Aus der Arena

Heute im Ausverkauf: Journalismus

Noch vor einem Jahr beteuerte Ringier, man werde keine als Journalismus getarnten politischen Anzeigen schalten. Jetzt macht der Verlag beim E-ID-Gesetz genau das.

Von Elia Blülle, 20.01.2021

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Ohne Vertrauen keine Interaktion mit Kunden – und somit kein Geschäft.

Ringier-CEO Marc Walder, 24.01.2020.

Nach Tamedia, alias TX Group, reisst nun auch Ringier die Mauer zwischen Journalismus und politischer Werbung ein: Seit Freitag schaltet der Verlag auf seinen Medienportalen Native Ads zur kommenden Abstimmung über das E-ID-Gesetz und bewirbt sie auch offensiv auf Facebook – ohne überall eindeutig zu deklarieren, dass es sich dabei um eine bezahlte Anzeige des Pro-Komitees handelt.

Zur Erinnerung: Der Presserat hat in letzter Zeit diverse Verlage gerügt, weil sie mit als Journalismus getarnten Anzeigen die Trennung von redaktionellem Teil und Werbung verletzten. Diese Trennung ist eigentlich ein eisernes journalistisches Grundprinzip, welches jedoch immer stärker unter Druck gerät. Jüngst tadelte der Presserat die TX Group, weil der Medienkonzern auf seinen News­portalen einen «Faktencheck» zur Konzernverantwortungsinitiative bewarb, der von der Wirtschaftslobby produziert und bezahlt wurde.

Ein krasser Tabubruch.

Hinter der neuen E-ID-Werbung steckt die gleiche PR-Agentur, die bereits für diesen vermeintlichen Fakten­check verantwortlich war: Furrerhugi. Die Berner Agentur hat die Native Ads in Auftrag gegeben und führt die Kampagne für das Pro-Komitee; geschrieben hat den Beitrag die hauseigene Ringier-Werbeabteilung.

Gleichwohl deklariert der Verlag den bezahlten Bericht auf Blick.ch aber nicht als Werbung, sondern euphemistisch als «Kooperation mit Digital­switzerland». Ein Verband, den Ringier-CEO Marc Walder selber initiiert hat und auch präsidiert. Gemeinsam mit anderen Wirtschafts­verbänden führt Digital­switzerland den Wahlkampf für das Swiss-ID-Gesetz, über das am 7. März abgestimmt wird.

Hinzu kommt: Ringier kooperiert bereits heute mit der Firma Swiss Sign, einem der voraussichtlichen Anbieter der elektronischen ID, und der Verlag hat dessen Anmeldetool bei verschiedenen seiner Medientitel integriert. Der Medien­journalist Nick Lüthi schreibt auf Twitter berechtigterweise, Ringier sei Partei und es würde dem Verlag deshalb gut anstehen, mit offenem Visier für sein Anliegen zu kämpfen – nicht mit getarnten Anzeigen.

Obwohl die Ringier-Sprecherin vor einem Jahr gegenüber der «Medien­woche» noch versicherte, dass die Blick-Gruppe keine politischen Native Ads schalte, bricht CEO Walder diesen Vorsatz nun also beim E-ID-Gesetz als Auftrag­geber und -empfänger gleichermassen.

Die Ringier-Sprecherin schreibt auf Anfrage, dass sich der Verlag an die Leitlinien zu Native Advertising des Branchenverbands der Schweizer Digitalwerbung halte und die Trennung zwischen redaktionellem und kommerziellem Inhalt gewährleistet sei. «Die Ringier Medien werden über die Abstimmung zum E-ID Gesetz berichten und dazu in ihrer redaktionellen Berichterstattung, wie bei allen anderen Initiativen, die Befürworter als auch die Gegner zu Wort kommen lassen.»

Auf die Frage, ob der Verlag mit der Werbung auch die Richtlinien des Presserates erfülle, gibt Ringier keine eindeutige Antwort.

Es ist nicht das erste Mal, dass der Verlag politisches Lobbying mit Journalismus vermischt. Als sich der Ständerat 2019 mit dem umstrittenen Leistungs­schutz­recht beschäftigte, welches Ringier in der Schweiz mit grosser Vehemenz propagierte, erhielt der Axel-Springer-Chef und Ringier-Geschäftspartner Mathias Döpfner ein legendär unkritisches Interview im «Blick». Dies, obwohl er wenige Wochen zuvor – ebenfalls in Interviews mit den eigenen Haus­medien – nachweisliche Falschinformationen über das europäische Leistungsschutzrecht verbreitet hatte.

Seit dem Wochenende sammelt das Referendumskomitee nun Unterschriften für eine Beschwerde beim Presserat zur verschleierten E-ID-Werbung. Aus gutem Grund, denn kaschierte Polit­werbung schädigt die Meinungs­bildung und verfeuert das einzige Kapital, das der sogenannte Qualitäts­journalismus noch hat: das Vertrauen seiner Kundschaft.

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