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Frohe Testtage!

20.12.2021

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Liebe Leserinnen, liebe Leser – and everyone beyond

War, what is it good for? Absolutely nothin’!

Für absolut nichts sei er gut, der Krieg, sang Edwin Starr. Wer mag ihm widersprechen. Aber wir müssen gestehen, gelegentlich kamen wir in den letzten Wochen auch in Versuchung zu fragen – Politik, what is it good for?

Es ist kurz vor Weihnachten. Wir möchten Sie deshalb nicht noch einmal mit der langen Liste von Versäumnissen, Verantwortungs­losigkeiten und Fehlern belästigen, die dafür mitverantwortlich sind, dass einmal mehr nichts anderes übrig bleibt, als zum Corona-Holz­hammer zu greifen.

Am Freitag hat der Bundesrat beschlossen, das öffentliche Leben wieder stärker einzuschränken. Hat es so kommen müssen? Wir glauben: nein.

Der europäische Kontinent ist voller Beispiele, wie es anders gegangen wäre. Wie eine effektive Impf­kampagne aussieht. Wie man voraus­schauend dem Virus die Verbreitung schwermacht, statt im letzten Moment – «Das hat uns alle überrascht!» – wieder verbieten, beschränken, schliessen zu müssen.

Aber wissen Sie, was? Hätte, hätte, Infektions … äh, Fahrrad­kette. Bald ist Weihnachten. Und wie ein ausgezeichneter Redner neulich gesagt hat:

«Doch jedes Mal, wenn ich diese Nieder­geschlagenheit verspüre, erinnere ich mich daran: Zynismus ist die Zuflucht von Feiglingen.»

Deshalb liefern wir Ihnen heute 10 Momente aus diesem Jahr, in denen die Politik Mutiges, Gross­herziges, Konsequentes und Kreatives getan hat, um diesem Mistding namens Sars-CoV-2 ein Schnippchen zu schlagen. Aus der Schweiz – und von anderswo:

  1. Der Bundesrat konnte mutig und kreativ sein, wenn er denn wollte – etwa indem er unkompliziert Milliarden in angeschlagene Unter­nehmen und Kultur­betriebe pumpte. Die Schweizer Wirtschaft ist auch deshalb bisher vergleichs­­weise sehr glimpflich durch die Krise gekommen.

  2. Sache der Kantone? Ein Kanton macht Sachen: Die Bündner haben den Unter­ländern immer wieder vorgemacht, wie effiziente Pandemie­bekämpfung funktioniert. Im Januar 2021 sprach die Regierung vor allen anderen 25 Millionen Franken für eine gross angelegte Impf- und Test­strategie. Von allen Berg­kantonen haben die Bündnerinnen heute die höchste Impfquote.

  3. Die vor ein paar Wochen abgetretene Bundes­kanzlerin Angela Merkel bat um Entschuldigung, als sie im Frühling merkte, dass der verordnete Oster-Lockdown eine Dummheit war. Und sie wurde dafür gefeiert. In Krisen wird Politik nicht nur an ihrer Makel­losigkeit, sondern vor allem auch an ihrer Aufrichtigkeit gemessen. Manchmal reicht ein simples Sorry.

  4. Die neue deutsche Regierung hat beschlossen, 1 Milliarde Euro Bonus an Pflegekräfte zu überweisen. Die Chefin des Pflegerats Christine Vogler nannte den Bonus zwar «Brotkrumen», aber immerhin gab es etwas. In der Schweiz sind auf nationaler Ebene bisher keine Prämien für die Pflege vorgesehen.

  5. Der US-Präsident setzte sich ein sehr hohes Impfziel, an dem man seine Strategie messen konnte. Vielen anderen Politikern fehlte dazu der Mut.

  6. Südafrika informierte die Welt­gesundheits­organisation (WHO) und die Öffentlichkeit sofort über die Entdeckung der gefährlichen Omikron-Variante. Obwohl das Land dafür später mit Einreise­sperren belegt wurde.

  7. Die Schweiz hat als weltweit erstes Land mehrere Millionen Impfdosen an Covax abgetreten. Das Projekt versorgt ärmere Länder mit Corona-Vakzinen. Leider kam die Initiative nie richtig auf Touren und hat alle ihre Ziele verfehlt.

  8. Portugal gab Geflüchteten eine bedingungslose Aufenthalts­­­erlaubnis und gewähr­leistete ihnen den Zugang zu Sozial- und Gesundheits­leistungen.

  9. Napoleon Bonaparte liess einst seinen Sohn gegen Pocken impfen, um den skeptischen Hof von der Wirksamkeit der Impfung zu überzeugen. Heute geht die französische Regierung mit Impf-Werbespots viral, bietet Impf­termine auch nach der Arbeit an, verteilt Geschenke und gute Stimmung an den Plakat­­wänden. Mit Erfolg: Das impfkritische Frankreich hat eine der besten Impfquoten Europas.

  10. Der britische Gesundheits­­dienst (NHS) hat den lustigsten Impf­­werbe­spot des Jahres produziert featuring Elton John und Michael Caine.

Was Sie diese Woche wissen sollten

Ab heute Montag gelten neue Massnahmen: Zu Restaurants, Kultur-, Sport- und Freizeit­betrieben erhalten nur noch geimpfte und genesene Menschen Zugang. An Orten, wo weder Masken­tragen noch eine Sitz­pflicht möglich ist – etwa in Clubs oder an Fussball­spielen –, müssen sich Gäste zusätzlich testen lassen, sofern ihre Impfung oder Genesung mehr als vier Monate zurück­liegt. Private Treffen über 10 Personen sind nur noch dann erlaubt, wenn alle Personen geimpft oder genesen sind. Ausserdem gilt wieder eine Homeoffice-Pflicht. Der Bundesrat hat zusätzlich beschlossen, die Test­kosten für Covid-Zertifikate wieder zu übernehmen und die Warte­frist für die Auffrisch­impfung von 6 auf 4 Monate zu verkürzen.

Betrug mit Covid-Zertifikaten fliegt auf: Im Kanton St. Gallen hat sich eine Täterschaft online echte Zertifikate beschafft, diese kopiert, abgeändert und 6000 davon ausgestellt. Die Behörden haben Verdächtige in Untersuchungs­haft genommen. Dies ist der bisher grösste bekannte Fall von Betrug mit gefälschten Covid-Zertifikaten in der Schweiz.

Virusvariante Omikron breitet sich rasant aus: Die Zahl der Infektionen mit Omikron verdopple sich alle 1,5 bis 3 Tage, teilte die Welt­gesundheits­organisation WHO mit. In 89 Ländern wurde die Variante bislang festgestellt. Angesichts der raschen Verbreitung kündigte der nieder­ländische Minister­präsident Mark Rutte einen harten Lockdown an, und der Londoner Bürger­meister Sadiq Khan rief den Katastrophen­fall aus. Die Virologin Isabella Eckerle stellte gegenüber SRF infrage, dass die am Freitag verschärften Schweizer Corona-Massnahmen bei Omikron einen Effekt haben werden. Denn die Variante infiziert auch Menschen, die bereits eine Immunität haben. Wie schwer die Krankheits­verläufe von Omikron im Vergleich zu den anderen Varianten ausfallen, lässt sich bislang nicht sagen.

Und zum Schluss: Soll ich mich fürs Weihnachts­fest selbst testen?

Testen, testen – festen! Diese Losung gilt auch in diesem Jahr wieder. Kommen Sie mit Ihrer Familie zusammen, geimpft oder ungeimpft, ist es in jedem Fall sinnvoll, sich vorgängig testen zu lassen. Das ist aber leichter gesagt als getan. Denn an vielen Orten sind die Test­termine für die nächsten beiden Wochen bereits wieder knapp. Wenn Sie keinen Platz finden sollten, bleibt aber immer noch der Antigen-Selbsttest, den es in der Apotheke zu kaufen (nicht gratis) gibt. Doch wie sicher sind diese Selbsttests eigentlich?

Bei hoher Viruslast zeigen die Selbst­tests relativ zuverlässig an, ob jemand corona­positiv ist. Sie sind jedoch kein Ersatz für die professionellen Test­verfahren – besonders wenn man Symptome hat. Mit Husten, Hals­schmerzen, Fieber oder Geruchs­verlust soll man sich keinesfalls allein auf einen negativen Selbst­test verlassen.

Wenn Sie keine Corona-Symptome haben, kann es sinnvoll sein, sich direkt vor einem Weihnachts­fest selbst zu testen. Aber Achtung: Die Schnell­tests garantieren nicht dieselbe Sicherheit wie etwa ein professioneller PCR-Test. Die Sensitivität der Testkits variiert stark, bei nicht professionellen Abstrichen passieren schnell Fehler, und bei geringer oder reduzierter Virus­last schlagen die Tests viel weniger zuverlässig an als beim PCR-Verfahren.

Es gilt: Ein Selbst­test ist besser als keiner. Aber auch nicht viel mehr.

Bleiben Sie umsichtig. Bleiben Sie freundlich. Und bleiben Sie gesund.

Elia Blülle und Oliver Fuchs

PS: Haben Sie Fragen und Feedback, schreiben Sie an: covid19@republik.ch.

PPS: Wir würden uns freuen, wenn Sie diesen Newsletter mit Freundinnen und Bekannten teilten. Er ist ein kostenloses Angebot der Republik.

PPPS: Die Satirikerin Sarah Bosetti hat letzte Woche ein gut gehütetes Geheimnis gelüftet: Sie ist in einer Beziehung mit einem Querdenker. Bosetti, selbst nicht gerade bekannt als Anhängerin von Corona-Schwurbelei, erläutert in einem kurzen Video, wie sie von ihrem Partner beschimpft, bedroht und angespuckt wird.

PPPPS: Weil es in den Youtube-Kommentaren erstaunlich viele nicht begriffen haben – es handelt sich dabei natürlich um eine Parabel.

PPPPPS: Apropos Schwurbelei. Ihre spezielle Tante spammt den Familien-Gruppenchat mal wieder mit Verschwörungs­theorien zu, und Sie wissen langsam wirklich nicht mehr, wie reagieren? Zu Hülf eilt niemand Geringeres als Jonathan Frakes, «Startrek – The Next Generation»-Darsteller und Host der legendären TV-Serie «X-Factor: Das Unfassbare». Stellen Sie einfach dieses Video in den Chat, und alles ist gesagt. («X-Factor» hat kürzlich übrigens sein Revival gefeiert mit einer neuen Folge. Die Republik befindet geschlossen: 10/10, unbedingt anschauen.)

Hinweis: In einer früheren Version schrieben wir, nur noch Geimpfte und Getestete hätten Zugang zu Restaurants, Kultur-, Sport- und Freizeit­betrieben. Das ist falsch: Man muss dafür geimpft und/oder genesen sein. Wir entschuldigen uns für den Fehler.

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