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Die Iden des Nerz

13.11.2020

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Liebe Leserinnen und Leser

In Dänemark geht es gerade den Nerzen an den Kragen. Sars-CoV-2 ist von Menschen auf die Tiere übergesprungen. Und weil die Nerze in den Zuchtanstalten keinen Abstand halten können, fand das Virus prima Bedingungen zur Verbreitung vor. Es mutierte in den Tieren und sprang zurück auf Menschen.

Die Sorge: Die Impfstoffe, die derzeit in Entwicklung sind, könnten womöglich nicht gegen solche mutierten Viren wirksam sein. Wir können beruhigen. Wir haben diese Woche zu dieser Befürchtung recherchiert – und sie ist ziemlich sicher unbegründet. Stellvertretend hier die Einschätzung von Professor Francois Balloux, Direktor des Genetics Institute am University College London: «Es gibt Tausende Mutationen im Virus, sie passieren andauernd. Der Umstand, dass einige in Nerzen beobachtet werden, wird nicht beeinflussen, was im Menschen zirkuliert. Wenn sie dem Virus helfen würden, Menschen einfacher zu infizieren, dann wären sie bereits weitverbreitet.»

Trotzdem liess der dänische Staat massenweise Nerze in den betroffenen Betrieben umgehend keulen – also vorsorglich töten. Für die Nerzfarmer ist das ein herber Schlag, und für das ganze Land ebenso: Die Nerzpelz-Produktion ist für Dänemark ein Wirtschaftsfaktor. Womöglich lässt sich das mutierte Virus so eindämmen.

Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Menschheit wieder mit Krankheitserregern aus dem Tierreich konfrontiert wird. Diese Prognose ergibt sich aus der Vergangenheit.

Den Blick zurück eröffnet uns die Paläogenetikerin Verena Schünemann im Podcast-Gespräch mit Roger de Weck. Schünemann forscht über alte Krankheitserreger und wie sich diese über die Jahre und Jahrhunderte entwickelt haben.

Der historische Kontext sei wichtig, so die Paläogenetikerin. Sie arbeite deswegen mit Historikern zusammen, um nachzuvollziehen, wie sich beispielsweise die Pest damals verbreitet hat. «Und was die Leute dagegen unternommen haben» – also die Massnahmen der Vergangenheit. «Isolation scheint damals bereits geholfen zu haben, um nicht infiziert zu werden», so Schünemann.

Bei Epidemien und Pandemien spielten Tiere immer wieder eine Rolle: Ratten bei der Pest, Eichhörnchen und Gürteltiere bei der Lepra. Und Corona sprang – das ist die Theorie mit den meisten Befürworterinnen in der Wissenschaft – wohl von Fledermäusen auf den Menschen über.

Diese Reihe wird sich gemäss Schünemann fortsetzen; durch die Zerstörung von Lebensraum und den engen Kontakt zwischen Mensch und Tier. Für sie ist Covid-19 darum auch ein Weckruf: Wir sind nicht allein auf diesem Planeten.

Und wir werden nicht bei jedem neuen Virus ganze Tierbestände keulen können. Geschweige denn: wollen.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

Die Firma Moderna hat bei Swissmedic das Zulassungsgesuch für ihren Impfstoffkandidaten eingereicht. Das berichtet das Schweizerische Heilmittelinstitut. Damit startet ein drittes Schweizer Zulassungsverfahren für einen Corona-Impfstoff. Geprüft werden bereits die Gesuche für Impfstoffe der Firmen Astra Zeneca sowie Pfizer/Biontech.

Das Covid-19-Geschäftsmietengesetz droht zu scheitern. Geschäfte, die während des Shutdowns im Frühling schliessen mussten, sollen keine Mieterlasse erhalten, schreibt SRF. Die vorberatende Kommission des Ständerats macht es der nationalrätlichen Kommission gleich und empfiehlt, nicht auf das Geschäft einzutreten.

Das angekündigte «Friends»-Comeback muss ins Jahr 2021 verschoben werden. Nostalgische Vertreter der Generation X müssen sich noch etwas gedulden: Das Special der Kultserie der Neunziger wird wegen der Pandemie voraussichtlich erst im kommenden Frühjahr gedreht werden können. Dafür können sich Sitcom-Aficionadas umso mehr in Vorfreude üben: Das Comeback soll ohne festes Drehbuch im Originalstudio und vor Livepublikum gedreht werden.

Und zum Schluss: Der Lagebericht zur Woche

Sie erinnern sich, vergangene Woche waren wir vorsichtig optimistisch. Es sah damals danach aus, als ob die Zahl der neuen positiven Befunde nicht mehr weiter wachsen würde. Jetzt können wir mit etwas mehr Sicherheit sagen: Sie wächst nicht mehr. Aktuell sind wir nun bei etwa 7000 pro Tag (ohne die Dunkelziffer), deutlich weniger als die 9000 von letzter Woche. Im Vergleich zu den gemachten Tests bleibt die Positivitätsrate jedoch weiterhin im mittleren bis oberen 20-Prozent-Bereich – also immer noch um ein Vielfaches zu hoch.

Diese leichte Abnahme der Ansteckungen zeigt sich aber bei den Spitaleinweisungen und den Todesfällen – naturgemäss – noch nicht. Diese hinken immer hinterher, weil es eine Weile dauert, bis infizierte Menschen schwer krank werden.

Spitaleinweisungen; gleitender Mittelwert über 7 Tage. Die Daten nach dem 6. November sind vermutlich noch unvollständig, deshalb haben wir sie nicht berücksichtigt. Stand: 13.11.2020. Quelle: Bundesamt für Gesundheit

Die Massnahmen des Bundes und der verschiedenen Kantone sind wohl im letzten Moment in Kraft getreten. Bisher haben wir insgesamt nicht eine Überlastung der Spitäler beobachten können, auch wenn einzelne an ihre Grenzen kamen und nur durch kantonalen Ausgleich vor einer Überlastung bewahrt werden konnten. Viele Spitäler haben ihre sonstigen Eingriffe heruntergeschraubt und Intensivbetten freigeschaufelt.

Das heisst: Die düstersten Szenarien von vor zwei bis drei Wochen sind nicht eingetreten. Das ist so weit eine gute Nachricht. Über den Berg sind wir damit aber noch nicht. Wirklich Grund zum Aufatmen gibt es erst, wenn die Zahlen stetig weitersinken. Wir hoffen, dass wir Ihnen kommende Woche den ersten durchwegs positiven Lagebericht liefern können, seit wir den Covid-19-Newsletter wieder gestartet haben.

So oder so: Behalten Sie Ihren langen Atem, der Winter ist noch lang.

Bleiben Sie umsichtig. Bleiben Sie freundlich. Und bleiben Sie gesund.

Bis Montag, wenn Sie mögen.

Reto Aschwanden, Oliver Fuchs und Marguerite Meyer

PS: Haben Sie Fragen und Feedback, schreiben Sie an: covid19@republik.ch.

PPS: Wir würden uns freuen, wenn Sie diesen Newsletter mit Freundinnen und Bekannten teilten. Er ist ein kostenloses Angebot der Republik.

PPPS: Manchmal ist ja nicht einfach nachzuvollziehen, wie sich so eine Corona-Übertragung abspielt. Kollegin Ronja Beck fand auf Twitter eine Erklärung, die gleichzeitig zum Schmunzeln wie auch zum Nachdenken anregt. «Coronavirus in Bastelbegriffen erklärt: Du und deine neun Freundinnen seid am Basteln. Eine davon benutzt Glitzer. Wie viele Projekte werden danach voller Glitzer sein?» In dem Sinne: ein glitzerfreies, aber funkelndes Wochenende Ihnen.

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