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Wenn möglich: bitte melden

Sie hatten nach der Covid-Impfung Neben­wirkungen und möchten das der zuständigen Behörde gerne mitteilen? Viel Glück!

Von Adrienne Fichter, 04.10.2021

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Wer schon mal auf einer Social-Media-Plattform sein Benutzer­konto löschen wollte, kennt die Odyssee. Die Option «Löschen» ist irgendwo in den Untiefen irgendeines Unter­menüs bei den Einstellungen versteckt, sieben Klicks sind es mindestens, und Hunderte von Gegenfragen sollen Sie von Ihrem eigentlichen Vorhaben ablenken. Oftmals gibt man dann resigniert auf halbem Weg auf – ganz im Sinne der Plattform­betreiber.

Irgendwo in der Hölle ist eine Spezial­abteilung für die Menschen reserviert, welche sich dieses «Nutzer­erlebnis» ausgedacht haben.

Dieselbe Erfahrung machte ich leider auf der Website der Zulassungs­behörde Swissmedic, als ich Neben­wirkungen zu einem Impfstoff melden wollte.

Wobei das nicht ganz fair ist – gegenüber den Social-Media-Plattformen.

Denn immerhin habe ich dort die entsprechende Option mit etwas Durchhalte­vermögen auch im ersten Anlauf meistens gefunden. Bei Swissmedic habe ich das nur mithilfe der zuverlässigen digitalen Helfer geschafft: Such­maschinen à la Startpage oder Google. Siehe da, es gibt tatsächlich eine entsprechende Unterseite mit dem Meldeformular.

Das Absurde dabei: Das Dokument befand sich nicht etwa in der Rubrik «Covid-19», was man intuitiv als Erstes ansteuern würde. Es war auch nicht direkt unter den monatlichen Nebenwirkungs­reports und Statistiken abrufbar. Ein prominent platziertes Banner auf der Startseite von swissmedic.ch, das dazu auffordert «Impf­nebenwirkungen zu melden»? Njet.

Stattdessen war das Formular auf der Startseiten­navigation versteckt: unter dem Button «Risiken melden», der Rubrik «Arzneimittel melden» mit dem Menüpunkt «Patientinnen und Patienten».

Nun mag diese Navigation gemäss typischer Binnensicht der Behörde absolut korrekt sein. Doch welche frisch geimpfte Bürgerin würde sich selbst als «Patientin» betiteln und einen Impfstoff als «Arznei­mittel» vermuten?

Wäre alles noch verkraftbar. Leider ist es nicht der gravierendste Mangel im Meldeprozess.

Besagtes Formular gibt es als Word­dokument und PDF. Und nur mit bestimmten Adobe-Versionen lassen sich diese am Computer ausfüllen. Einmal ausgefüllt solle man das Dokument an eine E-Mail-Adresse schicken (die da auch steht): an vigilance@swissmedic.ch.

Diese Mail allerdings ist per se unverschlüsselt und entspricht nicht denselben Sicherheits­standards, wie das in der Medizin­branche üblicher­weise genutzte HIN-E-Mail. Das bedeutet konkret, dass persönliche Gesundheits­daten kreuz und quer ungeschützt im Netz umhergeschickt werden. Fairerweise ist das leider die verbreitete Realität im Schweizer Gesundheits­wesen, die Handhabung von Swissmedic ist da keine Ausnahme.

(Immerhin: Es kann nicht gefaxt werden, obschon Swissmedic auch eine Telefax-Nummer angibt.)

Verschickt man seine Meldung nun an besagte E-Mail-Adresse, wartet man vergeblich auf eine Eingangs­bestätigung. Ich wusste also nicht, ob mein Report im digitalen Nirwana landete oder effektiv bei Swissmedic angekommen war.

Was unfreiwillig komisch ist, weil «vigilance» auf Deutsch eigentlich «Wachsamkeit» heisst.

Warum macht Swissmedic den informations­willigen Geimpften das Leben so schwer – und lässt sie zudem noch im Ungewissen?

Nach einem längeren E-Mail-Verkehr mit der Zulassungs­behörde stellte sich heraus: Das vorhandene PDF-Dokument und die E-Mail-Adresse vigilance@swissmedic.ch ist trotz anders­lautender Beschriftung nicht für die geimpfte Inga-Normal-Bürgerin konzipiert worden. Sondern nur für den «internen Gebrauch».

Spätestens hier ist die Verwirrung komplett. Was ist denn nun der «offizielle» Meldeweg für die Bürger?

Das Web-Formular, antwortete mir Swissmedic-Medien­sprecher Alex Josty. Und dieses fanden wir nach weiterer Suche auf derselben Seite weiter unten – versteckt im FAQ unter der Frage «Wie melden?». Immerhin: Das Web-Formular ist transport­verschlüsselt.

Kurze Zusammen­fassung: Nach mehreren Anläufen (insgesamt 5) gelangte eine digital nicht unbedingt völlig unbewanderte Bürgerin mit etwas Glück auf das für Geimpfte auch tatsächlich vorgesehene Web-Formular.

Fazit: Die Melde­praxis ist für Arzt­praxen ausgerichtet. Für Geimpfte gibt es nur ein technisch suboptimal umgesetztes Klick­labyrinth.

(Zum Vergleich: In Deutschland kann man das Formular und die entsprechende Website kaum verfehlen: Da steht das Thema Nebenwirkungen gleich in der URL. Sie lautet: nebenwirkungen.bund.de.)

Gerade bei zeitlich später eintretenden vermuteten Neben­wirkungen, wie etwa allfälligen Menstruations­beschwerden bei Frauen oder Kopfschmerzen, wäre ein direkter, nieder­schwelliger, digitaler und sicherer Melde­weg ohne Arzt­besuch wichtig. Es ist daher fast schon ein Wunder, dass 43 Prozent der derzeit 7571 gemeldeten direkt von Patienten stammen (denn das bedeutet, dass die Meldungen von 3314 Betroffenen tatsächlich über irgendeinen Kanal bei Swissmedic gelandet sind).

Zum Schluss: gute Nachrichten!

  1. Die Zulassungs­behörde sieht Verbesserungs­bedarf: «Swissmedic ist zurzeit daran, eine webbasierte Lösung für die Meldung von Neben­wirkungen zu erarbeiten. Der Prozess wird demnächst beschleunigt und vereinfacht», schreibt mir Swissmedic-Sprecher Josty.

  2. Es leuchtet offenbar ein, dass sich Quer­verlinkungen in der Rubrik Covid-19 durchaus anbieten würden: «(…) entsprechende zusätzliche Querlinks zumindest bei den UAW-Updates und bei den Covid-19-Infos wären hilfreich (> werden wir machen)».

  3. Damit auch die breite Bevölkerung vom Melde­prozess Bescheid weiss, wird die Zulassungs­behörde eine kleine Informations­kampagne für die Bürgerinnen starten: «Wir werden in den nächsten Tagen eine Medien­mitteilung verschicken, in der wir u. a. auch auf die Meldungen hinweisen. Die Medien­mitteilung wird begleitet von Posts in unseren sozialen Kanälen.»

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