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Die Klassenfrage

01.02.2021

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Liebe Leserinnen und Leser

Erst waren es die Masken. Dann die Clubs. Jetzt streiten wir über die Schulen.

Vielleicht lebt in Ihrem Haushalt eine Jugendliche, die sich per Unterschrift auf einer Petition für Fernunterricht einsetzt. Vielleicht ein Lehrer, der sich jeden Morgen mit ungutem Gefühl ins volle Klassenzimmer begibt. Aber auch wenn die epidemiologische Lage an den Schulen an Ihrem Frühstückstisch keine Rolle spielt, dürfte Ihnen spätestens in den vergangenen Wochen aufgefallen sein, dass um den Präsenzunterricht eine Debatte entbrannt ist. Republik-Journalistin Marie-José Kolly hat die Grundlagen dazu heute in unserem Datenbriefing «Auf lange Sicht» näher betrachtet.

Seit kurzem häufen sich die Covid-19-Ausbrüche an Schulen auch in der Schweiz, und dabei spielt die neue Virusvariante mit, die zunächst in Grossbritannien entdeckt worden war. Nun hat der Kanton Graubünden mit seinem Flächentest nach dem Schul-Ausbruch in Arosa heraus­gefunden, «dass die Ansteckungen hauptsächlich auf das schulische Umfeld zurückzuführen sind».

Wie stark Schulen zum globalen Infektionsgeschehen beitragen, ist nach wie vor umstritten. Weil es schwierig ist, das zu untersuchen, und vielleicht auch, weil viele nicht epidemiologische Interessen – von Erwachsenen, von Jugendlichen, von Kindern – selbstverständlich für Präsenzunterricht an Schulen sprechen.

Die epidemiologische Frage muss aber erst einmal unabhängig von diesen Interessen gestellt werden. Um angemessen handeln zu können, muss man erst einmal wissen (und anerkennen), was Sache ist.

Was man betrachten muss, um die umstrittene Frage zu beantworten (und was wir darüber wissen – mehr Details im Beitrag):

  • Wie exponiert sind Kinder und Jugendliche? Weit exponierter als im Frühling, weil nun die Schulen offen sind und das Virus schon lange nicht mehr primär durch Reisende in die Haushalte geschleppt wird. In Grossbritannien waren im Herbst und im Winter junge Leute – zwischen 2 und 16 Jahre alt – viel häufiger die erste infizierte Person in ihrem Haushalt als 17-jährige oder ältere Personen. Merke: Die jeweils herrschenden Umstände schlagen sich in den Daten nieder. Daten aus dem Frühling sind mit der aktuellen Situation nicht direkt vergleichbar.

  • Wie häufig infizieren sich Kinder und Jugendliche, wenn sie exponiert sind? Auch hier suggerieren Studien aus dem Frühling: weniger oft als Erwachsene. Aktuelle Resultate aus Serologie-Studien, die im Blut zum Beispiel der Genfer oder der Österreicher Bevölkerung Antikörper gemessen haben, zeigen: gleich oft wie Erwachsene.

  • Und wie oft übertragen infizierte Kinder und Jugendliche das Virus auf andere? Hierbei spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Wir verweisen wieder auf unseren Artikel und fassen hier zusammen: Kinder können das Coronavirus übertragen, und sie tun es auch. Ob sie es weniger, gleich viel oder gar mehr als Erwachsene tun, ist noch unklar. Frisch aus der E-Mail von Beat Lauper, Mediensprecher der Zürcher Gesundheitsdirektion, wissen wir aber: «Im Contact-Tracing des Kantons Zürich haben wir in den letzten Wochen feststellen können, dass die Anzahl der Ansteckungen bei allen Altersgruppen abgenommen hat, ausser bei den unter 12-jährigen Kindern, wo wir deutliche Zunahmen hatten.»

Die Evidenz dafür, dass Schulen im Infektionsgeschehen wenn nicht die Haupt-, so doch zumindest eine Rolle spielen, verdichtet sich. Auch zeigen mehrere Studien, die länderübergreifend Massnahmen vergleichen: Schulschliessungen sind hocheffizient, um die Verbreitung des Virus einzudämmen.

Das alles heisst jetzt nicht, dass Kinder nun wochenlang keinen Unterricht bekommen sollten. Denn Schulen können mehr als «öffnen» oder «schliessen». Das bedeutet aber, dass sich Erziehungsdirektionen und Schulleitungen um kreativere Ideen bemühen müssten. Verstärktes Testen und verstärkte Schutzmassnahmen könnten das Übertragungspotenzial verringern, ebenso alternative und hybride Unterrichtsformen.

Die neuen, virulenten Varianten verbreiten sich, und sie machen vor Kindern nicht halt. Kinder sind exponiert, infizieren sich, verbreiten das Virus weiter. Die Frage ist nur, wann und wo das als Nächstes geschehen wird.

Und nun:

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

Der angeordnete zweitägige Flächentest in Arosa zeigte bei rund 2500 Proben 58 bisher unentdeckte Infektionen auf. Die Ansteckungen in Arosa sind hauptsächlich auf Schulen zurückzuführen. Dies teilte der Kanton Graubünden am Sonntag mit. Vergangene Woche wurde ein Ausbruch an einer Schule festgestellt. Daraufhin wurden die Schule und die Skischulen in Arosa geschlossen, die Verbindung nach Lenzerheide unterbrochen und eine generelle Maskentragpflicht eingeführt.

Die Schweiz verhandelt um den Impfstoff von Johnson & Johnson. Dies bestätigte die Schweizer Tochterfirma Janssen. Das Vakzin ist günstiger als die anderen und einfacher zu lagern. Zudem braucht es nur eine Dose, um die Wirkung zu entfalten. In der Phase-III-Studie von Johnson & Johnson erzielte das Präparat eine 66-prozentige Wirksamkeit. Dies reiche aber, um bei der Entlastung der Spitäler mit der Verhinderung von schweren Verläufen zu helfen, so Janssen-Chef Urs Vögeli gegenüber SRF.

Novartis hat einen Impfstoff-Vertrag mit Pfizer/Biontech unterzeichnet. Das Basler Pharmaunternehmen wird den Wirkstoff in Grossbehältern übernehmen und in Injektionsflaschen abfüllen. Danach gehen diese an die Hersteller zurück und werden weltweit verteilt. Mit dieser Arbeit soll ab Frühjahr im Novartis-Werk im aargauischen Stein begonnen werden.

Die Armee prüfte den Weiterverkauf von ungenügenden Masken auf den afrikanischen Markt. Dies zeigen 12 Berichte von April bis Juni 2020, welche die Zeitung «Blick» gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz erhalten hatte. Die Armee sei bereit, diese Masken unter dem Einstandspreis abzugeben, wird zitiert. Ob der Deal zustande kam, liess die Armee auf Anfrage des «Blicks» offen.

Die EU-Kommission hat den Impfstoff von Astra Zeneca zugelassen. Somit ist sie wie erwartet der Empfehlung der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) gefolgt. Der Ausschuss für Humanarzneimittel der EMA hatte den Einsatz des Impfstoffs ab 18 Jahren empfohlen. In der EU seien 12 Millionen Menschen aus 370 Millionen erwachsenen Bürgerinnen bereits geimpft worden, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Damit sei sie zufrieden. Auch die Schweiz hat den Impfstoff von Astra Zeneca vertraglich reserviert. Die schweizerische Arzneimittelbehörde Swissmedic prüft ihn derzeit, die Zulassung steht noch aus.

Und zum Schluss: Schon wieder Blursday?

Den meisten von uns im Homeoffice fällt zwischendurch auch die berühmte Decke ein bisschen auf den Kopf, wenn Arbeit, Wohnen, Essen und Schlafen auf kleinem Raum stattfinden und äussere Strukturen wegfallen. Und gefühlt die Tage ineinanderfliessen. Der Begriff Blursday trifft es manchmal ganz gut (to blur = verschwimmen).

Längerfristige Strategien können helfen, den Alltag im Homeoffice zu erleichtern. Wir haben die Redaktion und Sie, liebe Leserinnen, gefragt, was die besten eigenen Tipps sind, um damit am besten umzugehen. Hier haben wir sie gesammelt. Vielleicht finden Sie darunter etwas, was Sie auch ausprobieren möchten:

  • Ihnen fehlt der Arbeitsweg? Machen Sie am Morgen vor und am Abend nach der Arbeit einen kleinen Spaziergang um den Block, um am jeweiligen «Ort» anzukommen. Das simuliert den Arbeitsweg und lüftet den Kopf. Und frische Luft ist nie falsch, auch wenn viele von uns das Wort Spaziergang fast schon nicht mehr hören können.

  • Schreiben Sie einen Tagesplan mit fixen Zeiten: also klar definierten Kaffeepausen, Mittagspausen, E-Mail-Antwort-Zeiten. Und halten Sie sich danach an den Plan.

  • «Richtige» Kleider anziehen, wie man sie mehr oder weniger auch im Büro tragen würde. Und gönnen Sie sich Ihre tägliche Beauty-Routine. Also: Duschen, Haarewaschen, Bartpflege, Make-up tragen (wenn Sie das mögen). Oder wie eine Leserin schreibt: Sie sitze stets mit Lippenstift und Parfüm vor den PC. Sie sind eher der Wasser-und-Seife-Typ? Auch gut. Fühlen Sie sich wohl, aber schauen Sie ab und zu in den Spiegel.

  • Holen Sie sich immer mal wieder draussen einen Coffee to go oder ein Take-away zum Zmittag, wenn das für Sie jeweils zum kulinarischen Highlight des Bürotages gehört hat.

  • Investieren Sie, wenn Sie können, in einen guten Bürostuhl. Oder pimpen Sie Ihren Stuhl mit einem bequemen Kissen. Stehen Sie regelmässig auf und machen Sie eine andere körperliche Aktivität: Kniebeugen, beim Telefonat Wäsche zusammenlegen, Sie wissen schon.

  • Schreiben Sie, wenn das geht, verschiedenen Orten in der Wohnung verschiedene Tätigkeiten zu: eine Ecke für Arbeit, eine Ecke für Bauchmuskelübungen, ein Platz fürs Essen. Oder machen Sie es wie der eine Kollege, der den Arbeitsort in der Wohnung im Laufe des Tages immer wieder wechselt. Probieren Sie aus, was sich für Sie am besten anfühlt.

  • Nehmen Sie das Mittagessen oder den Kaffee nicht vor dem PC ein. Legen Sie dazu eine Pause ein.

  • Stellen Sie sich für Pausen auf den Balkon oder ans offene Fenster und lüften Sie regelmässig. Sauerstoff hilft beim Denken, und die eigenen Fürze riecht man dann auch weniger.

  • Sie leben alleine? Suchen Sie sich ein Homeoffice-Gspänli, mit dem Sie ein- oder zweimal pro Woche einen Bürotisch teilen können. Shared office geht auch via Videochat: Im Hintergrund eine gemeinsame Videokonferenz laufen lassen und zu abgemachten Zeiten zusammen eine kurze Pause einlegen. Tee trinken, ein bisschen über die Chefin motzen, sich über Excel nerven. Also alles, was Sie vielleicht auch sonst im Büro machen. Schöner Nebeneffekt: Der eigene Schlurfi wird ausgetrickst, weil ja jemand zuschaut.

  • In die gleiche Kategorie geht das abendliche Auschecken mit den Arbeitskolleginnen: ein gemeinsames kurzes Feierabend-Tschüss machen. Sich erzählen, wie der Tag war. Sich erzählen, was man am Abend vorhat. Zu hören, dass bei anderen das Leben grad auch nicht aufregender ist als bei einem selber, tut manchmal echt gut.

  • Abends den Schreibtisch für den nächsten Tag aufräumen. Alle unnötigen Post-its und abgehakten To-do-Listen zerknautschen. Krümel wegwischen. Zweimal die Woche den Schreibtisch «gross» aufräumen: Papiere büscheln, Dokumente ordnen, Kabel bändigen.

Wir wünschen Ihnen eine gute Woche!

Bleiben Sie umsichtig. Bleiben Sie freundlich. Und bleiben Sie gesund.

Marie-José Kolly, Marguerite Meyer und die ganze Crew der Republik

PS: Haben Sie Fragen und Feedback, schreiben Sie an: covid19@republik.ch.

PPS: Wir würden uns freuen, wenn Sie diesen Newsletter mit Freundinnen und Bekannten teilten. Er ist ein kostenloses Angebot der Republik.

PPPS: Regnet es bei Ihnen auch schon fast pausenlos seit fast 48 Stunden? Ein Blick auf die Wetterkarte zeigt: Von Basel über Genf bis Chur wird die Schweiz derzeit mehrheitlich bepieselt. Wir vermissen ein bisschen den Schnee – hallo, Winterromantik! – der vergangenen Wochen. Zum Trost schauen wir den Riesenpandas Mei Xiang und Tian Tian im Smithsonian’s National Zoo beim Rumtollen im Schnee zu. Und schon wird die Pandemie zur Pandamie – hihi!

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