7-Uhr-Newsletter

Warum wird nicht allen Naturwesen ein Recht auf Rechte gewährt? Ein Essay und eine Einladung zur Debatte. Dazu: Das Porträt eines Gerichtszeichners

04.08.2021

Teilen

Willkommen

Das haben wir heute für Sie:

In George Orwells Fabel «Farm der Tiere» proben Nutztiere den Aufstand gegen die Menschen, die sie misshandeln, nur um dann die Gewalt­herrschaft zu reproduzieren. Sieht man sich an, wie sich Menschen gegenüber verschiedenen Tieren verhalten – jenen, die auf dem eigenen Teller landen, und jenen, die Teller voller Spezial­futter für glänzendes Fell hingestellt bekommen –, fällt einem Orwells Satz ein: «Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher.» Und am gleichsten von allen, um im Bild zu bleiben, ist der Mensch. Er ist das einzige Lebewesen mit einem Rechts­status als Subjekt, und wenn er sich ungerecht behandelt fühlt, kann er sich vor Gericht wehren. Tiere oder auch Berge und Flüsse können das nicht.

  • Trotz der weitverbreiteten Massen­tierhaltung gibt es keinen europäischen Gerichts­hof für Schweine. Ist es gerecht, dass nur menschliche Wesen über Rechte verfügen, oder haben wir uns bisher einfach zu wenig damit beschäftigt? Unser Autor Markus Schärli fragt: «Was gilt für nicht menschliche Existenzen? Für das Schwein oder den Fluss, den Baum oder den Gletscher?» Wenn Aktien­gesellschaften ihre Interessen vor Gericht vertreten lassen können, warum dann nicht auch ein Fluss? Für Bauern wäre eine Klage von seinen Schweinen zwar gewöhnungs­bedürftig. Aber schliesslich haben sie sich mit der Zeit auch damit abgefunden, dass sie nicht länger Verding­kinder ausbeuten können, sondern Mitarbeitende beschäftigen müssen, die sich rechtlich wehren können.

  • Was würde eine tierische Sammel­klage für Sie bedeuten? Wären Sie bereit, zugunsten der Natur auf Privilegien zu verzichten? Und wenn ja, auf welche? Das wollen wir von Ihnen wissen. Debattieren Sie mit.

  • Ob im Gerichtssaal oder draussen im echten Leben: Der Gerichts­zeichner Robert Honegger, einer der letzten seiner Art, gehört nirgends richtig dazu. Nicht dass ihn das stören würde: «Die Existenz am Rand behagt mir, so kann ich ungestört beobachten.» Bei einem Treffen im Zürcher Chreis Cheib hat der Maler Gerichts­reporter William Stern erzählt, welchen Einfluss all die Mörder, Kinder­schänder und Juristinnen, die er über die Jahre beobachtet hat, auf seine Weltsicht hatten und wie ihm seine Verträumtheit als Schutzschild dient.

Ausserdem:

  • Republik-Kolumnistin Mely Kiyak erhält den diesjährigen Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik. Die Würdigung gilt ihrem Buch «Frausein» sowie ihrer Tätigkeit als Kolumnistin und Essayistin. Wir gratulieren herzlich! Nun werden sich einige von Ihnen fragen, warum schon eine Weile keine Folge ihrer Kolumne «Kiyaks Exil» erschienen ist. Der Grund für die Pause: Mely Kiyak ist vor einigen Monaten schwer erkrankt und unterzieht sich einer längeren medizinischen Behandlung. Sie lässt Sie, ihre Leserinnen und Leser, herzlich grüssen! Und die ganze Republik-Crew wünscht Mely Kiyak von Herzen gute Besserung.

Gute Lektüre.

Ihre Crew der Republik

www.republik.ch

Unterstützen Sie unabhängigen Journalismus mit einem Monatsabonnement oder einer Jahresmitgliedschaft!