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Nichtbraucherzimmer

17.06.2020

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Liebe Leserinnen und Leser

Eigentlich, vom Regen mal abgesehen, wäre der Sommer ja längst da. Und bald sind es auch die Ferien. In den Kantonen Wallis und Graubünden beginnen die grossen Sommerferien nächste Woche, nach und nach folgen die übrigen Kantone, bis der Kanton Aargau mit Ferienbeginn am 20. Juli den Schlusspunkt setzt.

Schafft es der Schweizer Tourismus damit gerade doch noch, die bislang desaströse Saison zu retten? Reporterin Daria Wild hat sich umgehört:

Mit den Ferien kommt auch die Reisefreiheit: Anfang Woche sind die coronabedingten Grenzkontrollen weggefallen und Ferien im nahen Ausland wieder möglich. Die Swiss dehnt ihr Angebot aus, die Züge erhöhen ihre Kapazitäten, auch die Schifffahrt nimmt wieder Kurs auf. (Eine Übersicht finden Sie hier.) Derweil hat das EDA seine Empfehlung, auf nicht notwendige Auslandsreisen zu verzichten, abgeschwächt: Die Schengen-Staaten mitsamt Dänemark, Island, Norwegen und Grossbritannien sind von der Empfehlung jetzt ausgeschlossen.

Was heisst das jetzt für den Schweizer Tourismus? Wie steht es nun um den «neuen Ferien-Patriotismus», wie der «Tages-Anzeiger» vor einer Woche noch schrieb? Kommt der jetzt trotzdem? Wird vielleicht sogar der Platz in den Schweizer Ferienorten knapp? Oder entwischt nun die Reisende doch wieder lieber ins Ausland?

Wer bei Schweiz Tourismus nachfragt, erwartet generell keinen überschwänglichen Optimismus, doch die Antwort fällt dann doch überraschend alarmierend aus. In seiner Mail schreibt André Aschwanden: «Die Situation ist einzigartig schlecht.»

Die Branche sei im Frühling zum Stillstand gekommen, seit den Kriegsjahren habe der Schweizer Tourismus keine solchen Einschränkungen und Einbussen mehr gekannt. Trotz der Öffnung der Grenzen zu EU- und Efta-Staaten, die «zentral» sei, werde die Branche 2020 «sicherlich ungekannte Rückgänge verbuchen müssen. Wohl auch für den Sommer.»

Eng wird es in den Ferienwohnungen und Hotels nicht: Die Buchungen von Schweizerinnen und Schweizern würden sowohl in der Parahotellerie (Ferienwohnungen, Camping etc.) als auch in der Hotellerie anziehen, besonders in den Bergen, trotzdem habe es nach wie vor Platz. «Wir dürfen nicht vergessen», schreibt Aschwanden, «ein Grossteil der ausländischen Gäste wird diesen Sommer wegbleiben.»

Ein cleverer Zug wäre es also, dort Ferien zu machen, wo sonst vor allem ausländische Gäste logieren, Feriendestinationen wie Interlaken etwa fürchten einen Wegfall der Buchungen von 50 bis 60 Prozent. «Natürlich ist das jedoch abhängig von den verschiedenen Ansprüchen, die man hat», schreibt Aschwanden, «der eine wünscht Sommerferien in weltbekannten Destinationen mit einem vielfältigen und maximal reichhaltigen Angebot, die andere bevorzugt die Ruhe eines kleinen und feinen Seitentals.» Oder, halt eben, doch das Ausland.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

Die neuesten Fallzahlen: Gemäss dem Bundesamt für Gesundheit zählten die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein heute Morgen insgesamt 31’183 positiv auf Covid-19 getestete Personen. Im Vergleich zu gestern sind das 37 Fälle mehr.

Stadt erlässt Gebühren: Weil öffentlicher Grund wie etwa Taxistände, Marktplätze oder Boulevardplätze für die Gastronomie wegen der Pandemie nicht wie üblich genutzt werden konnte, verzichtet der Stadtrat Zürich teilweise auf die entsprechenden Gebühren, wie er heute mitteilte. Dies auch, weil zahlreiche Betriebe «unter enormem wirtschaftlichem Druck» stünden.

Schulen schon wieder geschlossen: Im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen mussten nach einem Covid-19-Ausbruch in einem Schlachtbetrieb mit rund 400 Infizierten Schulen und Kitas wieder schliessen, nachdem sie teilweise nur wenige Tage wieder in Betrieb gewesen waren. Weil es nicht der erste Ausbruch in einem Schlachtbetrieb ist, hat die deutsche Regierung ein «Arbeitsschutzprogramm für die Fleischwirtschaft» angekündigt.

Tracing-App millionenfach heruntergeladen: Seit Dienstagmorgen ist in Deutschland die App online, die beim Nachverfolgen von Infektionsketten helfen soll. Knapp 6,5 Millionen Mal sei sie seit dem Start heruntergeladen worden, teilte das Bundesgesundheitsministerium mit. Die Schweizer App ist derzeit noch in einer Pilotphase. Aktuell sind die beiden Apps nicht kompatibel.

Die interessantesten Artikel des Tages

Das Ende des Optimismus: Die Experten des Bundes erwarten einen Wirtschaftseinbruch, der jenem von 1975 ähnelt, wie sie gestern informierten. Doch was passierte eigentlich damals, in der sogenannten Ölkrise? Die NZZ blickte bereits im Mai zurück auf eine Zeit, als die Bürgerinnen in der Schweiz erst Abfallsäcke hamsterten – und dann einen Abschwung erlebten, der schwerer war als in vielen anderen Ländern.

Wer steckt hinter KenFM? Mit seltsamen Verschwörungserzählungen zum Coronavirus erreicht der einstige Radiomoderator «Ken Jebsen» im Internet Zehntausende Menschen und sorgt für grosse Verunsicherung. Der «Spiegel» hat das Leben des Mannes, der eigentlich Kayvan Soufi-Siavash heisst, nachrecherchiert.

Weiter wie zuvor: Als während des weltweiten Shutdown die Wirtschaft teilweise stillstand, ging damit auch der CO2-Ausstoss drastisch zurück. Bereits jetzt ist allerdings alles schon fast wieder wie vor dem Stillstand, wie diese Visualisierung der «New York Times» zeigt.

Frage aus der Community: Meine Lieblingsbadi ist wieder offen. Kann ich mich dort anstecken?

Grundsätzlich gilt auch im Freibad: Wo viele Menschen nah beieinander sind, steigt die Infektionsgefahr. Auch hier sollten Sie also einen Abstand von 2 Metern zu anderen Leuten einhalten und die üblichen Hygieneregeln beachten.

Die Schweizer Schwimmbäder haben ihrerseits entsprechende Vorkehrungen getroffen und müssen gemäss dem Verband Hallen- und Freibäder (VHF) im Moment unter anderem eine Vorgabe von 10 m2 Fläche pro Gast einhalten. Falls Sie nicht sicher sind, ob Ihre Lieblingsbadi nicht doch zu überfüllt ist: Hier finden Sie für viele Freibäder der Schweiz Angaben zur Anzahl freier Plätze.

Ihre Frage bezieht sich wahrscheinlich aber auch auf das Baden. Ob das Virus durch das Badewasser übertragen werden kann, ist nicht vollständig geklärt. Nach heutigem Wissensstand ist dies allerdings wegen des grosszügigen Chloreinsatzes sehr unwahrscheinlich, wie auch die Deutsche Gesellschaft für das Badewesen schreibt. «Alle vorliegenden Erkenntnisse deuten darauf hin, dass Viren durch das Chlor sicher abgetötet werden.» In Freibädern mit Fluss- oder Seezugang wiederum verdünnt die grosse Menge an Wasser eine mögliche Virenlast so sehr, dass kein erhöhtes Risiko besteht, wie der Schweizer Verband festhält.

Kurz, wie das BAG schreibt: «Beim Baden besteht kein spezielles Risiko für eine Covid-19-Ansteckung.»

Zum Schluss: Ein Blick nach Neuseeland, wo zwei Touristinnen für eine kleine Staatskrise sorgten

Neuseeland hatte die Pandemie gemäss offiziellen Meldungen unter Kontrolle, als kürzlich zwei Touristinnen aus Grossbritannien einreisten. Die Behörden entliessen die beiden frühzeitig aus der eigentlich vorgesehenen 14-tägigen Quarantäne für Einreisende, weil sie einen schwer kranken Verwandten besuchen wollten. Auf ihrem Weg trafen sich die beiden Frauen allerdings auch noch mit Freunden. Jetzt müssen 320 Menschen getestet werden – und Premierministerin Jacinda Ardern kündigte an, dass künftig das Militär die Quarantäne von Einreisenden überwachen werde.

Bleiben Sie umsichtig, bleiben Sie freundlich, bleiben Sie gesund.

Bis morgen.

Oliver Fuchs, Olivia Kühni und Daria Wild

PS: Haben Sie Fragen und Feedback, schreiben Sie an: covid19@republik.ch.

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PPPS: Eine Podiumsdiskussion im Rahmen der Festspiele X Zürich widmet sich heute Abend den Zukunftsperspektiven nach der Covid-Krise: Stürzt sie uns in «neue Zwanzigerjahre», in denen Populismus, Nationalismus und Klimaversagen definitiv entgleisen, ja gar ins Autoritäre kippen? Moderiert von Republik-Autor Daniel Binswanger diskutieren heute Abend die NGO-Aktivistin Nora Wilhelm, der Soziologe Harald Welzer sowie der Philosoph Wolfram Eilenberger – live aus dem Festspiel-Studio im «Kosmos».

PPPPS: Sie verzichten diesen Sommer aus Gründen des Klimaschutzes, wegen Geldmangel oder aus Vorsicht auf Flüge? Hier finden Sie eine Bastelanleitung für hochprofessionelle Papierflugzeuge.

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