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Bitte lächeln

10.03.2021

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Liebe Leserinnen und Leser – and everyone beyond

In der Schweiz fehlt es an einer konstruktiven Zusammen­arbeit zwischen Wissenschaftlerinnen und der Politik. Seit einem Jahr können wir alle live mitverfolgen, was passiert, wenn für politische Entscheidungen die nötige wissenschaftliche Grundlage fehlt.

Oder wenn das Wissen zwar vorhanden wäre, aber nicht bei den Entscheidungs­trägern ankommt. Oder wenn es zwar ankommt, aber nicht in die Entscheidung einfliesst. Oder wenn es zwar mit einfliesst, man es als Bürger oder als Wissenschaftlerin aber nicht merkt, weil der Politiker seine Entscheidung nicht hinreichend transparent begründet.

Die Pandemie hat gezeigt, dass die Leitung zwischen den beiden Welten verrostet ist. Kaum hingen die ersten Covid-19-Patienten an Beatmungs­geräten, begann das Gezeter: Wissenschaftler fühlten sich ungehört; die Behörden angegriffen.

Die beiden Republik-Journalistinnen Elia Blülle und Marie-José Kolly fragen sich seit einem Jahr: Warum geraten sich Wissenschaftler und Politikerinnen dauernd in die Haare?

«Die Schweiz – und so ist es nicht überall – kennt überhaupt keine Kultur der Zusammen­arbeit von Politik und Wissenschaft», sagt der ehemalige Ständerat und emeritierte Medizin­professor Felix Gutzwiller.

Für ihn, und auch für alle anderen Wissenschaftlerinnen und Politiker, mit denen die Republik gesprochen hat, ist klar, dass sich ihr Verhältnis verbessern muss. Nur wie? Was muss passieren, damit die nächste Krise keine Katastrophe wird?

  • In den Parlamenten und Behörden braucht es mehr Wissenschaftlerinnen.

  • Sitzen Wissenschaftler nicht selber in der Politik, sollten sie bis dahin verstanden haben, wie dieses System funktioniert – und Politikerinnen sollten umgekehrt gelernt haben, wie Forscherinnen arbeiten, denken und kommunizieren.

  • Es braucht Schnitt­stellen, die dafür sorgen, dass unabhängige Forschungs­ergebnisse den Weg in die politische Debatte finden.

  • Es braucht Netzwerke und Programme, die Wissenschaftlerinnen und Politiker zusammenschweissen.

Beim Zusammenspiel zwischen der Wissenschaft und der Politik verhält es sich wie bei einem Stafetten­lauf. Selbst das Team mit den schnellsten Sprintern verliert das Rennen, wenn es die Stab­übergabe vermasselt. In der Pandemie haben Epidemiologen, Ökonominnen und Sozial­wissenschaftler rund 80 Policy Briefs geschrieben, auf die sich die Regierung bei ihren Entscheiden stützen könnte.

Doch deren Wirkung verpuffte oft. Der Stab fiel bei der Übergabe ins Gras.

Genau so, wie eine Stafette nur gewonnen werden kann, wenn vorher geübt wurde, lässt sich eine Krise nur bewältigen, wenn man sich intensiv darauf vorbereitet hat. Wie ein Trainings­plan genau aussehen könnte – und was das alles mit einer Zombie-Murmeltier-Apokalypse zu tun hat –, erfahren Sie im Artikel, den die Republik heute veröffentlicht hat.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

Die Schweiz passt ihre Liste der Risiko­länder an. Für diese gilt eine Pflicht zur Quarantäne von 10 Tagen bei Einreise in die Schweiz. Neu finden sich ab dem 22. März auf der Liste des Bundesamts für Gesundheit (BAG) unter anderem Belgien, die besetzten palästinensischen Gebiete, Katar, Kosovo, Polen, Rumänien sowie diverse Regionen in Italien, Frankreich, Deutschland und Österreich, darunter auch Wien. Ab morgen Donnerstag sind Portugal und Spanien nicht mehr auf der Liste.

Die Schweiz hat 3 Millionen zusätzliche Dosen des Biontech/Pfizer-Impfstoffs bestellt. Damit erhöht sich die mit Pfizer vereinbarte Liefermenge auf 6 Millionen Dosen. Die neu bestellten Impfdosen würden «ab April schrittweise ausgeliefert», teilte der Bund mit. Bisher hat der Bund mit 5 Impfstoff­herstellern Verträge abgeschlossen: Moderna (insgesamt rund 13,5 Millionen Impfdosen), Pfizer/Biontech (neu insgesamt 6 Millionen Impfdosen), Astra Zeneca (rund 5,3 Millionen Impfdosen) und Curevac (5 Millionen Impfdosen) sowie Novavax (6 Millionen). Davon sind Astra Zeneca, Curevac und Novavax noch nicht von der Arznei­mittel­behörde Swissmedic zugelassen.

Das Greenfield Festival in Interlaken hat sein Open Air für 2021 abgesagt. Damit reiht es sich ein in eine Vielzahl grosser Festivals im deutschsprachigen Raum, darunter das Rock am Ring am Nürburgring, das Hurricane Festival in Nieder­sachsen und das Southside im deutschen Bundesland Baden-Württemberg. Auch das Deichbrand bei Cuxhaven sowie das Country-Festival in Interlaken fallen dieses Jahr aus. Gründe seien die grosse Planungs­unsicherheit und das damit verbundene finanzielle Risiko, so die Festivals.

Basel-Stadt spricht 120’000 Franken für die Sans-Papiers-Nothilfe. Das Geld fliesst in den Corona-Nothilfe-Fonds der Anlaufstelle für Sans-Papiers. Diese unterstützt vor allem Menschen ohne Papiere, die in der Pandemie ihre Arbeit in Privat­haushalten sowie der Alten- und Kinder­betreuung verloren haben. Im vergangenen Jahr hatte der Kanton Basel-Stadt in zwei Tranchen bereits 280’000 Franken eingezahlt.

Israel hat mit der Impfung von palästinensischen Arbeitern begonnen. Die zweiwöchige Kampagne startete am vergangenen Montag. Geimpft werden rund 100’000 Personen aus den besetzten palästinensischen Gebieten, die über eine israelische Arbeits­bewilligung verfügen und mehrheitlich in der Bau- oder Landwirtschaft arbeiten. Der Zugang zu einer Impfung für die restliche palästinensische Bevölkerung ist schwierig. Die Zuständigkeit für Gesundheits­politik in den palästinensischen Gebieten wird von der Uno Israel als Besatzungs­macht zugeschrieben. Der israelische Staat hingegen beruft sich auf das Oslo-Abkommen über die vorüber­gehende Selbst­verwaltung der Gebiete.

Und zum Schluss: Hinsehen

Derzeit macht im Internet #FaceTheDepression die Runde. Unter dem Hashtag posten Betroffene psychischer Krankheiten ein Foto mit Lächeln. Und zeigen damit, dass Depressionen und andere psychische Krankheiten verschiedene Gesichter haben – oft auch ein fröhliches.

Anna ist 21. Als sich ihr Freund von ihr trennt, beginnt die Abwärts­spirale. Sie weint ununter­brochen und erbricht sich häufig. Da ist auch Yann, 20, der junge Leistungs­sportler, der sich seit Jahren immer wieder selbst verletzt – «kleine Sachen», wie er sagt. Dann kommt Corona, und er fällt völlig ins Loch. Ben und Nina sind beide 23 und ein Paar. Als Ben in eine Depression rutscht, verschreibt ihm der Arzt Anti­depressiva. Er hingegen will es zuerst mit einem Psychologen versuchen – findet aber keinen Platz.

Seit Frühling 2019 haben sich die psychischen Probleme der Schweizerinnen statistisch verdoppelt. Dabei wirke die Corona-Krise wie ein Katalysator, heisst es im ersten Teilbericht zu Corona und psychischer Gesundheit des Bundesamts für Gesundheit (BAG).

Doch das Problem liegt nicht nur bei Vorbelastungen, Shutdowns und anderen Massnahmen. Ein Teil findet sich bei einer uralten Kosten­diskussion. Bis heute dürfen selbst­ständige Psycho­therapeutinnen nicht über die Grund­versicherung abrechnen. Das führe dazu, dass Menschen in psychischer Not aus finanziellen Gründen auf eine Therapie verzichten würden, schreibt Bajour-Kollegin Naomi Gregoris in ihrer lesenswerten Recherche.

Bleiben Sie umsichtig. Bleiben Sie freundlich. Und bleiben Sie gesund.

Elia Blülle, Marie-José Kolly und Marguerite Meyer

PS: Haben Sie Fragen und Feedback, schreiben Sie an: covid19@republik.ch.

PPS: Wir würden uns freuen, wenn Sie diesen Newsletter mit Freundinnen und Bekannten teilten. Er ist ein kostenloses Angebot der Republik.

PPPS: Sie haben es gelesen: Die grossen Open Airs werden dieses Jahr wohl mehrheitlich nicht stattfinden. Und wir unsererseits vermissen Livemusik schrecklich. Umso mehr gefällt uns der «Live Music Analyst» des Digital­magazins «The Pudding». Die Macherinnen haben in der Diskografie unzähliger Live­aufnahmen von Musik­klassikern und -raritäten gewühlt: Auf der Seite lassen sich diese mit ihren entsprechenden Studio­geschwistern vergleichen. Nerdig? Ja! Und toll, finden wir.

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