Ist das Werbung?
Im Republik-Dialog wird nicht nur geschrieben, sondern auch verlinkt. Was geht, was nicht? Einblick in eine laufende Diskussion anhand von vier Fällen.
Von Lucia Herrmann, 25.02.2021
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Die Ausgangslage ist einfach: Der Republik-Dialog bietet Raum für Austausch, über einzelne Beiträge und über diese Beiträge hinaus. Für Lob, Kritik, Ergänzungen und Hinweise auf Fehler.
Dazu steht ein Kommentarfeld zur Verfügung, in das – je nach Präferenz und Mitteilungsbedürfnis – ein knackiger Zweizeiler, eine Frage oder ein Kurzessay getippt werden kann. Und wer das möchte, versieht seinen Kommentar mit einem oder mehreren Links.
Wer regelmässig die Kommentare im Dialog liest, hat dort bestimmt schon den einen oder anderen guten Hinweis entdeckt.
Vielleicht sind Sie aber auch schon über Links gestolpert, die Sie stutzig gemacht haben. Bei denen Sie sich gefragt haben: Gehört das hierhin? Jedenfalls kommt es regelmässig vor, dass Leser Kommentare melden (sprich: mit einer «Fahne» markieren), die Links enthalten.
Was darf gepostet werden und was nicht?
Grundsätzlich regelt das unsere Hausordnung. Keinen Platz haben beispielsweise Links, die auf nachweislich falsche oder auf rassistische Inhalte verweisen (Etikette, Punkt 1). Oder solche, die auf nicht vertrauenswürdige Seiten weiterleiten, die beispielsweise kein Impressum aufführen oder nicht ausweisen, woher oder von wem die dort verbreiteten Inhalte stammen (Etikette, Punkt 2).
So weit, so klar.
In der Praxis fällt aber die Beurteilung, was denn nun etikettenkonform ist und was nicht, nicht immer so leicht. Und es kommt vor, dass wir uns intern nicht auf Anhieb darüber einigen können, ob ein bestimmter Kommentar «noch okay» ist oder «schon nicht mehr okay».
Dann wird diskutiert.
Von diesen Diskussionen sehen Sie höchstens das Ergebnis (wenn beispielsweise ein Kommentar von der Redaktion verborgen und dieser Entscheid in einem Hinweis begründet wird).
Damit Sie besser nachvollziehen können, wie wir diese Entscheide treffen, haben wir uns auf ein paar Grundsätze verständigt.
Hier eine kleine Auslegeordnung zum Thema «Links im Dialog» anhand von vier hypothetischen Fällen:
Fall 1: Ein Link sagt mehr als tausend Worte
Ein Kommentar, der aus einem nackten Link besteht, sonst nichts.
https://www.schau-mal-da.ch/ich-klage-ganz-grundsaetzlich-an.php
Die Abwägung: Das könnte ein wichtiger Beitrag zur Debatte sein, aber so genau weiss das bloss die Person, die den Link gepostet hat. Vielleicht ist es auch Quatsch. Für alle anderen Anwesenden im Dialog ist jedenfalls nicht direkt nachvollziehbar, worum es sich bei dem Link handelt und warum er für die gegenwärtige Debatte relevant ist.
Wie die Redaktion reagiert: Kommentare, die bloss aus einem Link bestehen, verbergen wir mit der Bitte, den Inhalt einzuordnen und noch einmal zu veröffentlichen.
Fall 2: Ich habe hier etwas gefunden, oder: Kennen Sie schon dieses Youtube-Video?
Ein Verleger stolpert über eine seltsame Webseite, einen Beitrag, ein Video, das ihn stutzig macht oder überrascht oder irritiert. Er verlinkt das Fundstück im Republik-Dialog und stellt es zur Diskussion.
Ich habe nicht das ganze Video gesehen, aber schon interessant, was Prof. Hubenmüller sagt. Ich finde, man muss darüber reden dürfen, ob Goldfische eine Seele haben: https://www.youtube.com/watch?v=uLumfFHLmmA
Die Abwägung: Grundsätzlich gut, weil hier viele kluge Leute sind, die sich Gedanken dazu machen könnten. Auch von der Redaktion wird jedes verlinkte Video und jeder verlinkte Inhalt angeschaut. Aber: Es ist leider enorm viel Unfug im Umlauf, und wir verfügen nicht über die Ressourcen, um alles vertieft zu prüfen. Schon gar nicht ellenlange Youtube-Videos.
Wie die Redaktion reagiert: Wir verbergen den Kommentar mit der Bitte, die Quellen zu prüfen und anschliessend noch einmal zu veröffentlichen. Grundsätzlich gilt: Wir erwarten, dass Sie Ihre Quellen prüfen, bevor Sie sie in einem Kommentar veröffentlichen. Wenn Ihnen eine solche Prüfung (beispielsweise aus Zeitgründen) nicht möglich ist, dann lassen Sie den Link bitte weg.
Fall 3: Einkaufstipps für Feinschmecker
Nach einer Folge von «Geschmacksache» tauschen sich engagierte Kulinarikerinnen über die feinsten Kartoffeln, die verlässlichsten Produzenten und über weitere exklusive Geheimtipps aus.
Wunderbares Rezept! Ich empfehle aber für das Confit unbedingt Grenadilla statt Stachelbeeren. Hier gibt es gerade Mengenrabatt von 20 Prozent per metrische Tonne: https://www.grenadilla-guerilla.gr/3vqpp-hxppl?#affiliatelink2
Die Abwägung: Was für ein Service! Aber ist das nicht Werbung? Die Republik ist ein werbefreies Magazin (und stolz darauf). Diesem Anspruch werden wir allerdings nicht ganz gerecht, wenn sich im Dialog Links befinden, die direkt zum Onlineshop eines bestimmten Anbieters führen, oder wenn in Kommentaren bestimmte Produkte oder Dienstleistungen zum Kauf empfohlen werden. Gleichzeitig sollen hilfreiche Tipps nicht vorenthalten werden müssen.
Wie die Redaktion reagiert: Wir entscheiden ausgehend vom Wortlaut des Kommentars und vom inhaltlichen Zusammenhang, in dem er zum Republik-Beitrag steht. Als ergänzende Information sind Tipps gerne gesehen, als direkter Kaufaufruf (z. B. in Form von Links zum Onlineshop) nicht.
Fall 4: Unterschreiben Sie jetzt den Aufruf! / die Initiative! / das Referendum!
Ähnlich verhält es sich mit Links zu Initiativen, Referenden oder sonstigen politischen Kampagnen.
Ganz richtig, was Strassberg schreibt! Es ist Zeit, das zu ändern: https://www.initiative-mehr-sokrates-in-schwimmbädern-ja.ch
Die Abwägung: «Kommentare, die für jemanden oder für etwas Werbung machen» haben im Republik-Dialog keinen Platz, so steht es in der Etikette. Fällt darunter auch politische Werbung? Jein. Eigentlich schon. Aber sich austauschen über politische Vorstösse ist auch ein wichtiger Teil eines direktdemokratischen Systems. Und dazu möchte die Republik beitragen – ohne dabei zur Plattform für einzelne Parteien oder Bewegungen zu werden.
Wie die Redaktion reagiert: Steht die verlinkte Kampagne / der Aufruf / die Initiative etc. in einem inhaltlichen Zusammenhang zum Republik-Beitrag, unter dem der Kommentar veröffentlicht wird, und geht es darum, andere Verlegerinnen darüber zu informieren, dass es diesen Vorstoss gibt, dann ist das mit dem Werbeverbot in der Etikette vereinbar.
Nicht damit vereinbar sind aber Kommentare, die direkt dazu aufrufen, einen bestimmten politischen Vorstoss zu unterstützen, zu unterschreiben oder dafür Stimmen zu sammeln. Ebenfalls nicht konform sind Links zu politischen Inhalten, die keinen Zusammenhang zum Republik-Beitrag haben, unter dem sie veröffentlicht wurden.
Fazit: Kontext, Kontext, Kontext
Die meiste Zeit laufen die Debatten konstruktiv von alleine – und wenn mal etwas aus dem Ruder zu laufen droht, weisen sich die Teilnehmerinnen selber auf die Anstands- und Etikettenregeln hin. Es ist toll, was da in drei Jahren gewachsen ist.
Dabei hilft natürlich auch die Natur des Republik-Dialogs (nur für Mitglieder und zu meist maximal drei neuen Beiträgen am Tag). Anders als bei grossen Nachrichtenportalen müssen wir keine Studentinnen oder Nebenjobber anstellen, um eine Flut von Spam und Müll vorab zu prüfen. Hier veröffentlichen Sie Ihre Beiträge direkt. Das wollen wir so beibehalten.
Wir setzen keine Filtersoftware ein, um Kommentare zu moderieren. Die Republik-Crew diskutiert aktiv mit und greift, wenn nötig, moderierend ein. Und wenn es dabei um Links in Kommentaren geht, dann orientieren wir uns vor allem an einem: dem Kontext.
Uns ist bewusst, dass wir nicht immer völlig konsequent (und ohne andere Redaktionsarbeit im Nacken) agieren. Und manchmal vielleicht auch etwas zu schnell eingreifen, um die Dialogkultur insgesamt zu schützen. Bitte lassen Sie es uns unbedingt wissen, wenn Sie mal nicht einverstanden sind.
Und damit: Auf viele weitere gute Debatten.