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30.12.2020

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Liebe Leserinnen, liebe Leser

Manchmal sind keine Veränderungen die wirklichen News. Ein solcher Tag ist heute. Zumindest auf Bundesebene. Sie wissen ja: Bei den Kantonen ist es immer etwas komplizierter …

Der Bundesrat hat heute entschieden, nichts Neues zu entscheiden. Er habe «eine detaillierte Analyse der aktuellen Situation vorgenommen», so die Landesregierung in einer Mitteilung. Und diese Lage sei «aufgrund des hohen Ansteckungsniveaus und des Auftretens von zwei neuen Virusvarianten in der Schweiz besorgniserregend».

Aber eben: Strenger wird das Schweizer Corona-Regime deshalb nicht. Verschärft wird keine Massnahme; die Beizen, die Kultur-, Sport- und Freizeitbetriebe bleiben auch geschlossen. Shopping vor Silvester verbietet aber auf Bundesebene niemand.

Vorerst bleibt damit der Appell der wissenschaftlichen Taskforce also ungehört. Diese hatte gestern vor den Medien vor einer grossen Welle gewarnt und schärfere Massnahmen gefordert. Grund: Die neuen Virusmutationen aus Südafrika und Grossbritannien seien nach ersten Erkenntnissen deutlich ansteckender. Für den Fall, dass sich diese Mutationen ausbreiten und die Fallzahlen sich nicht alle zwei Wochen halbieren, hat die Taskforce ein sehr düsteres Szenario aufgezeigt.

Aber eben: Die Wissenschaft ist das eine – die Politik das andere.

Wie es jetzt, nach Weihnachten im kleinen Kreis, pandemietechnisch so aussieht? Der Bundesrat orientiert sich bei seinen Massnahmen mittlerweile stark am berühmten R-Wert. Also an der Zahl Personen, welche ein Corona-Kranker im Schnitt ansteckt. Und dieser aktuellste Wert ist mit 0,86 unter 1 – und damit sinkend.

Entwarnung heisse das aber sicher nicht, so die Landesregierung: «Dieser Rückgang sowie die geringe Zahl der neu gemeldeten Fälle in den letzten Tagen sind jedoch mit grosser Vorsicht zu betrachten», heisst es. Sie würden sich zu einem beträchtlichen Teil «durch den Rückgang der durchgeführten Tests während der Feiertage sowie die Verzögerung bei den Meldungen der neuen Fälle, Hospitalisationen und Todesfälle erklären».

Am Dreikönigstag will der Bundesrat dann wieder neu beraten und entscheiden. Bis dahin führt nicht der Stern von Bethlehem, sondern hoffentlich die Wissenschaft die Schweiz auf den Königsweg.

Und damit zu den News. Beginnen wir mit den Königen der Schweiz: den Kantonen.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

Graubünden öffnet Skiterrassen und St. Gallen die Pisten: Die Skigebiete sind offen, die Beizen zu. Doch jetzt dürfen die Bündner ihre Terrassen auf den Pisten wieder für Gäste öffnen. Die Regierung des Bergkantons hat die Lockerung beschlossen, weil die epidemiologische Lage dies zulasse. Derweil können im Nachbarkanton die Ski aus dem Keller geholt werden: Die St. Galler Regierung hat den Bergbahnen ab morgen Donnerstag die Erlaubnis erteilt.

Die Walliser Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen gegen Briten aufgenommen. Rund 200 Briten waren in einer Nacht-und-Nebel-Aktion am Wochenende aus Verbier im Wallis verschwunden. Die Schweiz hatte zuvor wegen der neu aufgetauchten Corona-Mutation Quarantäne für alle Einreisenden aus Grossbritannien verhängt. Nun hat die Schweiz gegen 12 Quarantäne-Flüchtige Ermittlungen aufgenommen. Derweil sucht das Wallis weiterhin Personen, die aus Grossbritannien oder Südafrika eingereist sind.

Trauriger Rekord in Deutschland: Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat erstmals innerhalb von 24 Stunden 1000 Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus verzeichnet. Unser nördlicher Nachbar befindet sich bereits seit Mitte Dezember im Lockdown. Ursprünglich bis zum 10. Januar geplant, wird er aller Voraussicht nach darüber hinaus verlängert.

Grossbritannien erteilt einem weiteren Impfstoff eine Zulassung, erneut als das erste Land weltweit. Es handelt sich dabei um den Impfstoff, den der Pharmakonzern Astra Zeneca gemeinsam mit der Universität Oxford entwickelt hat. Er hat den Vorteil, dass er deutlich günstiger ist und viel unkomplizierter gelagert werden kann. Allerdings gibt es derzeit noch widersprüchliche Befunde dazu, ob er besonders ältere Menschen genauso gut vor einer Ansteckung schützt wie die bereits zugelassenen Stoffe von Moderna und Pfizer. Gleichzeitig ändert das Land seine Impfstrategie. Das Ziel ist jetzt, dass möglichst viele Menschen bereits eine Dosis bekommen, und es wird in Kauf genommen, dass bis zur zweiten Dosis darum mehr Zeit vergeht.

Und zum Schluss: Nochmals kurz zu Königen

Der britische Essayist Edward Morgan Forster erklärte den Unterschied zwischen einer Handlung und einer Geschichte einmal so. «Der König starb, und dann starb die Königin»: Das sei ein Ablauf von wahren Fakten. «Der König starb, und dann starb die Königin aus Kummer»: Das sei eine Geschichte. Es lohnt sich, diesen Unterschied für die kommenden Monate im Hinterkopf zu behalten. Heute wurde bekannt, dass in einem Luzerner Pflegeheim eine Person starb, nachdem sie gegen das Coronavirus geimpft worden war. Der Fall wird untersucht, und das ist sehr gut so. Aber so hart es klingt, genau das wird in den nächsten Monaten rein statistisch öfters passieren – ohne dass es einen Zusammenhang geben muss.

Der Medizinprofessor Bob Wachter hat das für die USA ausgerechnet. Wenn dort 10 Millionen Menschen geimpft werden, dann ist in dieser Gruppe in zwei Folgemonaten statistisch etwa Folgendes zu erwarten: Etwa 4000 Personen werden einen Herzinfarkt haben, fast gleich viele einen Schlaganfall. 9500 Personen werden eine Krebsdiagnose bekommen – und 14’000 werden sterben. Kein einziger dieser Fälle hat mit der Impfung zu tun.

Wir schliessen mit einer Prognose von Kollege Tibor Martini aus Deutschland: «Die gleichen Leute, die bislang ‹nicht an, sondern mit Corona gestorben› gesagt haben, werden übrigens auch ‹nicht mit, sondern an Impfung› sagen.»

Bleiben Sie umsichtig. Bleiben Sie freundlich. Und bleiben Sie gesund.

Oliver Fuchs und Cinzia Venafro

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