Machtmittel: Laia Abril, «Chastity Belt», 2019. Aus der Serie «Historical Rape, On Rape». Laia Abril

Blickwechsel

Mit Bildern die Sprache wiederfinden

Sexuelle Gewalt lässt die Opfer oft stumm zurück. Mit ihren Arbeiten zwischen Dokumentation und subjektiver Erfahrung will die Künstlerin Laia Abril solche Erfahrungen erzählbar machen.

Von Nadine Wietlisbach (Text) und Laia Abril (Bilder), 07.11.2020

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Laia Abril arbeitet seit Jahren an einem Werk­zyklus mit dem Titel «A History of Misogyny». Dafür nähert sie sich im Gespräch mit zahlreichen Menschen der Frage, wie Frauen und ihre Körper in patriarchal geprägten Systemen leben und überleben. Und wie sie ihre Geschichten erzählen.

Das zweite Kapitel ihrer Arbeit steht unter der Überschrift «On Rape». Hier beschäftigt sich die in Barcelona lebende Künstlerin mit der Instrumentalisierung von Vergewaltigung und sexueller Gewalt, die in einem institutionellen Rahmen stattfinden und als Druck­mittel und zum Ausbau der eigenen Macht eingesetzt werden. Ausgelöst wurden Abrils Recherchen zu diesem Thema von einem Ereignis in Spanien, das 2018 landesweite Proteste auslöste. Fünf Männer hatten eine 18-Jährige vergewaltigt und wurden wegen Missbrauchs (statt des schwer­wiegenderen Delikts der Vergewaltigung) angeklagt, dann aber freigesprochen.

In einer Zusammen­führung von autobiografischen Erzählungen in Form von Text­elementen und Audio­beiträgen, aber auch von persönlichen Gegen­ständen wie Kleidern zeichnet Abril individuelle Schicksale nach.

Weitere Bilder und Dokumente fand sie in Archiven und Daten­banken. Sie suchte eigene Bilder zum Thema und fand manches auch zufällig. Durch dieses ganze Material erhalten Einzel­schicksale einen gesellschaftlichen und juristischen Kontext. So lässt sich etwa nachverfolgen, wie sich die Gesetz­gebung im Laufe der Zeit verändert hat und in welchen kulturellen Kontexten sexuelle Gewalt an Frauen als Kriegs­waffe eingesetzt wird.

Laia Abril: «Military Rape, US», 2019. Aus der Serie «Power Rape, On Rape». Laia Abril
Laia Abril: «Shrinky Recipe», 2019. Aus der Serie «Testing Virgins, On Rape». Laia Abril

Die abgebildete Uniform gehörte einer Soldatin der US-Armee. Der ihr zugeteilte Kommandant hatte sie als junge Armee­angehörige manipuliert und unter Druck gesetzt. Über ein Jahr war sie massiven sexuellen Übergriffen ausgesetzt. Der die Uniform begleitende Kurztext lässt erahnen, wie schmerz­haft es für sie war, aus dem scham­vollen Schweigen heraus eine Sprache zu finden für die Gewalt, die ihr widerfahren ist. Viel zu lange hatte sie ihre Geschichte mit sich herum­getragen. Erst Jahre später, an einem Treffen für Kriegs­veteraninnen, sprach sie erstmals über das Erlebte.

Mit «On Rape» widmet sich Abril anspruchs­vollen Fragen um sexuelle Gewalt. Im Inter­pretations­raum zwischen dokumentarischer Heran­gehens­weise und persönlich geprägter Sicht wird der Ernst des Themas sichtbar. Ihre Erzählungen sind gründlich recherchiert, bilden Brücken zwischen den Erfahrungen von Überlebenden und den Betrachtenden und entfalten dabei eine soghafte Wirkung. Damit hat Laia Abril eine künstlerische Ausdrucks­form entwickelt, die aktivistisch gegen das immer noch weit­verbreitete Schweigen über sexuelle Gewalt angeht.

Zu den Bildern

Die Bilder wurden uns freundlicher­weise von der Galerie Les filles du Calvaire zur Verfügung gestellt, wir bedanken uns!

Laia Abril: «A History of Misogyny, chapter two: On Rape». Laia Abril
Laia Abril: «A History of Misogyny, chapter two: On Rape», in der Galerie Les filles du calvaire in Paris. Laia Abril
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