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25.12.2020

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Liebe Leserinnen und Leser

März. Die Zeit verzerrte sich, der Radius wurde kleiner und die kleinen Fragen des Lebens wurden plötzlich gross. Und auf manch grosse Frage gab es plötzlich eine ganz klare Antwort. So sehr jede von uns ihre ganz eigenen Gedanken und Sorgen und Freuden in diesem Jahr hatte, gibt es doch vielleicht so was wie ein Grundrauschen, ein kollektives Gefühl des Jahres 2020.

Die Geschichten von fünf Menschen verweben sich zu einem solchen kollektiven Gefühl. Es sind die fünf Menschen, die in der neuen Republik-Podcastserie «Ungefiltert» Einblick in ihre ganz persönlichen Momente geben.

Da ist Roland, der pensionierte Psychologe, dessen Mutter und Schwester beide innert weniger Tage starben – und er, der allein trauert. Da ist Adriana, die hochschwangere Reiseberaterin, die sich nach ihrer Mutter in Kolumbien sehnt. Die Berührerin Andrea, die sich plötzlich mit einem Berufsverbot konfrontiert sieht, worunter Kontostand und Emotionen leiden. Der junge Yannick hingegen hat alle Hände voll zu tun: Er ist Bestatter, arbeitet ohne Pause – und verliebt sich in diesem intensiven Jahr. Und die pensionierte Hebamme Ruth kann nicht anders, als sich wieder denen zuzuwenden, die sie am meisten brauchen.

Diese fünf Menschen haben sich ein Corona-Jahr lang mit ihren Handys aufgenommen, ihr Leben dokumentiert – und teilen die bewegendsten Momente mit uns. Ihre Fragen und ihre Antworten.

In Folge 1 der Podcast-Serie «Ungefiltert» ist die Schweiz im Ausnahmezustand. Vertrautes steht kopf, die Mitmenschen gehen auf Distanz. Doch die Hoffnung ist da, dass bald alles überstanden sein könnte. Hände desinfizieren, Maske tragen, es herrschen strenge Vorschriften, wenn Roland seine schwer kranke Schwester besuchen will. Erst vor drei Wochen ist seine Mutter gestorben. Andrea fragt sich, wie die Menschen ohne Berührung leben sollen. Als junger Bestattungsberater berät Yannick im Homeoffice immer mehr Angehörige von Corona-Verstorbenen. Zusätzlich steht er kurz vor seinem ersten Bestattungsfahrdienst, während Reiseberaterin Adriana wegen der bevorstehenden Geburt ihres zweiten Kindes bald aus dem Arbeitsprozess hinausgeht. Die 70-jährige Hebamme Ruth schreibt ihre Patientenverfügung und entschliesst sich, trotz strenger Vorschriften ihren eigenen Weg zu gehen.

Die fünfteilige Podcast-Serie wurde von der Journalistin Franziska Engelhardt und dem Audio-Kollektiv Fennek zusammen mit Republik-Projektleiter Marco Di Nardo produziert. Die Musik und der ganze Sound wurden für die Serie komponiert von Daniel Hobi und The Legendary Lightness.

Wir freuen uns, Ihnen die Folge 1 von «Ungefiltert» hier zu präsentieren – hören Sie rein, kommen Sie mit zu berührenden Augenblicken und persönlichen Einblicken in fünf Leben in diesem einen Jahr.

Und damit zurück ins Jetzt.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

Mutiertes britisches Virus in der Schweiz. In den Abstrichen von zwei Personen wurde die neue Variante nachgewiesen. Das teilte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) gestern Abend mit. Bei den beiden handelt es sich um Personen mit Wohnsitz in Grossbritannien. In welchem Kanton getestet wurde, sagte das BAG nicht. Unterdessen verdichten sich die Hinweise, dass sich diese neue Variante des Virus deutlich einfacher verbreiten kann, was strengere Massnahmen nötig machen könnte. Es gibt aber bisher keine Anzeichen dafür, dass sie gefährlicher wäre oder dass Impfstoffe nicht dagegen wirken könnten.

Parlamentarier fordern breitere und zügigere Unterstützung für die Gastrobranche. Politikerinnen aus allen vier Bundesratsparteien haben der Landesregierung einen Brief geschrieben. Tenor: Für die Gastro-, die Event- und die Kulturbranche seien die Corona-Massnahmen ein «massiver Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit». Der Bundesrat müsse die Kurzarbeitsentschädigung ausbauen und verhindern, dass Zehntausende Betriebe verschwinden.

Papst hält Weihnachtsmesse zur Pandemie. In seiner Weihnachtsbotschaft betete Franziskus für alle, die durch die Krise Verlust und Leid erfahren haben – nicht nur durch eine Erkrankung, sondern auch durch die Einschränkungen, etwa für Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt wurden. Er forderte, dass ein Impfstoff gegen das Virus «allen und vor allem den Verletzlichsten» zugänglich gemacht werden müsse. In der Schweiz fanden die Weihnachtsmessen unter strengen Auflagen statt, und nur 50 Personen durften sich in den Kirchen aufhalten.

Und zum Schluss: Der Lagebericht zur Woche

Wir hätten Ihnen gerne festlichere Nachrichten überbracht. Aber: Die Schweiz befindet sich aktuell in einer sehr gefährlichen Ausgangslage. Denn egal wie man rechnet, es gibt nur wenig Reserve in den Spitälern, sollten die Zahlen plötzlich steigen. Ganz abgesehen vom Gesundheitspersonal, das bereits jetzt am Limit arbeitet, wie etwa diese Reportage aus der NZZ zeigt.

Neue Spitaleinweisungen; gleitender Mittelwert über 7 Tage. Die Daten nach dem 17. Dezember sind vermutlich noch unvollständig, deshalb haben wir sie nicht berücksichtigt. Stand: 24.12.2020. Quelle: Bundesamt für Gesundheit.

In der vergangenen Woche sind die vermeldeten Neuansteckungen zwar minim gesunken – aber nicht genug, damit sich nun ein Polster bilden kann. Das macht uns aus zwei Gründen Sorgen.

  1. In anderen Ländern hat sich gezeigt, dass die Infektionen stark steigen können, wenn sich Familien über Festtage treffen. Welchen Effekt die Weihnachtstage hierzulande haben, werden wir bald sehen.

  2. Epidemiologen gehen davon aus, dass die mutierte britische Variante auch in anderen Ländern Fuss fassen könnte. Dann besteht das Risiko, dass sie das Infektionsgeschehen ohne weitere Einschränkungen stark beschleunigen könnte. Da diese Virusvariante bereits in Deutschland und der Schweiz nachgewiesen wurde, ist dieses Risiko hierzulande real. (Um es nochmals festzuhalten: Ob diese Variante tatsächlich massiv ansteckender ist, ist noch nicht abschliessend erwiesen. Aber es deutet genug darauf hin, um die Fachwelt zu beunruhigen.)

Auf der anderen Seite sind am vergangenen Dienstag neue nationale Regeln in Kraft getreten. Landesweit mussten die Gastrobetriebe schliessen und dürfen nur noch Take-away anbieten. Und einige Kantone, etwa der Aargau, haben darüber hinaus verschärft: Dort sind nur noch Lebensmittelgeschäfte und Läden des täglichen Bedarfs offen.

Im kommenden Lagebericht am Neujahrstag dürften wir erste Anzeichen dafür sehen, ob diese Mischrechnung aufgeht oder ob sich ein dunklerer Januar ankündigt.

Bis Montag. Und bis dahin:

Bleiben Sie umsichtig. Bleiben Sie freundlich. Und bleiben Sie gesund.

Oliver Fuchs, Marguerite Meyer und Simon Schmid

PS: Haben Sie Fragen und Feedback, schreiben Sie an: covid19@republik.ch.

PPS: Wir würden uns freuen, wenn Sie diesen Newsletter mit Freundinnen und Bekannten teilten. Er ist ein kostenloses Angebot der Republik.

PPPS: Sie haben den Republik-Podcast «Ungefiltert» schon verschlungen? Dann reichen wir gerne diese Empfehlung aus unserem E-Mail-Postfach zum Dessert: «Pandemien – von der Antoninischen Pest bis Corona» von den Kolleginnen des Deutschlandfunks. Merci für den Tipp, liebe Susanne H.!

PPPPS: Für Newsletter-Leserinnen wird sie keine Unbekannte sein: die britisch-amerikanische Wissenschaftlerin Emma Hodcroft, die aus der Schweiz heraus Gensequenzen von Corona-Proben vergleicht – und so versucht, die verschiedenen Stränge des Virus zu identifizieren. Sie steht vielleicht wie keine Zweite für eine neue, jüngere Generation von Wissenschaftlerinnen, die nicht nur in ihrem stillen Kämmerlein (oder Labor) forschen – sondern sich am gesellschaftlichen Diskurs beteiligen und auch Politiker in die Mangel nehmen. Dieser kleine Beitrag von SRF gibt einen kleinen Einblick in ihre Arbeit, aber noch mehr in ihre Haltung.

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