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Die Spitzkehrseite der Medaille

15.02.2021

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Liebe Leserinnen und Leser – and everyone beyond

Die Ski-WM findet dieses Jahr ohne Publikum statt. Als Lara Gut-Behrami im Super-G und Corinne Suter in der Abfahrt am Wochenende im italienischen Cortina d’Ampezzo Gold holten, blieb es seltsam still in der Zieleinfahrt. Zugelassen waren nur Athletinnen, Staff und Journalisten.

Da wir bei der Republik zwar einige Sportaficionados haben, aber keine Sportjournalisten beschäftigen, erzählt stattdessen Eva Breitenstein von der «Schweizer Illustrierten», wie sie sich mit den vielen Regeln abkämpft und auch ein bisschen die Partys im Österreicherhaus vermisst:

«Es ist der Wellnessmoment des Tages. ‹Schliessen Sie die Augen› steht an der Wand vor mir, dann rieselt Sprühnebel aus vier Düsen von der Decke, er riecht angenehm nach Hoteldampfbad. Nach sieben Sekunden piepst es, das Ritual ist zu Ende. Die Box beim Eingang des Medienzentrums ist allerdings keine Auszeit für gestresste Sportjournalistinnen, sondern ein Ganzkörper-Desinfektionsgerät. Gleich hinter dem Fiebermesser, der entscheidet, ob ich ins Zelt darf oder nicht.

Sportberichterstattung zu Coronazeiten, das war bisher unspektakulär: Die meisten Events waren abgesagt. Interviews führe ich ab und zu virtuell, bei Homestorys trage ich Masken, in Stadien fehlen die Zuschauerinnen. Die Ski-WM aber ist einer der ersten Grossanlässe während der Pandemie, Athleten aus 70 Nationen reisen nach Cortina d’Ampezzo in den Dolomiten. Und die Italienerinnen tun viel dafür, dass die zwei Wochen ein Festspiel für den Skisport und nicht das Virus werden.

Das beginnt lange vor der Anreise: Zehn und dann nochmals zwei Tage davor sind negative PCR-Tests fällig. Die Akkreditierung erhält nur, wer bei Ankunft in Cortina erneut negativ ist, danach kommt per SMS alle drei Tage ein weiteres Aufgebot. In Italien herrscht überall ausserhalb des Hotelzimmers Maskenpflicht, zudem tragen wir Journalisten ein kleines Elektrogerät auf dem Eventgelände. Komme ich einer anderen Person zu nahe, piepst und vibriert es. Das tut es ziemlich oft, denn Interviews in der Mixed-Zone werden in Gruppen geführt. Social Distancing ist hier eine Illusion. Der kleine Big Brother zeichnet die Verstösse aber nicht auf – glauben wir zumindest.

Entscheidend anders ist mein Job, wenn es um Inhalte geht. In der ‹Schweizer Illustrierten› wollen wir mit den Medaillengewinnerinnen möglichst ausgiebige Termine – den Menschen hinter der Athletin zeigen. Doch jegliche Indoor-Fotoshootings sind diesen Winter vom Schneesportverband Swiss Ski untersagt, das gilt für das Zuhause ebenso wie für Hotellobbys, Cafés oder Fotostudios. Zudem sind fast keine Partner oder Familienmitglieder vor Ort. Wie, bitte schön, vermitteln wir den Leserinnen also Nähe, wenn wir bei Minustemperaturen dick eingepackte Athleten alleine fotografieren? Wie führe ich ein offenes Gespräch über private Themen, wenn wir in der Fussgängerzone stehen, das Aufnahmegerät für genügend Distanz an einen Selfiestick montiert, während ich im schmalen Streifen zwischen Kappe und Maske die Mimik zu lesen versuche? Spoiler: Work in progress …

Bei den Bildern versuchen wir, ein paar Hingucker zu erzeugen: Wir schleppen Feuerschalen oder Racletteöfeli in den Schnee, suchen die schönsten Holztüren Cortinas als Hintergrund oder schicken Drohnen auf Hotelbalkone. Was hilft: Für die Skifahrerinnen ist abgesehen vom fehlenden Applaus und Gejohle im Ziel fast alles gleich. Vielleicht fehlt der Moment der Siegerehrung vor Tausenden Leuten, doch die Freude über einen Titel und dessen Bedeutung schmälert das nicht.

So dankbar ich bin, die Traumkulisse der Dolomiten zwei Wochen lang gegen mein Zürcher Homeoffice zu tauschen: Ein bisschen muss ich noch dem Ruf der Journalisten gerecht werden, sich gerne über Arbeitsbedingungen zu beklagen. Denn nach zwölf Saisons im Mikrokosmos Skizirkus rücken die Medaillen manchmal ein wenig in den Hintergrund.

Was neben der perfekten Gold-Kuschel-Titelstory noch fehlt? Spätabendliche Diskussionen an der Hotelbar mit Trainern. Partys im Österreicherhaus. Medaillenfeiern im House of Switzerland, wo sogar das Schwyzerörgeli-Trio für einmal genehm ist. Fachsimpeln mit Skijournalistinnen aus Slowenien, Norwegen oder den USA. Abrocken mit der Athletenband. All die kleinen Momente und grossen Begegnungen halt. Restaurants und Bars schliessen hier um sechs, ab zehn herrscht Ausgangssperre. Und vor allem: Eine Durchmischung von Teams, Medien und Staff ist nicht erwünscht – und nicht erlaubt. Und hier mahnt dann für einmal nicht das surrende und piepsende Kästli, sondern die Vernunft zu An- und Abstand.»

Und nun:

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

Der Bundesrat hat den Anspruch auf Corona-Taggelder verkürzt. Dies bestätigte das Bundesamt für Sozialversicherungen auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Neu gilt: Es besteht nur noch Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz bei Quarantäne für 7 statt wie vorher 10 Taggelder – auch wenn die Quarantäne länger dauert. Neu ist zwar die Möglichkeit, die Quarantäne zu verkürzen, wenn am siebten Tag ein negativer Test gemacht wird. Dieser muss jedoch selber bezahlt werden. Beschlossen hat dies der Bundesrat im Januar, in Kraft getreten ist die Bestimmung laut Tamedia-Zeitungen am 8. Februar. Der Bundesrat hatte über die Änderung nicht offensiv kommuniziert.

In Wengen kommt es zu einem Corona-Ausbruch. Ein Hotel im bernischen Wintersportort muss auf Anweisung des Kantonsarztamtes für 10 Tage schliessen. Bei einem Mitglied des Personals sei die südafrikanische Variante nachgewiesen worden. Die Ansteckungswege konnten nicht klar nachvollzogen werden. Bereits Anfang Jahr hatte es in Wengen einen grossen Ausbruch gegeben. Ein britischer Superspreader hatte zahlreiche Personen angesteckt.

Die Deutsche Bahn hat den grenzüberschreitenden Bahnverkehr nach Tschechien und Tirol eingestellt. Diese gelten als Corona-Risikogebiete. Wann der Bahnbetrieb wieder aufgenommen wird, ist bisher unklar. Wegen Ausbrüchen der ansteckenderen Virusvarianten soll es an den deutschen Grenzen zu Tschechien und Tirol wieder Kontrollen geben.

Die neuseeländische Stadt Auckland geht in einen dreitägigen Lockdown. Premierministerin Jacinda Ardern verhängte die Massnahme, nachdem drei neue lokale Fälle von Covid-19 entdeckt wurden. Die Bewohnerinnen der grössten Stadt des Landes dürfen ihr Zuhause drei Tage lang nicht verlassen, ausser für den Lebensmitteleinkauf und den Weg zur Arbeit. In dieser Zeit wollen die Behörden allfällige weitere Ansteckungen ausfindig machen können. Neuseeland fährt eine schnelle und harte Corona-Strategie. Das 5-Millionen-Land hat bisher rund 2300 Fälle und 25 Todesfälle zu verzeichnen.

Und zum Schluss: Häuschen-Träume

Gehören Sie zu denen, die ein Eigenheim haben? Oder wünschen Sie sich eins? Hatten Sie in den vergangenen Monaten auch – vielleicht ungewohnte – Sehnsucht nach einem Häuschen im Grünen, mit Garten? (Vielleicht sogar, wie Newsletter-Autorin Marguerite Meyer, die idealisierte Vorstellung von eigenen Hühnern und Gemüsebeeten?)

Dann sind Sie in guter Gesellschaft: 2020 ist die Nachfrage nach grosszügigerem Wohnraum gestiegen – wohl auch pandemiebedingt. Gleichzeitig wird wenig Wohneigentum zum Verkauf ausgeschrieben.

Das ergibt «ein explosives Gemisch», schreibt Republik-Journalist Simon Schmid. Er dröselt die Verschiebungen im Schweizer Immobilienmarkt auf. Denn: Seit der Jahrtausendwende sind Eigentumswohnungen im Preis konstant gestiegen. Im vergangenen Jahr war die Steigerung nicht an den Orten markant, wo Immobilien sowieso teuer sind (also in Städten wie Zürich oder Genf) – sondern im Umland.

So viel für heute.

Bleiben Sie umsichtig. Bleiben Sie freundlich. Und bleiben Sie gesund.

Marguerite Meyer und Simon Schmid

PS: Haben Sie Fragen und Feedback, schreiben Sie an: covid19@republik.ch.

PPS: Wir würden uns freuen, wenn Sie diesen Newsletter mit Freundinnen und Bekannten teilten. Er ist ein kostenloses Angebot der Republik.

PPPS: Stellen Sie sich vor, Sie seien auf einem Roadtrip. Vor Ihnen nur der Mittelstreifen und ein Horizont, der auf Entdeckung wartet. Sie kurbeln das Fenster herunter, der Wind spielt Ihnen durch die Haare, in Ihrer Sonnenbrille spiegelt sich der Himmel. So oder so ähnlich gehen die Pferdchen der Fantasie mit uns durch, wenn wir uns quer durch Radio Garden hören: Damit lässt sich eine beliebige Radiostation auf der Weltkugel ansteuern – oder gleich der eigene Sehnsuchtsort einstellen. Ohren auf, Augen zu und ein bisschen träumen!

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