Die Landwirtschafts­industrie ist eine der Haupt­verantwortlichen für die Zerstörung des brasilianischen Regenwaldes. Cristina de Middel/Magnum Photos/Keystone

Brandherd mit Dividende

Die Schweizer Grossbank UBS will mit brasilianischen Agrarkonzernen gross ins Geschäft kommen. Im Amazonas Millionen verdienen, aber umweltfreundlich und nachhaltig: Kann das gehen?

Von Olivier Christe und Fernanda Wenzel, 19.04.2021

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Als sich die UBS 2009 aus Brasilien zurückzog, war die Finanz­krise der Grund. Die Bank brauchte Geld zur Stärkung ihrer Bilanz und verkaufte deshalb ihr Tafel­silber – darunter den Ableger in Brasilien.

Nun kehrt die UBS zurück. Mit der staatlichen Banco do Brasil hat sie Ende letzten Jahres ein Joint Venture gegründet: die UBS BB Investment­bank. Das Zweigespann vereint die Investmentbank­abteilungen beider Häuser und will sich gemäss eigener Aussage unter die grössten Investment­banken Südamerikas einreihen.

Im Fokus steht dabei die Agrar­industrie: Die UBS möchte grosse Fleisch- und Soja­produzenten bei ihren Finanz­geschäften unterstützen und das Vermögen der Besitzerinnen dieser Firmen verwalten. So erklärte es Sylvia Coutinho, Architektin und Vizepräsidentin des neuen Joint Ventures, im Dezember.

Zu diesem Zweck ist die UBS der Associação Brasileira do Agronegócio (ABAG) beigetreten, einer einfluss­reichen Agrar-Lobby­organisation, in der auch der Fleisch­verarbeiter JBS oder der Rohstoffhändler Cargill mitmachen – beides Firmen, die zu den treibenden Kräften der Amazonas-Regenwald-Abholzung zählen.

Die UBS glaubt, sie könne ungeachtet der Umwelt­probleme mit der brasilianischen Agrar­industrie Geschäfte machen. Sie argumentiert, die «aufgeklärte Agrar­industrie» verstehe, dass sie dem Regenwald Sorge tragen muss. Und sie hält es für möglich, eine klare Grenze zwischen guten und schlechten Unternehmen in der brasilianischen Landwirtschaft zu ziehen.

Doch alles, was über diese Landwirtschaft bekannt ist – darüber, wie ihre Liefer­ketten funktionieren, wie sie mit der Politik verflochten ist und welche Absichten sie im Amazonas hat –, deutet darauf hin, dass das eine Fehl­einschätzung ist.

Die UBS wird nicht im grossen Stil in Brasiliens Agrar­industrie Fuss fassen können, ohne dabei die Abholzung von Regen­wäldern mitzufinanzieren.

Brasilien und seine Agrarindustrie

Die Agrarindustrie: In Brasilien ist das der Ort, wo das Geld wächst. Das Land produziert hinter den USA am zweitmeisten Rindfleisch und vor den USA am meisten Soja, auf einer Fläche, neunmal so gross wie die Schweiz. Ein Viertel der Wirtschafts­leistung Brasiliens stammt aus Ackerbau und Viehzucht, und allein im vergangenen Jahr legte die Landwirtschaft um 24 Prozent zu.

Kein Wunder, interessiert sich die UBS für diese Industrie.

Doch Brasilien und seine Agrar­industrie haben verschiedene Gesichter. Da ist nicht nur das Brasilien der Hightech-Produzenten, deren Maschinen die Bauern in Europa oder den USA vor Neid erblassen lassen – das saubere Brasilien, mit seinen sozioökologisch zertifizierten, multi­nationalen Firmen, die ihre Produkte an die wählerischsten Kundinnen auf der ganzen Welt verkaufen.

Da ist auch das andere Brasilien – jenes abseits der supermarkt­reif verpackten Lebens­mittel. Ein Brasilien, das an den Grenzen der Zivilisation operiert und an Stellen in den Amazonas eindringt, wo die Abwesenheit des Staates nicht nur zu illegaler Abholzung, sondern auch zu moderner Sklaverei führt. Ein Brasilien der Agrar-Lords, die ihren politischen Einfluss nutzen, um damit davonzukommen.

Manche Leute in Brasiliens Agrar­industrie reden öffentlich davon, dass ihr Teil des Landes ohne den grössten tropischen Wald der Erde besser fahren würde. Zum Beispiel Assuero Doca Veronez, Präsident der Landwirtschafts­lobby im Gliedstaat Acre, wo vergangenes Jahr besonders viel Urwald gerodet wurde. «Für uns ist Abholzung ein Synonym für Fortschritt», sagt er. «Acre hat das beste Land Brasiliens. Aber dieses Land hat ein Problem, darüber liegt ein Wald.»

Zwischen diesen verschiedenen Brasilien eine klare Linie zu ziehen, ist unmöglich. Sollte die UBS dies noch nicht realisiert haben, dürfte sie dies bald tun – spätestens dann, wenn sie die Kunden ihres neuen Joint Ventures genauer kennenlernt.

Mit wem die UBS geschäftet

Diese Kundinnen kommen von der Banco do Brasil – der laut Angaben der NGO Forests and Finance Coalition weltgrössten Geldgeberin der Agrar­industrie – und bilden eine illustre Gesellschaft. Ein langjähriger Kunde der Bank ist etwa JBS, der grösste Fleischverarbeiter der Welt. Ein weiterer ist Bunge, zweit­grösster brasilianischer Agrarexporteur und einer der grossen Soja­produzenten des Landes. Daneben gibt es eine endlos lange Liste kleinerer Agrar-Unternehmen im Kunden­stamm der neuen UBS-Partnerbank.

Nicht wenige dieser Firmen sind nachweislich in die Abholzung tropischer Wälder wie dem Amazonas verwickelt. Da die UBS nun erleichterten Zugang zu ihnen hat, muss sie speziell achtgeben, keine Problem­firmen zu finanzieren.

Eine Möglichkeit dafür sind strikte Ausschluss­kriterien: Wer nicht ganz klar aufzeigen kann, nicht an Abholzungen beteiligt zu sein, bekommt kein Geld. Doch die Kriterien der UBS und ihres Joint Ventures sind nicht so rigoros.

So müssen Soja­produzentinnen, mit denen die UBS geschäftet, als wichtigste Bedingung Mitglied der Initiative «Round Table on Responsible Soy» (oder eines vergleichbaren Standards) sein. Eine wenig aussage­kräftige Auflage: Zu den Mitgliedern des «Round Table on Responsible Soy» zählen auch Firmen wie Cargill, Bunge oder Cofco, die mehrfach in illegale Abholzung verwickelt waren und in einem kürzlichen Ranking zum Einfluss des Soja­handels auf Abholzung die drei schlechtesten Ränge belegten.

Für die Viehzucht, den wichtigsten Treiber der Abholzung, sind die Kriterien der UBS sogar noch schwächer. In einer Bewertung des «Forest 500»-Netzwerks gab es für die UBS nur 19 von 64 Punkten. Beim Soja erhielt sie immerhin 33 Punkte.

Unter solchen Vorzeichen ist das Risiko gross, in problematische Geschäfte verwickelt zu werden. Und tatsächlich: In den sechs Monaten, in denen die UBS BB Investment­bank existiert, ging sie bereits fragwürdige Deals ein.

Zum Beispiel mit der Scheffer-Gruppe. Ihr hat die Bank eine Finanzierung organisiert. Die Gruppe zählt zu den grössten Soja- und Vieh­produzenten des Landes und gehört der Familie Maggi Scheffer, der auch Teile von Bom Futuro gehören, dem weltgrössten Soja­produzenten. Zusammen besitzen beide Unternehmen über 8000 Quadrat­kilometer Land – deutlich mehr als der Kanton Graubünden. Sie operieren vor allem im Bundes­staat Mato Grasso, der sich am Übergang von drei kritischen Gebieten für die Biodiversität befindet: dem Amazonas-Regenwald, der Savanne Cerrado und dem Feuchtgebiet Pantanal.

Schwer zu überwachende Lieferketten

Jaguare mit bis aufs Fleisch verbrannten Beinen, verkohlte Schlangen, Ameisen­bären in Bandagen: Das zeigen Fotos aus dem vergangenen Jahr aus dem Pantanal. 30 Prozent der gesamten Fläche des Gebiets sind damals niedergebrannt. Unter den Akteuren, die im Verdacht stehen, Feuer gelegt zu haben, sind auch Farmer, die zu den Lieferanten von Bom Futuro gehören.

Unzählige Wildtiere – etwa dieser Kaiman – kamen 2020 in den Feuern im Pantanal-Regenwald ums Leben, die mutmasslich von Farmern gelegt wurden. Lalo de Almeida/Folhapress/Panos

Um illegale Urwald­rodung auszuschliessen, müssen Unternehmen wie Scheffer und Bom Futuro ihre Lieferketten eigentlich rigoros überwachen. Doch das ist kompliziert. So kompliziert, dass der Bundes­staatsanwalt Daniel Azeredo vor zwei Jahren sagte, dass «kein Unternehmen, welches Vieh aus dem Amazonas kauft, behaupten kann, dass in der eigenen Produktions­kette keine Rinder aus abgeholzten Gebieten stammen». Der Staatsanwalt hatte zuvor während elf Jahren die sektoralen Vereinbarungen koordiniert, die die illegale Abholzung durch die Rindfleisch­industrie beseitigen sollten.

Mit gemischtem Erfolg. Über die Jahre haben die grossen Player zwar Tracing-Systeme eingeführt zur Prüfung der Umwelt­verträglichkeit von Farmen, von denen sie Rinder kaufen. Doch dieses Kontroll­system hat einen blinden Fleck: die indirekten Zulieferer. Bevor die Rinder auf die Schlacht­höfe kommen, durchlaufen sie bis zu zehn unterschiedliche Farmen.

Deshalb ist es unglaublich schwierig, in Brasilien zwischen «guter» und «schlechter» Agrar­industrie zu unterscheiden. Wenn es die UBS ernst meint mit ihrer Absicht, nicht zur Umwelt­zerstörung in Brasilien beizutragen, müsste sie Unternehmen wie Scheffer also besonders gut durchleuchten.

Ob sie das tut, ist fraglich: Scheffer ist nicht Mitglied des «Round Table on Responsible Soy» oder eines der anderen Zertifikate, die in den Ökokriterien der UBS erwähnt sind. Überdies wurde 2016 gegen zwei Familien­mitglieder, Elusmar und Erai, unter dem Verdacht ermittelt, Soja von Antônio José Junqueira Vilela Filho gekauft zu haben – dem Mann, der hinter der grössten illegalen Abholzung steht, die je im Amazonas entdeckt wurde. AJ oder Jotinha, wie er genannt wird, hat mehr als 30’000 Hektaren Wald im Bundes­staat Pará illegal abgeholzt. Der Fall wird aktuell unter Geheim­haltung am Bundes­gericht von Mato Grosso verhandelt.

Fast noch schwieriger, als Liefer­ketten zu überwachen, ist der Umgang mit einem weiteren Element: der Verwendung von Pflanzenschutz­mitteln.

Pestizide in indigenen Gebieten

Brasilien ist der grösste Pestizid­verbraucher der Welt. Über die Hälfte davon landet auf Soja­plantagen. So bringt Mato Grasso – der Staat mit der grössten Soja­produktion – auch am meisten Pestizid aus. Mit problematischen Folgen.

Studien der Bundesuniversität von Mato Grosso haben mehrfach aufgezeigt, wie Pestizide Lebensmittel und Trinkwasser kontaminieren. Verschiedene Unternehmen stehen damit in Verbindung: die Produzenten (zu ihnen gehört auch Syngenta mit Hauptsitz in Basel), die Importeure und die Retailer.

Einer der grössten von ihnen ist das Unternehmen Agrogalaxy, das in den letzten Jahren stark gewachsen ist und sich 2020 für den Gang an die Börse entschied. Stattfinden wird er dieses Jahr. Bei der Transaktion dabei ist als Mitorganisatorin auch die UBS BB Investmentbank.

Im grössten Pestizid­markt der Welt kämpfen Wissenschaftlerinnen darum, Studien über die schädlichen Auswirkungen dieser Produkte auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit durchzuführen. Doch ein Budget dafür zu bekommen, sei fast unmöglich, sagt Diogo de Oliveira Silva, Forscher der Bundes­universität von São Paulo. Denn in Brasilien werden derzeit Gelder für wichtige Forschungs­programme gekürzt – nicht nur zum Thema Pestizid. Zudem ist die Forschungs­freiheit in Gefahr, wie der Fall von Larissa Mies Bombardi zeigt. Die renommierte Forscherin von der Universität von São Paulo verliess Anfang März das Land, nachdem sie nach der Publikation einer wichtigen Studie zur Nutzung von Pestiziden massiv bedroht wurde.

Dabei wäre Forschung essenziell – etwa für die Einwohnerinnen des Xingu-Indigenen­parks, des ältesten indigenen Territoriums von Brasilien. Vertreter von dort wandten sich vor vier Jahren an Silva: Sie waren besorgt über die Folgen der Pestizide, die Flugzeuge auf die umliegenden Felder versprühen.

Ihr Gebiet sei umgeben von Plantagen, sagte Watatakalu Yawalapiti, eine Anführerin und Aktivistin. «Diejenigen, die an den Grenzen leben, haben oft Haut­krankheiten und Durchfall. Das Wasser der Flüsse ist verschmutzt.» Früher hätten die Xingu kaum Krebs gehabt, heute gebe es viele Fälle. Man habe auch festgestellt, «dass viele Fische sterben oder deformiert sind, mit einem Auge an der falschen Stelle». Tests der Wissenschaftler von der Universität in São Paulo bestätigten dies. «Wenn Sie eine Wasser­probe aus dem Xingu nehmen, wird sie kaum pestizid­frei sein», sagt Silva.

Die fehlende Kontrolle über den Einsatz von Pestiziden hat sich seit der Wahl von Präsident Jair Bolsonaro verschärft. Er hat den brasilianischen Markt für eine Flut neuer Produkte geöffnet: Ganze 967 neue Pestizide wurden in seiner Amtszeit zugelassen, vergangenes Jahr zehn pro Woche – ein Rekord.

Bolsonaro und die Agrarindustrie

Es mag Zufall sein, dass die UBS ihre Pläne zur Zusammen­arbeit mit der Banco do Brasil im selben Jahr bekannt gab, in dem Bolsonaro vereidigt wurde. Doch es scheint geschäftlich Sinn zu machen. Die UBS sei «in Position für die Ära Bolsonaro», schrieb das Finanzbranchen­magazin «Finews».

Wichtig in diesem Zusammen­hang ist, dass die Banco do Brasil in Staatsbesitz ist. Was das bedeutet, wurde vor einigen Wochen deutlich, als Bankchef André Brandão nach einer Auseinander­setzung mit Bolsonaro seinen Posten räumen musste. Die Politik redet also im Joint Venture der UBS indirekt mit.

Recherchen der brasilianischen NGO De Olho nos Ruralistas zeigen eine weitere Verbandelung: Als Mitglied der Agrarlobby ABAG finanziert die UBS auch die «Parlamentarische Front für Landwirtschaft und Viehzucht» mit. Diese wiederum hat Bolsonaros Wahlsieg überhaupt erst möglich gemacht. ABAG ist eine der einfluss­reichsten Organisationen der brasilianischen Agrar­industrie und versammelt 67 Schwergewichte aus allen Bereichen des Sektors, darunter Cargill, Bayer, John Deere, JBS und Syngenta.

Bolsonaro seinerseits leugnet den Klima­wandel und sieht Umwelt­schutz als etwas für «Leute, die Grünzeug essen». Wie nahe er den Farmern steht, wurde schon während seines Wahlkampfs deutlich. In der Stadt Esteio, im südlichsten Bundes­staat Rio Grande do Sul, marschierte Bolsonaro damals durch Ställe voller Kühe und Traktoren der neusten Generation – auf einer der grössten Messen der brasilianischen Agrar­industrie, der «Expointer».

Anwesend waren Männer und Frauen, die von ihrem Land lebten, und was Bolsonaro sagte, war Musik in ihren Ohren. «Ich bringe euch juristische Sicherheit vor Eindringlingen in euer Land und mehr Kontrolle über die territorialen Grenzen der Indigenen und Quilombolas» (Nachfahren schwarzer Sklaven, Red.). Anschliessend verteidigte Bolsonaro das Recht, eine Waffe zu besitzen und «einen Kriminellen in Selbst­verteidigung zu töten».

Kaum war Bolsonaro an der Macht, erwog er, das Umwelt­ministerium abzuschaffen. Schliesslich konnten ihn Berater davon abbringen, weil sie erkannt hatten, dass dies dem Ruf der brasilianischen Agrar­produkte im Ausland schaden würde. Also nominierte Bolsonaro für diesen Regierungs­posten Ricardo Salles, der fortan als Anti-Umwelt­minister bezeichnet wurde und zuletzt forderte, man solle doch die Pandemie nutzen, um die Viehzucht auch in Schutz­zonen voranzutreiben. Was er damit meinte: Umwelt­vorschriften sollten gelockert werden, um noch mehr Fleisch zu produzieren.

Unter Bolsonaro hat die Abholzung des Amazonas dramatisch zugenommen. Innerhalb eines Jahres wurden 11’000 Quadrat­kilometer Wald gerodet – ein Viertel der Fläche der Schweiz. Und auch die Landwirtschaft feiert Rekorde: Die nach China exportierte Fleisch­menge hat sich 2020 im Vergleich mit dem Jahr zuvor fast verdoppelt.

Der Kornzug durch den Urwald

Geht es nach Bolsonaro, soll es in diesem Stil weitergehen. Seine Regierung treibt zu diesem Zweck mehrere Infrastruktur­projekte voran. Dabei geht es um Eisenbahnen und Häfen. Zwei Drittel der Ernte wird heute auf Strassen transportiert. Bahn und Schiff sollen an ihre Stelle treten.

Geplant ist eine ganze Reihe von Eisenbahn­linien quer durchs Land. Die wichtigste davon ist der Ferrogrão, ein «Kornzug» für den Güter­verkehr. Er soll vom Bundesstaat Mato Grosso im Landes­innern über 1000 Kilo­meter nach Norden zu den Ufern des Amazonas führen und so die Anbau­gebiete mit dem internationalen Markt verbinden. Das geplante Trassee folgt fast dem gleichen Weg, den heute bereits die Bundes­strasse BR-163 nimmt.

Noch dieses Jahr sollen Bau und Betrieb des Ferrogrão per Ausschreibung einer privaten Initiative übertragen werden. Unter den Bewerbern wird ein Konsortium aus den wichtigsten Soja­händlern Amaggi, ADM, Bunge, Cargill und LDC vermutet, die das Projekt bereits seit Jahren vorantreiben.

Für einen von ihnen, Amaggi, hat die UBS – in diesem Fall nicht das Joint Venture in Brasilien, sondern die Investment­bank des Mutterhauses – im Januar eine Finanzierung von 90 Millionen Dollar organisiert. Das Geld ist an eine Bedingung geknüpft: Es darf nur für nachhaltige Zwecke verwendet werden, es ist ein sogenannter Green Bond.

Green Bonds sollen auch für die Finanzierung der Ferrogrão-Eisenbahn­linie genutzt werden. Zumindest ist das der Plan der brasilianischen Regierung. Sie argumentiert, dass der Zug einen Teil der Strassen­transporte über die BR-163 ersetzen und dadurch die CO2-Emissionen vermindern wird. Eine zweifelhafte Annahme, da der Ferrogrão auch die Urwald­rodung voran­treiben dürfte.

Das geplante Trassee soll auch durch einen der sensibelsten Teile des Amazonas führen. «Es ist eine Region, die bereits kritisch ist. Sie ist voller indigener Gebiete und Schutz­einheiten und gleichzeitig die Region Brasiliens mit der grössten Soja­produktion», sagt Juliana Davis vom Labor für Geowissenschaften der Bundes­universität von Minas Gerais. Zusammen mit Kolleginnen kam sie zum Schluss, dass mit dem Ferrogrão die Gefahr steigt, dass Farmer in indigene Gebiete eindringen und dort zusätzlichen Wald roden – unter anderem bei den Xingu, die bereits von Pestiziden bedroht sind.

Eine Studie der Climate Policy Initiative geht davon aus, dass die Zugstrecke zur Abholzung von über 2000 Quadrat­kilometern Urwald (so viel wie der Kanton St. Gallen) und zu zusätzlichen Emissionen von 75 Millionen Tonnen CO2 führen könnte (rund doppelt so viel CO2, wie die Schweiz in einem Jahr ausstösst).

Auch die Boden­spekulation wird entlang der Zugstrecke zunehmen. «Profitieren werden nur Grossgrund­besitzerinnen, die Soja anbauen und Vieh züchten», sagt Watatakalu Yawalapiti von den Xingu. «Wir sind nicht gegen Fortschritt, aber wir wollen respektiert werden.»

Ob Amaggi und die UBS beim Ferrogrão mit von der Partie sein werden, muss sich noch zeigen. Ein Richter am obersten Gerichtshof hat das Projekt im März vorübergehend suspendiert, der definitive Entscheid darüber steht noch aus. Sicher ist: Selbst wenn eine Bank in Brasilien in Finanzierungen involviert ist, die man der Öffentlichkeit als «grüne Bonds» präsentieren kann, schliesst dies kontroverse Projekte wie den Kornzug nicht aus.

Fazit

Das Joint Venture von UBS mit der Banco do Brasil ist erst wenige Monate alt. Doch der Plan, sich auf die Agrar­industrie zu konzentrieren, nimmt Konturen an. Ende März hat die UBS zudem öffentlich ihr Interesse bekundet, auch die Vermögens­verwaltung der Banco do Brasil zu übernehmen.

Diese Expansion wirft Fragen auf – zu Umwelt­standards und zur Umsetzung der Nachhaltigkeits­strategie im brasilianischen Kontext, zu Firmen wie der Scheffer-Gruppe, zur Sicherung der Lieferketten­transparenz bei Vieh und Soja, zu den Plänen mit der Pestizid­industrie und schliesslich zur Nähe zur Bolsonaro-Regierung.

Zu keiner dieser Fragen will die Bank Stellung nehmen. Sie schreibt auf Anfrage: «Zu Kunden­beziehungen äussern wir uns prinzipiell nicht. Auch zu Partnerschaften äussern wir uns nicht in diesem Detailgrad.»

Zu den Autorinnen

Olivier Christe ist Journalist aus Basel mit den Schwer­punkten Klima­gerechtigeit und Finanz­industrie. Fernanda Wenzel ist freischaffende Journalistin aus Brasilien und arbeitet zu Umwelt­themen insbesondere im Amazonas.

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