Aus der Redaktion

Was die Republik 2020 ausgelöst hat

Vom Gespräch mit Sexarbeiterinnen über parlamentarische Vorstösse bis zu sichereren Passwörtern: eine Auswahl der Geschichten mit Wirkung – und eine Einladung.

Von Ihrem Expeditionsteam, 28.12.2020

Journalismus kostet. Dass Sie diesen Beitrag trotzdem lesen können, verdanken Sie den rund 27’000 Leserinnen, die die Republik schon finanzieren. Wenn auch Sie unabhängigen Journalismus möglich machen wollen: Kommen Sie an Bord!

Wer Missstände aufdeckt, hofft, dass diese behoben werden. Und wer Menschen eine Stimme gibt, wünscht sich, dass diese auch gehört wird.

Umso mehr freut es uns, dass Republik-Geschichten in diesem Jahr öffentliche Diskussionen angestossen, Politiker zum Handeln bewegt – Steine ins Rollen gebracht haben.

Ebenso wichtig ist aber eine andere Wirkung, meist weniger laut und oft gar nicht sichtbar, auch nicht für uns. Und zwar das, was der Journalismus der Republik bei jeder einzelnen Leserin auslöst.

«Aha!»-Momente, in denen sich der Nebel im Kopf ein bisschen lichtet, weil man auf einmal etwas versteht oder einordnen kann, was davor bloss verwirrte. «Genau!»-Momente, wenn ein Text etwas auf den Punkt bringt, wozu einem selbst die Worte fehlten. Aber auch das Schmunzeln, Sich-Wundern, Laut-Losprusten, Staunen, Sich-Ärgern.

Bevor wir zu einer Auswahl an Beiträgen kommen, die über die Republik hinaus gewirkt haben, daher zuerst die Frage an Sie:

Welche Beiträge haben Sie besonders berührt? Was war Ihr Highlight in diesem Jahr? Was hat Sie gefreut, geärgert, zum Nach­denken gebracht? Wir würden uns freuen, wenn Sie es mit der Republik-Community teilten.


Journalismus, der wirkt – eine Auswahl

«‹Vor unseren Augen kreiert sich ein mörderisches System›»: Der Uno-Sonderbericht­erstatter für Folter Nils Melzer sprach mit Daniel Ryser erstmals über die brisanten Erkenntnisse seiner Unter­suchung im Fall von Wikileaks-Gründer Julian Assange. Das Interview ging um die Welt – und hat die Bericht­erstattung über den Fall Assange nachhaltig geprägt. Das britische Verfahren gegen Assange wird nun kritischer beobachtet, und viele Medien haben sich unter­dessen deutlich gegen Assanges Auslieferung in die USA ausgesprochen – als einen massiven Angriff auf die Pressefreiheit.

«Die Firma» und «Das System Globegarden»: Die Recherche über prekäre Arbeits­bedingungen bei der grössten Schweizer Kita-Betreiberin löste eine öffentliche Debatte über das Krippen­wesen und die staatlichen Kontrollen in der Schweiz aus. Eine Gruppe von Parlamentarierinnen aus Zürich und Basel hinterfragte daraufhin das Handeln der Behörden und forderte Aufklärung.

«‹Die Zahl der Todesfälle haben wir aus Wikipedia entnommen›»: Papier­schlacht, komplizierte Melde­verfahren und immer wieder Faxgeräte. Mitten in der ersten Corona-Welle deckte Adrienne Fichter auf, warum es das BAG nicht schaffte, die Covid-Fälle korrekt zu dokumentieren. Die Schilderungen sorgten für Aufsehen. Und für viele Hilfs­angebote von Freiwilligen, Open-Data-Aktivisten und Unter­nehmen an das BAG. In der Folge schuf die Gesundheits­behörde mehr Transparenz und verbesserte den Meldeprozess.

«Das perfekte Bordell»: Alle Leute haben eine Meinung zum Thema Prostitution, aber praktisch niemand spricht mit Sexarbeiterinnen. Um die Perspektive umzudrehen, haben wir gefragt, wie das Modell eines idealen Bordells aussehen könnte – und die Betroffenen zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. Die Veranstaltung wurde völlig überrannt, Besucherinnen mussten weggewiesen werden. Es war wohl das erste Mal in der Schweiz, dass sich drei Sexarbeiterinnen auf einer Bühne zu ihrem Beruf äusserten.

«Die Republik erkämpft Einsicht in Millionenverträge im Asylwesen»: Noch keine Geschichte, aber eine wichtige Voraus­setzung für die Bericht­erstattung: die Einsicht in die Verträge zwischen den Behörden und den involvierten Asyl­firmen. Die Republik forderte gestützt auf das Öffentlichkeits­prinzip vom Zürcher Sozialamt mehr Transparenz und erhielt im Mai vom Zürcher Verwaltungs­gericht recht. Der Entscheid wurde angefochten und ist im Moment vor dem Bundesgericht hängig.

«Überfremd»: 50 Jahre nach der gescheiterten Schwarzenbach-Initiative hat Melinda Nadj Abonji die Frage nach den Nachwirkungen auf die Agenda gesetzt, weit über die Schweiz hinaus. Auf die Geschichte gab es viele sehr persönliche Reaktionen, sie hat unzähligen Menschen aus dem Herzen gesprochen. Zweimal wurde der Text bis jetzt schon nachgedruckt: im Kultur­magazin «Coucou» und dann, in einer französischen Über­setzung, in «LiterAll».

«Passwort ‹Wahlen›»: Dass bei der Auswertung von Abstimmungs­ergebnissen in der Schweiz Software zum Einsatz kommt, war vielleicht einigen bekannt. Doch welche Sicherheits­lücken es dabei gibt, wusste kaum jemand. Die Recherche hat Kantone und Hersteller zum Handeln gebracht, die Prozesse werden nun kontrolliert und die Sicherheits­lücken geschlossen.

«Die letzte Bastion»: Die Schweizerische National­bank musste sich wegen schwer­wiegender Vorwürfe erklären: Über ein Dutzend Mitarbeiterinnen und ehemalige Beschäftigte der mächtigsten Finanz­institution der Schweiz hatten in der Republik von Lohn­diskriminierung, Mobbing und Sexismus berichtet. Ein parlamentarischer Vorstoss forderte Auskunft über den Umgang mit potenziellen Diskriminierungs­fällen.

Und dann wäre da noch Corona. Die Devise der Redaktion im März: Man wird die Republik dieses Jahr daran messen, was sie zur Pandemie geliefert hat. Wir haben Lärm vermieden, aber die Verantwortlichen kritisch begleitet. Uns am wissenschaftlichen Konsens orientiert und über Monate zusätzlich zum normalen Programm «Brauchbares zur Pandemie» geliefert.

Danke für Ihre Unter­stützung und Ihre Neugier.

Auf ins Jahr 2021 – wir haben viel vor.

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