Salon der Republik

Wir laden wieder zu Literatur und Debatte

Am 30. März diskutieren wir im digitalen Salon der Republik mit der Autorin Annette Hug über neue Bücher von Christian Kracht und Claudia Durastanti – live im Videochat. Das Motto diesmal: Familie und andere Abgründe.

Von Daniel Graf, 16.03.2021

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Noch ist der Kultur-Lockdown nicht vorüber. Und während über weitere Öffnungen und ein mögliches Ende des Veranstaltungsverbots gestritten wird, hat der Bücherfrühling längst begonnen.

Mit «Eurotrash», dem neuen Werk von Christian Kracht, ist soeben ein Roman in die Läden gekommen, bei dem sich schon jetzt sagen lässt, dass er zu den meistdiskutierten des Jahres gehören wird.

Ein im doppelten Wortsinn leiseres, literarisch umso faszinierenderes Buch über das Aufwachsen bei gehörlosen Eltern hat Claudia Durastanti mit ihrem Erstling «Die Fremde» vorgelegt.

So unterschiedlich die zwei Bücher auf den ersten Blick sind: Autobiografisch inspirierte Familien­romane sind sie beide. Werke, in denen es um das Erinnern, um Realität und Erfindung, um Geschichte und Geschichten geht – nicht zuletzt also um das Erzählen selbst.

Der Salon – diesmal digital

Über beide Bücher sprechen am 30. März ab 20 Uhr Barbara Villiger Heilig, Daniel Binswanger und Daniel Graf mit der Autorin, Übersetzerin und Kolumnistin Annette Hug. Und natürlich mit Ihnen, wenn Sie mögen!

Dafür müssen Sie nicht einmal das Haus verlassen. Denn wegen der Corona-Lage findet dieser Salon nicht wie sonst im Cabaret Voltaire in Zürich statt, sondern digital im Videochat. Das ist zwar nicht die ursprüngliche Idee, hat aber den grossen Vorteil, dass Sie nicht reisen müssen, um live mitzu­diskutieren oder einfach nur zuzuhören. Alles, was Sie dafür brauchen, ist eine Internet­verbindung – ganz egal, wo Sie sich befinden.

Anmelden können Sie sich ab sofort unter: info@cabaretvoltaire.ch. Sie erhalten dann von uns einen Link zu der Veranstaltung und alle nötigen Informationen.

Der Eintritt in den digitalen Salon ist kostenlos. Wenn Sie uns anderweitig unterstützen wollen, indem Sie (weiterhin) die Republik lesen oder im Cabaret Voltaire vorbeischauen (die Ausstellungen dort sind geöffnet), freut uns das. Wie immer zeichnen wir die Veranstaltung auf und veröffentlichen sie hinterher als Audio-Podcast. Wer am 30. März keine Zeit hat, kann die Veranstaltung also wie gewohnt nachhören. Und natürlich können Sie schon im Vorfeld hier die Kommentar­funktion nutzen, um eigene Lese­eindrücke zu teilen oder Fragen an die Diskussions­runde zu formulieren.

Die Bücher

Etwas mehr zu den beiden Büchern:

Claudia Durastanti, «Die Fremde» (aus dem Italienischen von Annette Kopetzki): «Meine Mutter und mein Vater lernten sich an dem Tag kennen, als er versuchte, sich in Trastevere vom Ponte Sisto zu stürzen.» So beginnt die Familien­geschichte, die Claudia Durastanti erzählt – die Geschichte ihrer eigenen Familie. Doch ist das nur die Version, die von der Mutter stammt. In der Variante des Vaters lernten sich die Eltern kennen, «als er sie vor einem Überfall vor dem Bahnhof Trastevere rettete».

Claudia Durastanti, 1984 in Brooklyn geboren und heute in London lebend, hat ihren von der Kritik gefeierten Roman auf Italienisch geschrieben, der Sprache ihrer Familie. Doch ist auch das nur ein Teil der Wahrheit, denn ihre Eltern sind beide gehörlos, lesen Lippen und verständigen sich untereinander in der Gebärden­sprache, die Claudias Mutter weder ihre eigenen Eltern noch ihre Kinder je zu erlernen bat: «Warum sie darauf verzichtet hat», so die Ich-Erzählerin, «ist mir, die ich lange Zeit Angst hatte, laut zu sprechen, ganz klar: Die Gebärden­sprache ist theatralisch und sichtbar, sie setzt dich ständig den Blicken der anderen aus. Sie macht dich sofort zur Behinderten. Wenn du nicht gestikulierst, hält man dich lediglich für ein etwas schüchternes und zerstreutes Mädchen.» Nachdem Claudia als Sechsjährige mit der Mutter von Brooklyn in ein süditalienisches Kaff übersiedelt, bringt sie sich die Landes­sprache selbst mithilfe von Büchern bei – und bleibt zunächst dennoch ebenso eine Fremde wie ihre Mutter.

«Die Fremde» erzählt von den vielen Arten der Verständigung, vom Kampf gegen Exklusion, von Drastik und Stille und vom Pendeln zwischen verschiedenen sprachlichen Welten.

Christian Kracht, «Eurotrash»: Als Fortsetzung von «Faserland», Krachts Kultbuch der 90er-Jahre, wurde «Eurotrash» angekündigt. Und wenn die Reise des Erzählers damals mitten im Zürichsee endete, nimmt sie nun in Zürich ihren Ausgang. Sie führt den Erzähler, der so heisst wie der Autor, durch die Schweiz – und irgendwie doch auch wieder nach Deutschland, zu den Abgründen der eigenen Familien­geschichte: Da ist der Nazi-Grossvater, der «nach der leider vollkommen erfolglos verlaufenen Entnazifizierung» seine Ideologie und seine sadomasochistischen Neigungen weiterpflegt; der schwerreiche Vater, der einst die rechte Hand von Axel Springer war und den Minderwertigkeits­komplex des Parvenüs zeitlebens nicht loswird; und da ist die mittlerweile 80-jährige Mutter, trotz schwerer Alkohol- und Tabletten­sucht schlagfertig und humorvoll, zugleich, wie ihr Sohn, von sexuellem Missbrauch in der frühesten Jugend traumatisiert.

Mutter und Sohn fahren im Taxi durchs Land, einen Teil des Familien­vermögens, 600’000 Franken, haben sie in Tausender­noten im Gepäck. Genauer: in einer Plastiktüte. Und sie sind entschlossen, das schmutzige Geld wahllos an Fremde zu verschenken.

Eine Fortsetzung von «Faserland»? «Eurotrash» ist eher eine Fortsetzung sämtlicher Kracht-Texte. Und eine in jedem Moment doppelbödige Arbeit am eigenen Mythos, die die Literatur­kritik in Fans und Genervte spaltet, wie stets bei Kracht.

Wer hat denn nun recht?

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