Kanoniere in Glaspalästen

Bruno Hug, Philipp Gut und Peter Weigelt bekämpfen die Medienförderung. Sie sehen die unabhängige Presse und die Demokratie in Gefahr. Wer sie sind, was sie verbindet und was sie antreibt.

Von Elia Blülle, Anja Conzett (Text) und Elena Xausa (Illustration), 27.01.2022

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Die Abstimmung zur Medienförderung ist zum Spektakel geworden. Zum Spektakel einerseits, weil die Journalisten über ein Thema berichten müssen, das sie selbst peinlich betrifft: Der Bund sieht ein Massnahmen­paket vor, mit dem, befristet auf sieben Jahre, kostenpflichtige Print- und Onlinemedien mit maximal 151 Millionen Franken jährlich unterstützt würden.

Und anderseits, weil das Referendum, das zur Abstimmung geführt hat, nicht von einer Partei, einem Verband oder einer Organisation ergriffen wurde, sondern massgeblich von drei Männern: Bruno Hug, Philipp Gut und Peter Weigelt.

Wer sind die drei Herren, die sich als David in einem Kampf gegen den Goliath wähnen?

Politisch sind sie dem bürgerlichen bis rechten Spektrum zuzuordnen. Sie sind Profis zweifelsohne, mit und durch Medien reich und einflussreich geworden, ihre Lebensläufe illuster und kontrovers zugleich. Und sonst? Was führt sie zusammen? Was treibt sie an? Und was ist ihre Vision für den Journalismus?

Der Verlegerkönig von Rapperswil

Es ist Juni 2019, als Bruno Hug die erste Medienmitteilung gegen das Bundesgesetz über ein Massnahmenpaket zugunsten der Medien schreibt. Zu diesem Zeitpunkt ist die Vorlage erst auf halbem Weg ins Parlament. Der frisch von Hug gegründete Verband der Schweizer Online-Medien titelt: «Nicht Medien-Monopole, sondern die Medienvielfalt fördern!»

«Es kann doch nicht sein, dass man reichen Verlegern Steuergelder zuschaufelt», sagt er anderthalb Jahre später in der Pizzeria Dieci in Rapperswil. Hug ist Mitgründer und Teilhaber der Gastrokette, die ein schweizweites Pizza-Imperium aufgebaut hat. Hier, auf der Sonnenterrasse am Zürichsee, empfängt Verleger Hug häufig Gäste.

Einer von ihnen war Philipp Gut.

Philipp Gut war einst stellvertretender Chefredaktor der «Weltwoche». Im Sommer 2020 machte sich Gut nach seinem Abgang beim Magazin gerade mit einer PR- und Kommunikationsagentur selbständig. Er meldete sich deswegen bei Hug, den er von einem Medien-Apéro kannte. Hug fackelte nicht lange, sprach Gut auf das Mediengesetz an, das gerade erst im Ständerat angekommen war. Gut teilte Hugs Empörung.

Das gehe nicht, Medien müssten unabhängig sein, sagte der ehemalige Journalist Gut zu Hug. In der Folge beschliessen die beiden, die Entwicklung des Gesetzes im Auge zu behalten und parallel im Stillen ein Referendum vorzubereiten.

So erzählt es zumindest Bruno Hug.

Hug ist gelernter Tiefbauzeichner. Wegen der Folgen der Ölkrise Mitte der 1970er-Jahre musste er sich mit 22 Jahren einen neuen Job suchen und landete zufällig im Verlagswesen. Als Quereinsteiger. Dort legte er eine verblüffende Karriere hin: Er startete als Inserate­verkäufer beim Nord-Ost-Verlag in Wil SG und übernahm ein Jahr später die Führung des Kleinunternehmens. Mit 25 gründete er seine eigene erste Gratiszeitung, die «Uster Nachrichten». Später kamen weitere Titel dazu, darunter die Werbe- und Kommunikations­zeitschrift «Persönlich» und später persönlich.com, die er 2008 verkaufte. Unterdessen gehören sie Matthias Ackeret, der mit einem Blocher-Buch bekannt wurde und seither den SVP-Übervater wöchentlich für «Teleblocher» befragt.

Heute betreibt Hug mit seiner Firma Portal24 einen Verbund lokaler Onlinezeitungen. Auf seiner Plattform agieren 17 lokale Online­portale. Bekannt wurde Hug aber durch die «Obersee Nachrichten», eine Gratis­zeitung aus Rapperswil, die er Ende der 1990er-Jahre an den Somedia-Verlag verkaufte, wobei er die Rolle als Verleger und Chefredaktor bis 2018 beibehielt.

Die «Obersee Nachrichten» unter Hug waren ein einflussreiches Lokalblatt, das massgeblich die Fusion von Rapperswil und Jona vorantrieb. Hug sagt, er sei ein Vertreter des anwaltschaftlichen Journalismus. Für ihn gehöre die Empathie zu diesem Beruf. Er habe stets aus dieser Haltung heraus gehandelt.

«Verleger waren historisch immer kraftvolle Menschen», sagt er. «Aber wenn ich das vom Verlegerverband geschnürte Medienpaket anschaue, scheint mir, die dort einsitzenden Verleger könnten auch Konserven­dosen verkaufen, denn im neuen Mediengesetz geht es nur noch um Geld», sagt Hug. «Der Journalismus, dessen Aufgabe es auch ist, die Bürger vor Obrigkeiten und Ungerechtigkeiten zu schützen, scheint gewisse Verleger offenbar nur noch am Rande zu interessieren.»

2014 begann Hug in den «Obersee Nachrichten» mutmassliche Missstände bei der regionalen Kindes- und Erwachsenenschutz­behörde Kesb aufzudecken. Er schrieb eine Flut von Artikeln gegen die Kesb Linth, ihren Vorsteher und den Rapperswiler Stadtrat. Die Verwaltung zeigte Hug wegen Persönlichkeits­verletzung an, aber Hug ging noch weiter: Er kandidierte gegen den Amtsinhaber für das Amt des Stadt­präsidenten. Der parteilose (und nur von den Grünen unterstützte) Hug machte mit Abstand am meisten Stimmen, zog sich aber vor dem zweiten Wahlgang überraschend zurück – aus Rücksicht auf seine Familie, die unter dem Wahlkampf sehr gelitten habe, wie er sagt. Der amtierende Stadtpräsident, dem Hugs Gegenkandidatur galt, wurde im zweiten Wahlgang trotzdem nicht wiedergewählt.

2017 wurde Hug erstinstanzlich wegen Persönlichkeits­verletzung verurteilt, weil er die Kesb Linth und deren Präsidenten in der Öffentlichkeit diskreditiert habe. Somedia-Verleger Hanspeter Lebrument, dem Hug seine Zeitung Ende der Neunzigerjahre verkauft hatte, liess ihn fallen: Hug wurde quasi von seiner eigenen Zeitung gefeuert. Das Verfahren wegen Persönlichkeits­verletzung zog er als Privatperson weiter. Es ist bis heute hängig.

Das sei Schnee von gestern, es sei Lebruments gutes Recht gewesen, ihn zu entlassen, sagt Hug. Die Kampagne gegen das Medien­gesetz sei also kein Racheakt gegen den Südostschweizer Monopolverleger Lebrument und dessen Familie, deren Medien­unternehmen bereits heute beachtliche Beträge aus der Medienförderung bezieht. Die Presse müsse vom Staat unabhängig sein, sagt Hug. Noch störender sei für ihn, dass das geplante Gesetz die Medienmonopole wie jene der Grossverlage Somedia, Tamedia, CH Media oder Ringier zementiere und die Medienvielfalt behindere.

Herr Hug, Sie selbst haben zur Monopolisierung der Medien beigetragen, als Sie die «Obersee Nachrichten» an Somedia oder noch früher die «Uster Nachrichten» und die «Zürioberland Nachrichten» an den Verlag Huber in Frauenfeld verkauften.
Ja, das kann man so sehen. Ich wurde jeweils von den Grossverlagen Tamedia im Zürioberland oder von Somedia und den Zürichsee Medien am Obersee bedrängt. Dann bekam ich jeweils gute Angebote und griff zu. Aber ich bin danach wenigstens im Journalismus geblieben.

Gestern verkaufen, heute die Monopolisierung kritisieren. Finden Sie das konsequent?
(lange Pause) Ich schätze die freie Marktwirtschaft. Und bin überzeugt: Auch ohne staatliche Förderung kann man mit Journalismus Geld verdienen.

Sie sagen, Sie hätten mit Ihren Verlagen immer gut Geld verdient. Wie verdient man Geld im Journalismus?
Über die Leserschaft. So habe ich das immer gehalten. Aus der Leserschaft heraus können die nötigen Finanzquellen erschlossen werden. Das kann via Werbung, via Abonnenten, Genossenschafter oder Clubmitglieder geschehen. Je nach Geschäftsmodell. Ich persönlich glaube sogar, dass es nicht zielführend ist, sich nur über Leser zu finanzieren und nicht auch Einnahme­quellen über die Wirtschaft zu erschliessen.

Wie garantieren Sie, dass Ihre Lizenznehmer von Portal24 unabhängig und gemäss journalistischen Standards berichten?
Das kann ich nur schwer beeinflussen, ich stelle primär die technische Plattform zur Verfügung, die einzelnen Portale arbeiten redaktionell und verlegerisch selbstständig. Sicher ist, sie müssen ihre Leserschaft finden – und im lokalen Online geht das nur über eine gute journalistische Leistung.

Was ist unabhängiger Journalismus für Sie?
Ich habe mich immer für die Schwachen eingesetzt und hatte immer auch, das gebe ich zu, eine distanzierte Haltung zu den Regierungen und staatlichen Obrigkeiten.

Und zur Wirtschaft nicht?
In 40 Jahren habe ich praktisch keine Einflussnahme vonseiten der Wirtschaft auf unsere journalistische Arbeit erlebt, und dort, wo das zum Thema wurde, habe ich dies abgewehrt.

Kann man davon ausgehen, dass der Staat genauso wenig Einfluss nimmt?
Nein, kann man nicht.

Warum nicht?
Weil der Staat sein Geld nur verschenkt, aber keine Gegenleistung verlangt. Die Wirtschaft umgekehrt gibt für Inserate Geld aus und erwartet, dass diese platziert werden. Das ist ein legitimes, sauber abgegrenztes Geschäft. Aber wenn der Staat Geld ohne Leistungsauftrag verteilt, entsteht ein einseitig ungesundes Abhängigkeits­verhältnis. Kommt dazu, dass man beim Staat nie klar erkennt, welche Kräfte im Hintergrund wirken – im Gegensatz zur Wirtschaft, wo man genau weiss, mit wem man es zu tun hat.

Welche Kräfte wirken, wenn hinter Medien anonyme Geldgeber stecken? Wie bei «Die Ostschweiz», «Nebelspalter», «Die Weltwoche» – oder Ihrem Portal24?
Geldgeber gibt es in der gesamten Wirtschaft, das können Banken oder auch Private sein. Ich selbst lege jedenfalls offen, wo ich mein Geld anlege. Meine Geldgeber gebe ich ebenfalls bekannt – wen es interessiert, der kann mich anrufen.

Finden Sie Millionäre, die im Schatten der Anonymität Medien kaufen, demokratischer als staatliche Förderung?
Viel demokratischer, weil sie Geld investieren und dafür eine Rendite erwarten. Jeder, der etwas gibt, erwartet eine Gegenleistung – letztlich auch der Staat.

Warum glauben Sie, kaufen Millionäre und Milliardäre anonym Medien? Medien sind offenbar für viele reizvoll. Ob es um Macht und Einflussnahme geht, kann ich nicht beurteilen.

Warum werden die Financiers des Referendums nicht genannt?
Wir hatten ungefähr 50 Spender, die wir alle persönlich angegangen sind. Es ist ihr gutes Recht, sich nicht zu exponieren. Manche von ihnen kennen auch Verleger und Verleger­familien auf der Befürworter­seite, schätzen sie und möchten sie nicht öffentlich angreifen.

Wer die journalistische Abhängigkeit von der Wirtschaft kritisch hinterfragt, wird vom Rapperswiler Bruno Hug schnell als ideologisch bezeichnet. «Überhaupt», sagt er, «70 Prozent der Journalisten sind links­orientiert, was kein Problem ist, solange sie staatskritisch und generell möglichst ideologiefrei berichten.»

Das ist etwas, das die drei Männer im Referendums­komitee verbindet, etwas, das in den Gesprächen immer wieder auftaucht: die Überzeugung, dass die Journalisten einseitig und ideologisch seien.

Der Berufsoppositionelle

Selbstverständlich sind nur die anderen ideologisch, nicht sie selbst. Auch dann nicht, wenn sie sich als «Verfechter der freien Marktwirtschaft» bezeichnen, offen die SVP unterstützen oder an Corona­massnahmen-Protesten vor Tausenden das Wort ergreifen. So wie Philipp Gut.

Als Hug und Gut sich im Sommer 2020 fanden, kam gerade eine neue Bewegung auf, die durch die Pandemie befeuert dem Staat und auch den Medien grundsätzlich misstraute. Philipp Gut soll in dieser Zeit die «Freunde der Verfassung» kontaktiert haben, die angeblich heute 24’500 Mitglieder haben sollen. Er war bereits vor der Pandemie mit Mitgliedern des Vorstands freundschaftlich verbunden. Als die Bewegung Fahrt aufnimmt, berät er die politisch unerfahrenen Massnahmengegner. Philipp Gut platziert in ihrem Interesse exklusive Inhalte zur Bewegung bei diversen Medientiteln. So berichten es Personen aus dem Umfeld von Gut.

In der Öffentlichkeit suggerierten die «Freunde der Verfassung» früh, sie hätten von sich aus das Referendum gegen das Mediengesetz ergriffen. Im Mai vor einem Jahr sprachen sie in der Republik erstmals von ihrem Vorhaben. Doch die Fäden liefen bereits damals beim Verein «Nein zu staatlich finanzierten Medien» von Hug, Weigelt und Gut zusammen. Öffentlich in Erscheinung trat das Trio aber erst später: im Juni 2021.

Insgesamt beteiligten sich an der Unterschriften­sammlung letztlich knapp ein Dutzend kleinere und grössere Organisationen aus dem Umfeld der Corona-Proteste – etwa die Bewegung «Mass-voll!», das «Aktionsbündnis der Urkantone» oder das «Netzwerk Impfentscheid».

Weil das Komitee alle Unterschriften­bögen farblich codiert, kann es beziffern, wer wie viele Signaturen beigesteuert hat. Allein die «Freunde der Verfassung» sammelten rund 50’000. Weitere 10’000 lieferte das «Team Freiheit», eine Gruppe von libertären Jungpolitikern. Dank ihrer Petition gegen die Corona-Massnahmen verfügen die Libertären über eine gewaltige Adressdatenbank von Massnahmen­kritikerinnen. Gold für die Kampagne: Bei einer Viertelmillion Menschen kann die Gruppe das Referendum gegen das Mediengesetz bewerben.

Letztlich reichte das Komitee von Gut, Hug und Weigelt 113’000 Unterschriften bei der Bundeskanzlei ein – 63’000 mehr als nötig. Die breite Unterstützung zeigt, wie gut der Slogan «Staatsmedien Nein» bei den Massnahmengegnern ankam.

Die «Freunde der Verfassung» vergleichen die geplante Medienförderung auf ihrer Website mit Nordkorea. Eine Interview­anfrage der Republik im November lehnten sie ab: Man spreche nicht mehr mit Journalistinnen.

Philipp Gut erklärt, die «Freunde der Verfassung» seien eben geschädigt von der einseitigen «Mainstream­medien-Bericht­erstattung» und darum misstrauisch. Seine Mitstreiter sehen das ähnlich: Massnahmenkritische Stimmen seien kaum angehört worden, Fakten würden totgeschwiegen – Freiheits­trychler würden von den Medien kleingeredet, Frauenstreik und Klimaproteste aber hochgejubelt.

Neben den «Freunden der Verfassung» berät Philipp Gut mit seiner neuen PR-Agentur auch andere Politikakteure. Sein Geschäft läuft gut. Seit er die «Weltwoche» verlassen hat, erhält er Aufträge vom SVP-Generalsekretariat oder der FDP. Alle seine Mandate will Gut nicht offenlegen: «Ich gebe grundsätzlich keine Auskunft über meine Mandate, die Kunden haben selbstverständlich Anrecht auf Privatsphäre und Wahrung des Geschäfts­geheimnisses», sagt er. Trotz PR-Tätigkeit sieht sich Gut immer noch «zu 50 Prozent» als Journalist. Die Vermischung seiner Rollen ist für ihn kein Widerspruch.

Es sei seinem Ruf als hartnäckiger Rechercheur zu verdanken, dass er im Dezember an das Video von Ringier-CEO Marc Walder gelangte, der auf einem Management­podium gesagt hatte, er wolle die Regierungen in der Pandemie unterstützen, und seine Zuhörer um Verschwiegenheit bat. Am Silvester­abend publizierte Gut seinen Artikel zum «Geheimvideo» im «Nebelspalter».

Herr Gut, Sie sind Geschäftsführer des Referendums­komitees. Betreiben Sie mit dem Walder-Video negative campaigning oder Journalismus?
Journalismus mit Impact. Ich habe keine Privatdetektive angestellt, um an Informationen zu kommen. Wir saugen aber alle Informationen auf, die im Kontext des Referendums relevant sind.

Sie sind Journalist, PR-Berater und Geschäftsführer beim Referendums­komitee: Welcher Philipp Gut hat dieses Video publiziert?
In erster Linie der Journalist Philipp Gut. Das Video ist ja auch, eingebettet in einen ausführlichen Artikel, im «Nebelspalter» erschienen – und nicht auf der Website des Referendums­komitees.

Was Philipp Gut nicht sagt: Der gleiche Text erschien nicht nur beim «Nebelspalter», sondern auch auf der Website des Referendums­komitees und dem rechtsbürgerlichen Medienportal «Die Ostschweiz». Bereits einen halben Tag bevor Gut über das Video schrieb, war es auf dem Youtube-Kanal des Referendums­komitees zu sehen.

In welcher Rolle Gut tatsächlich über Walder berichtete, darüber ist sich selbst das Referendums­komitee nicht ganz einig: Als Journalist, sagt Gut. Als Geschäftsführer der Kampagne, sagt Peter Weigelt, Präsident des Komitees und Verleger des Portals «Die Ostschweiz», und er schiebt nach: «und als recherchierender Journalist im Teilzeitmandat beim ‹Nebelspalter›».

Weigelt ärgert sich, wenn nicht klar zu erkennen ist, dass ein Journalist einer Partei angehört – genauer, wenn dessen politische Haltung verschleiert werde. «Man darf eine politische Position haben, aber man muss sie transparent machen.» Allerdings deklariert weder Weigelts Portal noch der «Nebelspalter» die Funktion von Philipp Gut.

Im Fall von Gut sei das kein Problem, findet Weigelt. Denn von Gut wisse man ja grundsätzlich, wo er stehe.

Und wo steht Millionär Peter Weigelt, der jüngst der WOZ sagte, dass er innert einer Woche die Investoren zusammenhätte, um das «St. Galler Tagblatt» zu kaufen?

Der Mischler

Nachdem sich Hug und Gut im Sommer 2020 zusammengetan hatten, war ihnen schnell klar, dass sie einen Dritten benötigten: Jemanden, der sich auskennt in Bern. Am besten einen Medienpolitiker.

Der Casting­entscheid fiel auf Peter Weigelt: Er sass bis 2006 für die FDP im Nationalrat, engagierte sich dort in der Kommission für Verkehr und Fernmelde­wesen, ein Mann vom rechten FDP-Flügel, einer mit Einfluss, der einst Hans-Rudolf Merz die Wahl zum Bundesrat gesichert haben soll.

Weigelt wollte eigentlich nach seinem Rücktritt zum Wohl seiner Familie, seiner Geschäfte und der Damhirsche, die er züchtet, nicht mehr aufs Polit­parkett zurückkehren. In den Hügeln oberhalb St. Gallens lebt er auf einem majestätischen Landgut – «Freie Republik Schaugen» steht auf der Plakette am Eingangstor. Hier empfing er irgendwann auch Bruno Hug.

Er habe lange gezögert. Aber nach 30 Jahren als Medienpolitiker konnte er nicht anders, als noch einmal in den Ring zu steigen. Er musste. Dass er beim Komitee mitmacht, sei an eine Bedingung geknüpft gewesen, sagt Weigelt. Es durften weder Parteien noch aktive Politiker dabei sein, sonst hätte er abgesagt.

Weigelt war selbst immer wieder an Medien beteiligt, als Aktionär bei der «Wiler Zeitung», als Investor bei der damals frisch nach rechts gerückten «Weltwoche». Zusammen mit seinem Freund, dem millionenschweren Ex-Privatbanker Konrad Hummler, scheiterte er 1994 bei der Unterschriften­sammlung für eine Initiative, die die SRG-Gebühren abschaffen wollte. Ebenfalls an der Seite von Hummler war Weigelt Geschäftsführer der «Aktion für freie Meinungsbildung», die mit ihrer Publikation «Trumpf Buur» die einstige publizistische Speerspitze der Kalten Krieger wider den Kommunismus bildete. Im Zusammenhang etwa mit der Fichen­affäre rügte der «Trumpf Buur» in einem Inserat die Medien wegen angeblicher Stimmungsmache.

Wie Gut hat auch Weigelt den Rapperswiler Hug vor ihrem gemeinsamen Engagement nicht persönlich gekannt, obwohl beide im gleichen Kanton politische Schwergewichte waren. Etwas teilen Hug und Weigelt dennoch: Beide waren gross in einer Zeit, als Verleger noch Königsmacher und Henker in Personalunion waren. Sie steuerten selbstverständlich die Bericht­erstattung ihrer Redaktionen. Die Vergabe von Kolumnen­plätzen war hoch ideologisiert. Die Presse war nicht nur Informationsorgan, sondern auch politisches Schlachtfeld. Mehr Beton als Filz.

Die Verleger bestimmten, wer etwas zu sagen hatte und wer nicht.

Vor diesem Hintergrund muss man Weigelts Aussage verstehen, wenn er sagt, er habe als Politiker noch erlebt, wie die einmal katholisch, einmal links positionierten beiden St. Galler Medien ihn, den FDP-Protestanten, totgeschwiegen hätten. Eine Kränkung, die bei Weigelt wohl mitspielte, als er sich entschied, in das Medienportal «Die Ostschweiz» zu investieren, bei dem er als Verwaltungsrats­präsident amtet: «Wir sind angetreten, damit sich in der Ostschweiz alle äussern können. Ob links, rechts, oben oder unten.»

Während der Pandemie spülte diese Strategie eine Welle von (bestenfalls) massnahmen­kritischen Stimmen auf die Seite der «Ostschweiz». Die Klickzahlen stiegen, die grenzwertigen Texte häuften sich. Nachdem ein Gastautor diesen Sommer die Impf­bestrebungen des Bundes mit einem Genozid­versuch verglich, griff Weigelt ein und entschuldigte sich öffentlich. Unabhängig von diesem isolierten Vorfall habe der Verwaltungsrat zusammen mit der Redaktion Ende 2021 entschieden, «das Thema Corona sozusagen abzuschliessen respektive die Spital- und Betten­geschichten ruhen zu lassen».

Herr Weigelt, haben wir das richtig verstanden: Der Verwaltungsrat hat einen publizistischen Entscheid gefällt?
Mitgefällt. Der Entscheid ist aber nur begrenzt publizistisch, denn es hängen grosse finanzielle Einbussen daran. Wir hatten extrem hohe Klickzahlen. Einzelne Artikel zur Corona­pandemie wurden in 48 Stunden über 150’000 Mal gelesen. Das wird nicht mehr so sein, wenn wir uns wieder auf die regionalen Themen konzentrieren.

Ist es für Sie normal, dass Verleger bei redaktionellen Inhalten mitentscheiden?
Ja, logisch. Das ist, als würde das «St. Galler Tagblatt» sagen, wir wollen das Vorarlberg, das uns nahe liegt, aktiv mit Inhalten bearbeiten.

Das ist ein strategischer Entscheid, kein redaktioneller.
Unser Entscheid war auch strategisch. Wir wollen eine Diskussions­plattform sein, nicht Einzelthemen pushen.

Sie haben in einem Werbevideo fürs Referendum gesagt, ohne freie, unabhängige Medien gäbe es keine kritische Öffentlichkeit und ohne kritische Öffentlichkeit keine Demokratie. Was ist Ihre Definition von unabhängigen Medien?
Dass sie nicht von irgendjemandem instrumentalisiert sind. Und wenn dem nicht so ist, dass das deklariert ist. Unabhängig heisst, dass die Redaktionen frei agieren können, aber mit einem klaren Absender. Das ist mir wichtig. Und finanziell müssen sie unabhängig sein.

Oder transparent ausgewiesen.
Ja, Transparenz ist wichtig.

Bei «Die Ostschweiz» gibt es Platin­mitgliedschaften für 7500 Franken, mit denen man aktiv Inputs an die Redaktion geben kann. Man kann auf Wunsch «mitgestalten». Sind die Platin-Member öffentlich bekannt?
Nein. Es sind auch nicht viele, weniger als zehn.

Sie sagen, es dürfe keine intransparenten Geldflüsse geben, aber offerieren anonymen Geldgebern die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen.
Wenn wir unsere Position aufgrund eines solchen Inputs jetzt aktiv ändern würden, würden wir das transparent machen. Vielleicht nicht die Namen, aber den Prozess.

Zur Finanzierung der «Ostschweiz»: Sie sind als Einziger von acht Investoren öffentlich bekannt. Das ist doch nicht transparent.
Transparenz heisst in diesem Zusammenhang, dass klar ist, dass es sich bei den Investoren um Ostschweizer Unternehmer mit bürgerlichem Hintergrund handelt. Ob die jetzt Hans Müller oder Sepp Meier heissen, ist nicht relevant.

Die Sache mit der Glaubwürdigkeit

Eines muss man Hug, Gut und Weigelt lassen: Es ist faszinierend, wie nonchalant sie ihre eigenen Widersprüche aushalten.

Bruno Hug wettert gegen die Monopolisierung der Medien, hat aber selbst dazu beigetragen, als er seine «Obersee Nachrichten» an die Somedia verkaufte.

Philip Gut wirft dem «Blick» vor, er berichte nicht unabhängig, posiert aber auf Selfies als Journalist mit der SVP und arbeitet als Lobbyist für sie, berät Pandemie­massnahmen­gegner und hält es für überflüssig, seine Mandate offenzulegen.

Peter Weigelt findet Transparenz unglaublich wichtig, hält es aber gleichzeitig für gänzlich unproblematisch, dass seine sieben Mitfinanzierer der «Ostschweiz» anonym bleiben.

Auf ihrer Website steht: «Wes Brot ich ess’, des Lied ich sing.» Aber wer ihren Abstimmungs­kampf finanziert, wollen Hug, Weigelt und Gut nicht sagen, unter anderem weil sie das für unbedeutend halten und das keine Rolle spiele.

Die Argumente des Referendums­komitees – «Kein Steuergeld an Millionäre, Milliardäre und Aktionäre», «Nein zu gekauften Medien», «Monopol-Medien verhindern» – wären vielleicht gar nicht so falsch.

Die Frage ist: Wie glaubwürdig sind sie, wenn die Slogans von Männern wie Hug, Gut und Weigelt kommen?

Zur Transparenz

Von der staatlichen Medien­förderung, über die das Schweizer Stimm­volk am 13. Februar abstimmt, würde auch die Republik profitieren. Wie viel Geld sie erhielte, ist derzeit unklar. Klar ist: Über die Frage, ob sie das Geld überhaupt annehmen würde, müsste die Verlegerschaft entscheiden. Genauso haben wir die Entscheidung, welche Parole Project R, die Genossenschaft hinter der Republik, zum Medien­gesetz fassen soll, an die Verlegerschaft delegiert. Die Befragung ist abgeschlossen, hier finden Sie die Ergebnisse.

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