Covid-19-Uhr-Newsletter

Öde an die Langeweile

23.12.2020

Teilen

Liebe Leserinnen und Leser

Anstehen am Skilift? Russisches Roulette. Warmtanzen im Club? Fehlanzeige. Ausladende Familienfeste? Nur wenn jemand den Grosseltern Zoom erklärt.

Der Winter ist da. Und mit der Pandemie wird auch noch das wenige, was die kalte und dunkle Jahreszeit etwas angenehmer macht, zum Spiessrutenlauf – oder fällt ganz aus.

Kurz: Es wird dieses Jahr über die Festtage noch öder als sonst.

Das sind gute Nachrichten! Zumindest wenn man Johann Wolfgang von Goethe vertraut. Dieser bezeichnete die Langeweile einmal als «Mutter der Musen». Die Forschung gibt dem Dichter unterdessen recht. Mehrere Studien haben festgestellt: Langweilige Tätigkeiten machen kreativ. Je stupider und nutzloser, desto besser.

Sie haben noch keinen Bestseller geschrieben, kein Platin-Album aufgenommen und Sie hatten noch nicht die zündende Eine-Million-Dollar-Idee?

Dann haben Sie sich möglicherweise einfach noch nicht genug gelangweilt.

Darum hier eine (nicht ganz ernst gemeinte) Liste der 12 langweiligsten und sinnfreisten Beschäftigungen, die Republik-Journalistin Anja Conzett eingefallen sind.

  1. Zählen Sie alle Reiskörner, die Sie im Haus haben. Dann sortieren Sie sie nach Grösse. Dann nach Farbverlauf.

  2. Lesen Sie einen Krimi. Rückwärts.

  3. Hören Sie Politikern zu. Aber nicht Politikern, die am Ende noch Einfluss auf Ihr Leben haben könnten. Für Schweizerinnen eignen sich Versammlungen des Deutschen Bundestags. Wichtig: Nehmen Sie keine zu aktuelle und keine zu historische Session – das könnte viel zu spannend werden. Am besten so etwas wie die 214. Sitzung vom 25. Januar 2017.

  4. Sehen Sie Farbe beim Trocknen zu. Wichtig: Wählen Sie keine aufregende Farbe. Am besten eignet sich Grau. Oder Nikotingelb. Oder Sie schauen einfach dieses Youtube-Video.

  5. Sortieren Sie Ihr Bücherregal nach ISBN-Nummern.

  6. Bleiben Sie vor dem Gotthardtunnel hängen. Dank dieser Webcam brauchen Sie dafür weder das Haus zu verlassen noch ein Auto. Schwelgen Sie dabei in Erinnerungen an Ihren letzten Stau oder an das letzte Mal, als Sie in einer Schlange standen.

  7. Essen Sie eine Familienpackung Reiscracker (die ohne Schokolade). Trinken Sie nichts dabei und kauen Sie jeden Bissen 23 Mal.

  8. Arrangieren Sie das Alphabet neu – zum Beispiel XDKFBGPVCERYILQWASNHZOTMUJ –, und lernen Sie die neue Folge auswendig.

  9. Machen Sie Ihr Internet langsam – zum Beispiel, indem Sie 42 Youtube-Videos in Ihrem Browser öffnen und tonlos im Hintergrund laufen lassen. Dann schauen Sie ein Youtube-Video, das Sie wirklich interessiert (zum Beispiel dazu, wie Magnete funktionieren).

  10. Machen Sie Hausaufgaben. Nehmen Sie sich einen beliebigen, möglichst langen Text und malen Sie alle Nomen braun, alle Adjektive gelb, alle Verben blau und alle Pronomen orange an. Danach lösen Sie mindestens 50 Geometrieaufgaben.

  11. Spielen Sie «Eile mit Weile»; mit allen vier Spielfarben, gegen sich selbst. Wichtig: Schliessen Sie keine Wetten darauf ab, welche Farbe gewinnt.

  12. Stellen Sie sich vor den Spiegel und erzählen Sie sich selbst, wie unglaublich spannend Ihr Leben ist. (Glauben Sie mir – es gibt nichts Langweiligeres als Menschen, die sich selbst interessant finden.)

Natürlich gibt es keine Garantie dafür, dass Ihnen nach dem Ausführen dieser Liste ein Geniestreich glückt. Aber hey – wenn Sie es bis hierhin im Newsletter geschafft haben, sind Sie langeweileresistent genug, dass Sie diesbezüglich auch diesen Winter aushalten.

Und jetzt zu nicht ganz so langweiligen Dingen, aber immerhin:

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

Die Schweiz hat begonnen zu impfen. Als Erste wurde im Kanton Luzern eine 90-jährige Frau in einem Pflegeheim geimpft. Im Kanton Zug wurden heute ebenfalls die ersten Einzelpersonen aus der Hochrisikogruppe geimpft – auch hier in Pflege- und Altersheimen. Auch Appenzell Innerrhoden beteiligte sich am ersten Pilotlauf der Impfungen.

Die mehr als 17’000 Flächentests in Graubünden haben laut den Behörden eine deutliche Wirkung gezeigt. In Südbünden sei die Inzidenz über sieben Tage um 73 Prozent zurückgegangen – 192 infizierte Personen konnten frühzeitig und asymptomatisch isoliert werden. In sechs Gemeinden war die Positivitätsrate sehr hoch gewesen, worauf Nachtests durchgeführt wurden und so 42 weitere infizierte Menschen ermittelt werden konnten.

Baden-Württemberg schränkt den Grenzverkehr zwischen der Schweiz und Deutschland ein. Seit heute gilt die neue Corona-Verordnung zur Einreise-Quarantäne im deutschen Bundesland. Demnach ist weiterhin ein 24-stündiger Aufenthalt über der Grenze erlaubt – aber nicht mehr für touristische Ausflüge und Shopping. Deutschland stuft die Schweiz seit dem 24. Oktober als Corona-Risikogebiet ein, weswegen landesweit bei Ankunft aus der Schweiz grundsätzlich eine 10-tägige Quarantänepflicht herrscht.

Britische Touristinnen in der Schweiz wurden per Push-Meldung auf dem Smartphone über neue Quarantäneregeln informiert, so das Bundesamt für Gesundheit (BAG). Reisende aus Grossbritannien oder Südafrika, die am oder nach dem 14. Dezember in die Schweiz gekommen sind, müssen sich für 10 Tage in Quarantäne begeben. In den vergangenen Tagen waren Tausende britische Touristen in Schweizer Skigebiete gereist. In Grossbritannien verbreitet sich eine mutierte, noch eher unbekannte Virusvariante derzeit rasch.

Der britische Gesundheitsdienst National Health Service (NHS) hat Premierminister Boris Johnson um einen Brexit-Aufschub gebeten. Eine um einen Monat verlängerte Übergangsphase würde dem Gesundheitsdienst Zeit geben, sich aus der «unmittelbaren Gefahrenzone» zu bringen, so ein Brief der NHS-Spitze. So könne sich der Dienst auf die Bekämpfung der Pandemie konzentrieren. Grossbritannien verlässt Ende Jahr den EU-Binnenmarkt und die Zollunion. Wenn in den kommenden Tagen kein Handelspakt mit der EU zustande kommt, drohen höhere Zölle und andere Handelshemmnisse. Es werden dadurch auch Auswirkungen auf die Versorgung mit Medikamenten und medizinischen Gütern befürchtet.

Und zum Schluss: Kinderüberraschung

Falls Sie jeweils Weihnachten feiern, wird dieses Jahr vermutlich auch Ihr Fest ein wenig bis sehr viel reduzierter als sonst. Für manche Erwachsene ist das schon schwierig zu verdauen (weil immer schon so! weil doch so schön!) – für manche Kinder noch mehr.

Wir haben uns ein paar Gedanken gemacht. (Das ist explizit keine Expertinnenliste, sondern soll ein bisschen zur Inspiration dienen.)

  • Bleiben Sie gelassen (das sagt sich so einfach, das wissen wir schon): Diese Weihnachten sind für die meisten Leute anders als sonst.

  • Fokussieren Sie auf diejenigen Dinge, die gleich bleiben. Das gilt auch für Routineaufgaben und Ämtli («Ja, Maximilian, du hast mich schon gehört – Tisch decken, dalli!»).

  • Finden Sie eine andere Form für die Dinge, die sich etwas anders gestalten. Schmücken jeweils die Enkelin und der Grossvater gemeinsam den Baum – und fällt das dieses Jahr weg? Vielleicht kann die Kleine mit dem Opa am Telefon schmücken – guter Rat geht schliesslich auch auf Distanz? («Soll ich mehr Lametta drauftun?» – «Klar! Früher war immer mehr Lametta!»)

  • Überlegen Sie sich mit Ihren Kindern, wie Sie anderen eine Freude bereiten können. Machen Sie zum Beispiel gemeinsam eine Liste für ein Zweimal-Weihnachten-Päckli. Oder zeichnen Sie Bilder für die Bewohnerinnen des lokalen Altersheims (= lassen Sie zeichnen).

  • Schreiben Sie zusammen mit den Kindern eine Wunschliste für das neue Jahr.

  • Seien Sie mit Ihrem Teenager streng, aber im Herzen nachsichtig: Ständig unter der Fuchtel der Alten zu sein, ist grad einfach nicht lustig.

  • Seien Sie mit sich selbst nachsichtig: Kinder brauchen keine perfekten Weihnachten. Aber eine schöne Erinnerung. Irgendwann werden sie als Erwachsene zurückschauen und ihren eigenen Enkelinnen erzählen, wie das damals war, Weihnachten im Pandemiejahr.

Bleiben Sie umsichtig. Bleiben Sie freundlich. Und bleiben Sie gesund.

Anja Conzett und Marguerite Meyer

PS: Haben Sie Fragen und Feedback, schreiben Sie an: covid19@republik.ch.

PPS: Wir würden uns freuen, wenn Sie diesen Newsletter mit Freundinnen und Bekannten teilten. Er ist ein kostenloses Angebot der Republik.

PPPS: Sie merken: Es weihnächtelt langsam bei uns. Auch hier kommen Sie nicht ganz davon. Doch es wird nochmals kurz nerdig: Dialektunterschiede zwischen Ost- und Westschweiz gibt es zuhauf. Bestehen die alten Sprachgrenzen noch, oder hat der Wandel auch das Christkind erfasst? Republik-Datenjournalistin Marie-José Kolly hat sich durch die Schweizer Dialektlandschaft gekämpft. Herausgekommen ist eine spannende Übersicht: Steht bei Ihnen ein Chrischtbaum, ein Wienachtsboum – oder einfach eine Tanne?

Unterstützen Sie unabhängigen Journalismus mit einem Monatsabonnement oder einer Jahresmitgliedschaft!