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Allerhantel!

10.02.2021

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Liebe Leserinnen und Leser

Viele von uns arbeiten zurzeit im Homeoffice. Was für die meisten bedeutet: Stunden über Stunden auf einem harten Stuhl am Küchentisch, mit krummem Rücken auf dem Sofa oder vornübergebeugt am Stubentisch. Kurz: in einer Haltung, von der wir alle wissen, dass sie uns nicht guttut.

Viele Physiotherapeuten haben darum zurzeit trotz Shutdown viel zu tun – auch weil andere Angebote wie beispielsweise Fitness­zentren ihre Türen schliessen mussten. Republik-Journalistin Olivia Kühni hat mit Sandra Habegger, Betriebschefin vom Physiozentrum und selber Physiotherapeutin, über die aktuelle Lage gesprochen. Und sie – natürlich – um Tipps gegen den Homeoffice-Rücken gebeten.

Sandra Habegger, wie läuft das Geschäft?
Wir können nicht klagen, es läuft einigermassen gut. Im Januar hatten wir ein Loch, aber das ist oft so. Das kennt man ja auch aus anderen Branchen, dass zum Jahresanfang eher etwas gespart wird. Die letzten zwei Wochen aber hat es wieder stark angezogen.

Sie spüren nichts vom Shutdown?
Nein. Wir haben nur an unseren Standorten an den typischen Pendlerlagen weniger zu tun, also beispielsweise in Zürich und in Basel direkt beim Bahnhof. Sonst läuft es praktisch normal. Das war beim ersten Shutdown übrigens anders, da kam noch etwa ein Viertel der Leute, die wir sonst haben.

Wie erklären Sie sich das?
Ich glaube, viele Menschen sind froh, dass es ein paar Dinge gibt, die sie weiter tun können. Das merken wir auch daran, dass die medizinische Massage sehr gut ausgelastet ist. Viele Menschen wollen sich im Moment etwas Gutes tun.

Wahrscheinlich haben sie auch einfach verspannte Rücken von der Arbeit auf dem unbequemen Küchenstuhl.
Das ist tatsächlich so. Wir sehen im Moment ziemlich viele Schultern-Nacken-Verspannungen vom vielen Sitzen.

Was fällt sonst noch auf?
Was auch zugenommen hat, sind die klassischen Überlastungssymptome: das typische runner’s knee beispielsweise, also Knieschmerzen vom Rennen. Das liegt daran, dass viele jetzt auch auf eigene Faust mehr Sport machen als sonst, und teilweise ist der Körper nicht ganz vorbereitet darauf. Dafür haben wir natürlich weniger akute Sportverletzungen, weil die typischen Volkssportarten wie Fussball, Hockey oder Handball ausfallen.

Physiotherapeutinnen werden gerne immer und überall nach Ratschlägen gefragt. Ich erlaube mir das jetzt auch: Was kann ich gegen den Homeoffice-Rücken tun?
Das Wichtigste ist einfach, sich zu bewegen. Sitzen Sie nicht mehr als eine Stunde am Stück, gehen Sie über Mittag oder am Abend an die frische Luft und bewegen Sie sich. Das kann auch nur ein Spaziergang sein. Auch ein tägliches Work-out ist eine gute Idee.

Ein Work-out?
Ja, das stellen wir im Moment oft für Leute zusammen. Das sind einfach ein paar Übungen, die Sie ohne grossen Aufwand zu Hause machen können. Sie können beispielsweise PET-Flaschen als Hanteln brauchen und Ihre Arme trainieren.

Wissen Sie was? Das probiere ich tatsächlich aus. Vielen Dank. Und alles Gute für Ihre Arbeit.
Danke auch.

Und jetzt:

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

Mehr Länder kommen auf die Quarantäneliste der Schweiz. Gemäss dem Bund kommen unter anderem Serbien, Albanien, Kolumbien und verschiedene Regionen in Deutschland, Italien und Frankreich hinzu. Die erweiterte Liste gilt ab dem 22. Februar 2021. Nicht auf der Liste steht weiterhin das österreichische Bundesland Tirol, das ein europaweiter Hotspot der mutierten Virusvarianten ist.

Die WHO empfiehlt weiterhin den Einsatz des Astra-Zeneca-Impfstoffes. Obschon in jüngster Zeit Berichte die Wirksamkeit des Vakzins als mangelhaft bezeichnet haben, empfehlen unabhängige Expertinnen und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den weiteren Einsatz des Mittels. Die Schweizer Arzneimittelbehörde Swissmedic hat die Astra-Zeneca-Zulassung temporär gestoppt, bis weitere Ergebnisse vorliegen.

Der Corona-Aufbaufonds für die EU kommt zustande. Dies kündigte die Kommission der Europäischen Union an. Zuvor hatte das Europäische Parlament den Fonds mit 672,5 Milliarden Euro endgültig gebilligt. Die letzte Zustimmung des Rats der EU-Staaten gilt als Formsache. Mit dem Fonds soll die Rezession durch die Pandemie überwunden werden; er soll vor allem den am schwersten getroffenen Staaten helfen, darunter Italien, Spanien und Frankreich. Grosse Teile der Ausgaben gehen in den Klimaschutz, in die Digitalisierung und in Jugendprojekte, damit soll auch die Wirtschaft modernisiert werden. Der Aufbaufonds soll in den nächsten Tagen offiziell starten.

Und zum Schluss: Manchmal ist die Lage vielleicht auch besser, als sie gerade aussieht

Wir haben es schon in der allerersten Ausgabe dieses Newsletters geschrieben: Der konstante News-Stream zur Pandemie verunsichert.

Manchmal ist es mit diesen News so wie auch sonst im Leben: Was heute nach einem riesigen Berg aussieht, kaum zu erklettern, erweist sich mit etwas Abstand als spazierbarer Hügel. (Oder umgekehrt: Unter einem Eis-Inselchen kann sich ein ganzer Eisberg verstecken. Merkt mans zu spät, sinkt das Schiff, von dem aus man sich das Inselchen angesehen hatte.)

Wir brauchen Kontext, um die Dinge richtig einzuordnen. Sind wir zu nah dran, sollten wir ein gewisses Mass an Unsicherheit mitdenken. Mal als Vorsichtsmassnahme, mal als Hoffnungsschimmer.

Etwas Kontext deshalb, und eine wärmende Unsicherheitsschicht zu den düsteren Meldungen, wonach manche Impfstoffe gegen gewisse neue Virusvarianten kaum wirken sollen:

1. Was man in den meisten bisherigen, in der Regel noch nicht wissenschaftlich begutachteten Studien (sie wurden also nicht peer reviewed mehr dazu lesen Sie hier) hierzu misst, sind neutralisierende Antikörper. Gegen diese scheinen manche der Varianten ein leichteres Spiel zu haben. Nun heisst aber erstens eine verringerte Virus-Neutralisierung nicht, dass die Impfung nicht vor Krankheit schützt. Und zweitens hat das Immunsystem noch weitere Tricks auf Lager – Antikörper sind einfach leichter zu messen.

2. Besser (aber aufwendiger) ist es natürlich, direkt zu messen, ob geimpfte Personen krank werden. Nach allem, was wir bisher wissen, bieten die Impfstoffe, die bisher in Europa, den USA und Grossbritannien eingesetzt werden, zuverlässig Schutz vor schwerer Krankheit, vor Hospitalisierung, vor Tod. Die (ebenfalls noch nicht wissenschaftlich begutachtete) Studie, derentwegen Südafrika seine Astra-Zeneca-Impfkampagne gestoppt hat, basiert auf einer vergleichsweise schmalen Datenlage von jungen Probandinnen – die Resultate sind also mit relativ viel Unsicherheit behaftet. Viele von ihnen hatten zwar milde Covid-19-Symptome. Aber niemand wurde schwer krank. Keiner war im Spital. Niemand starb. Das ist, wovor uns die Impfungen primär schützen sollen. Natürlich könnten die Resultate anders aussehen, hätte man auch schon Daten zu älteren Probanden. Auf die muss man nun warten.

3. «Solange wir keine Evidenz dafür haben, dass die Impfstoffe gegen diese Virusvarianten weniger oder nicht wirken, sollten wir uns nicht verrückt machen lassen», hat die Molekular-Epidemiologin Emma Hodcroft im Januar zur Republik gesagt.

Keine Frage: Mit den ansteckenderen Virusvarianten wirds auch in der Schweiz langsam ungemütlich. Sehr gut möglich, dass die Fallzahlen bald wieder steigen. Auch gut möglich, dass weitere Mutationen entstehen werden, die uns das Leben schwerer machen. Bis auf weiteres können wir aber mit gut überschaubarem Unsicherheitsbereich sagen: Eine Impfung schützt besser als keine Impfung.

Bleiben Sie umsichtig. Bleiben Sie freundlich. Und bleiben Sie gesund.

Marie-José Kolly, Olivia Kühni und Marguerite Meyer

PS: Haben Sie Fragen und Feedback, schreiben Sie an: covid19@republik.ch.

PPS: Wir würden uns freuen, wenn Sie diesen Newsletter mit Freundinnen und Bekannten teilten. Er ist ein kostenloses Angebot der Republik.

PPPS: Fast ein Jahr Pandemie, fast ein Jahr Videokonferenzen. Und immer noch gibt es «Zoomfälle», also Unfälle auf Zoom. Sie kennen es: «Du bist auf Mute!», die Kamera läuft nicht, die Katze klettert über die Tastatur. Und mit Letzterem bleiben wir beim Thema: Im US-Bundesstaat Texas ist dieser Tage ein Anwalt in einem Gerichtsverfahren als Katzenbaby aufgetaucht. Und zwar hatte seine Tochter offenbar zuvor den Katzenfilter benutzt. Etwas verzweifelt versuchte er den anwesenden Berufskollegen zu versichern: «Ich bin hier, live, ich bin keine Katze!» Hier gibts das grossartige Video und hier die Geschichte dahinter.

PPPPS: Sind Sie auch jemand, der bei Powerballaden aus den Achtzigerjahren einfach nicht anders kann als mitschmettern? Uns geht es mit «Total Eclipse of the Heart» jeweils so. Den besten Dreh daraus gemacht hat die Familie Marsh aus dem britischen Kent. Sie hat den Hit von Bonnie Tyler umgetextet – auf die leichte Verwahrlosung einer vierköpfigen Familie im Lockdown hin. Entstanden ist «Totally Fixed Where We Are». Mit britischem Humor geht bekanntlich alles besser. Und wenn nicht, dann helfen: Powerballaden aus den Achtzigerjahren.

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