Strassen­ständen um die Ecke gibts allerlei zu kaufen. Glace, Akku­ladekabel, Hühner, Unter­wäsche.

Eine Ziegelstein­mauer mit Stachel­draht schirmt das Colegio von der Stadt ab. Drinnen säumen mehrstöckige, blau bemalte Beton­bauten den Pausen­hof. Im hinteren Teil des Geländes liegen der gedeckte Sport­platz mit Basketball­körben und Fussball­toren ohne Netze, rostige Fitness­geräte, der Garten, die Schul­küche, die Chemie- und Physik­labore. Mit funktionierenden Toiletten, Anschluss an das städtische Wasser- und Elektrizitäts­netz ist das Colegio eine der besser ausgestatteten der insgesamt rund 2000 öffentlichen Schulen in Lima.

1800 Schülerinnen zwischen 12 und 17 Jahren würden im Colegio normaler­weise in zwei Schichten unterrichtet: morgens von 7.30 bis 13 Uhr, nachmittags von 13.10 bis 18.40 Uhr. Seit die Schule geschlossen wurde, sind es noch vier Stunden Online-Unterricht. Die restliche Zeit ist Selbst­studium.

Hin und her über Whatsapp

«Darauf waren wir nicht vorbereitet», sagt Castro. Nebst der Sorge, wie die Schüler unterrichtet werden sollen, war die Angst vor dem Virus gross. Zudem hätten sich viele Lehrerinnen um ihre Existenz gesorgt, hätten nicht gewusst, ob der Staat den Lohn noch zahlen würde, erzählt der Schuldirektor.

Die ersten paar Wochen improvisierten die Lehrer den Unterricht über Whatsapp und Facebook. Die Aufgaben sendeten sie als Text- oder Audio­datei. Im Gegenzug fotografierten die Schülerinnen ihre Lösungen ab und schickten sie zur Korrektur zurück an die Lehrer. Deren Speicher­platz füllte sich rasch, unkorrigierte Dokumente wurden versehentlich gelöscht, der Frust war gross. «Die ersten drei Monate waren Chaos pur», sagt Castro.

Das Colegio Nicolas Copernico hat auf Fernunterricht umgestellt, doch nicht alle Familien können sich Geräte und Internetzugang leisten.
In den Klassenzimmern sammelt sich Staub an.

Als im Juni 2020 die strenge Quarantäne abermals verlängert wurde, entschied der Schul­direktor, den Unterricht fortan in virtuellen Klassen­zimmern der Plattform «Google Meet» zu organisieren. Das vereinfachte vieles. Nur: Längst nicht alle Schüler haben Zugang zu einem Laptop, Tablet oder Smart­phone oder genügend Geld, um ausreichend Megabytes für den Unterricht zu kaufen.

Die Schule finanziert sich aus Staats­geldern und wenigen Privat­spenden. Diese Mittel reichen knapp für den Unterhalt, den Schülern auch noch Geräte und Internet­zugang anzubieten, war nicht möglich. Doch, so betont Castro: «Computer und Megabytes sind seit der Pandemie kein Luxus, sondern Notwendigkeit.»

Zwar lancierte das Bildungs­ministerium das nationale Online-Lern­programm «Aprendo en Casa» («Ich lerne zu Hause») und organisierte zusätzlich eine Million Tablets. Doch diese wurden vorwiegend in den ländlichen Gebieten des Landes verteilt. Die über zwei Millionen schul­pflichtigen Kinder von Lima gingen leer aus.

Nebenher noch Betreuungs­arbeit

Schülerinnen, die wegen fehlender Geräte oder zu wenig Daten­guthaben nicht am Fern­unterricht teilnehmen können, erlebt Victor Zapata jeden Tag. Der 59-Jährige unterrichtet Staats­kunde am Colegio Nicolas Copernico. Er ist seit über 30 Jahren Lehrer, hat an privaten und an staatlichen Schulen in ganz Peru unterrichtet. Nun sitzt er in einer Ecke seiner Dreizimmer­wohnung, wo er mit seiner Frau und seinen beiden erwachsenen Kindern lebt. Ein Wandregal trennt sein neues Klassen­zimmer vom Wohn­zimmer. Es ist eng. Der Laptop steht erhöht auf zwei Büchern und einer Schachtel auf dem schmalen Holzpult. Dessen Rückwand ist mit allerlei vollgestellt: Inka-Figuren, ein Jesus-Bild, Bücher, ein Mini­fussball­feld, Desinfektions­mittel.

Es ist Mittwoch, kurz vor Mittag. Zapata hält die peruanische Verfassung vor die Linse seiner Laptop­kamera, erklärt seiner Klasse den Unterschied zwischen einer öffentlichen und einer privaten Angelegenheit. Sein Bild­schirm bleibt meist schwarz.

Staats­kunde­lehrer Victor Zapata hat sich einen Arbeits­platz zu Hause eingerichtet.

Die Schüler haben ihre Kameras ausgeschaltet. Um Mega­bytes zu sparen. Damit er weiss, wer überhaupt anwesend ist, stellt er seinen Schülerinnen viele Fragen, fordert sie auf mitzumachen. Neben der Tastatur liegt sein wichtigstes Werkzeug. Sein Handy. Während der laufenden Lektionen kommuniziert er damit mit seinen Schülern.

Der Bildschirm leuchtet auf. Adriana entschuldigt sich per Kurz­nachricht. Ihr Internet sei langsam, sie könne nicht an der geplanten Gruppen­arbeit mitmachen. Zapata weiss aber von Adrianas Mitschülerinnen, dass sie nebenher auf ihre Geschwister aufpassen muss. Er hat Verständnis für seine Schülerin. Seit die Kinder von zu Hause aus Schule haben, betreuen viele ihre jüngeren Geschwister, den Onkel, die Oma oder die Nachbars­kinder, während die Eltern arbeiten. Diese Doppel­belastung sei für sie kaum zu meistern gewesen, man habe die vorgegebenen Schul­stunden reduzieren müssen, erzählt Zapata.

Im Vergleich zu den anderen Ländern Latein­amerikas ergriff Peru früh strenge Massnahmen. Bei 71 Infizierten und keinem Todes­fall ging der Anden­staat in einen Lockdown. Trotzdem wurde der Sauerstoff in den Spitälern zu rasch zu knapp, 29 Intensiv­betten pro Million Einwohner waren zu wenig. Heute zählt das Land fast dreieinhalb Millionen Infizierte und über 210’000 Verstorbene, das ist weltweit die höchste Sterblichkeits­rate in Relation zur Bevölkerungszahl.

Der Schock der ersten Pandemie­welle sitzt tief. Weil aber gut zwei Drittel der peruanischen Bevölkerung im informellen Sektor ihr Geld verdienen, wurden die strengen Massnahmen gelockert. Doch geschlossene Bildungs­institutionen gelten nach wie vor als eine der effizientesten Massnahmen, um das Ansteckungs­risiko so klein wie möglich zu halten.

Gewalt, psychische Probleme und Schwangerschaften

Wie sich die Corona­pandemie auf die Jungen auswirkte, interessierte lange niemanden, kritisiert das Uno-Kinder­hilfswerk Unicef. Dabei seien die Schul­schliessungen die schlimmste Krise für Kinder in der Region Latein­amerika und Karibik. Unicef nennt diese Kinder eine «verlorene Covid-Generation».

Besonders aufhorchen lassen Zahlen des peruanischen Gesundheits­ministeriums: Die Gewalt an Kindern und Jugendlichen sowie das Risiko für psychische Probleme haben im ersten Pandemie­jahr im Schnitt um die Hälfte zugenommen, die Zahl von Mädchen, die ungewollt schwanger wurden, um 12 Prozent. Ausserdem verringert sich das Lebens­einkommen der Schülerinnen, die von Schliessungen betroffen waren, um geschätzt fast 5 Prozent pro verlorenem Schul­jahr. Davon geht die Organisation für wirtschaftliche Zusammen­arbeit und Entwicklung (OECD) in einem aktuellen Bericht aus.

Grob gesagt sind peruanische Schüler bis heute um 10 Prozent ihres Lebens­einkommens gebracht worden. Schülerinnen aus ärmlichen Verhältnissen oder mit Lern­schwierigkeiten sind davon noch mehr betroffen. Gleiche Bildungs­chancen sind bedroht, die soziale Ungleichheit wächst.

Lehrer Zapata will so bald wie möglich wieder vor Ort unterrichten. Aber nur, wenn alle Sicherheits­massnahmen eingehalten werden können. Das heisst anderthalb Meter Abstand, das Tragen von Masken, fliessend Wasser und genügend Desinfektions­mittel. Fast jedem seiner Schüler sei ein Bekannter oder ein Familien­mitglied an Covid verstorben, erzählt der Lehrer und meint: «Schluss­endlich ist die Gesundheit immer noch wichtiger als offene Schulen.»

Die Kinder teilen ein Handy

Knapp 30 Kilometer südlich des Colegio Nicolas Copernico liegt Pamplona Alta. Es ist eines der unzähligen Quartiere, die von städtischer Armut betroffen sind und der Metropole ein Gesicht geben: einfache Holz­hütten, bedeckt mit einem Wellblech in die steinige Hügel­landschaft gebaut. Je höher man in das Viertel fährt, desto mehr verlaufen Teer­strassen in Sand­pisten, bis man nur noch zu Fuss weiter­kommt. Die Wasser­versorgung reicht nicht bis dorthin, alle zwei Wochen liefert ein Tank­wagen das Wasser.

Im Quartier Pamplona Alta sind die Menschen von Armut betroffen, die Schulen sind hier Hort, Lern- und Verpflegungs­stätte in einem.
Die 8-jährige Chandel erhält nur noch vier Stunden Unterricht pro Tag – und nur, wenn sie das Handy ihrer Mutter benutzen kann.

Chandel sitzt am Küchentisch, das Smart­phone ihrer Mutter an eine Plastik­flasche gelehnt. Auf dem Bildschirm eine kaum lesbare Powerpoint-Folie. Im Hintergrund läuft der Fernseher, der Grossvater schaut die Zusammen­fassung des Fussball­spiels vom Vorabend. Die 8-Jährige ist nur halbherzig bei der Sache. Chandel vermisst ihre Lehrerin: «Sie zeigte mir immer alles, das ist jetzt nicht mehr so.» Seit zwei Jahren hat sie ihre Lehrerin und ihre Freundinnen nicht mehr gesehen. Vor der Pandemie war sie von morgens um 7 bis nachmittags um 2 Uhr in der Schule. 15 Minuten Schul­weg zu Fuss. Seither sind es noch vier Stunden Unterricht pro Tag, von denen sie meist nur für zwei mitmachen kann. Danach braucht ihre 9-jährige Tante Kayra das Handy.

So wie Chandel und Kayra geht es vielen Kindern in den ärmeren Bezirken von Lima: Mehrere müssen sich das Mobil­telefon der Eltern teilen. Schlechter Empfang und wenig Daten­guthaben erschweren den Zugang zum Unterricht zusätzlich.

Durch die pandemie­bedingte Schul­schliessung wird Chandel etwa 10 Prozent ihres künftigen Lebens­einkommens verlieren.

Mayra Arbildo, die Mutter von Chandel, würde ganztags als Kleider­verkäuferin arbeiten. Seit die Mädchen nicht mehr in die Schule können, verdient sie nur noch nachmittags Geld. Die letzten zwei Jahre seien stressig gewesen, sagt die junge Mutter.

In Pamplona Alta ist die Schule Hort, Lern- und Verpflegungs­stätte in einem. Das fällt nun aus und belastet das Portemonnaie der Familie noch mehr. Für 10 Soles (2.50 Franken) reichen die Megabytes ungefähr drei Tage lang. Hinzu kommen die Haus­aufgaben, welche die Schüler per Whatsapp erhalten. Chandel und Kayra müssen sich diese von einer Nachbarin für ungefähr 50 Soles (12.50 Franken) ausdrucken lassen. Und das jede Woche. Das ist viel Geld für Familie Arbildo. Auch mit dem Verdienst von Mayras Mann, der Mechaniker ist, reicht es kaum. «An manchen Tagen müssen wir zwischen Essen und Internet­daten entscheiden», sagt die 28-Jährige.

Die Privat­schule liefert den neuen Laptop

Eine andere Realität lebt die 7-jährige Maria Gracia. Mit ihren Eltern und ihrer zwei Jahre jüngeren Schwester wohnt sie in einem Dreizimmer-Appartement im pittoresken Bezirk Miraflores. Hier gibt es hippe Cafés und Einkaufs­zentren, saubere Strassen, eine Strand­promenade mit Ausblick auf den Pazifik. Alles ist etwas teurer. Mieten, Bustickets, Bücher. Eine bezirks­eigene Sicherheits­einheit sorgt für Ordnung und den Schutz der Anwohnerinnen. In Miraflores gibt es viele private Schulen. So auch das christliche Colegio San Agustín, wo Maria Gracia seit März 2020 eingeschrieben ist.

Just zu Beginn ihres ersten Schul­jahres ist die Pandemie ausgebrochen. Da war Maria Gracia sechs Jahre alt und erhielt für den Fern­unterricht ihren ersten Laptop. Bezahlt vom Colegio San Agustín. Für Ivonne Espinosa war es bizarr, ihrer Tochter zu zeigen, wie ein Laptop funktioniert. «Kinder sollten so jung nicht schon so erwachsene Dinge tun», sagt sie.

Ivonne und ihr Mann haben beide eine Stelle beim Staat und arbeiten im Home­office. Eine Haus­hälterin hilft Maria Gracia bei den Haus­aufgaben und passt auf ihre Schwester auf. Der Staat habe die Schulen sich selbst überlassen, meint Ivonne. Sie ist froh, dass das Colegio San Agustín den Unterricht in Eigen­initiative gestaltete und nicht auf Hilfe der Regierung warten musste.

Lehrer und Schul­direktion organisierten sofort kinder­freundliche Lern- und Spiel­programme für den Fern­unterricht, statteten die Schule mit zusätzlichen Lavabos, Temperatur­messern und Desinfektionsmittel­spendern aus – in der Hoffnung, dass die Kinder so rasch wie möglich zurück­kehren. All dies war nur möglich, weil die Schule das nötige Geld hat. Dessen ist sich Ivonne bewusst. Die Privat­schule finanziert sich aus privaten Spenden und den Schul­geldern. Die Espinosas zahlen 1600 Soles (400 Franken) pro Monat für die Schul­bildung ihrer Tochter.

In Peru gilt im Grundsatz: Wer zahlt, hat Zugang zu besserer Bildung. Die staatlichen Investitionen in die öffentlichen Schulen bleiben überschaubar. Derzeit belaufen sich die Ausgaben auf 4,2 Prozent des Brutto­sozial­produkts – ein grösserer Anteil als die 3,1 Prozent, die OECD-Staaten im Schnitt aufwenden. Bei Pisa-Tests rangiert Peru auf den hinteren Rängen. Wer kann, schickt seine Kinder auf eine private Schule. Je nach Privat­schule variiert der Beitrag pro Kind und Monat zwischen 360 und 5000 Soles (90–1250 Franken). Das ist viel Geld bei einem durch­schnittlichen Monats­einkommen von 1500 Soles (375 Franken) und einer Geburten­rate von 2,2 Kindern. So besucht die Mehrheit der 7,8 Millionen schul­pflichtigen Kinder staatliche Schulen.

Warten auf eine gute Nachricht

Die Pandemie legt offen, was bereits lange unter der gesellschaftlichen Oberfläche brodelte: ein Schul­system, das soziale Ungleichheit fördert. Sinnbildlich dafür steht die Rückkehr an die Schulen.

Erst Ende Januar verkündete das Bildungs­ministerium, dass alle Schülerinnen im März zu Beginn des neuen Schul­jahres wieder an die Schulen zurück­kehren dürfen. Aber nur wenn alle Hygiene­regeln eingehalten werden können: Masken tragen, Temperatur messen beim Eingang, genug Desinfektions­mittel und eineinhalb Meter Abstand zwischen den Pulten.

Ein letzter Blick auf ein leeres Klassen­zimmer des Colegio Nicolas Copernico: «Diese Stille darf es nicht mehr geben», sagt Schulleiter Joseito Castro.

Die Schüler des Colegio Nicolas Copernico erhalten nun jede zweite Woche Präsenz­unterricht. Die restliche Zeit sind sie bis auf weiteres beim Lernen zu Hause auf sich selbst gestellt.

Anders ist es bei Maria Gracia im Bezirk Miraflores. Im neuen Schul­jahr lernt und spielt sie wieder jeden Tag mit ihren Freundinnen im Colegio San Agustín.

Während­dessen warten Chandel und Kayra in Pamplona Alta weiterhin auf eine Nachricht der Schule, ob und wann sie wieder ins Klassen­zimmer zurück­kehren dürfen. Spätestens am 28. März soll es laut den Behörden so weit sein.

Zur Autorin

Monique Misteli hat Betriebs­ökonomie an der Fach­hochschule Bern studiert. Die Reportage zu den Schul­schliessungen in Peru entstand als Abschluss­arbeit für die Diplom­ausbildung Journalismus am MAZ. Seit 2020 schreibt Misteli als Volontärin für die Konsumenten­zeitschriften «Saldo» und «K-Tipp».

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