Covid-19-Uhr-Newsletter

Wer darf noch was, wer will noch nicht?

08.12.2020

Teilen

Liebe Leserinnen und Leser

Heute wurde es endgültig unübersichtlich. Zumindest, wenn Sie ab und an übermütigerweise eine Kantonsgrenze überqueren.

Zig Deutschschweizer Kantone haben neue Regeln beschlossen – aber jeder wieder ein bisschen anders. Wir waren eigentlich ganz zufrieden, Ihnen hier trotzdem einigermassen übersichtlich das Wichtigste zusammengefasst zu präsentieren – doch dann kündigten die Bundespräsidentin und der Gesundheitsminister kurz vor Redaktionsschluss noch eine Medienkonferenz an.

Nun heisst dieser Newsletter nicht (nur) zum Spass Covid-19-Uhr-Newsletter. Damit Sie ihn also zumindest noch im näheren Umfeld der vereinbarten Zeit erhalten, stattdessen kurz und knapp die wichtigsten Informationen aus dem besagten Bundesratsauftritt:

  • Diesen Freitag will der Bundesrat neue nationale Regeln erlassen. Und dann eine Woche später gleich noch mal, sollte das zu wenig nützen. Vorab werden die Kantone konsultiert.

  • Er plant eine landesweite Sperrstunde ab 19 Uhr, für Gastro, Läden, Sport- und Freizeiteinrichtungen. Am Sonntag würde gar nicht mehr aufgemacht. Das würde bis 20. Januar gelten.

  • Privat dürften sich noch 5 Personen aus zwei Haushalten treffen. Vom 24. bis 26. Dezember und an Silvester ausnahmsweise 10 Personen.

  • Die meisten öffentlichen Veranstaltungen würden verboten.

  • Und kommende Woche wäre dann die nächste Stufe: Läden und Gastrobetriebe müssten ganz zumachen.

  • Besonders betroffene Branchen sollen finanziell entschädigt werden.

So, und jetzt müssen wir doch noch kurz über den Kanton Zürich sprechen. Der hat nämlich heute seine Massnahmen ebenfalls verschärft. Und als bevölkerungsreichster Kanton ist das auch für den Rest des Landes nicht ganz unerheblich. Heute Nachmittag trat ein sichtlich ermüdeter Regierungsrat vor die Medien, um diese Verschärfungen zu verkünden.

(Wie Sie gleich sehen werden, könnten einige dieser Regeln schon ab Freitag wieder ändern, je nachdem, was dann der Bundesrat beschliesst.)

Zürich macht nun die Bordelle ganz dicht. Restaurants, Tankstellenshops und Take-aways unterliegen der 22-Uhr-Sperrstunde. Im öffentlichen Raum sind Menschenansammlungen nur noch bis 10 Personen erlaubt – das gilt auch für politische Kundgebungen und Unterschriftensammlungen.

Weihnachts- und Feiertagsverkäufe (also das, was man als Sonntagsverkauf bezeichnet) werden verboten – aber erst ab dem 24. Dezember. Manch einer mag sich fragen: Warum nicht vorher? Die Begründung: Weil das in der Kompetenz (halten Sie sich fest!) der Gemeinden liegen würde. Nach «Sache der Kantone» jetzt also «Sache der Gemeinden» – ob als Nächstes dann Entscheide «Sache der Quartiere» sind, bleibt abzuwarten.

Weiter im Text: Das Gesundheitspersonal sei erschöpft, erklärte die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli. Noch sei die Kapazitätsgrenze zwar nicht überschritten – Zürich habe rund 20 Prozent ausserkantonale Covid-19-Patienten auf seinen Intensivplätzen. Und macht Transplantationen, die beispielsweise Genf aktuell nicht mehr durchführen könne. Wenn die Zahlen in kürzester Zeit nicht deutlich sinken, könne die Spitalversorgung nicht mehr gewährleistet werden. Dazu Rickli: «Die nächste Option ist ein Lockdown.»

Und so wird Zürich in den nächsten Wochen etwas «zwinglianisch», Zitat Sicherheitsdirektor Mario Fehr. Denn die neuen Regeln gelten bis am 10. Januar 2021. Richtig: Silvester fällt auf öffentlichem Grund aus – und so auch alles Feuerwerk, das eine Menschenansammlung anzieht. «Wenn Sie vom eigenen Balkon eine Rakete zünden wollen, geht das», sagte Fehr. «Wenn das auf öffentlichem Grund geschieht, werden Sie gebüsst.»

Damit zum Rest des Tages.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

Südbünden führt als erste Gegend der Schweiz flächendeckende Corona-Tests durch. Dies soll als Probelauf für den ganzen Kanton Graubünden dienen. Durchgeführt werden die Tests zunächst in den Regionen Bernina, Unterengadin/Val Müstair und Maloja. Die Arbeiten an den Teststationen in 18 Gemeinden beginnen morgen Mittwoch und richten sich sowohl an Einheimische als auch an Feriengäste.

Die Züge zwischen der Schweiz und Italien werden ab übermorgen Donnerstag auf unbestimmte Zeit eingestellt. Der Entscheid basiere auf einem Dekret der italienischen Regierung, so die SBB. Dieses sehe Temperaturmessungen an Bord vor – dem könne das Schweizer Bahnunternehmen nicht nachkommen. Die Züge im BLS-Regionalverkehr zwischen Brig und Domodossola sind nicht betroffen.

Swissmedic prüft den Impfstoff des Pharmaunternehmens Janssen-Cilag im rollenden Verfahren. Die Firma hatte vergangene Woche ein Zulassungsgesuch eingereicht. Aktuell prüft die Schweizer Arzneimittelbehörde nun vier Impfstoff-Kandidaten. Das rollende Verfahren bedeutet, dass eine Firma nicht warten muss, bis alle Unterlagen vorliegen, sondern Resultate der Studien jeweils dann einreichen kann, wenn sie verfügbar sind.

Ein Drittel aller Covid-19-Erkrankten mit milden Verläufen leidet auch noch sechs Wochen nach der Diagnose an Beeinträchtigungen. Dies beobachtete eine Genfer Forschungsgruppe. Zu den Folgeerscheinungen gehören ungewöhnliche Müdigkeit («Fatigue»), anhaltender Verlust des Geruchs- und/oder Geschmackssinns, Kurzatmigkeit und Husten.

Und zum Schluss: Notiert für die Geschichtsbücher

Heute Morgen um 7.31 Uhr hat im Universitätsspital von Coventry, Grossbritannien, die erste Person ausserhalb einer klinischen Studie die Impfung gegen Covid-19 bekommen. Sie heisst Margaret Keenan und wird kommende Woche ihren 91. Geburtstag feiern. Die pensionierte Verkaufsassistentin sagte, sie freue sich, im kommenden Jahr endlich wieder Zeit mit ihrer Familie verbringen zu können.

Verabreicht hat die Spritze May Parsons, sie ist aus den Philippinen eingewandert und arbeitet seit fast 20 Jahren im Unispital. Damit hat Grossbritannien nun offiziell als erstes westliches Land mit der Impfkampagne begonnen. Zum Einsatz kam die Impfung von Pfizer und dem deutschen Unternehmen Biontech. Als zweite Person geimpft wurde ein 81-jähriger Mann. Er wohnt ein paar Kilometer vom Spital entfernt – und er heisst: William Shakespeare.

Bleiben Sie umsichtig. Bleiben Sie freundlich. Und bleiben Sie gesund.

Oliver Fuchs und Marguerite Meyer

PS: Haben Sie Fragen und Feedback, schreiben Sie an: covid19@republik.ch.

PPS: Wir würden uns freuen, wenn Sie diesen Newsletter mit Freundinnen und Bekannten teilten. Er ist ein kostenloses Angebot der Republik.

PPPS: Wir hatten Ihnen gestern bereits an dieser Stelle erzählt, dass Emil Steinberger nun auf Twitter ist. Er sei der Meinung, die 7 Bundesräte seien zurzeit überfordert, schreibt er nun heute. «Ein 8. Bundesrat könnte sie als Spezialist entlasten und bei Festen, Jubiläen und Eröffnungen im Geiste des Bundesrats Ansprachen halten.» Wer gluckst bei diesem Video nicht zumindest ein bisschen amüsiert?

Unterstützen Sie unabhängigen Journalismus mit einem Monatsabonnement oder einer Jahresmitgliedschaft!