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Was ist denn nun mit Chrismukkah?

12.11.2020

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Liebe Leserinnen und Leser

Gefühlt die ganze Welt sehnt sich nach dem Impfstoff. Dieser Tage gibt es viel Anlass zur Hoffnung.

Mitte September riefen wir den Immunologen Daniel Speiser an. Wir wollten damals von ihm wissen, wann ein Impfstoff bereit sein könnte. Der Professor an der Universität Lausanne war vorsichtig zuversichtlich: «Wenn es richtig gut läuft, sehen wir vielleicht schon vor Ende 2020 eine Zulassung in den USA», sagte er. (Aber wenn es richtig schlecht laufe, vielleicht erst nach 2021.)

Nun wissen er und wir zwar nach wie vor nicht, wann der erste Impfstoff zugelassen wird. Und zwar deshalb, weil wir nicht wissen, wann die erste erfolgreiche klinische Studie zu einem Ende kommen wird.

Dennoch sind wir heute ein bisschen weiter als im September: Zum Impfstoff von Pfizer und Biontech gibt es vorläufige Resultate, die eine Wirksamkeit von mehr als 90 Prozent erwarten lassen. Also hat Republik-Journalistin Marie-José Kolly Speiser wieder angerufen.

«Das sind wirklich good news», antwortet Speiser aus seinem Homeoffice. Dort sass er übrigens auch, als er – zusammen mit seinen Kolleginnen von der Science-Taskforce des Bundes – von den Resultaten erfuhr.

Herr Speiser, ging das jetzt schneller als erwartet?
Pfizer war ultraschnell im Rekrutieren der Probandinnen. Gut 40’000 Freiwillige in ein paar Monaten: Davon hat man kaum zu träumen gewagt. Die schnellen Resultate haben aber auch damit zu tun, dass das Virus so heftig zirkuliert: In Südamerika und Indien verbreitet es sich schon länger sehr schnell, unterdessen auch in Nordamerika und Europa wieder. Das ist schlimm, aber es beschleunigt die Forschung.

Wie denn genau? Oder, anders gefragt: Was passiert eigentlich mit diesen Probanden?
Man kann sie ja nicht willentlich infizieren, das wäre ethisch nicht vertretbar. Deshalb beobachtet man sie über einen längeren Zeitraum – diejenigen, die mit dem Impfstoff behandelt wurden, und die, welche ein Placebo bekommen haben. Treten Symptome auf, macht man einen Covid-19-Test.

Und nun ist es so, dass die Forschenden für die klinische Studie von vornherein festschreiben, wie viele positive Fälle unter diesen 40’000 Probandinnen auftreten müssen, um statistisch belastbare Aussagen über die Wirksamkeit der Impfung zuzulassen. Auf diese Anzahl infizierter Probanden kommt man natürlich schneller, wenn das Virus sich schnell verbreitet. Ein Beispiel?

Her damit.
Ein Beispiel. Die aktuellen Resultate basieren auf 94 positiv getesteten Probanden (und natürlich auch auf allen anderen, die keine Symptome haben). Die meisten der positiv Getesteten gehören zur Kontrollgruppe, die nur ein Placebo erhalten hat. Im Verhältnis dazu wurden nur sehr wenige Probandinnen nach der Impfung infiziert, nämlich offenbar weniger als 10: So kommt der Wert von 90 Prozent zustande. Für die finalen Resultate will man 164 Infektionen abwarten.

Bis in den Frühherbst befürchtete man, dass Impfstoffe nur zu 50 Prozent wirksam sein könnten.
Genau, und das kommt so zustande: Man fragt sich jeweils, was ist der Mindestnutzen, den so eine Impfung bringen muss? Da man das Virus nicht gut kennt, hat man ihn tief angesetzt: bei 50 Prozent. Das wäre eine bescheidene Wirksamkeit, aber sie würde dennoch dabei helfen, die Pandemie besser zu managen. Dann, nach den ersten Phasen der klinischen Studien, hoffte man auf etwa 70 Prozent. Und nun scheint die Wirksamkeit sich um die 90 Prozent zu bewegen. Das wäre gut: 90 von 100 Leuten würden bei einem Kontakt mit dem Virus kaum oder nicht krank. Man muss das nun weiter überprüfen und die finalen Resultate abwarten.

Was heisst das für die anderen Impfstoff-Kandidaten?
Das ist wirklich eine gute Nachricht für sie alle. Denn alle setzen auf dieselbe Strategie: die Erkennung des Stachelproteins, mit dem das Virus an die menschlichen Zellen andockt. Nun bestätigt sich, dass bei sehr vielen Personen ein Impfstoff Antikörper bildet, die das Andocken blockieren: Die Strategie funktioniert. Eine besonders gute Nachricht ist es für die mRNA-Technologie, die Pfizer und auch die Firma Moderna (die der Schweiz mehrere Millionen Impfdosen zugesichert hat) verwenden: Diese junge Disziplin hat sich bisher noch nie durchsetzen können, es könnte ihr Durchbruch sein.

Gerade diese beiden Impfstoffe muss man tiefkühlen. Ist das praktikabel?
In der Schweiz: Ja. Aber man muss sich darauf vorbereiten, etwa Impfzentren zu installieren, weil man die Impfdosen eben nicht einfach so verschicken kann. Das ist die Konsequenz des Vorkaufs von Moderna-Impfdosen, und jetzt versucht man ja auch, Pfizer-Impfdosen einzukaufen.

Wir wissen, wir haben Sie schon im September gefragt. Und wir wissen auch, dass Sie es ganz genau nicht sagen können. Trotzdem – wann?
Ich gehe davon aus – und das tut auch das Bundesamt für Gesundheit –, dass wir im Frühling oder im Sommer mit dem Impfen beginnen können. Genau wissen wir es natürlich nicht, weil die klinischen Studien ja noch laufen und die Impfstoffe von Zulassungsstellen geprüft werden müssen, all das braucht Zeit. Und dann muss man sich natürlich organisieren, das ist keine einfache Aufgabe.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

Die Schweiz ist eine Risikozone. Heute fand in Bern eine Medieninformation des Bundes statt: Mit dabei waren das BAG, die Taskforce, die Armee und die Vereinigung der Kantonsärztinnen.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Die Schweiz steht mit den täglichen Neuinfektionen im europäischen Vergleich schlecht da. Sie stabilisieren sich zwar, aber auf sehr hohem Niveau.

  • Die Schweiz befinde sich in einer «Risikozone» für die individuelle Gesundheit, die Gesundheitsversorgung (sprich: Spitäler), die Wirtschaft.

  • Infektionsherde finden sich unter anderem beim Sport, in der Schule, bei der Betreuung, im Familien- und Freundeskreis. Insbesondere Treffen in Innenräumen sind riskant.

  • Die Armee hat zwei Sanitätskompanien aufgeboten. Und sie sucht nach Freiwilligen, die Französisch können – weil die Romandie besonders stark betroffen ist.

  • Es wurde erstmals ein Etappenziel kommuniziert: Alle zwei Wochen müsste sich nun die Zahl der neuen täglichen Fälle halbieren. Ansonsten seien neue Massnahmen zu prüfen.

  • Wichtig sei, dass die Bevölkerung weiterhin streng die Massnahmen umsetze: Hände waschen, Abstand, Maske, Kontakte reduzieren. Und bezüglich Quarantäne und beim Warten auf Tests seien Geduld und eine korrekte Umsetzung gefragt.

Israel will gewisse Regionen für den Tourismus wieder öffnen. Darunter fallen gemäss Tourismusministerium die Stadt Eilat und Gegenden am Toten Meer. Die Pandemie macht der Tourismusindustrie in Israel schwer zu schaffen. Die Einreise in das Land ist momentan nur in Ausnahmefällen möglich. Voraussetzung für den Besuch der neuen, isolierten «Tourismusinseln» soll ein negativer Test sein, der maximal 72 Stunden alt sein dürfe. An den Zonenzufahrten werde ein zusätzlicher Schnelltest gemacht.

Die Preise für Wohneigentum in der Schweiz steigen. Seit Beginn der Pandemie ist grösserer Wohnraum gefragter als sonst. Im Jahresvergleich sind gemäss dem Beratungsunternehmen IAZI Einfamilienhäuser um 2,4 Prozent und Eigentumswohnungen um 3,2 Prozent teurer geworden. Kein Wunder: Das Homeoffice verstärkt den Wunsch nach einem zusätzlichen Bürozimmer zu Hause. Zudem können sich viele Arbeitnehmer vorstellen, auch nach der Pandemie öfters zu Hause zu arbeiten.

Und zum Schluss: La-la-lametta

In den Geschäften liegen sie schon bereit: die Lebkuchen und das Lametta und die rot-grünen Tischdekorationen. Nicht nur Sie fragen sich vermutlich: Was ist mit Weihnachten, was ist mit Chanukka dieses Jahr? Dürfen wir überhaupt feiern? Auch dies war am heutigen Point de Presse Thema.

Die gute Nachricht gemäss oberstem Kantonsarzt Rudolf Hauri: «Grundsätzlich kann man Feste im Familienkreis feiern.»

Was sollten Sie nach heutigem Stand dabei beachten?

  • Wichtig: im kleinen Kreis feiern.

  • Klären Sie ab: Sind die Familienmitglieder sowieso stets zusammen, oder gibt es zu viele neue Kombinationen? Wie ist das sonstige Kontaktverhalten der einzelnen Personen? Sind Grosseltern oder Risikopersonen dabei? Hier gilt erhöhte Vorsicht. Besprechen Sie das im Vorfeld in Ruhe miteinander.

  • Wenn man auf Nummer sicher gehen möchte, ist eine Selbstquarantäne im Vorfeld grundsätzlich auch eine Option.

Das ist ein Lichtblick.

Bleiben Sie dennoch umsichtig. Bleiben Sie freundlich. Und bleiben Sie gesund.

Marie-José Kolly und Marguerite Meyer

PS: Haben Sie Fragen und Feedback, schreiben Sie an: covid19@republik.ch.

PPS: Wir würden uns freuen, wenn Sie diesen Newsletter mit Freundinnen und Bekannten teilten. Er ist ein kostenloses Angebot der Republik.

PPPS: Arbeiten Sie aktuell im Homeoffice? Vermissen Sie die quietschenden Stühle, das leise Gemurmel der anderen, den surrenden Drucker, ja gar den nervigen Bürokollegen ein wenig? Dann werden Sie «I Miss the Office» lieben: Da gibt es alle Hintergrundgeräusche, die einem im Homeoffice abgehen. Kreiert hat das Ding die Zürcher und Berliner Kreativagentur The Kids, darauf aufmerksam geworden sind wir via Kollegin Sylke Gruhnwald. Geniessen Sie das wohltuende Blubbern eines Büros (minus die ekligen Gerüche von Desklunches).

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