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Drücken Sie «Nicht erlauben». Quittieren Sie mit «Ablehnen»

Am Postschalter würden Sie ja auch nicht Ihr ganzes Adressbuch hinterlegen, um einen Brief zu verschicken. Warum sollten Sie also irgendwelchen Apps die Kontakt­daten von Verwandten und Freundinnen überlassen?

Von Olivier Baumann und Patrick Venetz, 28.07.2021

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Sollten Sie diesen Beitrag von Ihrem Sohn, Ihrer Nichte (oder den Verfassern dieses Beitrags) zugeschickt erhalten, könnte es sein, dass Sie manchmal Unanständiges tun: einer App, die Sie installiert haben, Ihr ganzes Adress­buch freigeben.

Teilen Sie Ihre über die Jahre mühsam gesammelten und säuberlich aktuell gehaltenen Kontakte mit einer App wie Clubhouse – einem sozialen Netzwerk, das Leute verbindet, die gerne auch in ihrer Freizeit Zoom-Calls machen wollen –, so sehen Sie im Gegenzug schnell, wer in Ihrem Umfeld bei dieser App ebenfalls ein Konto besitzt. Das ist schampar bequem.

Und es ist schampar widerlich. Denn hinter diesem Meisterstück an Komfort verbirgt sich ein Ärgernis. Solche Apps können Ihre Liste mit Namen, Telefon­nummern, E-Mail-Adressen und Post­anschriften vom Handy zum Anbieter kopieren. Sie haben mit einem Klick Daten Ihrer Verwandten, Bekannten und Freunde an Dritte weiter­gegeben, ohne dass jene dem zugestimmt hätten.

Mit diesen Adress­büchern können Social-Network-Apps Fremden vorschlagen, sich miteinander zu verbinden. Das kann ungewollte und unangenehme Folgen haben.

Ein Beispiel hat uns Redaktions­kollegin Adrienne Fichter mit einem Zitat aus Steven Levys Buch «Weltmacht am Abgrund» erzählt: «Ein Samenspender bekam einen Vorschlag für sein biologisches Kind, das er nie kennen­gelernt hat. Eine Psychiaterin erfuhr, dass Facebook einigen ihrer Patienten empfahl, sich auf dem Dienst gegenseitig zu befreunden.»

Im schlimmsten Fall hantieren nicht nur die App-Anbieter selbst mit den Daten, sondern auch Diebe. Vergangene Woche sorgte ein mutmassliches Datenleck mit Daten von Clubhouse-Nutzern für Aufregung. Eine Hackerin postete in einem Online-Forum, dass sie fast vier Milliarden Datensätze besässe und an den Höchst­bietenden verkaufen wolle. Darin finden sich möglicher­weise auch Telefon­nummern aus hochgeladenen Kontaktlisten. (Clubhouse bestreitet den Ursprung der Daten, aber nicht deren Echtheit.)

Full phone number database of #Clubhouse is up for sale on the #Darknet. It contains 3.8 billion phone numbers. These are not just members but also people in contact lists that were synced. Chances are high that you are listed even if you haven't had a Clubhouse login. pbs.twimg.com/media/E7A1k3tXoAUKXXS.jpg

Solche Informationen können dann beispiels­weise für unerwünschte Werbung missbraucht werden. Ein Mitglied des Schweizer Vereins «Freunde der Verfassung» verschickte zum Beispiel in Eigenregie Abstimmungs­propaganda an Telefon­nummern aus einem Facebook-Datenleck.

Die schlechte Nachricht lautet, dass Sie nicht davor gefeit sind, dass Ihre Bekannten, Verwandten und Freunde Ihre Nummer mit jedweder App teilen.

Die gute Nachricht lautet, dass Sie immerhin unter Kontrolle haben, ob Sie selbst Ihre ganze Kontakt­liste teilen möchten. Auf Android- oder Apple-Geräten erfordert die Synchronisierung nämlich erst Ihre Zustimmung.

Android fragt nach, ob Sie der App Clubhouse den Zugriff auf Ihre Kontakte erlauben möchten: Lassen Sie das nicht zu.
Auf Apple-Geräten bittet Clubhouse um Ihre Kontaktdaten, damit sie an deren Server geschickt werden können: Nicht OK.

Teilen Sie Ihre Kontakte nicht, werden Sie viele Apps genauso nutzen können, einige Apps werden den Dienst verweigern, ein paar werden anstrengender zu bedienen sein – und wieder andere werden Sie wie ein quengelnder Fünfjähriger immer wieder zum Teilen auffordern.

Grundsätzlich gilt: Es gibt eher selten einen Grund, dass Sie Ihre Kontakte mit einer App teilen müssen. Ein triftiger Grund ist womöglich, dass die App dazu da ist, um Nachrichten an Ihre Kontakte zu verschicken. Aber nicht um Ihre abfotografierte Wein­etikette aus der Bewertungs-App zu teilen oder einen Beitrag auf Twitter abzusetzen.

Drücken Sie also lieber einmal zu oft auf «Nicht erlauben». Quittieren Sie einmal zu oft mit «Ablehnen».

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