Auf lange Sicht

Warum wir bei Methan nicht nur an Kühe und Schafe denken sollten

Methan ist neben Kohlendioxid das zweit­wichtigste Treibhausgas. Als Hauptschuldige werden meist Nutztiere gesehen. Doch das ist falsch.

Von Arian Bastani, 17.08.2020

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Wenn abends die Temperaturen sinken und der Aufenthalt im Freien angenehm wird, steigt einem vielerorts der Geruch von Grilliertem in die Nase. Oft ist es Fleisch, das auf dem Rost landet. Doch während sich der Speichel im Mund sammelt, meldet sich im Kopf mahnend die Vernunft: Die Tierzucht benötigt viel Agrar­fläche und ist obendrein klimaschädlich.

Das gilt insbesondere für Rinder und Schafe, die bei der Verdauung viel Methan (CH4) ausstossen – ein starkes Treibhausgas, das seit Anbruch des Industrie­zeitalters einen Anteil von etwa 30 Prozent an der globalen Erwärmung gehabt hat. Treibhaus­effekt durch Steak­verzehr? Da vergeht klima­bewussten Konsumentinnen die Lust.

Wissenschaftliche Studien, die dieses Jahr erschienen sind, zeichnen allerdings ein differenziertes Bild: Neben der Nutztier­haltung nehmen andere Quellen einen ebenso wichtigen, sogar zunehmenden Stellenwert ein.

Fossile Rohstoffe und ihre Nebeneffekte

Die wichtigste neue Studie ist das Global Methane Budget. Sie trägt einen etwas verwirrlichen Namen: Anders als beim Kohlenstoffbudget wird in ihr nicht ausgerechnet, wie lange die Menschheit noch ein bestimmtes Treibhausgas unverändert rasch emittieren darf, um die Pariser Klimaziele einzuhalten (beim CO2 sind es knapp 10 Jahre). Sondern es handelt sich dabei lediglich um eine Bilanz – also eine Buch­haltung der jährlichen Emissionen.

Das Methanbudget hält mehrere Nachrichten bereit. Zunächst die schlechte: Der weltweite Ausstoss nimmt zu. Zur Jahrtausend­wende wurden etwas über 300 Millionen Tonnen pro Jahr emittiert. 2017, im neuesten Jahr, für das die Daten vorliegen, waren es fast ein Viertel mehr: 374 Millionen Tonnen.

Zunehmende Klimabelastung

Weltweite Methanemissionen

2000201020170200400 Millionen Tonnen

Quelle: Saunois et al. (2020)

Damit verlaufen die Methan­emissionen auf dem Pfad der pessimistischsten Klimaszenarien. Diese rechnen bis Ende Jahrhundert mit einer Erwärmung von über 4 Grad Celsius. Höchste Zeit also, die Emissionen zu reduzieren.

Dies hätte, anders als bei CO2, auch eine rasche Wirkung – denn Methan wird im Gegensatz zu Kohlendioxid innert weniger Jahrzehnte fast vollständig aus der Atmo­sphäre abgebaut. Doch um sinnvolle Massnahmen zu ergreifen, müssen wir uns erst ein Bild der Emissions­quellen machen. Und damit kommen wir zu den guten Nachrichten – zumindest für Fleischliebhaber.

Denn gemäss den neuen Zahlen sind die weltweit rund 3,5 Milliarden Kühe und anderen Wiederkäuer (gemeinsam mit der Dünger­nutzung) nur für rund ein Drittel des globalen Methan­ausstosses verantwortlich. Die deutliche Mehrheit der Emissionen kommt demnach aus anderen Quellen.

Kohle, Öl und Gas haben den grössten Anteil

Anteile an den weltweiten Methanemissionen

Fossile Rohstoffe
Tiere
Abfall
Reisanbau
Biotreibstoffe
35 % 31 % 18 % 8 % 7 %

Die Kategorien summieren sich auf 99 Prozent. Die restlichen Emissionen stammen aus der Industrie und dem Transport. Quelle: Saunois et al. (2020)

Allen Quellen voran ist die Förderung fossiler Rohstoffe. Darunter fallen mehrere Kategorien:

  • Öl- und Erdgasförderung: Erdgas besteht hauptsächlich aus Methan. Beim Bohren in Gasfeldern kann unbeabsichtigt ein Teil des Gases entweichen. Bei der Lagerung von Erdgas und -öl kann Methan aus undichten Ventilen strömen. Überschüssiges Methan wird auch über Öl- und Gasfeldern in Gasfackeln nur unvollständig verbrannt, wodurch ein Teil in die Luft gelangt.

  • Kohleabbau: Hier entweicht das Gas vor allem über Ventilations­schächte. Diese dienen zur Belüftung der Minen: Weil beim Kohleabbau immer auch Methan freigesetzt wird, ein brennbares Gas, muss dessen Anteil in der Innenluft durch Ventilation auf unter 0,5 Prozent gehalten werden. Ansonsten könnte es zu versehentlichen Entzündungen kommen. Auch beim Transport und der Verarbeitung kann Methan aus der Kohle entweichen.

Insgesamt trägt die Förderung fossiler Rohstoffe rund 35 Prozent zu den globalen Methan­emissionen bei. Daneben gibt es weitere Quellen:

  • Abfall: Er steht mit 18 Prozent der Gesamt­emissionen an dritter Stelle. Dazu werden sowohl Emissionen aus Deponien als auch solche aus der Abwasser­klärung gezählt. Methan wird etwa aus der Fermentierung von organischen Materialien – also Lebensmittel­abfällen – freigesetzt.

  • Reisanbau: Hierzulande weniger ein Thema als in Fernost ist der Reisanbau, bei dem ebenfalls eine bedeutende Menge Methan anfällt. Das Gas stammt aus Zersetzungs­prozessen im Boden der überfluteten Reisfelder und macht rund 8 Prozent der globalen Emissionen aus.

  • Biotreibstoffe: Verantwortlich für rund 7 Prozent der Gesamt­emissionen ist die Verbrennung von Biotreibstoffen und Biomasse. Damit sind einerseits Dung und Holz gemeint, die in erster Linie zum Kochen oder Heizen verbrannt werden. Davon machen weltweit mehr als 2 Milliarden Menschen, vor allem in Entwicklungs­ländern, täglichen Gebrauch. Andererseits geht es um Brände, die meist in tropischen und subtropischen Regionen gelegt werden, um Wald- und Gras­flächen für die Land­wirtschaft zu gewinnen.

Fossiles Methan hat also die Oberhand. Und das dürfte sich auf die Schnelle wohl auch nicht ändern, denn sein Anteil ist im Aufwärtstrend.

Fossile Quellen legen zu

Das zeigt sich, wenn man die Zeit­räume von 2000 bis 2009 und von 2008 bis 2017 vergleicht. Der Methan­ausstoss durch die Vieh­haltung nahm über diese beiden 9-Jahres-Perioden hinweg zwar zu – um 7 Prozent. Das entspricht etwa der weltweiten Populationszunahme der wichtigsten Wiederkäuer.

Doch diese Zunahme wird insbesondere durch das Emissions­wachstum aus dem Kohleabbau in den Schatten gestellt. Dieser stieg um über ein Drittel an. Auch die Emissionen aus Abfällen und aus der Öl- und Gasförderung haben etwas stärker zugenommen als jene aus der Viehzucht.

Fossiles Methan im Vormarsch

Zunahme der Emissionen

Kohleabbau0+35 % Abfall0+9 % Öl- und Erdgasförderung0+8 % Tiere0+7 % Reisanbau0+7 % Biotreibstoffe und Feuer0+0 %

Emissionen von 2008–2017 verglichen mit 2000–2009. Quelle: Saunois et al. (2020)

Die fossilen Methanemissionen sind also zentral – und werden immer wichtiger. Neuen Studienergebnissen zufolge könnten sie mengen­mässig sogar stark unterschätzt sein: um bis zu 40 Prozent. Das würde bedeuten, dass die Kohle-, Öl- und Gasförderung mehr als eineinhalbmal so viel Methan produzieren würde wie die Viehzucht und die Dünger­herstellung zusammen. Weitere Untersuchungen sollen hier Klarheit schaffen.

Schluss

Für den Grillrost bedeuten die neuen Erkenntnisse zweierlei. Einerseits ist klar: Wer sich statt für Burger und Entrecôte für eine fleisch­lose Alternative entscheidet, tut dem Klima etwas Gutes – fossiles Methan hin oder her.

Andererseits gibt es neben dem Fleisch­verzicht auch andere Wege, den Methan­ausstoss zu vermindern. Etwa durch das Abtrennen von biologisch abbaubaren Abfällen oder das Recycling von Papier. Man kann auch statt Reis öfter Pasta oder Kartoffeln essen oder darauf achten, dass der Reis nicht auf permanent gefluteten Feldern angebaut wurde. Dieser Hebel ist allerdings nicht sehr stark: Der Verzicht auf eine Portion Rind­fleisch spart etwa 23-mal mehr Treibhaus­gase ein als der Verzicht auf eine Portion Reis.

Doch das beste Mittel, um den Methan-Fussabdruck zu verringern, ist der Verzicht auf fossile Brennstoffe. Wer Strom aus Kohle­kraftwerken meidet, nicht mit Erdgas oder Öl heizt und statt ins Flugzeug oder Auto in den Zug oder auf das Velo steigt, kann sich hin und wieder auch mal ein Sommerabend-Steak gönnen.

Die Daten

Sie stammen aus dem Global Methane Budget 2000–2017, einer Studie, die den weltweiten Methan­ausstoss quantifiziert. Neben den hier dargestellten, vom Menschen verursachten Emissionen tragen auch natürliche Quellen (z.B. Sümpfe) und Senken (z.B. chemische Reaktionen in der Atmosphäre) zur Bilanz bei.

Im Methanbudget werden Daten aus verschiedenen Studien zusammengetragen. Für den Artikel haben wir Durchschnitts­werte der verschiedenen «Bottom-up»-Methoden berechnet und auf Projektions­daten (USEPA) verzichtet.

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