Aus der Redaktion

Warum wir Sie bitten, Links zu Quellen in Ihren Kommentaren «vorab zu prüfen»

Nachvollziehbare Argumente und ein sorgsamer Umgang mit der Zeit des Gegenübers sind die Grundlage für konstruktive Debatten im Dialog.

Von Lucia Herrmann, 25.08.2021

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In der Etikette zum Republik-Dialog steht unter Punkt 2 unter anderem der Satz: «Wenn Sie externe Links posten, dann erklären Sie, worum es sich dabei handelt. Nennen Sie Ihre Quellen und prüfen Sie sie vorab.»

Klingt simpel, aber was bedeutet das genau?

Vor wenigen Wochen forderte ein Verleger im Dialog ein strengeres Durch­greifen der Redaktion:

Der Kommentar erhielt viel Zustimmung. Einige schrieben aber, verschiedene Positionen gelte es im Sinne der Meinungs­vielfalt auszuhalten. Ein guter Moment, um zu klären: Was muss man im Republik-Dialog aushalten? Und wer trägt die Verantwortung dafür?

«Der Haus­kulinariker ist gekauft!»

Nehmen wir als Beispiel die «Geschmack­sache», in der Michael Rüegg regel­mässig für die Republik kocht. Angenommen, Sie stehen tierischen Nahrungs­mitteln skeptisch gegenüber, dann irritiert es Sie vielleicht, wenn der Autor zum Weihnachts­essen ein Filet Wellington serviert. Und möglicher­weise kommentieren Sie dann: «So etwas würde ich nie essen!» oder «Wie geschmacklos!» – Sie treffen ein persönliches Werturteil.

Gut möglich, dass jemand (wie beim eingangs zitierten Kommentar) mit einem zustimmenden Up- oder einem ablehnenden Down-Vote reagiert, dass Ihnen beigepflichtet oder wider­sprochen wird, dass jemand fragt, ob Ihre negative Haltung auf persönlichen Erfahrungen beruht. Im Idealfall entspinnt sich ein Dialog, der sowohl Sie als auch Ihr Gegenüber zum Nach- und Weiter­denken anregt.

Etwas anders verhielte es sich, wenn Sie etwa schreiben würden: «Der Autor veröffentlicht dieses fleisch­haltige Rezept, weil er mit einem grossen Schweizer Metzger­verband unter einer Decke steckt.» Das wäre dann eine Behauptung gekoppelt mit einer Unter­stellung, die auf die berufliche Integrität des Autors abzielt.

Natürlich dürfen Sie im Republik-Dialog nicht nur Meinungen kundtun, sondern auch faktische Aussagen treffen, einen Sach­verhalt erklären, darauf hinweisen, dass etwas stimmt oder nicht. Solange Sie dabei keine Unwahrheiten verbreiten. Und hier wird es tricky: Woher wissen alle anderen, ob das, was Sie in Ihrem Kommentar schreiben, auch der Wirklichkeit entspricht?

Wir bitten Sie deshalb, etwas zu tun, was zum Alltag von Journalistinnen gehört: Nennen Sie Ihre Quellen und prüfen Sie diese vorab.

Quellen prüfen können

«Quellen prüfen» bedeutet im Kern: Wie zuverlässig ist die von Ihnen verlinkte Studie, der Artikel, das Buch, das Video? Die Frage nach der Zuverlässigkeit von Quellen ist aus zwei Gründen entscheidend: Erstens ist im Netz unglaublich viel Quatsch im Umlauf (Sie finden Belege für alles), und zweitens verbreitet sich Quatsch leider viel schneller als Nicht-Quatsch.

Wie prüft man also seine Quellen? Hier gibt es verschiedene Abstufungen. Eine gute Orientierungs­hilfe bietet diese Übersicht der Kollegen von «Correctiv», einer Organisation, die sich auf Fakten­checks spezialisiert hat: Wer steht hinter der Geschichte? Was ist der Inhalt? Lässt sich der Inhalt verifizieren? Und: Was macht das mit mir?

Die Politikerin und Autorin Marina Weisband hat es kürzlich so auf den Punkt gebracht: «Fake News verbreiten sich nicht, weil Menschen keine Quellen prüfen können, sondern weil sie keine Quellen prüfen wollen. Weil sie etwas glauben wollen, das ihnen aus irgend­einem Grund lieber oder bequemer ist.»

Insbesondere die Beurteilung von wissenschaftlichen Studien kann schnell über­fordern – schliesslich ist unser Wissen begrenzt, und wir können nicht in jedem Fach­gebiet Expertinnen sein. Hilfreich ist hier der «CRAAP»-Test (currency, relevance, authority, accuracy, purpose), den ein Verleger vor kurzem im Republik-Dialog vorgestellt und einmal anschaulich durchgespielt hat:

Es kommt oft vor, dass sich Verleger einschalten, wenn sie gegenüber Quellen in den Kommentaren anderer misstrauisch sind. Es wird nachgefragt, und immer wieder werden auch eigentliche Fakten­checks durchgeführt.

Doch dieses Prüfen, Nachlesen, Hinter­fragen ist – wie der zitierte Verleger auch schreibt – äusserst zeit­aufwendig. Gut möglich, dass Sie sich denken: Wozu die Mühe? Solange ich eine Quelle verlinke, können doch alle selber nachschauen und ihre Schlüsse ziehen?

Quellen prüfen wollen?

Diese Haltung ist verständlich. Nicht jeder, der etwas Unwahres verbreitet, tut dies aus Böswilligkeit. Die Menge an Informationen, mit denen wir täglich konfrontiert sind, kann schnell über­fordern und verunsichern. Das Problem dabei: Auch wenn man bestimmte Inhalte aus einer guten Absicht heraus teilt, kann trotzdem ein Schaden entstehen. Umso wichtiger: Wenn Sie sich nicht sicher sind, dann gehen Sie ehrlich und offen damit um. Und wenn Ihnen das mit der Quellen­kritik zu aufwendig ist, dann lesen Sie, was andere zu sagen haben.

Ein weiterer Grund, warum es so wichtig ist, Quellen genau zu prüfen und nicht einfach irgend­etwas zu veröffentlichen, ist die Dialog­kultur, von der im eingangs zitierten Kommentar die Rede ist. Sich genau zu überlegen, was man veröffentlicht und warum, bringt auch Wert­schätzung gegenüber den anderen Dialog­teilnehme­rinnen zum Ausdruck.

Respektvolles Diskutieren bedeutet, dass sich alle die Mühe machen, ihre Aussagen nachvollziehbar und sauber zu belegen. Wenn einzelne Diskussions­teilnehmer umgekehrt irgendwas von irgend­woher ungeprüft in den Dialog kippen, dann wälzen sie die Zeit und die Arbeit auf ihre Gegenüber ab – und das ist respektlos.

Ähnlich wie bei der Handhabung von Links schaltet sich die Redaktion auch ein, wenn Falsch­nachrichten im Dialog auftauchen – so gut es geht. Damit der Republik-Dialog nicht zu einer Abstell­kammer für Behauptungen wird, sondern ein Forum bleibt, dessen Lektüre bereichert, braucht es den Einsatz aller Beteiligten.

PS: Der Vorwurf an den Haus­kulinariker der Republik ist natürlich Quatsch: Ein Jahr bevor er vom Filet Wellington schwärmte, servierte er einen veganen Festschmaus.

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