Abheben für die Zukunft: Für welchen Kampfjet entscheidet sich die Schweizer Armee? Paul Crock/AFP/Getty Images

Abflug oder Absturz

Die Kampfjet­beschaffung steht kurz vor dem Abschluss: Der Bundesrat entscheidet, welcher Jet künftig für die Schweizer Luftwaffe fliegen soll. Was genau unterscheidet die Flugzeuge? Warum stehen US-Hersteller in der Kritik? Und was ist mit diesen Gegengeschäften? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Eva Novak, 17.06.2021

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Bei den Herstellern der vier Kampfflugzeug­typen, die auf einen Auftrag aus der Schweiz hoffen, liegen die Nerven blank. Nachdem die Beschaffung fünf Jahre gedauert hat und an der Urne fast gescheitert wäre, naht nun die Endphase: Noch vor den Sommer­ferien will Verteidigungs­ministerin Viola Amherd dem Bundesrat beantragen, welcher Kampfjet künftig für die Schweizer Luftwaffe fliegen soll.

Wählt sie die Rafale oder den Eurofighter, ist die Sache gelaufen. Wenn es der F-35 oder die F/A-18 Super Hornet aus den USA sein sollte, wird nochmals abgestimmt. In diesem Fall wollen die Gegner eine Volksinitiative lancieren.

Es geht beim Kampfjet­kauf um sechs Milliarden Franken. Wer sie bekommt, soll bis Ende Juni klar sein. Ungeachtet dessen verlangte die Rüstungs­beschaffungs­behörde Armasuisse noch vor wenigen Wochen von den Anbietern zusätzliche Berechnungen. Sie habe sich anscheinend bei den Zahlungs­plänen verkalkuliert, wird in den einschlägigen Kreisen kolportiert.

Also heisst es, die Zähne zusammen­zubeissen und sich nochmals ins Zeug zu legen, denn der Zeitplan ist eng und Verzögerungen sind unerwünscht: «Die Typen­wahl durch den Bundesrat ist bis Ende des zweiten Quartals und damit plangemäss vorgesehen», sagt Armasuisse-Chefsprecher Kaj-Gunnar Sievert.

In den Medien hört und liest man davon nichts. Es bleibt schon fast gespenstisch ruhig, auch nachdem sich die Gegner in Stellung gebracht haben. Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) formierte sich zusammen mit der SP und den Grünen zu einer Allianz. Diese kündigte für den Fall, dass die Wahl auf einen US-Jet fallen sollte, eine Volksinitiative an. Der grosse Aufschrei der Jetfreunde ist ausgeblieben.

Welch ein Kontrast zum ersten Anlauf für eine Kampfjet­beschaffung vor zehn Jahren. Da war wenige Wochen vor dem Typen­entscheid, in einer vergleichbaren Situation also, ungleich viel mehr los gewesen. Bevor im Winter 2011 der schwedische Gripen über den Eurofighter und die Rafale obsiegte, hatte es Enthüllungen noch und noch gegeben. Geheime Berichte fanden den Weg an die Öffentlichkeit. Berichte, aus denen hervorging, dass der Gripen die Tests nicht bestanden hatte.

Militärpiloten wollten verhindern, den mit Abstand schlechtesten der drei damals zur Wahl stehenden Flugzeug­typen – Eurofighter und Rafale waren auch schon dabei – fliegen zu müssen. Die Konkurrenten legten nach Möglichkeit nach, hatten sie doch alles Interesse daran, den Schweden aus dem Rennen zu werfen. Beide Seiten bedienten die Medien mit Indiskretionen, am Ende stürzte der Gripen in der Volks­abstimmung ab.

Diesmal dringt nicht der kleinste Hinweis nach draussen, auf welchen der Kampfjets die Wahl fallen könnte. Denn diesmal haben alle vier Jets bestanden, und die Jetpiloten müssen nicht fürchten, mit einem zweitklassigen Fluggerät abgespeist zu werden, das nur auf dem Papier existiert. Von der Rafale über den Eurofighter und die F/A-18 Super Hornet bis hin zum «Tarnkappenjet» F-35: Sie alle sind technisch ausgereifte Kampfjets, von denen jeder seine Besonder­heiten hat.

Doch was genau unterscheidet die Flugzeuge, und worauf stützt sich der Typen­entscheid? Wieso stehen die US-Hersteller in der Kritik? Und wie ist das mit diesen Gegengeschäften?

Wir haben die wichtigsten Fakten in acht Kapiteln zusammengefasst.

1. Rafale: Der Sieger vom letzten Mal schlägt sich gut

Die Rafale von Dassault hat die letzte Ausschreibung in den meisten Punkten gewonnen. Damals suchten die Franzosen verzweifelt nach Abnehmern. Seitdem wurde die «Windböe», wie die Rafale auf Deutsch heisst, in diversen Konflikten – etwa in Libyen und Syrien – erprobt und weiterentwickelt. Sie verkauft sich gut; Ägypten, Griechenland, Indien und Katar setzen darauf. Gerade eben gab Kroatien bekannt, für 999 Millionen Euro zwölf gebrauchte Rafale kaufen zu wollen.

Punktsieger in der Ausschreibung: Die Rafale. Angelos Tzortzinis/AFP/Keystone

Die Rafale gilt als polyvalenter Jet, der viel Wert auf Sicherheit legt. So verfügt sie unter anderem über ein automatisches System zur Verhinderung von Kollisionen mit dem Gelände. Weil dieses vom Piloten nicht eigens eingeschaltet werden muss, macht es gemäss Hersteller Dassault «eine Kollision mit dem Boden de facto praktisch unmöglich». Mit anderen Worten: Wären die Schweizer F/A-18 ebenfalls mit diesem System ausgerüstet, stünden statt 30 immer noch 34 im Einsatz. Vor allem aber hätten fünf Menschen nicht bei Flugzeug­abstürzen ihr Leben verloren.

Die Vorzüge der Rafale werden auf einer eigens für die Schweiz kreierten Website angepriesen. Darüber hinaus gibt sich der französische Konzern zugeknöpft und nutzt nicht einmal die Gelegenheit, einen Werbespot in eigener Sache zu platzieren. Die Frage, welches das wichtigste Argument zugunsten ihres Fliegers sei, lässt Dassault-Kommunikations­chefin Nathalie Bakhos unbeantwortet.

2. Eurofighter: Kooperations­projekt mit schlechter PR

Der Eurofighter Typhoon von Europas grösstem Luft- und Raumfahrt­konzern Airbus ist, wie der Name sagt, ein europäisches Kooperations­projekt, an dem sich Deutschland, Italien, Spanien und Gross­britannien beteiligen. Wie die Rafale wurde er in diversen Konflikt­gebieten erprobt. Er gilt als wendig und robust, wenn auch technisch nicht mehr ganz taufrisch. Dies, obwohl auch er weiter­entwickelt wurde und ebenfalls zu den Kampfjets der vierten Generation gehört – während etwa die F/A-18, die zurzeit in der Schweiz fliegen, zur dritten gezählt werden. «Der Eurofighter ist das meistgenutzte Flugzeug für den Luftpolizei­dienst in Europa», sagt Airbus-Sprecher Florian Taitsch. Kein anderes Flugzeug sei nach einem Alarmstart schneller in der Luft und auf der richtigen Flughöhe.

Europäische Kooperation: Der Eurofighter. Nir Ben-Yosef/Photostock-Israel/Science Photo Library/Keystone

Er steht nicht nur in den vier Hersteller­ländern im Einsatz, sondern auch in Katar, Oman, Kuwait und Saudiarabien – sowie in Österreich. Letzteres beschert ihm allerdings seit Jahren schlechte PR: Das ebenfalls neutrale Nachbar­land der Schweiz hatte 15 zum Teil gebrauchte, schlecht ausgerüstete Eurofighter bestellt, die kaum verfügbar und einsetzbar sind. Dabei sollen Schmier­gelder in der Höhe von mehreren Dutzend Millionen Euro geflossen sein. Wie viele genau, konnten auch drei Unter­suchungs­ausschüsse nicht restlos klären. Dafür generierten sie jede Menge Negativ­schlagzeilen.

Deutschland allerdings setzt auch in Zukunft auf den Eurofighter und bestellte 38 Flugzeuge der Tranche 4 mit neuem Radar, womit es einen Teil seiner älteren Maschinen ersetzen will. Der Bundestag hat den Deal Ende letzten Jahres abgesegnet. Weil die neuen mehr oder weniger zeitgleich mit den schweizerischen Kampfjets ab 2025 ausgeliefert werden sollen, würde der Stückpreis dank grösserer Menge sinken. Folglich hat das nördliche Nachbar­land jedes Interesse daran, dass die Schweiz sich anschliesst.

3. Super Hornet: Der Grösste erweist sich als «Pannenjet»

Die F/A-18 Super Hornet beziehungsweise die «Superhornisse» des amerikanischen Boeing-Konzerns ist der grösste der vier evaluierten Jets. Genutzt wird sie vor allem von der US Navy, ausserdem von Australien und – wie der Eurofighter – von Kuwait. Mit ihr hätte die Schweizer Luftwaffe am wenigsten Umstellungs­probleme, ist sie doch eine Weiterentwicklung der F/A-18 Hornet.

Kostengünstige Weiterentwicklung: Die Super Hornet. Stocktrek Images/Keystone

Gut daran ist, dass die Schweizer Pilotinnen und Flugzeugmechaniker das Vorgänger­system schon kennen und die nötigen Einrichtungen weitgehend vorhanden sind. «Wo heute eine Hornet fliegt, kann morgen eine Super Hornet fliegen, was nur wenig oder keine Infrastruktur­kosten verursacht», sagt der für die Schweiz zuständige Direktor Alain Garcia. Auch die bestehende Bewaffnung könnte teilweise übernommen werden, was zu Spekulationen verleitet, dass es mehr Flugzeuge für das gleiche Geld gäbe. Die Konkurrenten haben die Zahl von 40 publiziert, Boeing hält sich diesbezüglich zurück.

Weniger gut ist, dass das Problem, das die Schweizer «Hornissen» seit geraumer Zeit haben, beim Nachfolger ebenfalls ungelöst scheint. 2015 wurden an einzelnen F/A-18 Risse im Übergangs­bereich zwischen Flügel und Rumpf festgestellt. Drei Jahre später musste deswegen die ganze Flotte vorüber­gehend gegroundet werden. Die Super Hornet scheint noch ausgeprägter darunter zu leiden und bekommt noch schneller Risse. Die Tamedia-Zeitungen nannten die Super Hornet deshalb kürzlich einen «Pannenjet», als sie unter Berufung auf öffentlich einsehbare Dokumente über Belastungs­tests berichteten.

4. F-35: Der Modernste ist auch der Aufwendigste

Schliesslich ist da der F-35 des anderen amerikanischen Anbieters, Lockheed Martin – zweifellos das Modernste, was derzeit an Kampfjets in die Lüfte steigt. Das automatische System zur Kollisions­verhinderung hat der F-35 ebenso wie eine Reihe weiterer technischer Neuerungen. Als einziger der Kandidaten gehört er der fünften Generation von Kampfjets an. Das liegt unter anderem an der sogenannten Stealth-Technologie, welche die Ortung des Kampfjets erschwert. Nur ist diese «Tarnkappe» höchst wartungs­intensiv, was den Jet im Unterhalt aufwendig und teuer macht. Wird sie abgeschaltet, ist der bullige Flieger aus den USA eher im Nachteil, da er weniger wendig ist als die Europäer.

Mit Tarnkappe: Der F-35. Jack Guez/AFP/Getty Images

Trotzdem ist der F-35 in einer ganzen Reihe von Ländern im Einsatz, darunter Australien, Grossbritannien, Israel, Italien, Japan und Norwegen – und selbstverständlich in den USA. Von allen evaluierten Kampfjets ist er derjenige mit dem grössten Produktions­volumen. Über 3000 Stück sollen gebaut werden. «Der F-35 ist das fähigste Flugzeug im Wettbewerb», sagt Sprecherin Alison McKibbin. Zudem werde es im Gegensatz zur Konkurrenz den Schweizer Luftraum bis 2070 schützen können.

Allerdings gibt es neuerdings selbst in den USA Vorbehalte. US-Luftwaffen­stabschef Charles Q. Brown erklärte vor einigen Monaten angesichts einer Reihe technischer Mankos, das F-35-Programm habe sein Ziel, dereinst den Mehrzweck-Kampfjet F-16 zu ersetzen, verfehlt. Unter anderem sollte der Jet Gewitter unbedingt meiden, um das Leben des Piloten zu schützen. «Der Kampfjet, der ‹Blitz-Jet› genannt wird, könnte bei einem richtigen Blitz­einschlag explodieren», kommentierte der «Blick».

5. Die Krux mit der Datenhoheit

Das grösste Problem der beiden US-Kampfjets jedoch ist die mangelnde Daten­souveränität. Hundert­prozentig ist diese zwar nirgends gegeben, da die USA grossen Wert auf Kontrolle legen und auch die beiden europäischen Kampfjets teilweise US-Technologie benutzen. Das gilt etwa für den digitalen Daten­dienst des militärischen Funksystems Link 16, das Freund-Feind-Erkennungs­system IFF und den zweiten militärischen GPS-Kanal. Bei den Amerikanern ist die Abhängigkeit aber besonders gross.

Das hat handfeste Gründe, wie eine Republik-Recherche zeigte. In der Schweiz sind zwei US-Offiziere stationiert mit dem Auftrag, sicherzustellen, dass Kampfjets und andere US-Rüstungs­güter den Interessen ihres Landes dienen.

Kein Wunder, betont die europäische Konkurrenz bei jeder Gelegenheit, bei ihr gebe es keine Blackboxes. Besonders grossen Wert auf eine möglichst weitgehende Daten­souveränität legt Frankreich. «Die Rafale wurde als Instrument der Souveränität konzipiert und wird als solches gebaut. Das System wird für die Schweiz so souverän sein, wie es dies auch für Frankreich ist», versicherte Verteidigungs­ministerin Florence Parly nach ihrem Besuch bei Amtskollegin Viola Amherd vergangenen März in Bern.

Ähnlich tönt es von Airbus in München: Die Schweizer Luftwaffe würde, sollte sie sich für den Eurofighter entscheiden, gleich­berechtigten Zugang zu allen Daten des Flugzeugs bekommen, stellt Sprecher Florian Taitsch in Aussicht.

Die Datensouveränität ist zusammen mit den hohen Lebenszyklus­kosten und der Pannen­anfälligkeit ein Hauptgrund, warum die Gegnerinnen nur dann per Volksinitiative intervenieren wollen, wenn die Wahl auf einen der beiden amerikanischen Jets fallen sollte. Deren Beschaffung würde «einen Ausverkauf der Daten­hoheit und Daten­sicherheit an die USA bedeuten», warnen sie in der Medien­mitteilung. «Bei den US-Kampfjets fliegt das Pentagon jederzeit mit», sagt die Zürcher SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf.

6. Lärmexport und andere Goodies

Welcher Flugzeugtyp am Ende auserkoren wird, hängt von einer ganzen Reihe weiterer Faktoren ab. Zunächst mal vom «Gesamtpaket», wie es die Fachleute nennen. Neben den eigentlichen Flugzeugen umfasst dieses etwa ein Logistik­paket, Simulatoren und Bewaffnung.

Der Typenentscheid hängt auch davon ab, welche Goodies der Hersteller sonst noch anzubieten hat. Zum Beispiel ein gemeinsames Piloten­training und damit den Fluglärm­export. Da sind naturgemäss die Amerikanerinnen ebenfalls im Nachteil, weil sie über keine Trainings­räume in unmittelbarer Nachbarschaft verfügen.

Ebenso mitberücksichtigt werden handfeste wirtschaftliche Vorteile. Airbus zum Beispiel versucht zu punkten, indem der Konzern die Eurofighter in der Schweiz zusammen­bauen lässt. Dies wurde vergangenen November verkündet, als die Hersteller ihre Offerten an Armasuisse übergaben. Sie taten dies publikums­wirksam an einer Online-Medien­konferenz in Gegenwart der Botschafter der vier Hersteller­nationen.

Die US-Reaktion liess nicht lange auf sich warten. Nur wenige Stunden später offerierte Lockheed Martin an einer Online-Medien­konferenz ebenfalls die Endmontage der F-35 in der Schweiz – allerdings nur für vier Flugzeuge, was nicht sehr viel Sinn ergeben würde.

7. Schweizer Firmen hoffen auf dicke Aufträge

Dass die Anbieter mit Schweizer Firmen Geschäfte anbahnen, ist seit Jahren üblich und gesetzlich vorgesehen. Das nennt sich Kompensations­geschäfte oder Offset und verfolgt zwei Ziele: Einerseits sollen sie Schweizer Rüstungs­firmen und Zulieferern Zugang zur Spitzen­technologie ermöglichen, der ihnen sonst verwehrt wäre. Ausserdem geht es darum, Aufträge im Ausland zu holen und damit Arbeits­plätze sowie höhere Steuer­erträge im Inland zu sichern.

In dieses Kapitel fällt etwa der dicke Auftrag aus Frankreich, den die Pilatus-Werke in Stans gerade an Land ziehen konnten: Das Nachbar­land bestellte zu den bestehenden 17 PC-21-Trainings­flugzeugen weitere 9 samt Option auf zusätzliche 4.

Vor dem Absturz des Gripen waren die Kompensations­geschäfte permanent in den Schlagzeilen. Diesmal ist es ruhig um die Offsets. Das mag nicht zuletzt damit zusammen­hängen, dass die 6 Milliarden Franken für die Kampfjets nur noch zu 60 Prozent kompensiert werden müssen. So hatte es der ehemalige Chef der Eidgenössischen Finanzkontrolle, Kurt Grüter, empfohlen, und Bundesrätin Viola Amherd boxte seine Empfehlung im Parlament durch. Davor hatten sich die ausländischen Lieferanten von Rüstungs­gütern jeweils verpflichten müssen, die gesamte Summe, die sie mit dem Verkauf erzielen, mit Gegen­geschäften in der Schweiz zu kompensieren.

Mit der Reduktion schrumpfte auch die Angriffs­fläche der Offsets. Sie stehen in der Kritik, weil sie Rüstungskäufe verteuern. Umstritten ist nur, um wie viel. Die Schätzungen reichen von ein paar wenigen bis zu 20 Prozent.

Mit schöner Regelmässigkeit kommt es vor, dass die Hersteller Versprechen abgeben, die sie dann nicht einlösen. Belgien zum Beispiel kaufte 34 amerikanische F-35 für 3,8 Milliarden Euro. Die belgische Industrie beklagte sich aber über zu geringe Aufträge von bestenfalls 700 Millionen, wie die Wirtschafts­zeitung «L’Echo» vergangenes Jahr berichtete. Die Schätzung wurde bis heute nicht offiziell dementiert.

8. Vage Hoffnungen auf politische Konzessionen

Weniger erfolg­versprechend als wirtschaftliche Kompensationen sind politische Konzessionen. Als Rafale und Eurofighter erstmals um den Auftrag aus der Schweiz buhlten, versuchte Bundesrat Ueli Maurer, Frankreich und Deutschland zu einem Entgegen­kommen im Steuerstreit und beim Anflug­regime am Flughafen Zürich zu bewegen. Vergeblich.

Ein solcher Deal ist politisch zwar heiss umstritten. Dass er aber anderen Mitgliedern des Bundesrats durchaus gelegen gekommen wäre, deutete Doris Leuthard an, damals Verkehrs- und Umwelt­ministerin. Nachdem der Gripen das Rennen gemacht hatte, sagte sie in einem Radio­interview: «Es ist klar, Offerten von Firmen sind nicht mehr möglich. Wenn uns aber ein Staat ein Angebot machen will, ist das etwas anderes.»

Stattdessen kam viele Jahre später eine vage Andeutung aus Berlin. Bei der Präsentation des Eurofighters anlässlich der Testflüge in Payerne war auch Ralf Schnurr zugegen, jener Mann, der im deutschen Verteidigungs­ministerium für bilaterale Rüstungs­kooperation zuständig ist. Eine Kooperation zwischen Deutschland und der Schweiz sei auch «im Bereich Infrastruktur oder Energie» denkbar, warf er vielsagend in die Runde. Konkret nannte er den Anflug auf den Flughafen Zürich, über den Deutschland und die Schweiz seit bald zwanzig Jahren streiten, sowie den Neat-Anschluss in der Oberrhein-Ebene, zu dessen Ausbau sich Deutschland verpflichtet hat, ohne den Worten Taten folgen zu lassen.

Das war vor zwei Jahren, bewegt hat sich seitdem in beiden Bereichen wenig bis gar nichts. Ernüchternd für jene Politiker, die nach dem Scheitern des Rahmen­vertrags mit der EU darauf spekulieren, dass sich die Schweiz mit dem Kampfjet europäischen Goodwill mitkaufen könnte. Die auf Freunde innerhalb der Union hoffen, die dann zu Zugeständnissen bereit wären, wenn es konkret um die künftige Teilnahme am Forschungs­programm Horizon oder um ein Strom­abkommen ginge.

«Verbinden kann man diese zwei Geschäfte nicht. Das ist formell gar nicht möglich», machte Bundesrätin Amherd derlei Hoffnungen kürzlich in einem Interview zunichte. Nicht ohne beizufügen, dass sie «selbstverständlich» in ihren Gesprächen den Verteidigungs­ministerinnen der Hersteller­länder gesagt habe, dass die Schweiz an einer guten Zusammen­arbeit interessiert sei. Zumal sie sich mit dem Entscheid dreissig bis vierzig Jahre lang an ein Land binde.

Nach den Erfahrungen mit dem unberechenbaren letzten US-Präsidenten Donald Trump kommt das schon fast einem Votum für Rafale oder den Eurofighter gleich. Zumal sich die VBS-Chefin nach dem hauchdünnen Grundsatz-Ja des Stimmvolks zu den Kampfjets sehr gut überlegen muss, ob sie einen Absturz an der Urne riskieren will.

Die Luftwaffen­offiziere werden ihren Entscheid nicht zu hintertreiben versuchen. Diesmal schauen die Piloten dem Endkampf um die Kampfjets recht gelassen zu. Sie brauchen keine Störmanöver zu starten, weil sie mit allen vier Typen gut leben können. Da die F/A-18 bald einmal aus dem Verkehr gezogen werden, wissen Sie überdies, dass es ihre letzte Chance ist.

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