Liebe Leserinnen und Leser – and everyone beyond
Manchmal gewinnt die pure Neugier eben doch. Als ihr jemand aus Barcelona vor zwei Wochen erzählte, es gäbe dort in der Apotheke Covid-19-Antikörpertests für zu Hause zu kaufen, konnte Republik-Journalistin Marguerite Meyer nicht widerstehen und liess sich einen schicken. Jetzt hält sie die buchgrosse Kartonverpackung in den Händen und schüttelt sie am Ohr, wie früher die Geburtstagsgeschenke.
«Aufgeregt öffne ich die Schachtel, darin befindet sich eine kleine Plastikhülle. Sie knistert steif, das Geräusch klingt verheissungsvoll. Sie erinnert an die Besteckverpackungen im Flugzeug, mit Messer, Gabel, Salz- und Pfeffertütchen, Serviette drin. Nur dass sich jetzt in dem Päckchen ein Desinfektionstüchlein, eine Plastikpipette, zwei Pikser zur Blutentnahme, ein Minifläschchen mit einer Lösung und ein kleines Plättchen, das an einen Schwangerschaftstest erinnert, befinden.
Ich lese mit gerunzelter Stirn die Instruktionen auf der Packungsbeilage. Mein aktiver Spanisch-Wortschatz bewegt sich im Bereich von ‹Cerveza, gracias, que linda!› – trotzdem verstehe ich die deutliche Anweisung, dass der Test zur äusseren Anwendung gedacht ist und nicht zum Verzehr. Zum Glück, sonst hätt ich noch Hunger bekommen.
Doch zurück zum Test. Im Gegensatz zu einem PCR-Test oder Antigen-Schnelltest stellt ein Antikörpertest keine aktuelle Infektion fest. Sondern er zeigt, ob man nach einer viralen Erkrankung Antikörper im Blut produziert hat. Antikörper sind quasi die eigenen Abwehrsoldatinnen, die sich bilden, um den Eindringling (also das Virus) zu bekämpfen. Und wenn ein Körper genug davon gebildet hat, können sie eine erneute Erkrankung im Idealfall von allein bekämpfen. Der Test soll mir also zeigen, ob mich Covid-19 schon mal erwischt hat.
Ich reisse die knisternde Plastikfolie auf. Der Test wurde in einer regulären Apotheke in Barcelona gekauft, Stückpreis 25 Euro. Er ist explizit für den Eigengebrauch bestimmt. Ich schaue mir die Schachtel nochmals genauer an, drehe und wende sie – und halte erstaunt inne: Der ‹Home Test› wird von einer Schweizer Firma hergestellt! Nun bin ich fast ein bisschen elektrisiert.
Zeit für einen Anruf bei meiner Apotheke. Ob es solche Tests für den Heimgebrauch auch zu kaufen gebe, frage ich. Die Apothekerin verneint, meint aber, die Geschäftsführerin der Apotheken-Kette könne mir vielleicht mehr sagen. Schliesslich können seit Februar Antikörpertests in vielen Schweizer Apotheken gemacht werden – aber Selbsttests seien kein Thema. Ich solle aber bei Swissmedic anrufen, um es genauer zu wissen. Ich rufe also bei der Schweizer Arzneimittelbehörde an, die Medikamente und Impfstoffe für die Schweiz prüft und zulässt. Dort verweist man mich an das Bundesamt für Gesundheit (BAG), das dafür zuständig sei. Hier erhalte ich endlich eine Antwort, die mir bestätigt:
‹Antikörpertests sind ausserhalb von Laboratorien nicht zulässig›, so BAG-Mediensprecher Jonas Montani. Der Grund: Solche Tests seien von den Ausnahmeregelungen der Covid-19-Verordnung nicht erfasst. In der Schweiz ist die Abgabe von Tests, die mittels Blutprobe eine übertragbare menschliche Krankheit erkennen sollen, verboten.
Ich fühle mich fast ein bisschen badass und rebellisch, als ich meine Utensilien auf dem Esstisch fein säuberlich ausbreite. Fast so, als würde ich etwas Verbotenes tun. (Natürlich ist es nicht verboten, sich in der Schweiz selber in den Finger zu piksen.)
Erstaunlicherweise zittern meine Hände ein wenig, als ich den Pikser an die Kuppe meines linken Mittelfingers halte. Zack – das ging schnell. Ein bisschen den Finger massieren, dann kann ich mit der Pipette ein paar Tropfen Blut aufsaugen und auf das Testplättchen tröpfeln. Dann folgt die durchsichtige Lösung aus dem kleinen Fläschchen.
Die Fingerkuppe blutet nicht mehr, ich sauge kurz dran und warte gespannt. Nach 10 Minuten erscheint eine kurze schwarze Linie. Ich habe keine Covid-19-Antikörper im Blut. Oder keine mehr. Oder nicht genug. Viel gescheiter als vorher bin ich auch nicht – muss jedoch auch sagen, dass ich nie den Verdacht auf eine Erkrankung hatte. Vermutlich ist zum jetzigen Zeitpunkt ein regelmässiger Test auf eine laufende Infektion sowieso sinnvoller. Ein klitzekleines bisschen wagemutig komme ich mir trotzdem vor.»
Und nun:
Die wichtigsten Nachrichten des Tages
Lugano verhängt eine Maskenpflicht im Freien. Nach Ascona ist das der zweite Ort im Tessin. Die Pflicht gilt ab dem 27. März an drei Wochenenden und in der Osterwoche, teilte die Stadt mit. Eingeschlossen sind dabei die Bereiche der ganzen Altstadt, am Lungolago und im gesamten Bahnhof – und das stets von 10 bis 19 Uhr.
Bulgarien verschärft seine Beschränkungen. Dies aufgrund stark steigender Infektionszahlen und einer drohenden Überlastung der Krankenhäuser im EU-Mitgliedsland. Ab Montag müssen Schulen, Restaurants und Einkaufszentren für 10 Tage schliessen, so das Gesundheitsministerium. Erst Anfang März waren die meisten Beschränkungen aufgehoben worden.
Der Präsident von Tansania, John Magufuli, ist gestorben. Er sei an einer Herzerkrankung verstorben, hiess es von offizieller Seite. Zuvor war im Land wochenlang spekuliert worden, dass er sich mit Covid-19 angesteckt habe. Er hatte sich seit Ende Februar nicht in der Öffentlichkeit gezeigt. Magufuli ist durch seinen zweifelhaften Umgang mit dem Virus aufgefallen: Er hatte das Land ohne Datengrundlage vergangenen Sommer als coronafrei deklariert und zur idealen Tourismusdestination erklärt. (Darüber haben wir hier mehr geschrieben.)
Und zum Schluss: Verwirrliches
Diese Woche war viel Rummel um die Impfung von Astra Zeneca. Was ist passiert?
Mehrere Personen hatten im Zeitraum nach der Impfung eine seltene Form von Thrombose erlitten. In Deutschland war beispielsweise bei 7 Personen mit Vorerkrankungen ein Blutgerinnsel im Gehirn aufgetreten, es kam zu 3 Todesfällen. Am Dienstag empfahl dann das deutsche Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, das Paul-Ehrlich-Institut, als Vorsichtsmassnahme den Einsatz des Vakzins vorläufig zu stoppen, bis ein allfälliger Zusammenhang geklärt sei. Das taten im Laufe der Woche dann auch mehrere europäische Länder.
Der Impfstoff, der von der schwedisch-britischen Pharmafirma Astra Zeneca in Zusammenarbeit mit der Universität Oxford entwickelt wurde, ist einer von 4 in der Europäischen Union zugelassenen Impfstoffen. Das Image ist zu Unrecht schon länger angeschlagen, obwohl sehr gute Resultate erzielt wurden. Der Impfstoff gilt als Hoffnungsträger, weil er günstig und einfach zu lagern ist. Das macht ihn besonders für breit angelegte Impfaktionen sowie für weniger wohlhabende Länder attraktiv.
Wie geht es also nach diesen Fällen weiter?
Gestern Mittwoch empfahl die Weltgesundheitsorganisation (WHO) diesen Impfstoff weiterhin. Die Vorteile in der Pandemiebekämpfung würden die Risiken überwiegen, so die WHO. Heute Abend gab es nach Abklärungen auch von der europäischen Arzneimittelbehörde EMA grünes Licht: Sie empfiehlt den Impfstoff weiterhin. Aber sie nimmt eine Extrawarnung vor seltenen Blutgerinnseln in Hirnvenen in die Liste der möglichen Nebenwirkungen auf. Festzuhalten bleibt: Bei den Untersuchungen der letzten Tage konnte kein Zusammenhang mit gewöhnlichen Thrombosen festgestellt werden.
Was heisst das für Sie?
Im Moment noch nichts, denn in der Schweiz wird dieser Impfstoff noch nicht verimpft. Die Zulassung ist noch nicht gegeben, weil die Arzneimittelbehörde Swissmedic auf ergänzende Daten wartet, die Zulassung ist also noch nicht da. Falls diese aber in Kürze kommen sollte und Sie an bestimmten Blutgerinnungsstörungen leiden oder entsprechende Medikamente nehmen, vergessen Sie bitte nicht, das mit Ihrer Ärztin vor einer allfälligen Impfung zu besprechen.
Bleiben Sie umsichtig. Bleiben Sie freundlich. Und bleiben Sie gesund.
Marguerite Meyer
PS: Haben Sie Fragen und Feedback, schreiben Sie an: covid19@republik.ch.
PPS: Wir würden uns freuen, wenn Sie diesen Newsletter mit Freundinnen und Bekannten teilten. Er ist ein kostenloses Angebot der Republik.
PPPS: Genug von endlosen Zoom-Sitzungen, aus denen Sie nicht mehr herauskommen? Dann brauchen Sie Zoom Escaper! Dieses Werkzeug ermöglicht Ihnen klammheimlich die Selbstsabotage. Sie können Ihren Videokonferenzen-Ton so manipulieren, dass Ihre Anwesenheit nur noch mühsam ist und Sie gerne entschuldigt werden. (Pst, von uns haben Sie das nicht.)
PPPPS: Heute starten die Schweizer Jugendfilmtage. Das reichhaltige Programm ist dieses Jahr im Livestream zugänglich – und zwar kostenlos. Hier gehts zur Eröffnung heute Abend und zum Livestream und hier finden Sie das gesamte Programm bis und mit Samstag. Perfekt für einen kalten Abend – rauf auf die Couch, hoch die Füsse, her mit dem Popcorn!