Liebe Leserinnen und Leser – and everyone beyond
Haben Sie langsam die Nase voll von der Pandemie? Genug von Homeoffice, Fernunterricht, Abstandhalten und sozialer Isolation? Sehnen Sie sich nach Gesellschaft, Abwechslung, Unbeschwertheit? Falls dem so ist, sind Sie damit nach einem Jahr Pandemie und zwei Shutdowns nicht allein: Die Einschränkungen und der monotone Alltag zehren an den Kräften.
Und wir wissen: Wir werden auf jeden Fall noch eine Weile durchhalten müssen. Umso wichtiger ist es, dass wir immer wieder versuchen, die Routine zu durchbrechen, uns etwas Gutes zu tun und kleine Fluchten einzuplanen, die uns aus dem Alltagstrott herausholen.
Aber wie geht das? Unsere Redaktorin Bettina Hamilton-Irvine hat mithilfe des Republik-Teams ein paar Ideen zusammengetragen, die Freude machen.
Backen Sie einen Kuchen (falls Sie Inspiration brauchen, empfehlen wir Ihnen den Youtube-Channel von Claire Saffitz, von Renias Backwelt oder eine Empfehlung unseres Hauskulinarikers Michael Rüegg) und schreiben Sie Ihren Freunden, dass sie sich ein Stück davon abholen dürfen. Wenn es nicht zu kalt ist, gibts im Hinterhof oder im Garten einen Kaffee dazu. Oder machen Sie einen Spaziergang und überraschen Sie unterwegs Ihre Grossmutter oder das Gottimeitli mit etwas Selbstgebackenem.
Schnappen Sie sich eine Lieblingsperson und einen Stapel Zettel und schreiben Sie darauf schöne Wanderwege, Pärke, Wälder, Berge oder andere Ausflugsziele, die Sie schon immer einmal besuchen wollten. Legen Sie die Zettel in eine Kartonschachtel. Am Wochenende ziehen Sie einen und fahren dorthin, wo Ihre Überraschungsbox Sie eben gerade hinschickt. Ein kleines Abenteuer wartet!
Denken Sie sich ein absolut nischiges Thema aus, und tauchen Sie dann via Google-Suche eine halbe Stunde lang in eine komplett neue Welt ein. Ein paar Vorschläge: die Geschichte der Sojamilch, das schlechteste Jazzalbum aller Zeiten, erfundene Länder in Comicbüchern, das Balzritual von kanarischen Rieseneidechsen.
Vermissen Sie Bars? Bauen Sie Ihre eigene in der Wohnung. Alles, was Sie dazu brauchen, ist Alkohol, Gläser, ein paar Nüsse oder Chips in einem Schälchen und, ganz wichtig: Stellen Sie den Tisch um, am besten mitten in den Raum. Je nachdem, wie fancy Ihre Bar sein soll, können Sie natürlich auch Champagner, Cocktails oder Craft-Bier anbieten und Kerzen anzünden. Die Hintergrundkulisse kreieren Sie ganz einfach mit dem Soundtool «I Miss My Bar», das Ihnen Hintergrundgeschwätz, Geschirrgeklapper und Barmusik in die Wohnung zaubert. Denken Sie vor dem Zubettgehen einfach daran, Ihre Bar wieder aufzuräumen, sonst könnte es geschehen, dass Sie am Morgen noch leicht beduselt in die Küche tappen und denken: Oh, was war denn hier los?
Basteln Sie aus Abfall brauchbare Alltagsgegenstände.
Fahren Sie Rollschuh! Das macht kleinen und grossen Menschen gleichermassen Spass. Wenn Sie sich richtig schön oldschool fühlen wollen, fahren Sie nicht Inlineskates, sondern versuchen Sie, ein Paar traditionelle Rollschuhe aufzutreiben (schauen Sie in einem Brockenhaus oder auf einer Onlineplattform für Secondhand-Sachen). Üben lässt es sich im Hinterhof, auf dem Trottoir oder auf einem Schulhausplatz. Und wenn Sie nicht wissen, wie man bremst, lohnt sich vorher ein Blick auf Youtube.
Planen Sie gemeinsam mit zwei, drei anderen Leuten eine Geburtstagsüberraschung für eine gute Freundin. Wenn Sie etwas Grösseres planen, treffen Sie sich einmal pro Woche mit Bier am Bildschirm zur Besprechung. Und freuen Sie sich dabei diebisch über Ihre Heimlichtuerei.
Hören Sie die neue Thomas-Brasch-Vertonung von Masha Qrella; fragen Sie sich, warum ausgerechnet ein Gedicht von 1992 den passendsten Vers zum Corona-Blues enthält («Ich kann nicht tanzen. Ich warte nur»); versuchen Sie, den Song durchzuhören, ohne zu tanzen; scheitern Sie genussvoll daran.
Kaufen Sie einen E-Reader und machen Sie Impulskäufe. Weil E-Bücher nicht viel kosten, müssen Sie sich auch nicht verpflichtet fühlen, alles zu lesen.
Schauen Sie dem Partner zuliebe Filme, die Sie sonst nie geschaut hätten. Zum Beispiel das gesamte «Marvel Cinematic Universe», von «Iron Man» bis zum dreistündigen «Endgame». Stecken Sie dabei den Kitsch und die sexistischen Strukturen augenrollend weg und diskutieren Sie dafür vor dem Schlafengehen über die gesellschaftskritischen Fragen und die nordische Mythologie. Oder lassen Sie den intellektuellen Überbau sein, lachen Sie einfach über Thor, seinen Hammer und sein Outfit. Wir empfehlen: den Abstecher zu «Deadpool». Wir empfehlen nicht: «Guardians of the Galaxy 2».
Machen Sie es sich in einem Sessel oder auf dem Sofa gemütlich und hören Sie wieder einmal ein ganzes Musikalbum von vorne bis hinten, so, wie die Künstlerin das beabsichtigte. Ohne Buch, ohne Natel, ohne zu reden und ganz sicher ohne zu arbeiten.
Spielen Sie über Videocall «Dungeons und Dragons». Denken Sie sich einen Charakter aus, zum Beispiel Hieronymus Baptiste de Lamorne, ein Halb-Elf, Bastard-Kind eines adligen Prinzen und einer Waldelfe, ein Barde, der sehr gut lügen kann und die High Society hasst. Gehen Sie dann zusammen mit anderen Spielerinnen auf ein Abenteuer, lösen Sie Rätsel und kämpfen Sie gegen Orks und Dämonen.
Misten Sie Ihren Kleiderschrank aus und spenden Sie die aussortierten Kleider oder bringen Sie sie ins Brockenhaus. Das tut doppelt gut: Sie fühlen sich danach erleichtert und haben erst noch eine gute Tat vollbracht.
Treffen Sie sich bei schönem Wetter mit ein paar guten Freunden auf einer Dachterrasse, in einem Park, auf einer Waldlichtung oder am Seeufer. Nehmen Sie Decken oder Matten mit und machen Sie gemeinsam Yoga oder Tai-Chi – oder lernen Sie die Choreografie zu «Jerusalema». Danach gibt es wahlweise Prosecco, Kräutertee oder Limonade und Sandwiches.
Die wichtigsten Nachrichten des Tages
Der Bundesrat will eine «Testoffensive» starten. Die wichtigsten beiden Eckpunkte: Auch wer keine Symptome hat, soll den Test nicht mehr bezahlen müssen. Und jede und jeder soll bald gratis 5 Selbsttests pro Monat beziehen können, zum Beispiel in Apotheken. Das kündigte Bundesrat Alain Berset heute Nachmittag in Bern an. Ab dem 15. März will der Bund sämtliche Tests finanzieren, das Ganze werde etwa eine Milliarde Franken kosten. Allerdings hat das Bundesamt für Gesundheit noch keine Selbsttests für zu Hause genehmigt, Berset rechnet mit der Freigabe «in den nächsten Wochen». Jetzt werden die Kantone konsultiert, und am 12. März soll definitiv über die neue Teststrategie entschieden werden.
Die Schweiz hat heute offiziell der Verstorbenen gedacht. Um 12 Uhr mittags läuteten landesweit die Kirchenglocken, und die Regierung legte eine Schweigeminute ein, zu der Bundespräsident Parmelin auch die Bevölkerung eingeladen hatte. Nach offizieller Zählung sind bis heute 9331 Menschen an Covid-19 gestorben.
Jede fünfte Wirtin hat ihren Betrieb unterdessen aufgegeben, sagt der Gastroverband. Das habe eine Umfrage unter seinen Mitgliedern ergeben. Weitere 20 Prozent stünden kurz davor, ebenfalls für immer zu schliessen. Darauf angesprochen, sagte Bundesrat Berset heute an der Medienkonferenz: «Wir tun für die Gastronomie, was wir können.»
Diese Woche wurde in der Schweiz langsamer geimpft als zuvor. Immer freitags publiziert das Bundesamt für Gesundheit die Zahlen dazu. Demnach hat die Zahl der verimpften Dosen um 3 Prozent abgenommen. Hauptgrund dürften die Lieferverzögerungen sein, die seit Wochen bestehen. Der Bund gibt sich optimistisch, dass der Rückstand ab April dann aufgeholt werden kann. Unter anderem könnte Swissmedic gegen Ende März das Mittel von Astra Zeneca zulassen.
Der Chef der Weltgesundheitsorganisation spricht sich für Patentverzicht bei Covid-19-Impfungen aus. In einem Beitrag im britischen «Guardian» schreibt Tedros Adhanom Ghebreyesus, die Welt müsse «auf den Kriegszustand umstellen». Mit «business as usual» sei dieser Pandemie nicht beizukommen. Alle Länder sollen die Möglichkeit haben, Impfungen günstig selber herzustellen. Nächste Woche debattiert die Welthandelsorganisation über die Aussetzung von geistigem Eigentum bei Impfungen. Das hatten Südafrika und Indien beantragt – und der Vorschlag wird unterdessen von 100 Ländern unterstützt.
Und zum Schluss: Der Lagebericht zur Woche
Seit 5 Tagen sind die Läden wieder offen, und draussen dürfen sich 15 Menschen treffen. Jetzt heisst das Programm vorerst wieder: mal schauen. Erstens darauf, was diese leichten Lockerungen mit dem Schweizer Infektionsgeschehen machen – in den Statistiken wird das frühestens Ende nächster Woche langsam sichtbar. Und zweitens: ob und wie fest uns die «britische» Mutation den Frühling verhagelt. Unterdessen macht sie ziemlich sicher die Mehrheit aller neuen Ansteckungen aus. Und sie hat andere Länder zurück in harte Lockdowns gezwungen, allen voran Tschechien. Das Land hat die Schweiz heute um die Übernahme von Covid-Patienten gebeten, weil die Lage in den Spitälern kritisch sei.
Zur Erinnerung: Der Bundesrat hat vier Bedingungen dafür genannt, ob er am 19. März – in genau zwei Wochen – weitere Öffnungen erlaubt. Aktuell sieht es nur bei einer davon komfortabel aus: den Covid-19-Patientinnen auf der Intensivstation. Sie belegen ein bisschen weniger als 200 der als Obergrenze festgelegten 250 Betten. Bei den Spitaleinweisungen insgesamt sieht es ebenfalls ganz gut aus:
Die anderen drei Öffnungskriterien kratzen am Grenzwert oder liegen zu hoch. Etwa 5 Prozent aller Tests fallen positiv aus (der Wert hilft einzuschätzen, wie viele der Infektionen entdeckt werden und nachverfolgbar sind); für eine Lockerung der Massnahmen sollten es weniger als 5 Prozent sein. Die 14-Tage-Inzidenz muss unter 164 Neuinfektionen pro 100’000 Einwohnerinnen liegen (daran lässt sich ablesen, was die ersten Lockerungen ausgelöst haben). Da ist sie ungefähr auch. Und eine Person darf statistisch gesehen nur weniger als eine weitere Person anstecken: der berühmte R-Wert. Im Moment ist er ein bisschen zu hoch.
Hoffen wir, dass sich das alles in den kommenden zwei Wochen zum Besseren wendet – entgegen dem Trend rund um die Schweiz herum. Denn wie das Europabüro der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gestern Donnerstag mitteilte, ist der wochenlange Rückgang der Infektionen auf dem Kontinent vorbei. In mehr als der Hälfte der Länder in Europa sind die Ansteckungen in der vergangenen Woche leider gestiegen. Bestenfalls stagnieren sie.
Bleiben Sie umsichtig. Bleiben Sie freundlich. Und bleiben Sie gesund.
Oliver Fuchs, Bettina Hamilton-Irvine und Marie-José Kolly
PS: Haben Sie Fragen und Feedback, schreiben Sie an: covid19@republik.ch.
PPS: Wir würden uns freuen, wenn Sie diesen Newsletter mit Freundinnen und Bekannten teilten. Er ist ein kostenloses Angebot der Republik.
PPPS: Der Chef der WHO heisst bekanntlich Tedros Adhanom Ghebreyesus. Sein Name ist ein Patronym, wie die meisten äthiopischen Personennamen. Adhanom ist dabei der Vatername – und Ghebreyesus jener des Grossvaters.