Berührbar bleiben

Die Solothurner Literaturtage sind für die literarische Schweiz der wichtigste Anlass des Jahres. Wegen Corona fanden sie nun erstmals online statt. Was macht das mit einem Festival, das von persönlichen Begegnungen lebt?

Von Daniel Graf, 25.05.2020

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Am Anfang stehen Simonetta Sommaruga und ein Konjunktiv. Eigentlich hatte die Bundes­präsidentin zur Eröffnung der Solothurner Literatur­tage eine Rede halten wollen. Doch weil gerade vieles sehr anders ist und Solothurn an diesem Wochen­ende für all die Autorinnen und Leser vor allem ein Ort im Web, mündet die Begrüssung der scheidenden Geschäfts­führerin Reina Gehrig in eine Frage: Was hätten Sie uns denn gesagt, Frau Sommaruga? Wenn denn alles gelaufen wäre wie gedacht.

Eine Rede über Politik und Literatur habe sie ursprünglich geplant, sagt Sommaruga, sich dann aber für ein Gespräch mit der Autorin Simone Lappert entschieden. Und weil in diesen Tagen gewöhnliche Wörter für emphatische Formulierungen reichen, könnte man auch sagen: Statt einer Eröffnungs­rede fand eine Begegnung statt. Nicht in Solothurn, streng genommen, sondern auf der Bühne des Berner Schlacht­hauses, aber das spielt, siehe oben, keine Rolle in Zeiten, wo zwar nicht das Virus der grosse Gleich­macher ist, wohl aber, geografisch betrachtet, die URL im Netz.

Es ist jedenfalls kein Wunder, dass schon das Eröffnungs­gespräch ziemlich schnörkellos auf das heimliche Haupt­thema der diesjährigen Literatur­tage zusteuert: das Verhältnis von Nähe und Distanz. Und die Frage, was es für die Literatur bedeutet, wenn die Auseinander­setzung mit ihr nur online stattfinden kann: «im Kachel­land» von Zoom, wie es die Autorin Ines Geipel vor kurzem ernüchtert formulierte.

Für kein Event des hiesigen Literatur­kalenders drängt sich die Frage nach (fehlender) physischer Präsenz derart auf wie für Solothurn. Seit der Verein der Solothurner Literatur­tage 1978 gegründet wurde, war das Festival immer auch – und für manche Besucher vielleicht in erster Linie – ein Begegnungs­ort. Die Route zwischen den Veranstaltungs­orten entlang der Aare war immer auch eine Flanier­meile für Bibliophile, das Festival ein Treffpunkt der gesamten Schweizer Literatur­szene und ein Ort, wo Lesebegeisterte ohne irgend­welche Zugangs­hürden mit «ihren» Autorinnen und Autoren ins Gespräch kommen und darauf wetten konnten, Peter Bichsel mit jeweils wechselnder Entourage in der Genossenschafts­beiz Kreuz anzutreffen.

Wenn aber, fragt Simone Lappert, das Gemeinsam-da-Sein fehlt, wie wird das Ganze trotzdem ein Erlebnis statt nur ein Ereignis? Wie holt man die Intensität ästhetischer Erfahrung und direkter physischer Anwesenheit ins Netz?

Das war – in Theorie und Anschauung – das grosse Thema dieser Literatur­tage. Und wer sie über die zwei Tage im Netz verfolgt hat, konnte eindrück­lich miterleben, wie viel Nähe auch online zustande kommen kann. Bis hin zu dem Punkt, wo es geradezu beklemmend nah wird. Doch davon später.

Jenseits der Lesung

Es war jedenfalls eine radikale, aber wohl richtige Entscheidung der Programm­macher, für die beiden Livetage des Festivals konsequent auf klassische Lesungen zu verzichten. Denn die vielen Online­angebote der ersten Lockdown-Wochen haben auch gezeigt, wo für dieses Format die Grenzen der Übertrag­barkeit ins Digitale liegen. Allzu oft bleibt vor allem der Eindruck eines Verlust­geschäfts – und genuin digital gedachte Lesungs­formate sind so aufwendig und ressourcen­intensiv, dass die wenigsten Autorinnen dafür das nötige Equipment einfach so zu Hause haben. Von Erfahrungs­werten mal ganz abgesehen.

Also blieben für die unterschiedlichen Formate des Online­festivals vor allem zwei grund­legende Richtungen: in die Höhe der Abstraktion – beim Austausch über Grund­fragen der Literatur jenseits des Einzel­texts. Und in die Tiefe der intensiven gemeinsamen Textarbeit – beim kollektiven Übersetzen, bei Werkstatt­gesprächen über noch unveröffentlichte Lyrik und Prosa oder bei digitalen Lesekreis-Meetings mit den Autorinnen aktueller Neuerscheinungen.

Im Eröffnungsgespräch zeigt Simone Lappert allerdings auch, wie sich das Konzept Lesung integrieren lässt, ohne blosser Abklatsch eines analogen Verfahrens zu sein: durch prägnante Kürze und durch Performanz. Lappert «liest» nicht aus ihrem Roman «Der Sprung», wie angekündigt. Sie trägt den Prolog auswendig vor, inszeniert ihn mit grösster Wirkung allein durch Stimm­modulation, reduzierte Gesten und exakt getimte Phrasierungs­bögen.

Simonetta Sommaruga hebt dann auch direkt den Rhythmus dieser Prosa hervor, kommt auf die Bedeutung von Wider­sprüchen und Ambivalenzen in der Literatur zu sprechen, integriert im Lauf des zunehmend intensiven Gesprächs immer wieder ihre Lieblings­zitate aus Lapperts Text und thematisiert die aktuelle Krise, ohne allzu gewollte Sprünge zwischen dem Roman und der gegen­wärtigen Lage. Wie dieses Gespräch wohl verlaufen wäre, hätte an Sommarugas Platz eine ihrer Kolleginnen oder einer ihrer Kollegen gesessen?

So war es diesmal: Bundes­präsidentin Simonetta Sommaruga (Mitte) mit Sicherheits­abstand bei der Eröffnung der Solothurner Literatur­tage mit Geschäfts­führerin Reina Gehrig (links) und Autorin Simone Lappert. Solothurner Literaturtage
So war es vor zwei Jahren: Autor Arno Camenisch sucht die Nähe zum Publikum. Anthony Anex/Keystone

Trotzdem zeigt sich in diesem bemerkens­werten Festival­auftakt auch, wie schwer es ist, die Intensität des Dialogs durch­gängig aufrecht­zuerhalten. Als das Gespräch am Ende bei der gegen­wärtigen Situation der Künstlerinnen und Künstler landet, wäre der geeignete Zeitpunkt, in Sachen «Literatur und Politik» noch einmal konkret zu werden. Jetzt, wo die Kreativen von der Krise besonders hart getroffen sind, dürfe es «keinen Rückschritt in die Selbst­ausbeutung» geben, mahnt Lappert an und fügt hinzu: Genau danach sehe es im Moment aber aus. Die Frage nach langfristigen politischen Gegen­massnahmen steht da wie der Elefant im Raum. Aber Sommaruga bleibt rhetorisch eher wolkig: Man brauche einander, Kultur sei etwas Lebens­notwendiges, und die Gesellschaft habe die Konfrontation mit Ideen und der Fantasie dringend nötig. Die Notlage der Literatur­branche allerdings kommt dann am zweiten Festival­tag zurück aufs Tapet.

Vorher aber: Szenenwechsel. Und zum inhaltlichen Höhepunkt des Festivals.

Warum die Schweiz nicht viersprachig ist

Ein Viertel der Schweizer Bevölkerung hat keinen Schweizer Pass. Im Land sprechen etwa achtmal so viele Menschen Albanisch wie Räto­romanisch. Und hinter den «fünften Landes­sprachen», die im Titel einer von Katharina Altas moderierten Runde standen, verbergen sich Dutzende Idiome, die auch die Sprachen des künstlerischen Ausdrucks von in der Schweiz lebenden Autorinnen sind. Die literarische Schweiz ist nicht vier-, sondern vielsprachig.

Das war die eindrückliche Botschaft eines Podiums­gesprächs zwischen Dragica Rajčić Holzner, Lubna Abou Kheir und der aus Deutschland zugeschalteten Annika Reich. Es war, nebenbei gesagt, auch eines der eindrucks­vollen Beispiele dafür, wie die Intensität der Beschäftigung mit den Inhalten ganz von selbst auch über physische Distanz und technische Hindernisse hinweg Nähe erzeugt.

Die Migrationsliteratur sei heute selbst­verständlicher Teil der Literatur, sagt Rajčić Holzner, die vor vierzig Jahren aus Kroatien in die Schweiz gekommen ist, da habe es eine klare Verbesserung gegeben. Verschlechtert hingegen habe sich die Wahr­nehmung all jener, die nicht schon als bekannte Autorinnen in die Schweiz kämen. Sie hätten Schwierigkeiten, übersetzt und verlegt zu werden. Vom Literatur­betrieb ihrer Herkunfts­länder seien sie ebenfalls abgekoppelt. So bleibe Exilautoren oft nur der Weg, sich die Sprache des Ankunfts­landes auch als literarisches Ausdrucks­mittel anzueignen.

Das geht, immerhin, auch kreativ. Und es gibt eine universelle Dimension des Erzählens: «Die kürzeste Strecke zwischen zwei Ländern ist eine Geschichte», sagt Lubna Abou Kheir mit einem arabischen Sprich­wort. Die in Damaskus geborene Theater­autorin, die 2016 in die Schweiz kam, hatte ihr erstes auf Deutsch inszeniertes Stück ursprünglich noch auf Arabisch geschrieben. Mittlerweile schreibt sie, in Zusammen­arbeit mit dem Theater Neumarkt, direkt auf Deutsch – in einer gebrochenen Sprache allerdings, wie sie sagt. Einer, die das Arabische noch aufscheinen lasse.

Das klare Fazit der Runde: Unabhängig vom literarischen Ausdrucks­idiom braucht es die Einbindung in den Literatur­betrieb vor Ort – und die Vernetzung mit Autorinnen und Autoren des Ankunfts­landes.

Einbindung war deshalb auch das oberste Ziel bei der Gründung von «Weiter Schreiben», einem Berliner Forum für Literatur und Musik, bei dem Autorinnen aus Kriegs- und Krisen­gebieten mit deutsch­sprachigen Kollegen zusammen­arbeiten. Über die Hälfte der exilierten Autorinnen in diesem Projekt hätten mittler­weile einen Verlag gefunden, erzählt die künstlerische Leiterin Annika Reich. Das Erfolgs­geheimnis: Zusammen­arbeit in Tandems – aber nicht als Charity für Geflüchtete, sondern indem die Neuangekommenen als Autorinnen verstanden wurden. Nicht als Repräsentanten einer anderen Literatur – sondern als Teil der deutschen Literaturszene.

Ein Vorzeigeprojekt, meinte Katharina Altas, an dem man sich unbedingt auch in der Schweiz orientieren solle. Gut möglich, dass das bereits geschieht: Denn am Ende des Gesprächs beschlossen die Podiums­teilnehmerinnen auf Initiative von Annika Reich, die Gründung von «Weiter Schreiben Schweiz» anzuschieben.

Moralische Fragen

Es ist dann, rein formal gesehen, beim Abend­podium zu «Literatur und Moral» eine ganz ähnliche Konstellation: Sandra Künzi, Lukas Bärfuss und Moderator Lucas Marco Gisi diskutieren mit gebotenem Sicherheits­abstand live vor Ort aus dem improvisierten Literaturtags­studio im Restaurant Akropolis, Nora Gomringer ist per Video aus Deutschland zugeschaltet. Anders als in der Nachmittags­runde aber bewegte sich das Gespräch eher mäandernd durch das breite Themenfeld. Das lag an assoziativen Sprüngen, die gerade ethische Fragen besonders schlecht vertragen, hatte aber auch viel mit grund­legend verschiedenen Prämissen der Diskutanten zu tun, die auf­zuklären und zu vermitteln leider nur Bärfuss so richtig ein Anliegen schien.

Immerhin: So konnte man den angeblichen Polterer der Schweizer Literatur als Anwalt der Nuancen erleben, der taktvoll differenzierte, was eher pauschal zur Sprache kam, und zusammen­zuführen versuchte, was sich im Diskurs-Hopping verlor. Da geht es einmal in einer einzigen Frage von der Political Correctness über Kanon­veränderung und Mikro­aggressionen zu Trigger-Warnungen und einer Agentur für Sensitivity Reading; worauf die Antwort dann bei einem Einspruch gegen gegenderte Sprache landet.

So geht das eine Weile, und irgendwann erklärt Lukas Bärfuss, er wolle jetzt doch mal eine Lanze für die Political Correctness brechen, schliesslich sei es ein immenser gesellschaftlicher Fortschritt, dass auch marginalisierte Gruppen heute darüber mitentscheiden, wie sie bezeichnet werden. Und die männliche weisse Position sei in der Vergangenheit weniger eine der Mikro- als vielmehr der Makro­aggression gewesen. Sandra Künzi pflichtet bei, wehrt sich aber dagegen, dass der moralische Anspruch an die Literatur delegiert werde. Dieses Podium müsse eigentlich «Wirtschaft und Moral» heissen. Wenn heute Dividenden­ausschüttungen trotz Kurzarbeit beschlossen würden, sei doch schon keiner mehr wirklich erstaunt: «Man erwartet von der Politik und der Wirtschaft gar nichts Besseres mehr – aber von der Literatur schon.»

Worauf Bärfuss gesteht: Doch, verrückter­weise habe er das «erneut wieder nicht für möglich gehalten». Und ob nicht gerade das die Heraus­forderung sei: die Dinge nicht in Zynismus einfach hinzunehmen, sondern sensibel und berührbar zu bleiben, im Positiven wie im Negativen.

Damit hätte es – nach Ausflügen zu Frisch, Handke, Ungarn, Corona und Helmut Schmidts Krisen­management im Deutschen Herbst – eigentlich enden können.

Aber dann kommt fünf Minuten vor Schluss aus dem Publikums-Chat eine Frage zu der Endlosdebatte um Eugen Gomringers Gedicht «avenidas», und obwohl Lucas Gisi versucht, sie an alle drei Diskutanten zu adressieren, landet der Ball dann doch zuerst im Feld von Nora Gomringer, die sich nach zahlreichen Statements zum Streit um ihren Vater nun also nochmals dazu äussern soll.

Es ist der Moment, in dem deutlich wird, dass auch Kommunikation per Video­konferenz direkter und näher sein kann, als uns vielleicht lieb ist. Nora Gomringer spricht von einer «historischen Fehl­leistung in Sachen Rezeption», von einer Kampagne gegen Eugen Gomringer, von den Spuren, die der Streit hinterlassen hat; auch davon, wie sie für die Verteidigung ihres Vaters beschimpft worden sei, bis hin zu Mord­drohungen. Und wer will es ihr verdenken, dass es ihr in diesem Augenblick weniger um Nuancen geht. Auch wenn ihr Resümee der «avenidas»-Debatte ziemlich einseitig ausfällt.

Die Verlegenheit, die darauf folgt, fängt schliesslich Lukas Bärfuss auf: mit der Beobachtung, wie häufig solche Diskussionen völlig entgleiten; und mit dem vielleicht ein wenig situations­bedingten Superlativ, Eugen Gomringer sei «der bedeutendste Schrift­steller des 20. Jahrhunderts», und das werde auch so bleiben.

Vergänglicher schienen glücklicher­weise die Emotionen dieser Schluss­minuten: Am Folgetag konnte man Nora Gomringer bereits wieder leiden­schaftlich und präzise über neue Gedichte von Ruth Loosli diskutieren hören.

Zukunftsfragen

Harter Schnitt, und zurück zur Lage der Literatur­szene in Zeiten der Pandemie. Denn dass die Buch­branche hart von der Krise getroffen wird, war natürlich auch ein Haupt­thema des Festivals.

Zwar hat der Bundesrat gleich zu Beginn des Lockdown einen Nothilfe­fonds in Höhe von 280 Millionen eingerichtet. Und die Kantone betreuen die Massnahme Ausfall­entschädigungen, die dann jeweils mit den Nothilfe­beiträgen verrechnet werden, wie Nicole Pfister Fetz berichtet, die sowohl Geschäfts­führerin des Autorinnen- und Autoren­verbands A*dS als auch Präsidentin des Vereins Suisse­culture Sociale ist, der die Nothilfe des Bundes ausrichtet. Diese ist für die Kultur­schaffenden sämtlicher Branchen vorgesehen, von denen die Literatur nur einen kleinen Teil ausmacht. Und die Buch­handlungen und Verlage sind vom Nothilfe­fonds ganz ausgeschlossen – auch nach der kürzlich beschlossenen Verlängerung bis zum 20. September.

Konkret bedeutet das: Die 1563 freischaffenden Kreativen, die laut Pfister Fetz bisher einen Antrag auf Sofort­hilfe gestellt haben, dürfen derzeit auf durchschnittlich etwa 2000 Franken monatlich hoffen (oder haben den Betrag bereits erhalten). In Zeiten wohlgemerkt, in denen nicht nur Auftritts­möglichkeiten, sondern auch Nebenjobs wegfallen. Mittel- und langfristig aber drohen Autorinnen und Autoren weitere Einbussen, wenn auch Verlage und Buch­handlungen in Not geraten sollten – und damit Programm­plätze, Auftritts­möglichkeiten und die Sichtbarkeit der Bücher weiter abnehmen. Von etwa 30 Prozent Umsatz­einbussen bei Buch­händlern und Verlegerinnen war im Solothurner Gesprächs­kreis die Rede, von der Westschweiz bis zur Deutsch­schweiz. Schon jetzt haben Verlage als Reaktion auf die Krise nicht nur Titel in den Herbst verschoben, sondern auch die Anzahl der Neuerscheinungen reduziert. Man kann sich ausrechnen, was das dann für die sogenannte Biblio­diversität bedeutet.

«Wir sorgen uns vor allem um die kulturelle Vielfalt», sagt Nicole Pfister Fetz im Gespräch mit der Republik. Und Ursi Anna Aeschbacher, Verlegerin des literarischen Verlags die brotsuppe, fordert beim virtuellen Round Table der Buchbranche, es sei dringend an der Zeit, dass literarische Kleinverlage nicht mehr ausschliesslich wie Unter­nehmen behandelt würden, ohne den kulturellen Wert ihrer Arbeit einzupreisen.

Deshalb arbeiten die verschiedenen Institutionen der Branche derzeit am Aufbau einer Buchlobby. Um länger­fristige politische Unter­stützung für Verlage und Buch­handlungen wird bereits gerungen. Konkrete Ergebnisse gibt es allerdings noch nicht.

Und die Autorinnen und Autoren?

«Die Künstler schreien nicht so laut wie andere», hatte Simonetta Sommaruga vielsagend beim Eröffnungs­gespräch gemeint. Ähnlich beobachtet auch Nicole Pfister Fetz, dass Autorinnen oft zu bescheiden aufträten. Und nicht einmal das einforderten, was ihnen längst zustehe, etwa bei Honoraren für Veranstaltungen, die jetzt ausfallen oder mit reduzierter Vergütung ins Digitale verlagert werden.

Auch vor diesem Hinter­grund war es eine starke Geste, dass die Solothurner Literatur­tage an sämtlichen geplanten Veranstaltungen – und damit auch an den verabredeten Honoraren – festgehalten haben: sei es in Form des Logbuchs im Vorfeld oder mit den Liveveranstaltungen jetzt am Wochen­ende. Beides war für das Publikum kostenlos zugänglich – man setzte auf freiwillige Solidaritätsbeiträge.

Weil im Gegenzug durch die Verlagerung ins Digitale bei Fahrt-, Hotel- und Veranstaltungs­kosten habe gespart werden können, werde sie trotzdem mit einer schwarzen Null abschliessen, sagt Geschäfts­führerin Reina Gehrig, die die Solothurner Literatur­tage im August nach sieben Jahren in Richtung Pro Helvetia verlassen wird. Ihr Nachfolger Dani Landolf hat schon beim diesjährigen Festival mitgeholfen, den Kraftakt zu stemmen. Klar ist mit Blick auf 2021 bereits: Trotz der positiven Erfahrung soll die Verlagerung ins Digitale eine Ausnahme bleiben.

Apropos Zukunft des Lesens: Erstmals vergeben wurde bei den diesjährigen Literatur­tagen der neu ins Leben gerufene Schweizer Kinder- und Jugendbuchpreis. Nando von Arb hat ihn mit seiner Graphic Novel «3 Väter» gewonnen. Aber weil die gesamte Shortlist eine Entdeckung wert ist, seien sie hier alle fünf genannt und verlinkt.

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